Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.11.2014, Az. XI ZR 480/13

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 1023

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
XI ZR 480/13
Verkündet am:

25.
November 2014

Weber,

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der XI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 25.
November 2014
durch [X.]
Joeres als Vorsitzenden, [X.]
Ellenberger, [X.] und Dr.
Matthias sowie die Richterin
Dr.
Derstadt
für Recht erkannt:
Die Revision der [X.] gegen das Urteil des 13.
Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 4.
Dezember 2013 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger
verlangt von der beklagten Bank Schadensersatz im [X.] mit dem Erwerb von Zertifikaten der inzwischen insolventen [X.] B.V.
Der Kläger, der bei der [X.] seit dem Jahre 1991 Kunde ist und zum damaligen Zeitpunkt bereits über Erfahrungen mit Kapitalanlagen in Aktien, Aktienfonds und Zertifikaten auf Aktienindizes verfügte, erwarb am 22.
November 2007 auf Empfehlung eines Mitarbeiters der [X.] (nachfol-gend: Berater) 40 Stück des "[X.] auf fünf [X.]" (nachfolgend: [X.]) zum Nennwert von 39.328

n-tin des Zertifikats war die [X.] [X.] B.V. (nachfolgend: Emittentin), deren Verbindlichkeiten die [X.] 1
2
-
3
-
Lehman [X.] garantierte (nachfolgend: [X.]). Zuvor war dem Kläger am 21.
November 2007 eine Produktinformation über das Zertifikat zugefaxt worden. Danach bezog sich das Zertifikat bei einer fünfjährigen Lauf-zeit bis zum 2.
November 2012 zu jeweils 20% auf die Aktienkurse fünf interna-tionaler Banken, wobei die Emittentin jedem Anleger unabhängig von der Ent-wicklung dieser Basiswerte (Underlyings) "eine Kapitalgarantie von 100% des [X.] zum Laufzeitende" gewährte.
Im Mai 2008 erwarb der Kläger auf Empfehlung des Beraters 100 Stück Lehman-Zertifikate "LB 6 Jahres CatchUp Note auf sechs DAX-Werte" (nach-folgend: [X.]) zum Nennwert von 100.000

t-te eine Laufzeit von sechs
Jahren bis zum 23.
Mai 2014, bezog sich auf die [X.] von sechs DAX-Unternehmen und beinhaltete ebenfalls einen 100%igen Kapitalschutz zum Laufzeitende. Der [X.] für das Zertifikat wurde dem Kläger nicht übergeben.
Beiden Zertifikaten lagen die Endgültigen Bedingungen der Emittentin vom 16.
November 2007 bzw. 20.
Mai 2008 zum Basisprospekt vom 28.
August 2007 zu Grunde, die dem Kläger jedoch ebenfalls nicht übergeben wurden. [X.] sollte die Emittentin am Laufzeitende unabhängig von der Entwicklung der Basiswerte mindestens 100% des eingezahlten Kapitals an den Anleger zu-rückzahlen. Im Basisprospekt der Emittentin, den der Kläger gleichfalls nicht erhielt, werden die Zertifikate als "Inhaberschuldverschreibungen ... mit einer Rückzahlung bei Endfälligkeit in Höhe von mindestens 100% des festgelegten Nennbetrages oder des [X.] pro Schuldverschreibung ('Kapitalge-schützte Schuldverschreibungen' genannt)" definiert. Zugleich wird der Emitten-tin ein Sonderkündigungsrecht aus Steuergründen oder aus anderen in den Endgültigen Bedingungen genannten Gründen eingeräumt, auf das der Kläger von der [X.] nicht hingewiesen wurde.
3
4
-
4
-
Im Basisprospekt vom 28.
August 2007 heißt es dazu unter der Über-schrift "Kündigungsrechte und Vorzeitige Rückzahlung und Vorzeitiger Rück-zahlungsbetrag" unter anderem:
"Die Schuldverschreibungen sind für die Emittentin und die Anleihegläubiger nur kündbar, sofern die betreffenden Endgültigen Bedingungen ein Kündigungsrecht

Schuldverschreibungen können aus Steuergründen, nach Eintritt eines Kündigungs-grundes oder eines anderen in den Endgültigen Bedingungen festgelegten zusätzli-chen [X.] vorzeitig zurückgezahlt werden. Die Endgültigen Be-dingungen können vorsehen, [dass] der in diesem Zusammenhang zu zahlende Vor-zeitige Rückzahlungsbetrag der marktgerechte Wert der Schuldverschreibungen ist, der angepasst wurde, um etwaigen angemessenen Aufwendungen und Kosten bei der Auflösung von damit in Zusammenhang stehende[n] Absicherungs-
und Finan-zierungsvereinbarungen der Emittentin [Rechnung zu tragen]."

In den jeweiligen Endgültigen
Bedingungen zum Basisprospekt vom 28.
August 2007 heißt es unter der Überschrift "Sonstige Vorzeitige Rückzah-lung der Schuldverschreibungen":
"Gemäß den Konsolidierten Bedingungen kann die Emittentin die [X.] (unter anderem aus steuerlichen Gründen gemäß §
6(I) der Konsolidierten Bedingungen oder als mögliche, durch die [X.] bestimmte Folge eines Fusionsereignisses, Übernahmeangebots, Delistings, einer Verstaatlichung oder In-solvenz gemäß §
4(f) der Konsolidierten Bedingungen) vor dem Endfälligkeitstag zu-

Der in einem solchen Fall fällige Vorzeitige Rückzahlungsbetrag (wie in §
[X.]) defi-niert) wird von der [X.] nach deren billigem Ermessen in [X.] vernünftiger Weise als der zu diesem Zeitpunkt marktgerechte Wert der Schuldverschreibungen festgestellt, wie näher in den Konsolidierten Bedingungen beschrieben.
5
6
-
5
-
[Im Original fett gedruckt:] Investoren sollten beachten, dass im Falle einer solchen Vorzeitigen Rückzahlung dieser marktgerechte Wert unter Umständen unter dem Festgelegten Nennbetrag pro Schuldverschreibung bzw. dem Betrag, den ein Inves-tor für die Schuldverschreibungen gezahlt hat, liegen kann und möglicherweise Null betragen kann."

In den Konsolidierten Bedingungen werden als weitere zusätzliche Be-endigungsgründe geplante oder durchgeführte
Veränderungen oder Ergänzun-gen steuerrechtlicher Vorschriften in den Ländern genannt, in denen die Emit-tentin und die [X.] ihren Sitz haben. Außerdem heißt es in den Konsolidier-ten Bedingungen unter der Überschrift "Vorzeitige Rückzahlung":
"Eine vorzeitige Rückzahlung der Schuldverschreibung zum vorzeitigen Rückzah-lungsbetrag kommt nur gemäß §
4(f) (Folgen zusätzlicher Beendigungsgründe), §
6(l) (Rückzahlung aus steuerlichen Gründen) oder §
8 (Kündigungsgründe) in [X.].
Der "Vorzeitige Rückzahlungsbetrag" einer Schuldverschreibung, den die Emittentin bei Rückzahlung einer Schuldverschreibung gemäß §
4(f), §
6(l) oder bei deren Fäl-ligkeit gemäß § 8 zu zahlen hat, ist der von der [X.] unter Berücksich-tigung der Grundsätze von Treu und Glauben und in kaufmännisch vernünftiger [X.] unmittelbar vor einer solchen Rückzahlung (ungeachtet der dazu führenden Um-stände) festgelegte marktgerechte Wert der Schuldverschreibungen, der angepasst wurde, um etwaigen angemessenen Aufwendungen und Kosten bei der Auflösung von zu Grunde liegenden und/oder damit in Zusammenhang stehender Absiche-rungs-
und Finanzierungsvereinbarungen (unter anderem einschließlich von [X.], Aktienswaps oder sonstigen Instrumenten gleich welcher Art, welche die Verpflichtung der Emittentin aus diesen Schuldverschreibungen absichern oder fi-nanzieren) vollauf Rechnung zu tragen.
Zur Klarstellung: Die Anleihegläubiger haben in diesem Zusammenhang neben dem Anspruch auf den [X.] keine weiteren [X.]
-
6
-
che (sofern diese nach den Bedingungen zahlbar sind) vor dem Tag dieser vorzeiti-gen Rückzahlung.
[Im Original fett gedruckt:] In einem solchen Fall kann der Vorzeitige [X.] pro Schuldverschreibung unter dem Festgelegten Nennbetrag pro [X.] liegen oder null betragen."

Im September 2008 wurde die [X.] insolvent, was die Insolvenz der Emittentin nach sich zog.
Mit seiner Klage verlangt
der Kläger nach Abzug erhaltener Zahlungen aus dem Insolvenzverfahren der Emittentin die Rückzahlung des darüber hin-ausgehenden [X.] in Höhe von 98.709,64

Zug gegen Übertragung der Zertifikate, die Zahlung vorgerichtlicher [X.] sowie die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Zertifikate in Verzug befindet. Die Klage hatte in den Vorinstanzen ganz überwiegend Erfolg. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision ver-folgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet.

I.
Das Berufungsgericht
hat zur Begründung seiner
Entscheidung (BeckRS 2014, 14742) im Wesentlichen ausgeführt:
8
9
10
11
-
7
-
Die Empfehlung der Zertifikate sei nicht anlagegerecht gewesen. Da es sich um [X.]e handle, habe die Beklagte den Kläger über das in den Anleihebedingungen geregelte Sonderkündigungsrecht der Emittentin [X.] müssen. Dieses Kündigungsrecht sei bei [X.] ein für die Anlageentscheidung wesentlicher und damit aufklärungsbedürftiger Umstand. Denn bei solchen Zertifikaten garantiere die Emittentin die
Rückzahlung des [X.], so dass sich das Risiko des Anlegers darauf beschränke, dass mit dem Anlagebetrag möglicherweise keine Gewinne erwirtschaftet würden oder die Emittentin insolvent werde. Diesem Wesensmerkmal stehe das [X.] entgegen, weil der von der [X.] festzulegen-de Marktwert den Anlagebetrag unterschreiten oder sogar Null betragen könne. Durch die allgemeinen Hinweise in den für verschiedene Anlageprodukte [X.] "Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapiere", aus [X.] sich ein Anleger die seine beabsichtigten Geschäfte betreffenden [X.] erst heraussuchen müsse, sei der Kläger über das Kündigungsrecht der Emittentin nicht ausreichend aufgeklärt worden. Auch eine Information des [X.] über das [X.] der Emittentin habe zur Aufklärung über die mit der Ausübung des Kündigungsrechts verbundene Gefahr eines Kapitalverlustes nicht genügt, da das Kündigungsrecht von Voraussetzungen abhänge, die nichts mit einer Insolvenz der Emittentin zu tun hätten. Bei dem Kündigungs-recht handle es sich auch nicht um eine für Störungen der Geschäftsgrundlage gesetzlich ohnehin geregelte Rechtsfolge, denn bei Zertifikaten mit einer Kapi-talgarantie zum Laufzeitende werde das [X.] gerade auf die Emittentin verlagert und der Anleger -
solange die Emittentin nicht insolvent werde
-
davon befreit. Den Anlegern drohe wegen der in den Anleihebedingun-gen für den Kündigungsfall enthaltenen Berechnungsvorschriften ein nicht un-erhebliches Risiko,
dass der durch die [X.] ermittelte Marktpreis unterhalb des [X.] liege und auch durch die Rendite nicht [X.]
-
8
-
chen werde. Auch der Umstand, dass es sich hierbei um ein nicht sehr wahr-scheinliches Risiko handle und es dem Kläger angeblich in erster Linie auf die Rendite angekommen sei, rechtfertige keine andere Bewertung, da für die An-leger eines [X.]s selbst ein geringes Risiko von wesentlicher Be-deutung sei.
Die aufgrund der schuldhaften [X.] der [X.]n zugunsten des [X.] bestehende Vermutung aufklärungsrichtigen Verhal-tens habe die Beklagte nicht entkräftet, weshalb das [X.] zu Recht von einer Vernehmung des Beraters und des [X.] abgesehen habe. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass das [X.] die Erklärung des [X.] im Rahmen seiner Anhörung, dass es ihm auf die Kapitalgarantie angekommen sei und er bei ordnungsgemäßer Aufklärung über das Kündigungsrecht der Emit-tentin von der Investition abgesehen hätte, als überzeugend bewertet habe.

II.
Diese Beurteilung
hält revisionsrechtlicher Prüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.
Das Berufungsgericht hat dem Kläger zu Recht einen Anspruch auf Schadensersatz aus §
280 Abs.
1 BGB zuerkannt, weil ihn die Beklagte bei ih-rer Empfehlung der Zertifikate nicht ungefragt über das in den [X.] vorgesehene Sonderkündigungsrecht der Emittentin aufgeklärt hat.
1. Nach den [X.] und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist zwischen den Parteien in Bezug auf die Empfehlung der Zertifikate jeweils ein Anlageberatungsvertrag zu Stande gekommen.
13
14
15
16
-
9
-
2. Zu Recht ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass die Beklagte ihre Pflichten aus diesen [X.] schuldhaft verletzt hat.
a) Die beratende Bank ist zu einer anleger-
und objektgerechten Bera-tung verpflichtet (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 6.
Juli 1993 -
XI
ZR
12/93, [X.], 126, 128
f.). Inhalt und Umfang der Beratungspflichten
hängen da-bei von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich sind einerseits der [X.], die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und anderer-seits die allgemeinen Risiken, wie etwa die Konjunkturlage und die Entwicklung des Kapitalmarktes, sowie die speziellen Risiken, die sich aus den Besonder-heiten des [X.] ergeben. Die Beratung hat sich auf diejenigen Eigen-schaften und Risiken des [X.] zu beziehen, die für die jeweilige Anla-geentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Während die Bank über diese Umstände richtig, sorgfältig, zeitnah, vollständig und für den Kunden verständlich zu unterrichten hat, muss die Bewertung und Empfeh-lung des [X.] unter Berücksichtigung der genannten Gegebenheiten lediglich ex ante betrachtet vertretbar sein. Das Risiko, dass sich eine aufgrund anleger-
und objektgerechter Beratung getroffene Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Anleger (vgl. Senatsurteile vom 27.
September 2011

XI
ZR 182/10, [X.], 119 Rn. 22 und vom 29.
April 2014

XI
ZR 130/13, [X.], 1221 Rn.
16, jeweils [X.]).
b) Ausgehend von diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht rechts-fehlerfrei angenommen, dass die Beklagte verpflichtet war, den Kläger vor dem Erwerb der streitgegenständlichen Zertifikate darüber aufzuklären, unter wel-chen Voraussetzungen und mit welchen Folgen der Emittentin bereits vor dem Laufzeitende ein Kündigungsrecht zusteht. Die hiergegen von der Revision vor-gebrachten Einwände bleiben ohne Erfolg.

17
18
19
-
10
-
aa) Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte dem Kläger im Zusammenhang mit den Beratungsgesprächen vom 21.
November 2007 und vom 13.
Mai 2008 weder den Basisprospekt vom 28.
August 2007 noch die auf dessen Grundlage erstellten Endgültigen Anlei-hebedingungen, in denen die Konsolidierten Anleihebedingungen enthalten [X.], übergeben. Auch sonst hat die Beklagte dem Kläger keinen Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht der Emittentin erteilt.
bb) Anders als die Revision meint, handelt es sich bei dem Sonderkündi-gungsrecht um einen Umstand, der für die Anlageentscheidung des [X.] zum Erwerb der streitgegenständlichen Zertifikate wesentliche Bedeutung hatte.
Bei der Empfehlung von Inhaberschuldverschreibungen mit einem unbedingten Kapitalschutz zum Laufzeitende oder einem bedingten Kapitalschutz bis zum Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten einer bestimmten Sicherheitsbar-riere ist die beratende Bank deshalb verpflichtet, einen Anleger ungefragt über ein Sonderkündigungsrecht der Emittentin aufzuklären, bei dessen Ausübung für den Anleger das Risiko eines teilweisen oder vollständigen Kapitalverlustes besteht.
(1)
Kennzeichnend für Inhaberschuldverschreibungen mit einem 100%igen Kapitalschutz ist, dass durch
den Kapitalschutz dem Anleger die Rückzahlung seines [X.] zum Laufzeitende vorbehaltlos garantiert wird. Dadurch beschränkt sich das über das [X.] der Emittentin hin-ausgehende Risiko des Anlegers bei solchen Zertifikaten darauf, dass er mit dem Anlagebetrag keinen Gewinn erwirtschaftet. Bei Zertifikaten mit bedingtem Kapitalschutz bezogen auf das Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten von bestimmten Schwellenwerten oder Barrierepuffern der Basiswerte führt der Kapitalschutz demgegenüber dazu, dass dem Anleger die Rückzahlung seines [X.] jedenfalls bis zum Eintritt eines prozentual bestimmten Anstie-20
21
22
-
11
-
ges oder Rückganges der Basiswertkurse gewährleistet wird. Bis zu diesem Zeitpunkt trägt auch hier der Anleger lediglich das [X.] der Emittentin, nicht jedoch ein [X.].
Ein Sonderkündigungsrecht als zusätzliche einseitige Einwirkungsbefug-nis der Emittentin auf diese Rahmenbedingungen schafft demgegenüber für den Anleger ein zusätzliches Risiko ([X.], [X.] 174 (2010), 192, 193), das dem Wesensmerkmal des [X.] diametral entgegensteht, denn der im Kündigungsfall von der [X.] der Emittentin festzulegende kos-tenbereinigte Marktwert der Zertifikate kann den Anlagebetrag unterschreiten, dessen Garantie dann gerade entfällt. Dabei handelt es sich um eine für die Anlageentscheidung eines an Zertifikaten mit Kapitalschutz interessierten [X.] wesentliche Anleihebedingung, über die durch die beratende [X.] aufzuklären ist. In entsprechender Anwendung der für die [X.] Prospekthaftung im engeren Sinne entwickelten Grundsätze, wonach ein Prospekt über alle Umstände sachlich richtig, vollständig und zeitnah [X.] muss, die für die Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sein können, ist eine Anleihebedingung als wesentlich anzusehen, wenn sie Um-stände betrifft, die den Zweck der Kapitalanlage vereiteln können und die ein Anleger deshalb bei seiner Anlageentscheidung "eher als nicht" berücksichtigen würde (st. Rspr., zuletzt Senatsurteil vom 18.
September 2012 -
XI
ZR 344/11, [X.], 1 Rn.
23
f. [X.]). Dies ist bei einem Kündigungsrecht der Emitten-tin, dessen Ausübung zu einer Reduzierung des Rückzahlungsbetrages einer Anleihe mit Kapitalschutz bis auf Null führen kann, ohne weiteres der Fall.
Auch die Emittentin hat dies offensichtlich so gesehen, denn sie hat in ih-ren -
dem Kläger freilich vorenthaltenen
-
Anleihebedingungen gleich an mehre-ren Stellen unter Fettdruck hervorgehoben, dass Investoren beachten sollten, dass der im Falle einer Kündigung der Emittentin zu ermittelnde Marktwert der 23
24
-
12
-
Zertifikate unter Umständen unter dem festgelegten Nennbetrag pro [X.] bzw. dem Betrag, den ein Investor für die Schuldverschreibungen gezahlt hat, liegen kann und möglicherweise Null betragen kann.
(2) Entgegen der Auffassung der Revision entfällt diese Aufklärungs-pflicht der beratenden Bank nicht deshalb, weil in den Anleihebedingungen ein Sonderkündigungsrecht der Emittentin nur für Ausnahmekonstellationen gere-gelt wäre, deren Eintritt von vornherein völlig unwahrscheinlich wäre. Zutreffend ist das Berufungsgericht demgegenüber davon ausgegangen, dass auch der wenig wahrscheinliche Eintritt eines solchen Kündigungsgrundes, wie etwa ei-nes Delistings, einer Verstaatlichung oder einer Insolvenz einer Großbank oder eines [X.], für einen auf den Erhalt seines eingesetzten [X.] bedachten Anleger von entscheidender Bedeutung sein kann. Da die [X.] den kostenbereinigten Rückzahlungsbetrag nach billigem Ermessen festsetzen kann, droht bei einer Kündigung der Emittentin den Erwerbern von Zertifikaten mit 100%igem oder mit bedingtem Kapitalschutz bereits vor dem Erreichen des [X.] ein erheblicher finanzieller Scha-den bis hin zum Totalverlust ihres eingesetzten Kapitals.
Zu Recht weist die Revisionserwiderung auch darauf hin, dass dies hin-sichtlich der streitgegenständlichen Zertifikate umso mehr gilt, als zu den Grün-den für das Sonderkündigungsrecht der Emittentin nicht nur eine tatsächliche, sondern bereits eine geplante Änderung oder Ergänzung steuerrechtlicher Vor-schriften in einem der Herkunftsländer der Emittentin bzw. der [X.] zählt. Da Planungen zur Änderung oder Ergänzung steuerrechtlicher Vorschriften an-gesichts der Komplexität und der Dauer nationalstaatlicher Gesetzgebungsver-fahren im Grunde immer stattfinden und darüber hinaus völlig offen ist, ab wann von der "Planung" einer Steuerrechtsänderung im Sinne der Anleihebedingun-gen auszugehen ist, wird der Emittentin durch diesen Kündigungsgrund prak-25
26
-
13
-
tisch die Möglichkeit eingeräumt, sich bei einer für sie ungünstigen Entwicklung der Underlyings ohne Weiteres ihren Verpflichtungen aus dem Kapitalschutz der Zertifikate zu entziehen.
(3) Gleichfalls ohne Erfolg beruft sich die Revision darauf, dass der [X.] Nachteil, den der Anleger bei einer Kündigung durch die Emittentin vor Ablauf des [X.] erleidet, nur gering und deshalb zu vernach-lässigen sei. Davon kann angesichts der in den Anleihebedingungen geregelten Folgen einer Emittentenkündigung schon deshalb keine Rede sein, weil die Emittentin selbst davon ausgeht, dass der von der [X.] im [X.] zu ermittelnde marktgerechte Wert der Zertifikate
deren Nennbetrag bzw. den Anlagebetrag nicht nur unterschreiten, sondern sogar Null betragen kann. Für den auf die Sicherheit seines Kapitals bedachten Erwerber eines [X.] mit Kapitalschutz ist dies kein zu vernachlässigender Nachteil.
(4) Soweit die Revision außerdem geltend macht, bei den Fällen, in [X.] der Emittentin ein Sonderkündigungsrecht zusteht, handle es sich um Sachverhalte, in denen das aus dem Zertifikat resultierende Schuldverhältnis zwischen ihr und dem Anleger ohnehin nicht mehr
durchführbar bzw. so erheb-lich gestört sei, dass eine Anpassung der Anleihebedingungen schon nach §
313 BGB geboten sei, ist dieser Einwand für die Beantwortung der Frage nach den Anforderungen an eine objektgerechte Beratung der Bank bei der Empfehlung von Zertifikaten mit Kapitalschutz ohne Aussagekraft. Einer Emit-tentin, die eine Kapitalgarantie in den Fällen einer schwerwiegenden Verände-rung der bei Vertragsschluß maßgeblichen Umstände nicht mehr übernehmen will, ist es unbenommen, dem Instrumentarium des §
313 BGB nachgebildete Regelungen in ihre Anleihebedingungen aufzunehmen. [X.] sie ihre Schuldverschreibungen jedoch gleichwohl mit werbenden Bezeichnungen wie z.B. "[X.]", "Kapitalschutz", "[X.]" oder "Barriere-27
28
-
14
-
puffer", so handelt es sich bei den dazu im Widerspruch stehenden [X.] ihrer Kündigung um für den Anlageentschluss eines Kapitalanlegers we-sentliche Umstände, über die er durch die ihn beratende Bank, wenn diese ihm

wie hier

die Anleihebedingungen der
Emittentin nicht zur Verfügung stellt, jedenfalls auf andere Weise ungefragt aufgeklärt werden muss. Denn anders als die Revision meint, entsprechen die streitgegenständlichen Regelungen zu den Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Sonderkündigung der Emittentin weder bei Zertifikaten 100%igem noch bei solchen mit bedingtem Kapitalschutz dem allgemeinen Erwartungshorizont eines Anlegers.
cc) Entgegen der Rechtsansicht der Revision war eine Aufklärung des [X.] über die Sonderkündigungsrechte der Emittentin auch nicht deshalb entbehrlich, weil die vom Kläger erworbenen Zertifikate einen Kapitalschutz nur zum Laufzeitende gewähren sollten. Vielmehr hat die Emittentin bereits durch die Gestaltung ihrer Produktinformation für das [X.] beim Kläger gezielt einen anderen Eindruck erweckt. In dieser Produktinformation wird die Schuldverschreibung zunächst ohne Bezug zur Laufzeit als "Lehman Brothers [X.] auf fünf [X.] Bankentitel" bezeichnet. Sodann wird die "Kapitalgarantie" unter der gleichnamigen, fettgedruckt hervorgehobenen Rubrik, wiederum ohne Laufzeitbezug, mit "100% des [X.] (exklusi-ve Ausgabeaufschlag)" erläutert. Erst in dem davon deutlich abgesetzten [X.] zur "Idee" des Zertifikates wird eine Beziehung zu dessen Laufzeit hergestellt, indem es dort u.a. heißt:
"Neben einer Kapitalgarantie von 100,00% des [X.] zum Laufzeitende (exklusive Ausgabeaufschlag) hat der Investor bei Fälligkeit die Chance auf einen

29
-
15
-
Hinzu kommt, dass die Anleger während der Laufzeit der streitgegen-ständlichen Zertifikate keine Dividendenauszahlungen erhalten sollten. Bei [X.] beider Gesichtspunkte durften Kapitalanleger die [X.] der Zertifikate dahin verstehen, dass sie ihr investiertes Kapital zwar erst zum Laufzeitende, dann jedoch zu 100% zurückerhalten würden.
dd) Schließlich ist vorliegend eine ausreichende Aufklärung, entgegen der Rechtsauffassung der Revision, auch nicht durch die Hinweise in den "Ba-sisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapieren" vom Mai 2005 (nachfolgend: Basisinformationen) erfolgt, die dem Kläger nach den [X.] von der [X.] überlassen wurden. Durch diese Basisinformationen werden Anleger lediglich allgemein auf das Risiko hingewiesen, dass sich Emittenten in ihren Anleihebedingungen "ein vorzeitiges Kündigungsrecht vorbehalten" können, was bei einem sinkenden [X.] die Gefahr begründet, "dass der Emittent von seinem Kündigungsrecht Gebrauch macht", um "auf diese Weise seine Verbindlichkeiten abzubauen" oder sich durch die "Ausgabe einer neuen Anleihe billiger" zu refinanzieren "und damit seine Zinslast" zu verringern.
Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats
können diese Basisinformationen zwar als Mittel der Aufklärung -
etwa über das allge-meine Emittentenrisiko
-
grundsätzlich geeignet sein (vgl. Senatsurteile vom 11.
November 2003 -
XI
ZR 21/03, [X.], 24, 26 f., vom 27.
September 2011
-
XI
ZR 178/10, WM
2011, 2261 Rn. 32 und vom 29. April 2014 -
XI
ZR 477/12, juris Rn. 29 [X.]). Vorliegend konnte die Beklagte ihre Aufklärungs-pflicht jedoch durch die Übergabe der Basisinformationen an den Kläger von vornherein nicht erfüllen, denn den Basisinformationen sind keine Informationen über den Bestand und die konkrete Ausgestaltung der einzelnen Kündigungs-gründe und die Rechtsfolgen von deren Ausübung bei den streitgegenständli-30
31
32
-
16
-
chen Zertifikaten zu entnehmen. Hierüber hätte die Beklagte den Kläger entwe-der in verständlicher Weise mündlich oder durch die rechtzeitige Übergabe von auf die streitgegenständlichen Zertifikate bezogenen Informationsmaterialien aufklären müssen.
3. Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher
Nachprüfung auch stand, soweit das Berufungsgericht die Kausalität der [X.] für den Erwerb der Zertifikate durch den Kläger bejaht hat.
Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Beklagte die Darlegungs-
und Beweislast für ihre Behauptung trägt, der Kläger hätte die [X.] auch bei gehöriger Aufklärung über das Sonderkündigungsrecht der Emittentin erworben. Zu Recht ist das Berufungsgericht jedoch dem Angebot der [X.] auf Vernehmung des Beraters als Zeugen zum Beweis dafür, dass es dem Kläger bei seiner Anlageentscheidung auf das Risiko einer [X.] Rückzahlung nicht angekommen sei, sondern für ihn die Rendite bzw. die Ertragserwartung der Zertifikate, deren Laufzeit und [X.] sowie ein Strategiewechsel bezüglich früherer Direktinvestments in Aktien aus-schlaggebend gewesen seien, nicht nachgegangen. Diese von der [X.] behaupteten Motive des [X.] sind für dessen Entscheidung zum Erwerb ge-rade der streitgegenständlichen Zertifikate mit 100%igem Kapitalschutz uner-giebig. Denn zugunsten der [X.] kann als wahr unterstellt werden, dass der Kläger gegen eine vorzeitige Rückzahlung seines Anlagekapitals nichts ein-zuwenden gehabt hätte und er mit seiner Anlageentscheidung (auch) die ande-ren, von der [X.] behaupteten Anlageziele verfolgt hat. Maßgebend für die Kausalität der [X.] der [X.] für den Anlage-entschluss des [X.] ist jedoch die Frage, ob es dem Kläger darüber hinaus
-
auch im Falle einer vorzeitigen Rückzahlung
-
auf einen
100%igen Kapital-33
34
-
17
-
schutz ankam oder nicht. Dass letzteres der Fall gewesen wäre, hat die [X.] mit ihrem oben genannten Vortrag nicht behauptet.

Joeres

Ellenberger

[X.]

Matthias

Derstadt

Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 27.01.2012 -
330 O 476/10 -
OLG [X.], Entscheidung vom 04.12.2013 -
13 U 18/12 -

Meta

XI ZR 480/13

25.11.2014

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.11.2014, Az. XI ZR 480/13 (REWIS RS 2014, 1023)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1023

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XI ZR 480/13 (Bundesgerichtshof)

Bankenhaftung bei Anlageberatung: Aufklärungspflicht über Sonderkündigungsrecht der Emittentin


XI ZR 169/13 (Bundesgerichtshof)

Bankenhaftung bei Anlageberatung: Aufklärungspflicht gegenüber dem an Zertifikaten mit Kapitalschutz interessierten Anleger über ein mit …


XI ZR 169/13 (Bundesgerichtshof)


I-16 U 58/13 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


13 O 64/20 (Landgericht Düsseldorf)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

XI ZR 480/13

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.