Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.07.2015, Az. IV ZR 398/13

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 7784

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 398/13

Verkündet am:

22. Juli 2015

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs hat durch
die Vorsitzen-de Richterin [X.],
die Richterin [X.], die Richter Dr.
Karczewski, [X.] und die Richterin [X.] im schriftli-chen Verfahren, bei dem Schriftsätze bis zum 24.
Juni 2015 eingereicht werden konnten,

für Recht erkannt:

Die Revision der Klägerseite gegen das Urteil des [X.] -
9.
Zivilsenat
-
vom 29.
Oktober 2013 wird als unzulässig verworfen, soweit ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung bezüg-lich des 1993 abgeschlossenen Lebensversicherungsver-trages Nr.
[X.]

weiterverfolgt wird.

Im Übrigen sowie im Kostenpunkt wird das Berufungsur-teil auf die Revision aufgehoben und die Sache zur [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.

Der Streitwert wird auf 9.669,34

Tatbestand:

Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. [X.]) be-gehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) [X.]
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zahlung geleisteter Versicherungsbeiträge von vier Lebensversicherun-gen.

Der erste dieser Verträge (Nr.
[X.] ) wurde im Jahr 1993 mit Versicherungsbeginn zum 1.
März 1993 abgeschlossen. Die weiteren drei Verträge -
davon zwei mit Versicherungsbeginn zum 1.
März 1996 und einer mit Versicherungsbeginn zum 1.
März 2004
-
wurden jeweils aufgrund eines Antrags d. [X.] nach dem so genannten Policenmodell des §
5a [X.] in der seinerzeit gültigen Fassung (im [X.] §
5a [X.] a.[X.]) abgeschlossen.
D. [X.] kündigte sämtliche [X.] und erhielt die Rückkaufswerte
aus den ersten drei Verträgen.
Mit Schreiben vom 14.
Juli 2011
erklärte d. [X.] den "Widerspruch gegen das Zustandekommen der Vertragsverhältnisse nach den §§
5a
und 8
[X.]
1994".

Mit der Klage verlangt d. [X.] Rückzahlung aller auf die
Verträge
geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich der
bereits gezahlten Rück-kaufswerte, insgesamt 9.669,34

.

Nach Auffassung d. [X.] sind die Versicherungsverträge
nicht wirk-sam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des -
gegen Ge-meinschaftsrecht verstoßenden
-
§
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.[X.] habe der Widerspruch noch erklärt werden können.

Der Versicherer hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision ver-folgt d. [X.] das Klagebegehren weiter.
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4
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Entscheidungsgründe:

Die Revision ist als unzulässig zu verwerfen, soweit der Bereiche-rungsanspruch bezüglich des 1993 abgeschlossenen Lebensversiche-rungsvertrages weiterverfolgt
wird. Im Übrigen führt sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

I. Dieses hat Prämienrückerstattungsansprüche
aus ungerechtfer-tigter Bereicherung verneint.
Hinsichtlich des 1993 abgeschlossenen Vertrages habe d. [X.] ein Widerspruchsrecht nach §
5a [X.] a.[X.] schon deshalb nicht
zugestanden, weil die Norm erst ab dem 29.
Juli 1994 ge-golten habe. Es sei davon auszugehen, dass d. [X.] bei den weiteren drei Verträgen nicht in hinreichender Weise über sein Widerspruchsrecht ge-mäß §
5a [X.] a.[X.] belehrt worden sei. Der Versicherer habe den ge-nauen Inhalt der angeblich erteilten (nicht vorgelegten) [X.] nicht angegeben. Es sei deshalb nicht möglich, die Einhaltung der Formerfordernisse zu überprüfen. Die pauschale Erklärung, die [X.] seien ordnungsgemäß gewesen, reiche nicht aus. Die Verträge
seien
aber gemäß § 5a Abs.
2 Satz 4 [X.] a.[X.] jeweils ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie rückwirkend endgültig wirksam geworden.

[X.] Die Revision ist mangels Zulassung hinsichtlich des auf den 1993 abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag bezogenen An-spruchs unzulässig. Das Berufungsgericht hat die Revision beschränkt 7
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5
-

im Hinblick auf die streitige Frage einer Europarechtswidrigkeit des -
erst am 29.
Juli 1994 in [X.] getretenen und für den 1993 geschlossenen Vertrag nicht einschlägigen
-
§
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.[X.]
zugelassen. Diese in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils mit der gebo-tenen Deutlichkeit zum Ausdruck gebrachte Beschränkung der Revisi-onszulassung auf die aus dem Widerspruch gegen das Zustandekommen der drei weiteren Verträge abgeleiteten [X.] ist wirksam. Der diesen Forderungen zugrunde liegende Sachverhalt kann in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem für den
ers-ten Vertrag maßgeblichen Prozessstoff beurteilt werden (vgl. [X.] vom 7.
Mai 2014 -
[X.], [X.], 101 Rn.
11).

I[X.] Die Revision ist, soweit sie zulässig ist, begründet.

1. Ansprüche
auf Prämienrückzahlung aus §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB können
d. [X.] mit der vom Berufungsgericht gegebenen Be-gründung nicht versagt werden.

a) Nach dem für das Revisionsverfahren maßgeblichen Sachver-halt ist davon auszugehen, dass der von d. [X.] erklärte Widerspruch

ungeachtet des Ablaufs der in §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.[X.] normierten Jahresfrist
-
rechtzeitig war und infolgedessen die zwischen den Parteien ab 1994 geschlossenen
Versicherungsverträge nicht wirksam zustande gekommen sind.

aa) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Versi-cherer d. [X.] bei diesen Verträgen nicht gemäß §
5a Abs.
2 Satz
1 [X.] 10
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-
6
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a.[X.] in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht [X.] habe.

[X.]) Wenn d. [X.] -
was für das Revisionsverfahren zu unterstellen ist
-
nicht über das Widerspruchsrecht belehrt wurde, bestand dieses nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchser-klärung fort.

Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.[X.] auf der Grundlage der Vorabentscheidung des [X.] der [X.] vom 19.
Dezember 2013 ([X.], 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7.
Mai 2014 ([X.], [X.], 101 Rn.
17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der [X.] und der [X.] keine Anwendung findet und für davon er-fasste Lebens-
und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. [X.] -
wie hier
zu unterstellen

nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherin-formation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.

b) Die Kündigung der Versicherungsverträge
steht dem späteren Widerspruch nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
36 m.w.N.). Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
37 m.w.N.).

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7
-

c) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechts-widrigkeit des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.[X.] sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur ei-ne Rückwirkung entspricht dem [X.] (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
42-44).

2. Die Rückgewähransprüche waren bei Erhebung der Klage im Juni 2012 noch nicht verjährt. Zu diesem Zeitpunkt war die maßgebliche regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist des §
195
BGB nicht abgelau-fen. Diese konnte erst mit Schluss des Jahres 2011 beginnen, da d. [X.] erst in diesem Jahr den Widerspruch erklärte. Der nach einem [X.] gemäß §
5a [X.] a.[X.] geltend gemachte Bereicherungsanspruch entstand erst mit Ausübung des Widerspruchsrechts im Sinne von §
199 Abs.
1 Nr.
1 BGB; jedenfalls zu diesem Zeitpunkt hatte d. [X.] Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners im Sinne von §
199 Abs.
1 Nr.
2 BGB (vgl. Senatsurteil vom 8.
April 2015 -
IV ZR 103/15, [X.], 865 Rn.
19
ff.).

3. Der Höhe nach umfassen
die
Rückgewähransprüche
nach §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. [X.] bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwick-lung den jedenfalls
bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versi-cherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung [X.] (Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
45 m.w.N.).
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Da es auch hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück-zuverweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
46).

[X.] [X.] Dr.
Karczewski

[X.] [X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 03.05.2013 -
332 O 32/12 -

O[X.], Entscheidung vom 29.10.2013 -
9 U 77/13 -

20

Meta

IV ZR 398/13

22.07.2015

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.07.2015, Az. IV ZR 398/13 (REWIS RS 2015, 7784)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 7784

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IV ZR 76/11

IV ZR 103/15

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