Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.06.2012, Az. VIII ZR 92/11

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 5697

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VIII ZR 92/11
Verkündet am:

13. Juni 2012

Ring,

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
[X.] § 549 Abs. 3
Zum Begriff des
Studentenwohnheims im Sinne des §
549 Abs.
3 [X.].

BGH, Urteil vom 13. Juni 2012 -
VIII ZR 92/11 -
[X.]

[X.]

-
2
-
Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. April 2011 durch den Vorsitzenden
Richter [X.], die Richterinnen Dr.
Milger, Dr.
Hessel und Dr.
Fetzer sowie [X.]
Bünger
für Recht erkannt:
Die Revision des [X.] gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des [X.] vom 25.
Februar 2011 wird [X.].
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger (ursprünglich O.

S.

, nach dessen Tod seine Erben) nimmt den Beklagten auf Räumung eines möblierten Wohnheimzimmers in [X.]. Die Parteien streiten darüber, ob es sich dabei um Wohnraum in einem Studentenwohnheim im Sinne des §
549 Abs. 3 [X.] handelt und deshalb der [X.] Kündigungsschutz (§ 573 [X.]) keine Anwendung findet.
Das Anwesen des [X.], in dem der Beklagte seit dem 1. März 2004 [X.] bewohnt, verfügt über [X.], von denen mindestens vier nicht an Studenten vermietet sind. Die Baugenehmigung wurde 1972 für ein Studen-tenwohnheim erteilt. [X.] wurden aus Landesmitteln zur Förderung von Studentenwohnheimen öffentlich gefördert; die Preisbindung ist inzwischen ent-fallen. [X.] sind etwa 12
qm groß. Küche, Sanitäranlagen 1
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3
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und Waschräume sind als Gemeinschaftsräume ausgeführt. Die gegenwärtige monatliche Teilinklusivmiete des Beklagten beträgt 190

Die mit den
Mietern abgeschlossenen Verträge sind regelmäßig auf ein Jahr befristet und verlängern sich jeweils um ein Semester, wenn nicht drei [X.] vor Semesterende eine Kündigung erfolgt. Viele Mieter bleiben nur ein bis zwei Semester in dem Wohnheim des [X.], einige -
wie der Beklagte
-
auch viele Jahre. Am 27.
Dezember 2008 kündigte der Kläger dem Beklagten schrift-lich unter Hinweis auf "Hetzereien und Reibereien gegenüber uns und Dritten"
zum 31.
März 2009.
Das Amtsgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Räumung und Herausgabe verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten ist er-folgreich gewesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision er-strebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht ([X.], [X.], 167) hat zur [X.] seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Dem Kläger stehe mangels wirksamer Kündigung kein Anspruch auf Räumung und Herausgabe des möblierten Zimmers zu. Die Vorschrift des §
573 Abs.
3 Satz
1
[X.], wonach der Vermieter die Gründe für ein berechtig-tes Interesse in dem Kündigungsschreiben anzugeben hat, sei vorliegend an-3
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wendbar, da die Voraussetzungen des §
549 Abs.
3 [X.] zum Vorliegen eines Studentenwohnheims nicht erfüllt seien.
Dass sich s[X.] in einem als "Studentenwohnheim"
bezeichneten Gebäude befinde, dessen Errichtung als solches öffentlich gefördert gewesen sei und das die typische Aufteilung eines Wohnheims aufweise und überwie-gend von Studenten bewohnt werde, genüge nicht, um das [X.] des Studentenwohnheims im Sinne des §
549 Abs.
3 [X.] zu erfüllen.
Es komme vielmehr entscheidend darauf an, ob Wohnraum in einem hierfür bestimmten und geeigneten Gebäude an Studenten auf der Grundlage eines institutionalisierten [X.]n Förderkonzepts vermietet werde. Die Woh-nungsnot der Studenten solle nach dem Willen des Gesetzgebers gerade dadurch gelindert werden, dass durch einen planmäßigen zügigen Bewohner-wechsel eine möglichst gleichmäßige Versorgung der Studentenschaft mit Wohnheimplätzen verwirklicht werde. Dieses Förderkonzept müsse sich mit hinreichender Deutlichkeit aus Rechtsnormen (z.B. §
2 Abs.
2 [X.]. der jeweiligen Satzung des [X.]), entsprechender Selbstbindung (Stiftungs-
oder Vereinssatzung, Gesellschaftsvertrag) oder einer konstanten tatsächlichen Übung ergeben.
Hieran fehle es beim Wohnheim des [X.]. Der Ausschluss des [X.] rechtfertige sich gerade aus dem Rotationssystem, das den [X.]n Mieterschutz der Bewohner hinter die nicht minder wichtige [X.] Gleichbehandlung aller potenziellen Bewohner zurücktreten lasse. Vorliegend fehle es vor allem, möge es auch zu einem häufigen Mieterwechsel kommen, am Rotationsprinzip. Die Rotation müsse nach abstrakt-generellen Kriterien vom Träger gefordert und gehandhabt werden. Dies sei beim Wohnheim des 8
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[X.] nicht ersichtlich. Letztlich liege es bei den Studenten, ob sie nur kurz-zeitig im Hause des [X.] verblieben oder dort längere Zeit wohnten.

II.
Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.
Das Berufungsgericht hat die Kündigung vom 27. Dezember 2008 zu Recht für unwirksam gehalten. Denn das Anwesen, in dem sich [X.] befindet, ist nicht als Studentenwohnheim im Sinne des § 549 Abs. 3 [X.] zu qualifizieren; eine Kündigung ist deshalb nur möglich, wenn der Vermieter ein -
hier vom Kläger nicht dargelegtes
-
berechtigtes Inte-resse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat (§ 573 Abs. 1 [X.]).
1. Gemäß § 549 Abs. 3 [X.] gilt die Kündigungsschutzvorschrift des §
573 [X.] nicht für Wohnraum in einem Studentenwohnheim. Bei derartigem Wohnraum kann der Vermieter das Mietverhältnis mithin durch eine ordentliche Kündigung beenden, ohne dass es auf ein berechtigtes Interesse (§
573 Abs.
1 [X.]) des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses ankommt.
2. Das Gesetz führt nicht näher aus, unter welchen Voraussetzungen ein Wohngebäude als Studentenwohnheim im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist. Überwiegend wird angenommen, dass der Begriff des Studentenwohnheims restriktiv auszulegen ist, weil studentische Mieter im Vergleich zu anderen [X.] nicht weniger schutzbedürftig seien ([X.], [X.], 86, 88; vgl. auch [X.]t-Futterer/Blank, Mietrecht, 10. Aufl., § 549
[X.]
Rn.
34; [X.]/
[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 549 Rn. 23).
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a) Uneinigkeit besteht allerdings hinsichtlich der Frage, welche Kriterien zur Einschränkung heranzuziehen sind.
Vielfach wird eine Eignung und "Widmung"
des Gebäudes als Studen-tenwohnheim gefordert ([X.], [X.], 539;
AG [X.], [X.], 133;
[X.]/[X.]/[X.], aaO; [X.], Mietrecht aktuell, 4. Aufl., Rn.
XI 385;
[X.] in [X.]/Sonnenschein, Miete, 10. Aufl., §
549 Rn.
26;
[X.]t-Futterer/Blank, aaO). Teilweise wird daneben auf einen im Vergleich zur ortsüblichen Miete günstigeren Mietzins abgestellt ([X.], aaO; AG [X.], aaO; [X.], aaO; [X.], aaO; [X.]/[X.]/[X.], aaO; [X.], [X.], 13. Aufl., § 549 Rn. 8; [X.]/
[X.], [X.], 13. Aufl., §
549 Rn. 10).
Andere Stimmen gehen davon aus, dass ein Studentenwohnheim jeden-falls nicht vorliegt, wenn der Vermieter mit Gewinnerzielungsabsicht handelt ([X.]t-Futterer/Blank, aaO Rn. 34 f.; [X.] in [X.]/Sonnen-schein, aaO; [X.]/[X.], [X.], 71. Aufl., § 549 Rn. 20; Feldhahn/
[X.] Prütting/Wegen/Weinreich, [X.], 7. Aufl., § 549 Rn. 8; [X.]/[X.]/[X.], aaO; [X.]/[X.]/[X.], Mietrecht, 3.
Aufl., §
550 [X.] Rn. 25; vgl. auch [X.], NJW-RR 1989, 266; [X.], [X.], 128; AG [X.], aaO; aA MünchKomm[X.]/[X.], 6.
Aufl., §
549 Rn.
30; [X.]/[X.], aaO). Teilweise wird zudem oder alternativ darauf abge-stellt, ob
die Vergabepraxis des Vermieters darauf ausgerichtet ist, eine Vielzahl von Studenten mit Wohnraum zu versorgen ([X.], aaO; [X.], aaO; [X.]/[X.], aaO; vgl. auch [X.], aaO; aA Münch-Komm[X.]/[X.], aaO).
b) Der Senat folgt der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung. Aus der Entstehungsgeschichte des § 549 Abs. 3 [X.] ergibt sich, dass der Ge-15
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setzgeber die Einschränkung im Bereich des [X.]n Mieterschutzes nur vor dem Hintergrund des als höher gewichteten Ziels für gerechtfertigt gehalten hat, möglichst vielen Studierenden das Wohnen in einem Studentenwohnheim zu ermöglichen und dabei alle Bewerber gleich zu behandeln; diese Zielrichtung muss sich, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, in einem entspre-chenden Belegungskonzept niederschlagen.
aa) Die Vorschrift geht zurück auf die Regelung in § 564b Abs. 7 Nr. 3 [X.] aF, die durch das Gesetz zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen vom 20. Dezember 1982 ([X.]l. I S. 1912) eingeführt wurde. Hintergrund der Novellierung war, dass es den Trägern von Studentenwohnheimen nicht mehr lösbare rechtliche Schwierigkeiten bereitete, die Mietverträge mit den Studenten zeitlich zu begrenzen und so eine möglichst große Zahl von Bewerbern in den Genuss eines günstigen Wohnheimplatzes zu bringen (sog. Rotationsprinzip). Die Fluktuation der Belegung wurde jedoch vom Gesetzgeber im Hinblick auf den zu geringen Bestand an Wohnheimplätzen aus Gründen der [X.] als notwendig angesehen (BT-Drucks. 9/2079, S. 11).
bb) Der vom Gesetzgeber gewollte zügige [X.] bei gleicher Behandlung der Interessenten kann nur erreicht werden, wenn der Vermieter in dem Wohnheim ein Belegungskonzept praktiziert, das an studentischen Belan-gen ausgerichtet ist und im Interesse der Versorgung vieler Studenten mit Wohnheimplätzen eine Rotation nach abstrakt-generellen Kriterien praktiziert. Die Dauer des Mietverhältnisses muss dazu im Regelfall zeitlich begrenzt sein und darf nicht den Zufälligkeiten
der studentischen Lebensplanung oder dem eigenen freien Belieben des Vermieters überlassen bleiben. § 549 Abs. 3 [X.] dient nicht dazu, dem Vermieter eine im Einzelfall gewollte Vertragsbeendigung mit ihm nicht genehmen Mietern zu ermöglichen. Die für [X.] vor-gesehene Ausnahme vom [X.]n Kündigungsschutz dient allein dem [X.]n 19
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Zweck, eine Fluktuation zu ermöglichen und den frei werdenden Wohnraum wiederum anderen Studenten unter Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsat-zes zur Verfügung zu stellen.
Das der Rotation zugrundeliegende, die Gleichbehandlung aller Bewer-ber wahrende Konzept des Vermieters muss sich dabei -
worauf das [X.] ebenfalls zu Recht abstellt
-
mit hinreichender Deutlichkeit aus Rechtsnormen, entsprechender Selbstbindung oder jedenfalls einer konstanten tatsächlichen Übung ergeben.
[X.]) Die Höhe der Miete allein ist hingegen -
anders als die Revision meint
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kein hinreichendes Kriterium, [X.] in Studentenwohn-heimen in der Regel deutlich günstiger sind
als vergleichbarer anderweitiger Wohnraum (vgl. [X.], [X.], 6, 10). Abgesehen davon, dass die [X.], ob Wohnraum "preiswert"
ist oder nicht, schwer zu beurteilen ist, kann allein mittels einer günstigen Miete die vom Gesetzgeber gewollte Fluktuation nicht erreicht werden. Vielmehr verhält es sich so, dass bei einer besonders günsti-gen Miete die Studenten möglichst lange in dem Wohnheim verbleiben werden und so andere Interessenten gerade keine Möglichkeit haben, in den Genuss eines Wohnheimplatzes zu kommen. Umgekehrt steht nicht jeder erzielte [X.] der Einstufung eines Anwesens als Studentenwohnheim entgegen, sofern der Vermieter dennoch ein Konzept praktiziert, bei dem durch einen planmäßi-gen zügigen [X.] eine möglichst gleichmäßige Versorgung der Studentenschaft mit [X.] verwirklicht wird.
4. Gemessen an den vorgenannten Voraussetzungen handelt es sich bei dem klägerischen Anwesen nicht um ein Studentenwohnheim im Sinne des §
549 Abs. 3 [X.]. Denn es ist nicht ersichtlich, dass in dem vom Kläger betrie-benen Wohnheim ein abstrakt-generellen Kriterien folgendes [X.]s Rotati-21
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onssystem praktiziert worden wäre. Die
in den Mietverträgen enthaltene [X.] auf ein Jahr mit Verlängerungsoption für jeweils ein weiteres Semester stellt entgegen der Auffassung der Revision noch kein "[X.]s Rotationssys-tem"
dar. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die vertragliche [X.] vom Kläger zumindest im Rahmen einer beständigen Praxis nach einem bestimmten, auf die gleichmäßige Berücksichtigung aller Studenten gerichteten [X.] ausgeübt worden wäre.
[X.]
Dr. Milger
Dr. Hessel

Dr. Fetzer
Dr. Bünger
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 10.09.2010 -
30 C 280/09 -

[X.], Entscheidung vom 25.02.2011 -
5 [X.]/10 -

Meta

VIII ZR 92/11

13.06.2012

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.06.2012, Az. VIII ZR 92/11 (REWIS RS 2012, 5697)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5697

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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