Bundesfinanzhof, Urteil vom 04.02.2020, Az. IX R 18/19

9. Senat | REWIS RS 2020, 3444

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Gegenstand

Ermittlung der Anschaffungskosten bei Veräußerung eines Teils von zu verschiedenen Preisen erworbenen Stückaktien


Leitsatz

NV: Identifiziert der Steuerpflichtige bei der Veräußerung die zu unterschiedlichen Anschaffungskosten erworbenen Stückaktien, sind für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns i.S. des § 17 EStG die tatsächlichen Anschaffungskosten der veräußerten Stückaktien maßgebend.

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des [X.], [X.], vom 19.02.2019 - 11 K 1800/16 aufgehoben und der Einkommensteuerbescheid 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 17.05.2016 dahingehend geändert, dass die Einkommensteuer unter Berücksichtigung eines Veräußerungsgewinns nach § 17 EStG in Höhe von 0 € auf 154.000 € festgesetzt wird.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind verheiratet und werden im Streitjahr 2013 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie sind als Aktionäre an der [X.] ([X.]) beteiligt.

2

Am 22.11.2007 schlossen die Kläger und ihre beiden Kinder mit dem späteren [X.]orstandsvorsitzenden der sich noch in Gründung befindenden [X.], [X.] ([X.]), eine [X.]ereinbarung, wonach [X.] im Rahmen der Gründung der Aktiengesellschaft 650 von insgesamt 5 000 Stückaktien erhalten sollte (13 %). Zusätzlich übertrug ihm der Kläger mit dem [X.]ertrag schenkweise 600 Aktien (12 %) vor dem Hintergrund, dass [X.] bis zum Ende des Jahres 2013, in dem er das 65. Lebensjahr vollenden würde, als [X.]orstandsvorsitzender der [X.] und der ebenfalls noch zu gründenden … AG tätig sein sollte. Zugleich machte [X.] dem Kläger in der Urkunde I UR …/2007 des [X.] vom 22.11.2007 ein Angebot zum Abschluss eines [X.]ertrages über den Kauf und die Übertragung von 1 250 Stückaktien an der [X.] für den Fall des Ausscheidens des [X.] als [X.]orstandsvorsitzender. In II. Nr. 4 § 3 dieser Urkunde wird der Kaufpreis für die [X.]eräußerung der 1 250 Stückaktien von [X.] an den Kläger nach abstrakten Kriterien festgelegt.

3

Nach Ausscheiden des [X.] aus dem Amt des [X.]orstandsvorsitzenden nahm der Kläger mit [X.] vom 26.11.2012 --eine Stückaktie betreffend-- und vom 15.01.2013 --1 249 Stückaktien betreffend-- das Kaufangebot des [X.] an und erwarb die Aktien zu einem Preis von insgesamt 8.000.000 € (6.400 €/Stückaktie). Die Stückaktien waren weder verbrieft noch nummeriert; über ihre [X.]erteilung wurde ein Aktienregister in Form einer Excel-Tabelle geführt, die bei Änderungen überschrieben wurde.

4

Mit [X.]erträgen vom 10.10.2013 übertrug der Kläger jeweils 50 Aktien an die Klägerin und an seine beiden Kinder.

5

Am 23.10.2013 schlossen der Kläger und die [X.] einen [X.] über den [X.]erkauf von 1 000 Stückaktien zu einem Kaufpreis von insgesamt 6.400.000 €.

6

Mit [X.] vom 26.03.2014 leitete die für die [X.] zuständige Körperschaftsteuerstelle des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) eine von keinem der [X.]ertragsbeteiligten unterzeichnete "Kopie des [X.]es vom 23.10.2013 als Kontrollmitteilung für [Name und Anschrift des [X.]]" der für die [X.]eranlagung der Kläger zuständigen Dienststelle zu. Gegenstand des [X.]ertrages sollte die [X.]eräußerung von 1 000 Stückaktien nebst Nebenrechten an die [X.] sein. Ein bezifferter Kaufpreis ist darin nicht genannt; vielmehr wird auf die abstrakten Regelungen in II. Nr. 4 § 3 der Urkunde I UR …/2007 des [X.] vom 22.11.2007 Bezug genommen und als Bewertungsstichtag der 31.12.2012 festgelegt. Das zwei Seiten umfassende Dokument enthält auf beiden Seiten einen [X.]ermerk des Notars, dass es sich hierbei um die "Anlage zur Urkunde vom 23. Oktober 2013" (4 [X.]) handle. Unter dieser Nummer hatte derselbe Notar eine Niederschrift über die außerordentliche Hauptversammlung der [X.] aufgenommen. Ausweislich der Niederschrift hatte der [X.]orsitzende des Aufsichtsrats als [X.]ersammlungsleiter in der Hauptversammlung erläutert, dass die Gesellschaft beabsichtige, 1 000 nennwertlose Stückaktien zu erwerben, um diese anschließend einzuziehen. Ausweislich der Niederschrift wurde der [X.]orstand zum Erwerb der Stückaktien "gemäß dem als Anlage beigefügten Entwurf eines [X.]es" durch Beschluss der Hauptversammlung ermächtigt.

7

Am 15.12.2014 reichten die Kläger beim [X.] die Einkommensteuererklärung für das Streitjahr ein. Einnahmen aus der [X.]eräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft nach § 17 des Einkommensteuergesetzes i.d.[X.] (EStG) wurden darin nicht erklärt. Das [X.] setzte die Einkommensteuer 2013 mit [X.] vom 27.03.2015 erklärungsgemäß ohne Berücksichtigung eines Gewinns aus dem [X.] auf 154.000 € fest.

8

Mit [X.] vom 20.05.2015 leitete der für die [X.] zuständige Sachbearbeiter der für die Einkommensteuer zuständigen [X.]eranlagungsstelle die Kopie eines auf den 23.10.2013 datierten und unterschriebenen [X.]es zwischen dem Kläger und der [X.] über den [X.]erkauf von 1 000 Stückaktien zu einem Kaufpreis von 6.400.000 € zu. Das [X.] ermittelte daraufhin für den [X.] einen [X.]eräußerungsgewinn in Höhe von 4.569.240 €, unterwarf nach dem Teileinkünfteverfahren 2.741.544 € der Besteuerung und änderte mit [X.] vom 07.10.2015 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung [X.]) die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr auf 1.379.140 €.

9

Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte teilweise Erfolg. Das [X.] berechnete den [X.]eräußerungsgewinn neu und ging von Anschaffungskosten bei Gründung der [X.] in Höhe des Ausgabebetrags von 150 € je Aktie aus. Zudem berücksichtigte es bei der Ermittlung der durchschnittlichen Anschaffungskosten nur die Anzahl der Aktien, die sich im Zeitpunkt des [X.]erkaufs an die [X.] noch im Eigentum des [X.] befunden hatten. Den [X.]eräußerungsgewinn ermittelte es wie folgt:

Anschaffungskosten:

                 

Anschaffung bei Gründung

3 300 St. à 150 € =

495.000 €

Schenkung an [X.]

./. 600 St. à 150 € =

./. 90.000 €

        

2 700 St. à 150 € =

405.000 €

Ankauf von [X.]

  1 250 St. à 6.400 € =

8.000.000 €

Summe 

  3 950 St.

8.405.000 €

        

Durchschnittliche Anschaffungskosten je Aktie

2.127,85 € (8.405.000 €/3 950 St.)

Schenkung an Ehefrau und Kinder

150 St. à 2.127,85 € = 319.177,50 €

Aktienbestand des Klägers:

        

vor der [X.]eräußerung an die A AG

3 800 St. à  2.127,85 €

Anschaffungskosten der weiterveräußerten 1 000 Aktien:

2.127.850 €

[X.]eräußerungsgewinn:

6.400.000 € - 2.127.850 € = 4.272.150 €

[X.]eräußerungskosten wurden nicht geltend gemacht. Nach dem Teileinkünfteverfahren

waren zu versteuern:

60 % von 4.272.150 € = 2.563.290 €.

Dementsprechend änderte das [X.] den Einkommensteuerbescheid 2013 mit der Einspruchsentscheidung vom 17.05.2016 und setzte die Einkommensteuer in Höhe von 1.298.926 € fest.

Die hiergegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) führte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2019, 1836 veröffentlichten Urteil im Wesentlichen aus, das [X.] habe den Einkommensteuerbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO wegen nachträglichen Bekanntwerdens neuer Tatsachen ändern dürfen. Es sei nachträglich bekannt geworden, dass der Kläger im Streitjahr 1 000 Stückaktien an die [X.] verkauft habe. Das [X.] sei auch zu Recht von einem [X.]eräußerungsgewinn in Höhe von 4.272.150 € ausgegangen. Es habe die Anschaffungskosten der veräußerten Stückaktien zutreffend im [X.] mit insgesamt 2.127.850 € ermittelt. Die tatsächlichen Anschaffungskosten für die veräußerten Aktien seien mangels Identifizierbarkeit nicht feststellbar. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, er habe sein Wahlrecht dergestalt ausgeübt, dass er die zuvor von [X.] erworbenen Aktien weiterverkauft habe.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die [X.]erletzung materiellen Rechts (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 17 EStG). Sie tragen im Wesentlichen vor, das [X.] habe zu Unrecht die Anwendung der Änderungsnorm des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bejaht. Die Höhe der Anschaffungskosten sei unzutreffend ermittelt worden. Der Kläger habe die an die [X.] veräußerten Stückaktien zuvor für denselben Preis von [X.] erworben, sodass die Anschaffungskosten dem [X.]erkaufserlös entsprochen hätten und kein [X.]eräußerungsgewinn entstanden sei. Denn die veräußerten Aktien seien aufgrund ihrer rechtlichen Selbständigkeit individualisierbar und könnten nicht vermischt werden. Er habe sein Wahlrecht beim [X.] an die [X.] dahingehend ausgeübt, dass er 1 000 Aktien von den zuvor von [X.] erworbenen und nicht von seinen bei Gründung erworbenen Stückaktien verkauft habe. Es könne nicht auf den wörtlichen Inhalt des [X.]es abgestellt werden, sondern der [X.]ertrag sei nach dem Willen der Parteien auszulegen (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--). Berücksichtige man die Auslegung der [X.]erträge, ergebe sich, dass die Parteien die Übertragung der Aktien gewollt hätten, die von [X.] angekauft worden seien. Dies bedeute, dass das steuerliche Wahlrecht dementsprechend ausgeübt worden sei. Denn bei Ausscheiden des [X.] als [X.]orstandsvorsitzender seien Möglichkeiten gesucht worden, die Aktien von [X.] wieder in Familienbesitz zu bringen und zugleich den Erwerb finanzieren zu können.

Die Kläger beantragen,
das Urteil des [X.] aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.05.2016 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Einkommensteuer unter Berücksichtigung eines [X.]eräußerungsgewinns nach § 17 EStG in Höhe von 0 € auf 154.000 € festgesetzt wird.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Das [X.] schließt sich den Ausführungen des [X.] an.

Entscheidungsgründe

[X.]

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der [X.]orentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Unrecht die [X.]oraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO für eine Änderung des Einkommensteuerbescheides für 2013 vom 27.03.2015 im Streitfall bejaht. Nach dieser [X.]orschrift sind Steuerbescheide nur zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Das [X.] hat unzutreffend einen nach § 17 Abs. 1 EStG anzusetzenden [X.]eräußerungsgewinn in [X.]öhe von 4.272.150 € ermittelt; er beträgt vielmehr 0 €.

1. Das [X.] hat die durchschnittlichen Anschaffungskosten der Stückaktien für die Ermittlung des [X.]eräußerungsgewinns [X.] des § 17 EStG zugrunde gelegt, weil es davon ausgegangen ist, dass die tatsächlichen Anschaffungskosten für die veräußerten 1 000 Stückaktien mangels Identifizierung nicht feststellbar seien. Dies hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

a) Nach § 17 Abs. 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der [X.]eräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, wenn der [X.]er --wie der Kläger im [X.] innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der [X.] qualifiziert beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen gehalten hat. [X.]eräußerungsgewinn [X.] von § 17 Abs. 1 EStG ist gemäß Abs. 2 Satz 1 der [X.]orschrift der Betrag, um den der [X.]eräußerungspreis nach Abzug der [X.]eräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt. [X.]eräußerungspreis [X.] der genannten [X.]orschrift ist der Wert der Gegenleistung, die der [X.]eräußerer durch Abschluss des dinglichen [X.] am maßgebenden Stichtag erlangt (Urteile des [X.] --BF[X.]-- vom 13.03.2018 - IX R 35/16, [X.], 936; vom 11.04.2017 - IX R 4/16, [X.], 1309; vom 13.10.2015 - IX R 43/14, [X.], 326, [X.], 212, m.w.N.).

b) Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 Satz 1 des [X.]andelsgesetzbuchs ([X.]GB) Aufwendungen, die geleistet werden, um einen [X.]ermögensgegenstand zu erwerben. Dazu gehören nach § 255 Abs. 1 Satz 2 [X.]GB auch nachträgliche Anschaffungskosten. Für die Ermittlung des [X.]eräußerungsgewinns ist von den tatsächlichen Anschaffungskosten auszugehen; darum sind für jedes einzelne Wirtschaftsgut, also auch für jedes Wertpapier gleicher Gattung, die tatsächlichen Anschaffungskosten anzusetzen, sofern diese feststellbar sind (BF[X.]-Urteil vom 11.12.2013 - IX R 45/12, [X.], 296, [X.], 578, unter [X.]). Bestehen bezüglich der Kosten Unklarheiten, etwa infolge [X.]ermischung der gattungsgleichen Sachen, dann muss [X.] gegenüber der Bewertung mit den tatsächlichen [X.] der Anschaffungspreis der Einzelsache geschätzt werden. Sofern sonstige Anhaltspunkte für einen zutreffenden Schätzwert fehlen, bleibt als einzige feststehende Schätzungsgrundlage nur der Anschaffungspreis des vermischten Gesamtbestandes übrig, der sich aus der Zusammenrechnung der Einzelkosten ergibt. Daraus folgt für das einzelne Wertpapier ein Durchschnittswert (BF[X.]-Urteil in [X.], 296, [X.], 578).

c) Da die Anteile ihre rechtliche Selbständigkeit behalten (vgl. BF[X.]-Urteile in [X.], 296, [X.], 578; vom 20.04.2004 - [X.]III R 52/02, [X.], 98, [X.], 556, unter 3.a), hat der Anteilseigner die Möglichkeit, frei zu bestimmen, welchen Anteil er veräußert, wenn er die Anteile zu verschiedenen Zeiten und zu verschiedenen Preisen erworben hat (vgl. BF[X.]-Urteile vom 10.10.1978 - [X.]III R 126/75, [X.], 206, [X.] 1979, 77; vom 17.07.1980 - I[X.] R 15/76, [X.], 329, [X.] 1981, 11; [X.] 17 (5) des Amtlichen Einkommensteuer-[X.]andbuchs 2013, Stichwort "Wahlrecht bei teilweiser [X.]eräußerung von Gmb[X.]-Anteilen"). Für die Ermittlung des [X.]eräußerungsgewinns oder -verlustes [X.] des § 17 EStG sind dann die tatsächlichen Anschaffungskosten dieser Anteile maßgebend. Dies setzt jedoch voraus, dass der [X.]eräußerer bereits bei der [X.]eräußerung --z.B. durch die Bezugnahme auf den [X.] bestimmt, welche Anteile er veräußert, und damit diese Anteile identifiziert; andernfalls ist von den durchschnittlichen Anschaffungskosten des [X.]eräußerers auszugehen (BF[X.]-Urteil in [X.], 329, [X.] 1981, 11). Entscheidend für die Identifizierung der veräußerten Anteile ist, ob diese aufgrund objektiver Umstände, wie z.B. den [X.]ertragsunterlagen, bestimmbar sind. Bei einer AG kann die Kenntlichmachung beispielsweise durch Aufnahme der Aktienstücknummern oder der unterschiedlichen Nennbeträge oder durch [X.]erwahrungen in gesonderten Depots erfolgen.

d) Die im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller äußerer Umstände zu treffende Feststellung, welche Anteile im Einzelfall tatsächlich veräußert worden sind, obliegt dem [X.] als Tatsacheninstanz. Die tatsächlichen Feststellungen des [X.] sind vom Revisionsgericht nur daraufhin zu prüfen, ob das [X.] im Rahmen der Gesamtwürdigung von zutreffenden Kriterien ausgegangen ist, alle maßgeblichen Beweisanzeichen in seine Beurteilung einbezogen und dabei nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat (vgl. BF[X.]-Urteile vom 29.11.2007 - I[X.] R 62/05, BF[X.]E 220, 85, [X.] 2008, 557; vom 06.12.2016 - IX R 12/15, BF[X.]E 256, 129, [X.] 2017, 388). Es ist der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. [X.] Willenserklärungen sind so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die [X.]erkehrssitte unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Umstände verstehen musste ([X.]). Entspricht die finanzgerichtliche Auslegung diesen Grundsätzen, ist sie für den erkennenden Senat bindend, auch wenn sie zwar nicht zwingend, aber möglich war.

e) Die Entscheidung des [X.] kann keinen Bestand haben, weil es maßgebende Beweisanzeichen bei der Identifizierung der veräußerten Stückaktien nicht berücksichtigt hat. So erkennt das [X.] nicht, dass der in der [X.] vom 26.03.2014 enthaltene Entwurf des [X.] vom 23.10.2013 im Rahmen der abstrakten Regelung für den Kaufpreis der 1 000 Stückaktien ausdrücklich auf [X.] Nr. 4 § 3 der Urkunde I UR …/2007 des [X.] vom 22.11.2007 (notariell beurkundetes Angebot des [X.] an den Kläger zum Abschluss eines [X.]ertrages über den [X.]erkauf und die Übertragung von 1 250 Stückaktien an der [X.]) Bezug nimmt und damit bestimmt, dass der zwischen [X.] und dem Kläger je Stückaktie vereinbarte [X.]eräußerungspreis in [X.]öhe von 6.400 € auch für die [X.]eräußerung der 1 000 Stückaktien vom Kläger an die [X.] gelten soll. In dem unterschriebenen [X.] vom 23.10.2013 wird dann lediglich die abstrakte Regelung durch das konkrete Berechnungsergebnis (6.400 €/Stückaktie) ersetzt.

2. Die Sache ist spruchreif. Da das [X.] durch Bezugnahmen nach § 105 Abs. 3 Satz 2 [X.]O den Inhalt der [X.]ereinbarungen umfassend festgestellt hat, kann der Senat selbst nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]O die rechtlichen Folgerungen hieraus ziehen. Weiterer Aufklärungsmaßnahmen bedarf es nicht. Durch die Bezugnahme des [X.]ertragsentwurfs auf [X.] Nr. 4 § 3 der Urkunde I UR …/2007 des [X.] vom 22.11.2007 wird deutlich, dass der Kläger die an die [X.] veräußerten Stückaktien zuvor für denselben Preis von [X.] erworben hat. Dementsprechend haben die [X.]ertragsparteien in den [X.] vom 23.10.2013 einen Kaufpreis von 6.400 €/Stückaktie eingetragen. Dieses Ergebnis wird zudem durch weitere Belege bestätigt. Der zweiseitige [X.]ertragsentwurf enthält auf jeder Seite einen notariellen [X.]ermerk, der klarstellt, dass dieses Dokument Gegenstand der außerordentlichen [X.]auptversammlung der [X.] am 23.10.2013 und damit die Grundlage für den darin gefassten Beschluss der [X.]auptversammlung war, den [X.]orstand der [X.] zum Erwerb der Stückaktien "gemäß dem als Anlage beigefügten Entwurf eines [X.]" zu ermächtigen. Der [X.] vom 23.10.2013 beinhaltet daher eine [X.]erknüpfung mit dem [X.]. Dieser hat sein Wahlrecht beim Aktienverkauf an die [X.] dahingehend ausgeübt, dass er 1 000 Aktien von den zuvor von [X.] erworbenen und nicht von seinen bei Gründung erworbenen Stückaktien verkauft hat. Die Anschaffungskosten der veräußerten 1 000 Stückaktien (6.400.000 €) entsprachen daher dem [X.]erkaufserlös (6.400.000 €), sodass kein [X.]eräußerungsgewinn [X.] des § 17 EStG entstanden ist.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

IX R 18/19

04.02.2020

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 19. Februar 2019, Az: 11 K 1800/16, Urteil

§ 17 Abs 1 EStG 2009, § 17 Abs 2 EStG 2009, § 255 Abs 1 HGB, § 133 BGB, § 157 BGB, EStG VZ 2013

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 04.02.2020, Az. IX R 18/19 (REWIS RS 2020, 3444)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3444

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