Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.06.2015, Az. XI R 1/14

11. Senat | REWIS RS 2015, 9763

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Gegenstand

Kindergeldanspruch bei dualer Ausbildung


Leitsatz

NV: Setzt ein Kind nach dem erfolgreichen Abschluss einer in das Grundstudium an einer Hochschule integrierten Berufsausbildung, die für den seit Beginn des Studiums angestrebten Abschluss zum "Bachelor" notwendig ist, sein parallel zur Ausbildung betriebenes Bachelorstudium planmäßig und nahtlos fort, ist auch das Studium bis zum "Bachelor" noch Teil der Erstausbildung des Kindes .

Tenor

[X.]uf die Revision des [X.] werden das Urteil des [X.] vom 21. November 2013  8 K 807/12, die Einspruchsentscheidung der Familienkasse ... vom 16. März 2012 sowie der Kindergeldbescheid der Familienkasse ... vom 14. Februar 2012 aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger für den Zeitraum Januar bis März 2012 Kindergeld für [X.] in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) für seine am …. [X.]ugust 1990 geborene [X.] [X.] im Streitzeitraum (Januar bis März 2012) noch Kindergeld zusteht, obwohl [X.] bereits im Mai 2011 eine Berufsausbildung zur Fachinformatikerin erfolgreich beendet hat.

2

[X.] schloss im November 2008 einen Studienvertrag mit einer staatlich anerkannten privaten [X.] ([X.]) über das Studium zum "Bachelor of Science" mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik.

3

Nach der für [X.] geltenden Studienordnung zielt das Bachelorstudium an der [X.] als berufsqualifizierendes Hochschulstudium auf die organisatorische Verzahnung von wissenschaftlichem Studium und beruflicher Praxis, auf ein Lernen durch die wechselseitige Verknüpfung von theoretischen Fragestellungen und praktischen [X.]nwendungen. Der Studiengang mit einer Regelstudienzeit von sieben Semestern gliedert sich in ein Grundstudium von vier Semestern, ein obligatorisches zweiteiliges [X.]uslandsstudium im 5. Semester sowie das Hauptstudium im 6. und 7. Semester. Im "ausbildungsintegrierten Studium" (§ 6.3 der Studienordnung), das [X.] absolvierte, kann ein Volontariat in [X.]nlehnung an eine berufspraktische [X.]usbildungsordnung das erforderliche Praktikum ersetzen.

4

[X.]m 11. November 2008 erhielt [X.] von einer Bank die erforderliche Unterstützungserklärung für das ausbildungsintegrierte Studium zum Bachelor of Science. Hierin bestätigte die Bank der [X.], dass [X.] für die Dauer des Studiums bei der Bank beschäftigt sei. Mit [X.] sei ein Volontariatsvertrag abgeschlossen worden, der es [X.] ermögliche, in den ersten vier Semestern des Studiums an den Lehrveranstaltungen und Prüfungen der [X.] teilzunehmen und in den [X.] und prüfungsfreien [X.]en in der Bank die berufspraktische [X.]usbildung zur Fachinformatikerin zu durchlaufen. [X.] werde die Möglichkeit eingeräumt, parallel zum 4. Fachsemester des Studiums die schriftliche und mündliche [X.] zur Fachinformatikerin vor der Industrie- und Handelskammer ([X.]) abzulegen. Nach dem erfolgreichen [X.]bschluss der berufspraktischen [X.]usbildung sei vorgesehen, [X.] in ein Teilzeitarbeitsverhältnis zu übernehmen, das parallel zum [X.]uslandssemester und zum Hauptstudium angelegt sei.

5

Im Dezember 2008 wurde zwischen der Bank und [X.] ein [X.]usbildungsvertrag zur [X.]usbildung im [X.]usbildungsberuf der Fachinformatikerin abgeschlossen.

6

Der dualen [X.]usbildung liegt eine Kooperationsvereinbarung zwischen der Bank und der [X.] zugrunde. Darin verpflichtete sich die Bank, mit allen Mitarbeitern, die in den akademischen Studiengängen an der [X.] eingeschrieben sind, für die Dauer des Studiums einen Volontariats- oder Teilzeitarbeitsvertrag zu schließen und dies der [X.] anzuzeigen. Die Lage der [X.]rbeitszeiten war so zu gestalten, dass den Studierenden ein uneingeschränkter Besuch der Lehrveranstaltungen und Prüfungen an der [X.] ermöglicht wird.

7

Die [X.] hat bescheinigt, dass [X.] ein duales Studium in Wirtschaftsinformatik mit parallel laufender [X.]usbildung zur Fachinformatikerin absolviert und eine parallele [X.]usbildungs- und Berufstätigkeit während des gesamten Studiums notwendig ist.

8

[X.] legte im Juni 2009 ihr [X.]bitur ab und wurde anschließend zum Wintersemester 2009/2010 zum Studium an der [X.] zugelassen, welches sie zum 1. September 2009 tatsächlich aufnahm. Die [X.]usbildung bei der Bank begann am 1. [X.]ugust 2009.

9

Im Mai 2011 schloss [X.] die [X.]usbildung zur Fachinformatikerin erfolgreich ab. Die Bank teilte der [X.] daraufhin mit, dass sie [X.] ab dem 8. Juni 2011 befristet bis zum 28. Februar 2013 als … in die Dienste der Bank übernehme. Die regelmäßige wöchentliche [X.]rbeitszeit betrage 39 Stunden; mit [X.]ufnahme des berufsbegleitenden Studiums an der [X.] reduziere sich die persönliche [X.]rbeitszeit der [X.] aber bis zum erfolgreichen [X.]bschluss des Studiums auf 60 % der jeweils gültigen tariflichen [X.]rbeitszeit.

[X.] beendete ihr Studium an der [X.] zu Beginn des Jahres 2013 erfolgreich und wurde von der Bank zum 1. Februar 2013 in ein Vollzeit-[X.]rbeitsverhältnis übernommen.

Der Kläger erhielt für [X.] zunächst Kindergeld bis einschließlich Juni 2011. Im Januar 2012 beantragte er unter Hinweis auf das von der [X.] absolvierte Studium die Weitergewährung von Kindergeld.

Diesem [X.]ntrag entsprach die Rechtsvorgängerin der Beklagten und Revisionsbeklagten (Familienkasse) nur für die Monate Juli bis Dezember 2011. Für die [X.] ab Januar 2012 hingegen lehnte die Familienkasse durch Bescheid vom 14. Februar 2012 den [X.]ntrag sinngemäß ab, weil [X.] die [X.]usbildung zur Fachinformatikerin als Erstausbildung abgeschlossen habe. Die Erwerbstätigkeit der [X.] sei deshalb gemäß § 32 [X.]bs. 4 Sätze 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. ab 1. Januar 2012 (n.F.) kindergeldschädlich. Der Einspruch des [X.] blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 16. März 2012).

Das Finanzgericht ([X.]) wies die Klage, mit der der Kläger geltend machte, [X.] habe sich im Streitzeitraum (Januar bis März 2012) noch in ihrer Erstausbildung zum Bachelor of Science befunden, da der duale Studiengang noch nicht beendet gewesen sei, ab. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 457 veröffentlicht.

Das [X.] führte aus, zwar habe sich [X.] bis zur Verleihung des Bachelor of Science zu Beginn des Jahres 2013 noch "in [X.]usbildung" befunden. Der [X.]nspruch des [X.] sei jedoch nach § 32 [X.]bs. 4 Sätze 2 und 3 EStG n.F. ausgeschlossen.

[X.] habe bereits vor dem Streitzeitraum im Jahr 2011 eine erstmalige Berufsausbildung i.S. des § 32 [X.]bs. 4 Satz 2 EStG n.F. abgeschlossen; denn zu diesem [X.]punkt habe sie gemäß § 71 [X.]bs. 2 i.V.m. § 76 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) ihre [X.]bschlussprüfung nach § 37 BBiG zur Fachinformatikerin, einem anerkannten [X.]usbildungsberuf nach § 4 BBiG, erfolgreich abgelegt.

Die Erwerbstätigkeit der [X.] sei auch nicht nach § 32 [X.]bs. 4 Satz 3 EStG unschädlich. Denn dabei handele es sich nicht um ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis und die regelmäßige wöchentliche [X.]rbeitszeit habe mehr als 20 Stunden betragen; es liege auch kein [X.]usbildungsdienstverhältnis vor. Eine [X.]usbildung der [X.] sei nicht Gegenstand ihres Vertrags mit der Bank aus dem Juni 2011. Es habe sich um ein befristetes [X.]nstellungsverhältnis gehandelt, in dem keine [X.]usbildungsinhalte und -ziele vereinbart worden seien.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 32 [X.]bs. 4 Sätze 2 und 3 EStG. [X.] habe nicht bereits im Juni 2011 ihre Erstausbildung abgeschlossen. Primärziel von [X.] sei der Erwerb des Studienabschlusses "Bachelor of Science" gewesen; die [X.]usbildung zur Fachinformatikerin sei lediglich eine in das Studium integrierte Zusatzausbildung gewesen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Familienkasse unter [X.]ufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung vom 16. März 2012 zu verpflichten, ihm für die Monate Januar bis März 2012 Kindergeld für [X.] zu gewähren.

Die Familienkasse beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Sie trägt vor, der Kindergeldanspruch des [X.] für [X.] scheitere an § 32 [X.]bs. 4 Sätze 2 und 3 EStG. Der Begriff der Erstausbildung sei weit auszulegen. Es reiche aus, dass der [X.]bschluss dazu befähige, aus der erlernten Tätigkeit Einkünfte zu erzielen. Hier habe [X.] mit dem Bestehen der [X.]bschlussprüfung zur Fachinformatikerin eine Erstausbildung absolviert.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet; sie führt zur [X.]ufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 [X.]bs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass [X.] bereits im Jahr 2011 eine Erstausbildung abgeschlossen hat; denn ein Kind, das ein duales Studium durchführt, hat nach dem Urteil des [X.] ([X.]) vom 3. Juli 2014 III R 52/13 ([X.]E 246, 427, [X.], 152), das das [X.] bei seiner Urteilsfindung noch nicht berücksichtigen konnte, seine Erstausbildung i.S. des § 32 [X.]bs. 4 Satz 2 EStG noch nicht mit der erfolgreichen [X.]bsolvierung einer studienintegrierten praktischen [X.]usbildung in einem Lehrberuf (hier: zur Fachinformatikerin) beendet, sondern die Erstausbildung dauert jedenfalls bis zum [X.]bschluss eines parallel durchgeführten Bachelorstudiums fort.

1. Zu Recht ist das [X.] davon ausgegangen, dass [X.] im Streitzeitraum Januar bis März 2012 als Kind des [X.] nach § 62 [X.]bs. 1, § 63 [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 [X.]bs. 1 Nr. 1, [X.]bs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zu berücksichtigen ist, weil sie das 18. Lebensjahr, aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hatte und für einen Beruf ausgebildet wurde. Weder die Änderung des § 32 [X.]bs. 4 Sätze 2 und 3 EStG durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 1. November 2011 ([X.], 2131, [X.], 986) noch die erneute --rückwirkende-- Änderung des § 32 [X.]bs. 4 Satz 2 EStG durch das Gesetz zur Umsetzung der [X.]mtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 26. Juni 2013 ([X.], 1809, [X.], 802, [X.]mtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz --[X.]mtshilfeRLUmsG--) haben an der [X.]uslegung des § 32 [X.]bs. 1 Nr. 1, [X.]bs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG etwas geändert (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 246, 427, [X.], 152, unter [X.]. II.2.b).

2. Gemäß § 32 [X.]bs. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des [X.]mtshilfeRLUmsG, der rückwirkend zum 1. Januar 2012 in [X.] getreten ist und den das [X.] seinem Urteil zugrunde gelegt hat, wird ein Kind nach [X.]bschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Nach der Rechtsprechung des III. Senats des [X.] (Urteil in [X.]E 246, 427, [X.], 152, unter II.3.), der sich der Senat anschließt, gelten für die [X.]uslegung dieser Vorschrift folgende Grundsätze:

a) § 32 [X.]bs. 4 Satz 2 EStG n.F. ist dahin auszulegen, dass der Begriff des Erststudiums nur einen Unterfall des [X.] der erstmaligen Berufsausbildung darstellt ([X.]-Urteil in [X.]E 246, 427, [X.], 152, Rz 19 ff.; [X.] 54/11, S. 55 f.).

b) Der in § 32 [X.]bs. 4 Satz 2 EStG n.F. verwendete Berufsausbildungsbegriff ist enger auszulegen als das in § 32 [X.]bs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG verwendete Tatbestandsmerkmal "Kind, das ... für einen Beruf ausgebildet wird" ([X.]-Urteil in [X.]E 246, 427, [X.], 152, Rz 22 ff.; [X.] 54/11, S. 55 f.).

c) Für die Frage, ob bereits der erste (objektiv) berufsqualifizierende [X.]bschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten [X.]usbildungsgang zum Verbrauch der Erstausbildung führen soll oder ob bei einer mehraktigen [X.]usbildung auch ein nachfolgender [X.]bschluss Teil der Erstausbildung sein kann, ist nach der systematischen Stellung, dem Zweck der Vorschrift und der Funktion des Familienleistungsausgleichs darauf abzustellen, ob sich der erste [X.]bschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen [X.]usbildungsgangs darstellt ([X.]-Urteil in [X.]E 246, 427, [X.], 152, Rz 25 ff.; [X.] in Kirchhof, EStG, 14. [X.]ufl., § 32 Rz 17). [X.]uch im Rahmen der durch § 32 [X.]bs. 4 Satz 2 EStG erfolgten [X.]bgrenzung zwischen der steuerrechtlich zu berücksichtigenden Unterhaltsverantwortung der Eltern für "eine" [X.]usbildung des Kindes und der Verantwortung des Kindes für die eigene Unterhaltssicherung darf bei mehraktigen [X.]usbildungen das von den Eltern und dem Kind bestimmte Berufsziel nicht außer Betracht gelassen werden ([X.]-Urteil in [X.]E 246, 427, [X.], 152, Rz 30).

d) Ist aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche [X.]usbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten [X.]bschluss beendet hat, kann auch eine weiterführende [X.]usbildung noch als Teil der Erstausbildung zu qualifizieren sein. [X.]bzustellen ist dabei darauf, ob sich die einzelnen [X.]usbildungsabschnitte als integrative Teile einer einheitlichen [X.]usbildung darstellen. Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die [X.]usbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinander stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden ([X.]-Urteil in [X.]E 246, 427, [X.], 152, Rz 30).

e) Die in § 32 [X.]bs. 4 Satz 3 EStG n.F. vorgesehene Einschränkung des § 32 [X.]bs. 4 Satz 2 EStG n.F. steht dieser [X.]uslegung nicht entgegen ([X.]-Urteil in [X.]E 246, 427, [X.], 152, Rz 31 f.).

f) Für eine Beschränkung des Erstausbildungsbegriffes auf den ersten (objektiv) berufsqualifizierenden [X.]bschluss spricht auch nicht, dass bei Kindern, die nach einem solchen [X.]bschluss einer den Umfang des § 32 [X.]bs. 4 Satz 3 EStG n.F. überschreitenden Erwerbstätigkeit nachgehen, die Freistellung des Existenzminimums des Kindes im Rahmen der Besteuerung der Einkünfte des Kindes stattfindet, so dass bei [X.]nwendung der Verwaltungsauffassung eine effektive steuerrechtliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes sowohl auf [X.] der Besteuerung der Eltern als auch auf [X.] der Besteuerung des Kindes fehlschlagen könnte ([X.]-Urteil in [X.]E 246, 427, [X.], 152, Rz 33).

g) Bei der [X.]uslegung der in § 32 [X.]bs. 4 Satz 2 EStG n.F. verwendeten Begriffe der erstmaligen beruflichen [X.]usbildung und des Erststudiums besteht keine Bindung an eine ggf. abweichende [X.]uslegung dieser Begriffe im Rahmen des § 12 Nr. 5 EStG ([X.]-Urteil in [X.]E 246, 427, [X.], 152, Rz 34; s.a. [X.]-Urteil vom 27. Mai 2003 VI R 33/01, [X.]E 202, 314, [X.], 884).

3. Bei [X.]nwendung dieser Rechtsgrundsätze, die das [X.] in seinem Urteil noch nicht berücksichtigen konnte, auf den Streitfall ist das [X.] zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Erstausbildung der [X.] mit der bestandenen Prüfung zur Fachinformatikerin beendet war. Denn nach den tatsächlichen Feststellungen des [X.] zum Studienvertrag, zur Studienordnung, zur Unterstützungserklärung und zum [X.]usbildungsvertrag bildete die [X.]usbildung zur Fachinformatikerin einen integrativen Bestandteil des von [X.] angestrebten [X.]bschlusses "Bachelor of Science (Wirtschaftsinformatik)" im Rahmen des Studiums an der [X.]. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben.

a) Dass die beiden von [X.] angestrebten [X.]bschlüsse in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang standen, ergibt sich bereits aus der Bescheinigung der [X.] vom 23. [X.]ugust 2012, wonach es sich bei der [X.]usbildung der [X.] um ein duales Studium in Wirtschaftsinformatik mit parallel laufender [X.]usbildung zur Fachinformatikerin handelte. Eine parallele [X.]usbildungs- und Berufstätigkeit während des gesamten Studiums sei notwendig.

b) Der Inhalt der Bescheinigung wird durch den Studienvertrag i.V.m. der Studienordnung bestätigt. Die Zulassung zum Studium erfolgte gemäß § 1 des [X.] nur vorbehaltlich der Regelungen des § 3. Nach § 3 des [X.] setzte die [X.]ufnahme des Studiums den [X.]bschluss eines Volontariatsvertrags mit einem Unternehmen und der [X.]bgabe einer Unterstützungserklärung voraus, nach der es dem Studenten u.a. ermöglicht wird, in den [X.] und prüfungsfreien Zeiten die berufspraktische [X.]usbildung zu durchlaufen. Nach § 4 des [X.] i.V.m. der Studienordnung zielte der Studiengang auf die organisatorische Verzahnung von wissenschaftlichem Studium und beruflicher Praxis (§ 2 der Studienordnung), wobei im [X.] Studium ein Volontariat in [X.]nlehnung an eine berufspraktische [X.]usbildungsordnung ein Praktikum ersetzte (§ 6.3 der Studienordnung). Die Prüfung zum Bachelor of Science war nur dann bestanden, wenn die [X.] nach § 6 erbracht waren (§ 10.2 der Studienordnung).

c) Zur Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Studienvertrag i.V.m. der Studienordnung sah die Unterstützungserklärung der Bank vor, dass es [X.] von der Bank ermöglicht werde, in den ersten vier Semestern des Studiums an den Lehrveranstaltungen und Prüfungen der [X.] teilzunehmen und in den [X.] und prüfungsfreien Zeiten die berufspraktische [X.]usbildung zur Fachinformatikerin zu durchlaufen. Die zeitlichen und inhaltlichen [X.]nforderungen an die berufspraktische [X.]usbildung während der ersten vier Semester ergaben sich aus der Verordnung über die Berufsausbildung zum [X.] sowie dem mit der [X.] abgestimmten [X.]usbildungsplan. [X.] wurde die Möglichkeit eingeräumt, parallel zum 4. Fachsemester des Studiums die schriftliche und mündliche Prüfung zur Fachinformatikerin abzulegen; im [X.]nschluss war eine Teilzeitbeschäftigung bei der Bank vorgesehen.

d) [X.]uch der --zeitlich nach dem Studienvertrag abgeschlossene-- [X.]usbildungsvertrag der [X.] mit der Bank zeigt die sachliche und zeitliche Verzahnung: Er definierte in Ziff. 1 zunächst die Ziele des Studiums an der [X.] und legte erst danach fest, dass die Bank [X.] parallel zum Studium eine praktische [X.]usbildung vermittelt, deren [X.]nforderungen sich aus der Verordnung über die Berufsausbildung zur Fachinformatikerin ergeben. Die praktische [X.]usbildung in der Bank während der ersten vier Semester erfolgte im "3-Tage-Modell" (drei Wochentage in der Bank, drei Wochentage an der [X.]). Die Bank verpflichtete sich, [X.] die Teilnahme an den Lehrveranstaltungen und Prüfungen im [X.] Studium an der [X.] zu ermöglichen. [X.] verpflichtete sich nach Ziff. 12 des [X.]usbildungsvertrags (neben der eigentlichen [X.]usbildung) u.a. auch dazu, an allen Lehrveranstaltungen der [X.], die für ihren Studiengang vorgesehen sind, teilzunehmen, der Bank regelmäßig den Nachweis eines der Studienordnung entsprechenden Studienverlaufs zu erbringen, an den Prüfungen der [X.] teilzunehmen und der Bank die Ergebnisse der Prüfungen unverzüglich mitzuteilen. Nach Ziff. 15 des [X.]usbildungsvertrags stand dieser unter dem Vorbehalt einer erfolgreichen Teilnahme am [X.]uswahlverfahren der [X.].

e) Die Verzahnung wird auch dadurch bestätigt, dass beide [X.]bschlüsse der [X.] sich schwerpunktmäßig auf denselben Fachbereich, nämlich die Informatik, bezogen und damit --wenn auch auf unterschiedlichen [X.] auf dasselbe Berufsfeld vorbereiteten.

f) Das zunächst parallel betriebene Studium wurde überdies nach Beendigung der [X.]usbildung zur Fachinformatikerin nahtlos fortgeführt und beendet. Der sich an den [X.]usbildungsvertrag anschließende [X.]rbeitsvertrag mit der Bank vom Juni 2011 sah bis zum erfolgreichen [X.]bschluss des berufsbegleitenden (Haupt-)Studiums eine Reduzierung der [X.]rbeitszeit auf 60 % sowie besondere [X.]rbeitsbedingungen während des Praxis- und [X.]uslandssemesters der [X.] vor.

g) Der Senat darf diese Würdigung selbst vornehmen. Zwar ist der [X.] grundsätzlich daran gehindert, die festgestellten Tatsachen selbst zu würdigen; eine [X.]usnahme gilt jedoch dann, wenn das [X.] alle für die Würdigung erforderlichen Tatsachen festgestellt hat und diese nach den Denkgesetzen und allgemeinen [X.] für eine bestimmte Schlussfolgerung sprechen, die das [X.] nicht gezogen hat (vgl. [X.]-Urteile vom 22. [X.]ugust 2007 III R 89/06, [X.]/NV 2008, 351, unter II.2.; vom 5. November 2013 VIII R 20/11, [X.]E 243, 481, [X.], 275, Rz 16; Lange in [X.]/[X.]/[X.], § 118 [X.]O Rz 145; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. [X.]ufl., § 118 Rz 57).

Im Übrigen ist auch das [X.] auf Seite 22 seines Urteils davon ausgegangen, dass das eigentliche [X.]usbildungsziel der [X.] der [X.]bschluss zum Bachelor of Science (Wirtschaftsinformatik) war.

4. Die Sache ist spruchreif. Dem Kläger steht Kindergeld für [X.] zu.

a) Da auch das Hauptstudium an der [X.] bis zum Bachelorabschluss noch Teil der Erstausbildung der [X.] ist, kommt es nicht darauf an, ob [X.] im Streitzeitraum (Januar bis März 2012) einer schädlichen Erwerbstätigkeit i.S. des § 32 [X.]bs. 4 Sätze 2 und 3 EStG n.F. nachgegangen ist (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 246, 427, [X.], 152, Rz 36). Insbesondere kann deshalb dahinstehen, ob die wöchentliche [X.]rbeitszeit der [X.] im Streitzeitraum (Januar bis März 2012) trotz der mit Schreiben vom 27. Mai 2011 von der Bank verfügten Freistellung der [X.] --unter Fortzahlung ihrer Vergütung-- für das [X.]uslandssemester und das [X.]uslandspraktikum (Zeit vom 8. Juni 2011 bis 5. März 2012) mehr als 20 Stunden betrug, wie das [X.] angenommen hat und mit der Revision angegriffen wird.

b) Da der Klage auf der Grundlage des § 32 [X.]bs. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des [X.]mtshilfeRLUmsG stattzugeben ist, bedarf keiner Entscheidung, ob dessen rückwirkende Einführung zum 1. Januar 2012 verfassungsgemäß ist (ebenso offenlassend [X.] in [X.]E 246, 427, [X.], 152, Rz 15 ff.).

5. [X.] beruht auf § 135 [X.]bs. 1 [X.]O.

6. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 121 Satz 1, § 90 [X.]bs. 2 [X.]O).

Meta

XI R 1/14

16.06.2015

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 21. November 2013, Az: 8 K 807/12, Urteil

§ 32 Abs 4 S 1 Nr 2 Buchst a EStG 2009, § 32 Abs 4 S 2 EStG 2009, § 32 Abs 4 S 3 EStG 2009, EStG VZ 2012

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.06.2015, Az. XI R 1/14 (REWIS RS 2015, 9763)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 9763

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