Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.06.2021, Az. V R 16/20

5. Senat | REWIS RS 2021, 4764

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Gegenstand

Haftung bei Forderungsabtretung


Leitsatz

Bei der Haftung gemäß § 13c UStG ist von einer Vereinnahmung durch den Zessionar auszugehen, wenn der Zedent über sein beim Zessionar debitorisch geführtes Konto, auf dem die abgetretenen Beträge vereinnahmt werden, nicht mehr frei verfügen kann, da eine erhebliche Überschreitung der vereinbarten Kreditlinie vorliegt und der Zessionar Belastungsbuchungen regelmäßig nicht durchführt.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 23.04.2020 - 5 K 2400/17 U wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist die Haftung nach § 13c des Umsatzsteuergesetzes (UStG) für die von der [X.] (GmbH) geschuldete Steuer. Die GmbH hatte nach ihren Voranmeldungen, die nach § 168 Satz 1 der Abgabenordnung ([X.]) jeweils einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichstanden, Umsatzsteuer in Höhe von 7.666,60 € für den Voranmeldungszeitraum Juli 2007 und in Höhe von 27.060 € für den Voranmeldungszeitraum August 2007 zu entrichten.

2

Die GmbH unterhielt mehrere Konten bei der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer Bank, der sie zudem Forderungen aus steuerpflichtigen Umsatzgeschäften abgetreten hatte.

3

Das von der GmbH bei der Klägerin unterhaltene Konto [X.] (Hauptkonto) wies bei einer Kreditlinie von 100.000 € am 29.06.2007 einen Kontostand in Höhe von ./. 179.176,89 € auf. Lastschriften auf das Hauptkonto wurden im Zeitraum Juli und August 2007 regelmäßig zurückgebucht. [X.] auf ein anderes bei der Klägerin [X.] Konto wurden demgegenüber ausgeführt.

4

Forderungen aus den im Juli 2007 ausgeführten Umsätzen wurden auf dem Hauptkonto in Höhe von 100.789,06 € vereinnahmt. Forderungen aus den im August 2007 ausgeführten Umsätzen wurden in Höhe von 55.056,97 € auf diesem Konto vereinnahmt.

5

Am 20.02.2008 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.

6

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) meldete Umsatzsteuer Juli 2007 in Höhe von 7.666,60 € und Umsatzsteuer August 2007 in Höhe von 27.060 € als Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle an.

7

Das [X.] nahm die Klägerin mit Haftungsbescheid vom 25.11.2008 gemäß § 13c UStG für Umsatzsteuer Juli 2007 in Höhe von 7.666,60 € und Umsatzsteuer August 2007 in Höhe von 8.790,61 € als Haftende in Anspruch. In der Anlage 1 führte das [X.] zur Haftung Juli 2007 neun abgetretene Forderungen über im Juli 2007 ausgeführte Lieferungen auf, bei der Haftungsschuld für August 2007 handelte es sich um vier Forderungen für im August 2007 ausgeführte Lieferungen.

8

Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde vom [X.] mit Einspruchsentscheidung vom 30.06.2017 als unbegründet zurückgewiesen.

9

Zur Umsatzsteuer August 2007 erging nach § 185 der Insolvenzordnung [X.]. § 251 Abs. 3 [X.] am 30.09.2009 ein Feststellungsbescheid, mit dem das [X.] das Bestehen dieses Anspruchs in Höhe von 27.060 € feststellte. Eine Feststellung zur Umsatzsteuer Juli 2007 erfolgte nicht. Am 30.09.2009 erging zudem ein an die Insolvenzverwalterin der GmbH gerichteter Umsatzsteuerjahresbescheid 2007 mit einer Festsetzung in Höhe von 100.163,66 € und einem sofort fällig gestellten Zahlbetrag in Höhe von 127.408,45 €.

Auch die Klage zum Finanzgericht ([X.]) hatte keinen Erfolg. In dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2020, 946 veröffentlichten Urteil bestätigte das [X.] die Haftung der Klägerin nach § 13c UStG. Die hierfür erforderliche Vereinnahmung liege bei Gutschriften auf einem Kontokorrentkonto zwar nicht vor, wenn der abtretende Unternehmer aufgrund einer Kreditvereinbarung im Rahmen einer vereinbarten Überziehung nicht daran gehindert sei, frei über den gutgeschriebenen Betrag zu verfügen. Sei hingegen die Kreditlinie bereits überschritten und könne das Kreditinstitut weiteren Verfügungen des Kontoinhabers jederzeit widersprechen, ohne dass dieser einen Rechtsanspruch auf eine eigene Verfügungsbefugnis habe, sei von einer Vereinnahmung durch den Zessionar auszugehen. Im Streitfall habe die GmbH nicht mehr insgesamt frei über das Hauptkonto verfügen können. Lastschriften auf diesem Konto seien regelmäßig zurückgebucht worden. Soweit die GmbH Verfügungen von auf dem Hauptkonto eingegangenen Beträgen auf ein weiteres Konto bei der Klägerin habe vornehmen können, habe dies dazu gedient, von diesem Konto [X.] eines Lieferanten zu begleichen. Hieran habe die Klägerin ein eigenes Interesse gehabt, da die GmbH so die Vergütungsansprüche aus den weiteren Aufträgen, die sie so habe abarbeiten können, habe erlangen können, wobei diese aufgrund von Abtretungen der Klägerin zugestanden hätten.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision. Sie habe keine Forderungen vereinnahmt und nicht aktiv gehandelt. Ihr sei auch nichts zugeflossen. Von ihrem Einziehungsrecht habe sie keinen Gebrauch gemacht. Es bestehe keine gesetzliche Vereinnahmungsfiktion bei der Überschreitung eines Kreditrahmens in einem bestimmten Umfang. Es seien nur einzelne Lastschriften zurückgebucht worden. Dies sei aber nicht zu Lasten des Fiskus gegangen. Aufgrund der Anmeldung zur Insolvenztabelle und des Feststellungsbescheids hätten sich die Voranmeldungen erledigt und könnten nicht mehr Grundlage der Haftung sein.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] und den Haftungsbescheid vom 25.11.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.06.2017 aufzuheben.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Das [X.] habe zur Vereinnahmung zutreffend entschieden. Vorgänge nach Erlass des Haftungsbescheids stünden den Voranmeldungen als Haftungsgrundlage nicht entgegen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat im Ergebnis zu Recht die Haftung der Klägerin nach § 13c UStG bejaht.

1. Soweit der leistende Unternehmer den Anspruch auf die Gegenleistung für einen steuerpflichtigen Umsatz i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG an einen anderen Unternehmer abgetreten und die festgesetzte Steuer, bei deren Berechnung dieser Umsatz berücksichtigt worden ist, bei Fälligkeit nicht oder nicht vollständig entrichtet hat, haftet der Abtretungsempfänger gemäß § 13c Abs. 1 Satz 1 UStG nach Maßgabe des Abs. 2 für die in der Forderung enthaltene Umsatzsteuer, soweit sie im vereinnahmten Betrag enthalten ist.

Eine Grundlage hierfür besteht im Unionsrecht nur insoweit, als Art. 205 der Richtlinie 2006/112/[X.] über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) die Mitgliedstaaten berechtigt, in den in den Art. 193 bis 200 sowie 202, 203 und 204 MwStSystRL genannten Fällen zu bestimmen, dass eine andere Person als der Steuerschuldner die Steuer gesamtschuldnerisch zu entrichten hat. § 13c UStG ist unionsrechtskonform ([X.], [X.] --DStR-- 2018, 2111, 2113).

2. Die zwischen den Beteiligten streitigen Voraussetzungen der Steuerfestsetzung und der Vereinnahmung hat das [X.] zutreffend bejaht.

a) Die von der [X.] und August 2007 abgegebenen Voranmeldungen der GmbH führten gemäß § 168 Satz 1 [X.] zu Steuerfestsetzungen unter Vorbehalt der Nachprüfung. Diese können Grundlage für die Haftung nach § 13c UStG sein (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 21.11.2013 - V R 21/12, [X.], 70, [X.], 74, Leitsatz 1).

Soweit die Klägerin hiergegen einwendet, dass sich [X.] mit der Eintragung des Steueranspruchs als Insolvenzforderung in die Insolvenztabelle oder dem Erlass eines Feststellungsbescheids erledigen ([X.]-Urteil in [X.], 70, [X.], 74, Leitsatz 2), ist dies im Streitfall ohne Bedeutung. Denn ein Feststellungbescheid ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) nur zur Umsatzsteuer August 2007 und dabei betragsgleich zur Voranmeldung ergangen, sodass sich hieraus keine Änderung im Vergleich zur bisherigen Festsetzung ergab. Der eine Zahllast ausweisende Umsatzsteuerjahresbescheid 2007 vom 30.09.2009 ist unerheblich, da dieser nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erging und daher nichtig ist ([X.]-Urteil vom 13.05.2009 - XI R 63/07, [X.], 278, [X.], 11, unter [X.]). Sonstige erledigende Ereignisse sind nicht ersichtlich.

b) Es liegt auch die für die Haftung erforderliche Vereinnahmung vor.

aa) Der [X.] hat in seiner bisherigen Rechtsprechung den Begriff der Vereinnahmung i.S. von § 13c Abs. 1 Satz 1 UStG nach den Kriterien ausgelegt, die für die Vereinnahmung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 und Buchst. b UStG gelten. Danach muss der Abtretungsempfänger eine Zahlung aus der abgetretenen Forderung erhalten ([X.]-Urteil vom 20.03.2013 - XI R 11/12, [X.]E 241, 89, [X.], 107, Rz 37), was auch im Rahmen einer sog. stillen Zession durch Gutschrift auf einem Konto erfolgen kann, das der Zedent beim Zessionar unterhält ([X.]-Urteil in [X.]E 241, 89, [X.], 107, Rz 50 f.). Entsprechend der Rechtsprechung zu § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 und Buchst. b UStG ist auch für die Vereinnahmung i.S. von § 13c Abs. 1 Satz 1 UStG maßgeblich, dass über die Gegenleistung (als den zu vereinnahmenden Betrag) wirtschaftlich verfügt werden kann (vgl. zu § 13 UStG Nieskens in [X.], Umsatzsteuergesetz, § 13 Rz 326; Hundt-Eßwein in [X.]/Söhn/[X.], § 13 UStG Rz 53).

bb) Im hier vorliegenden Fall der Überweisung auf ein beim Zessionar debitorisch geführtes Konto des Zedenten kommt es für die Vereinnahmung i.S. von § 13c UStG nach dem Kriterium der wirtschaftlichen Verfügungsmacht darauf an, ob der Zedent über dieses Konto bei der Gutschrift hinsichtlich des [X.] in der Weise verfügungsberechtigt ist, dass er den Betrag der Gutschrift abheben oder für frei gewählte Überweisungen nutzen kann, oder ob der Zessionar eine ihm zustehende Rechtsmacht ausübt, dies zu verhindern.

Dabei reicht es bereits aus, dass der Zessionar die ihm zustehende Rechtsmacht, Verfügungen des Zedenten zu verhindern, in Einzelfällen ausübt, während er anderen Weisungen des Zedenten Folge leistet. Denn dann entscheidet der Zessionar, wie mit den Zahlungseingängen auf dem debitorisch geführten Konto umgegangen wird, sodass der Zessionar als wirtschaftlich Verfügungsberechtigter anzusehen ist.

cc) Danach ist im Streitfall von einer Vereinnahmung auszugehen. Für das vom Zedenten bei der Klägerin debitorisch geführte Konto, auf dem die abgetretenen Beträge vereinnahmt wurden, lag eine erhebliche Überschreitung der vereinbarten Kreditlinie vor. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) führte die Klägerin [X.] in mehreren Fällen ("regelmäßig") nicht durch. Aufgrund dieser Rechtsausübung ist in Bezug auf Gutschriften von Überweisungsbeträgen auf dem Konto der GmbH von einer wirtschaftlichen Verfügungsmacht der Klägerin auszugehen. Wie das [X.] somit zutreffend entschieden hat, konnte die GmbH über das Hauptkonto nicht mehr frei verfügen.

dd) Daher kommt es nicht auf die Frage an, ob von einer Vereinnahmung bereits dann auszugehen ist, wenn bei einem Zahlungseingang auf ein Kontokorrentkonto der vereinbarte Kreditrahmen bereits um mehr als 15 % überschritten ist (so Abschn. 182b Abs. 24 der [X.], jetzt: Abschn. 13c.1 Abs. 25 des [X.]). Ebenso ist nicht zu entscheiden, ob eine Vereinnahmung vorliegt, wenn die Kreditlinie bereits überschritten ist und das Kreditinstitut weiteren Verfügungen des Kontoinhabers (lediglich) jederzeit widersprechen kann, ohne dass dieser einen Rechtsanspruch auf die Möglichkeit der Überziehung hat (vgl. hierzu [X.], [X.], 2116, und [X.], [X.] 2018, 901). Schließlich ist auch der vom [X.] als maßgeblich angesehene Umstand der Weiterüberweisung auf ein anderes Konto im Interesse der Klägerin unerheblich.

ee) Die hiergegen gerichteten Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch. Insbesondere reicht für die Vereinnahmung entgegen der Auffassung der Klägerin die Entgegennahme eines Geldbetrages aus. Auf ein aktives Handeln, wie z.B. bei einer Geltendmachung der Forderung kommt es nicht an. Dies ergibt sich bereits aus der von der [X.]-Rechtsprechung anerkannten Haftung nach § 13c UStG auch im Rahmen der stillen Zession (s. oben [X.] aa).

3. Es liegen auch die weiteren Haftungsvoraussetzungen des § 13c UStG vor. Insbesondere hatte die Klägerin Forderungen aus den steuerpflichtigen Leistungen vereinnahmt, die mit den Voranmeldungen Juli und August 2007 versteuert wurden, wie sich aus der Anlage zum Haftungsbescheid ergibt.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

V R 16/20

22.06.2021

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 23. April 2020, Az: 5 K 2400/17 U, Urteil

§ 13c UStG 2005, Art 205 EGRL 112/2006, UStG VZ 2007

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.06.2021, Az. V R 16/20 (REWIS RS 2021, 4764)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 4764

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