Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.03.2023, Az. III ZR 18/21

3. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 7264

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Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 7. Januar 2021 in der Fassung des [X.] vom 13. Januar 2021 - 4 U 64/20 - wird als unzulässig verworfen.

Die Kläger haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten des Streithelfers der Beklagten je zur Hälfte zu tragen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.381 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Kläger sind Eigentümer eines Grundstücks am Fuße des [X.]. Sie nehmen die beklagte Stadt auf Schadensersatz und Vornahme von Sicherungsmaßnahmen an einem oberhalb ihres Grundstücks liegenden Steilhang des [X.] in Anspruch. Zur Sicherung vor Steinschlag brachte die Beklagte im Jahr 2004 Spritzbeton auf diesen Steilhang auf.

2

Die Kläger haben behauptet, Anfang 2019 hätten sich mehrere Gesteinsbrocken aus dem Steilhang gelöst und seien ungesichert auf eine Garage und einen Schuppen hinabgestürzt, die sich auf ihrem Grundstück befänden. Dadurch seien die Dächer beider Gebäude beschädigt worden.

3

Die Kläger haben wegen der Schäden an den Dächern die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 1.381 € nebst Zinsen begehrt (Antrag zu 1). Weiter haben sie beantragt, die Beklagte zu verpflichten, den [X.] oberhalb ihres Grundstücks so abzusichern, dass [X.] und/oder Felsstürze, die auf ihr Grundstück fallen könnten, ausgeschlossen seien (Antrag zu 2). Daneben haben sie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 242,76 € geltend gemacht (Antrag zu 3).

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen und den Streitwert auf "bis 19.000 €" festgesetzt. Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung haben die Kläger ihr Klagebegehren unverändert weiterverfolgt. Zudem haben sie beantragt, den Streitwert auf 30.000 € festzusetzen. Sie haben dies damit begründet, dass die vorzunehmenden Bergsanierungsarbeiten deutlich aufwendiger seien, als noch in erster Instanz angenommen. Das [X.] hat die Berufung zurückgewiesen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf "bis 30.000 €" festgesetzt. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde wollen die Kläger die Zulassung der Revision erreichen, um ihr Klagebegehren weiter zu verfolgen.

II.

5

Die Beschwerde ist unzulässig, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht übersteigt (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

6

1. Es obliegt grundsätzlich dem Beschwerdeführer, darzulegen und glaubhaft zu machen, dass er mit der beabsichtigten Revision die Abänderung des Berufungsurteils in einem die Wertgrenze von 20.000 € übersteigenden Umfang erreichen will. Maßgebend für die Bewertung der Beschwer der Nichtzulassungsbeschwerde ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (Senat, Beschlüsse vom 26. November 2020 - [X.], juris Rn. 8 und vom 27. Mai 2021 - [X.], juris Rn. 7; jeweils mwN). Über die Höhe der Beschwer hat das Revisionsgericht selbst zu befinden; an die Streitwertfestsetzung des Berufungsgerichts ist es nicht gebunden (Senat, Beschlüsse vom 26. November 2020 und vom 27. Mai 2021 aaO; jeweils mwN).

7

2. Soweit das Berufungsgericht die Berufung hinsichtlich des Antrags zu 1 auf Zahlung von 1.381 € zurückgewiesen hat, ist die entsprechende Beschwer der Kläger mit diesem Betrag anzusetzen. Die Zurückweisung der Berufung hinsichtlich des Antrags zu 3 hat hingegen keine besondere Beschwer der Kläger begründet, weil Gegenstand dieses Antrags eine Nebenforderung ist (vgl. [X.], Beschluss vom 24. August 2021 - [X.] 1265/20, [X.], 235 Rn. 7). Damit der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer die in § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vorgegebene Wertgrenze übersteigt, müssten die Kläger demzufolge durch die Zurückweisung der Berufung hinsichtlich des Antrags zu 2 in Höhe von mehr als 18.619 € beschwert sein. Dies haben sie nicht glaubhaft dargelegt.

8

a) Der Wert einer Beseitigungsklage wird allgemein durch das Interesse des Klägers an der Beseitigung bestimmt. Dieses Interesse bemisst sich bei der Störung von Grundeigentum grundsätzlich nach dem Wertverlust, den das Grundstück durch die Störung erleidet ([X.], Beschlüsse vom 12. Juli 2018 - [X.], [X.], 1396 Rn. 7 und vom 24. August 2021 aaO Rn. 9; jeweils mwN). Der für die Beseitigung der Störung erforderliche Kostenaufwand ist für die Bemessung der Beschwer dagegen grundsätzlich unerheblich und auch nicht dem Wert der Beschwer hinzuzurechnen. Er kann im Grundsatz allenfalls mittelbar für die Bestimmung der Beschwer von Bedeutung sein, wenn sich aus ihm ein Anhaltspunkt für die störungsbedingte Wertminderung des Grundstücks ergibt ([X.], Beschlüsse vom 12. Juli 2018 aaO und 12. März 2020 - [X.]/19, juris Rn. 6). Eine Ausnahme gilt dann, wenn sich die Störung nach Art und Umfang nicht in einer Wertminderung des Grundstücks niederschlägt. In einem solchen Fall kann sich der Wert der Beschwer auch nach den Kosten richten, die dem Grundstückseigentümer durch die Störung entstehen und die ohne diese nicht angefallen wären ([X.], Beschlüsse vom 12. Juli 2018 aaO Rn. 10 f und vom 24. August 2021 aaO).

9

b) Die Kläger haben weder zum Wert ihres Grundstücks noch dazu vorgetragen, inwieweit dieser Wert durch die erhöhte Steinschlaggefahr, die von dem Steilhang oberhalb ihres Grundstücks ausgehen soll, gemindert ist. Sie meinen, für die Bemessung der Beschwer sei ausnahmsweise auf die voraussichtlichen Kosten für die zur Abwendung der behaupteten Steinschlaggefahr vorzunehmenden Bergsanierungsarbeiten abzustellen, weil die Gefahr herabfallender Steine "ersichtlich nicht - jedenfalls nicht nur und nicht wesentlich - zu einer Wertminderung des Grundstücks, sondern zu einer Gefahr für Leib, Leben und (anderes, bewegliches) Eigentum der Kläger und derer, die sich auf dem Grundstück aufhalten" führe. Dies trifft nicht zu. Bei der Bemessung der Beschwer können drohende Personenschäden im Allgemeinen nicht isoliert bewertet werden. So ist es auch hier.

Auf sich beruhen kann, ob entsprechend der Auffassung der Kläger die Beschwer sich nach Maßgabe der oben wiedergegebenen Grundsätze auch dann (ausnahmsweise) nach dem für die Beseitigung der Störung erforderlichen Kostenaufwand richten kann, wenn sich der störungsbedingte Wertverlust des Grundstücks insgesamt oder gemessen an der Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung zumindest als "nicht wesentlich" darstellt. Aus dem Vortrag der Kläger ergibt sich schon nicht in nachvollziehbarer Weise, dass diese Voraussetzung im Streitfall erfüllt ist. Abgesehen davon haben die Kläger ihr Vorbringen zu einer "jedenfalls nicht wesentlichen" Wertminderung ihres Grundstücks nicht glaubhaft gemacht.

Es liegt auf der Hand, dass sich die Gefahr von Steinschlag in der Regel auf den Verkehrswert eines zu Wohnzwecken genutzten Grundstücks auswirkt. Dies gilt erst recht, wenn insoweit auch Leib und Leben der Nutzer des Grundstücks gefährdet sind, wie es die Kläger mit Blick auf ihr Grundstück behaupten. Anders als die Kläger meinen, kann der durch die Steinschlaggefahr bedingte Wertverlust des Grundstücks nicht getrennt von der Gefährdung von Leib und Leben bei der Grundstücksnutzung betrachtet werden. Die Höhe des Wertverlustes ist davon abhängig, in welcher Weise und in welchem Umfang die Nutzung des Grundstücks beeinträchtigt ist. Dazu gehört, welche Rechtsgüter in welcher Intensität gefährdet sind. Gleichermaßen kann für die Höhe des Wertverlustes von Bedeutung sein, ob eine Gefahr für das gesamte Grundstück oder nur in Bezug auf räumlich abgrenzbare Grundstücksteile besteht.

Vor diesem Hintergrund fehlt dem [X.], die Steinschlaggefahr habe nach Art und Umfang jedenfalls nur zu einer unwesentlichen Wertminderung des Grundstücks geführt, eine tragfähige Grundlage. Wie bereits ausgeführt, haben die Kläger weder zum Wert ihres Grundstücks noch dazu vorgetragen, inwieweit dieser Wert durch die Steinschlaggefahr gemindert ist. Ebenso wenig haben sie konkrete Angaben dazu gemacht, in welchem Umfang die Nutzbarkeit ihres Grundstücks beeinträchtigt ist. Dem vorgelegten Auszug aus dem Liegenschaftskataster sowie den diesbezüglichen Erläuterungen ist nur zu entnehmen, dass sich gegenüber der am Fuße des [X.] errichteten Gebäude, deren Dächer Anfang 2019 durch [X.] beschädigt worden sein sollen, das Wohnhaus der Kläger befindet. Inwieweit dieser Teil des Grundstücks ebenfalls von der Steinschlaggefahr betroffen ist, geht aus dem Klägervortrag nicht hervor.

c) Der Einwand der Beschwerde, eine Betrachtung, die eine Beschwer maximal in Höhe des Verkehrswerts der vom Steinschlag betroffenen Grundstücksteile anerkennen wolle, laufe "letztlich auf eine kalte Enteignung hinaus", wenn der Grundstückseigentümer die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen nicht zur Not selbst vorfinanzieren könne, führt zu keiner anderen Beurteilung. Dabei kann dahinstehen, dass die Kläger weder zum Verkehrswert ihres Grundstücks vorgetragen noch geltend gemacht haben, selbst keine Sicherungsmaßnahmen ergreifen zu können.

Es trifft schon nicht zu, dass nach den hier zur Anwendung gelangenden Rechtsprechungsgrundsätzen bei der Bemessung der Beschwer nur auf den Verkehrswert der vom Steinschlag betroffenen Grundstücksteile abzustellen ist. Maßgeblich ist, wie bereits ausgeführt, der Wertverlust, den das (gesamte) Grundstück durch die Störung erleidet. Ist nur ein räumlich abgrenzbarer Teil betroffen, kann der Wertverlust zwar geringer ausfallen als bei einer Steinschlaggefahr für das gesamte Grundstück. In diesem Fall wird aber auch regelmäßig das für die Beschwer maßgebliche Interesse des Grundstückseigentümers an der Beseitigung dieser Gefahr geringer sein.

Entgegen der Auffassung der Beschwerde führt die Bemessung der Beschwer anhand des [X.] auch nicht dazu, dass insbesondere in Lagen mit eher geringen Grundstücksverkehrswerten der Eigentümer eines steinschlaggefährdeten Grundstücks dessen Nutzung "sicherheitshalber" einstellen muss statt Eigentums- und effektiven Rechtsschutz beanspruchen zu können. Bei Eröffnung des [X.] steht dem betroffenen Grundstückseigentümer grundsätzlich ein zwei Instanzen umfassendes gerichtliches Verfahren zur Verfügung. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer, um den es hier geht, ist allein für die Frage bedeutsam, ob eine Nichtzulassungsbeschwerde zulässig ist.

d) Fehlt es demnach an hinreichenden Anhaltspunkten für die Bemessung der Beschwer der Kläger durch die Zurückweisung der Berufung hinsichtlich des Antrags zu 2, ist diese Beschwer in Anlehnung an die Bestimmungen in § 23 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 Alt. 1 [X.], § 52 Abs. 2 GKG, § 36 Abs. 3 GNotKG mit 5.000 € zu bemessen (vgl. [X.], Beschluss vom 24. August 2021 aaO Rn. 11 mwN).

Reiter     

  

Arend     

  

Böttcher

  

Herr     

  

Liepin     

  

Meta

III ZR 18/21

30.03.2023

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 7. Januar 2021, Az: 4 U 64/20

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.03.2023, Az. III ZR 18/21 (REWIS RS 2023, 7264)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7264

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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