Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.02.2014, Az. 3 StR 451/13

3. Strafsenat | REWIS RS 2014, 8199

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 451/13
vom
4. Februar 2014
in der Strafsache
gegen

wegen
schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern
u.a.

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 4. Februar 2014 ge-mäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 29. August 2013 im Strafausspruch und im [X.] mit den jeweils zugehörigen [X.] aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.]s zurückver-wiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen [X.] in zwei Fällen sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in dreizehn Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren ver-urteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Ange-klagten hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1
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3
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1. Die auf § 66 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 StGB gestützte Anordnung der Un-terbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung hat keinen Bestand. Der [X.] hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt:

"Ein wesentliches Begründungselement
der sachverständig beratenen Strafkammer für die Gefahr weiterer Straftaten ist eine beim Angeklagten vorliegende Externalisierung eigener Verantwortlichkeit dahingehend, dass er in der Hauptverhandlung zwar das äußere Tatgeschehen objek-tiv eingeräumt habe, im Übrigen aber gegenüber Gericht, [X.] und seinem privaten Umfeld angab, zu den Taten von einem
'[X.]' gezwungen worden zu sein (UA S.
22 ff., 29 f., 38). Diese [X.] lassen besorgen, dass das [X.] die Einlassung des Angeklagten im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose zu seinem Nach-teil verwertet hat. Zulässiges Verteidigungsverhalten darf im Rahmen der Prüfung des § 66 StGB jedoch weder hang-
noch gefahrbegründend verwertet werden ([X.], 3247; NStZ 2001, 595, 596; 2010, 270,
271; Senat, [X.]. v. 5. April 2011 -
3 StR 12/11 -
Rn. 7; [X.], [X.]. v. 13. September 2011 -
5 [X.] -
Rn. 17). Anderenfalls wäre der Angeklagte gezwungen, seine Verteidigungsstrategie zu ändern, um der Anordnung von Sicherungsverwahrung zu entgehen ([X.] StV 2002, 19; [X.]. v. 26. Oktober 2011 -
5 [X.] -
Rn. 6).

Auch die tatrichterliche Ermessensausübung gem. § 66 Abs. 2, 3 StGB ist nicht frei von [X.]. Zwar war sich die Strafkammer des ihr eingeräumten Ermessens bewusst ([X.]). Es ist jedoch zu [X.], dass sie ihrer Ermessensausübung einen unzutreffenden Prü-fungsmaßstab zugrunde gelegt hat und auf diese Weise zu einem defizi-tären Ergebnis gelangt ist. Ermessensentscheidungen nach § 66 Abs. 2 und Abs. 3 S. 2 StGB haben schon von Gesetzes wegen Ausnahmecha-rakter, da sie, anders als Anordnungen nach § 66 Abs. 1 StGB, keine Vortaten oder Vorverbüßungen erfordern (Senat, [X.]. v. 2. August 2011 -
3 [X.] -
Rn. 5; [X.]. v. 4. Oktober 2012 -
3 [X.] -
Rn. 4; Urteil v. 11. Juli 2013 -
3 [X.] -
Rn. 6). Eine weitere Veren-gung des Ermessensspielraums ergibt sich zusätzlich aus dem Umstand,
dass der Angeklagte bei den einzelnen Taten zwischen 20 und 22 Jahre alt gewesen ist. Insbesondere bei frühkriminellen Hangtätern, die das 21.
Lebensjahr gerade erst überschritten haben, ist die Sicherungsver-wahrung jedoch nur in Ausnahmefällen unter strengen Anforderungen bei besonders schweren Straftaten zulässig und bedarf besonders sorg-fältiger Würdigung in den Urteilsgründen (Senat, [X.]. v. 5. Oktober 2
-
4
-
1988 -
3 [X.] -
Rn. 3; [X.]. v. 4. August 2011 -
3 [X.] -
Rn. 7; [X.], [X.]. v. 6. August 1997 -
2 [X.] -
Rn. 13).

Zwar hat das [X.] das Alter des Angeklagten im Rahmen der Ermessensausübung
berücksichtigt und auch geprüft, ob nicht die [X.] einer Freiheitsstrafe als Warnung ausgereicht hätte ([X.]). Dass es aber den durch die vorstehend dargelegte zweifache Ausnah-mekonstellation vorliegend stark verengten Ermessenspielraum und die daraus resultierenden gesteigerten Sorgfaltsanforderungen als Maßstab zugrunde gelegt hat, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. [X.], ob das besonders geschickte Vorgehen des Angeklagten durch Gründung eines eigenen Kinderbetreuungsdienstes ([X.]) [X.] die Vielzahl der Geschädigten die Annahme einer Ausnahme nach den geschilderten Grundsätzen rechtfertigen könnten, hat die [X.] nicht vorgenommen. Sie kann in der Revisionsinstanz auch nicht nachgeholt werden, da es dem Revisionsgericht verwehrt ist, die Ermes-sensentscheidung des Tatgerichts durch eigene Ermessenserwägungen zu modifizieren (Senat, [X.]. v. 4. Oktober 2012 -
3 [X.] -
Rn.
4)."

Dem schließt sich der Senat an.

2. Der Rechtsfehler führt auch zur Aufhebung des Urteils im Straf-ausspruch. Insoweit hat der [X.] ausgeführt:

"Die Strafkammer hat die Anordnung der Maßregel ausweislich der [X.] ausdrücklich im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt ([X.]) und auf diese Weise eine revisionsrechtliche Untrennbarkeit von Strafausspruch und Maßregel herbeigeführt, da der Strafausspruch im Falle der isolierten Aufhebung der Maßregel nicht frei von Wider-sprüchen wäre (vgl. [X.]St 29, 359, 365 f.; [X.]St 41, 57, 59; [X.], [X.]. v. 24. September 2013 -
2
StR 397/13 -
Rn. 5). Unbeschadet dessen soll der neue Tatrichter die Möglichkeit haben, die Rechtsfolgen insgesamt neu zu bestimmen."

3
4
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5
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Wenngleich es eher fern liegt, dass das [X.] die Maßregelanord-nung bei der Bemessung der Strafe zum
Nachteil des Angeklagten berücksich-tigt hat, kann sich der Senat dem nicht verschließen.

[X.] Mayer

Gericke

Spaniol
5

Meta

3 StR 451/13

04.02.2014

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.02.2014, Az. 3 StR 451/13 (REWIS RS 2014, 8199)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8199

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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