Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.05.2012, Az. 4 StR 76/12

4. Strafsenat | REWIS RS 2012, 6179

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4
StR 76/12

vom
23.
Mai
2012
in der Strafsache
gegen

wegen
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 23.
Mai 2012
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 [X.] beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 19.
Juli 2011 im Ausspruch über den Verfall und den erweiterten Verfall mit den zugehörigen [X.] aufgehoben.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.] zurück-verwiesen.
3.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verur-teilt. Des Weiteren hat es den erweiterten Verfall in Höhe von 10.725

Verfall von [X.] in Höhe von 245.000

sich die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel 1
-
3
-
führt zur Aufhebung der Verfallsanordnungen; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 [X.].
I.
Nach den Feststellungen veräußerte der Angeklagte, der auch über die abgeurteilten Taten hinaus einen umfangreichen Kokainhandel betrieb, im Sep-tember und Oktober 2009
aus drei Lieferungen
200, 500 und 400
g Kokainzu-bereitung zum Preis von mindestens 45

Taten
II.
2, 3 und 5 der Urteilsgründe), wodurch er insgesamt 49.500

November 2009 vereinbarte er mit einem Abnehmer die Lieferung von 500
g Kokainzubereitung. Das Rauschgift händigte der
Angeklagte entweder selbst noch am selben Tag seinem Abnehmer gegen Erhalt einer Anzahlung auf den Kaufpreis aus, oder er ließ es am Folgetag, an dem der Angeklagte sich in den [X.] absetzte, durch einen an den Abnehmer übergeben (Tat
II.
7 der
Urteilsgründe). Erlöse aus [X.] verwendete der Angeklagte, um einem Bekannten ein Darlehen in Höhe von 100.000

September 2009 ein Fahrzeug BMW
X
6 zum Preis von 73.500

Die anlässlich der Festnahme beim Angeklagten und in der Wohnung seiner geschiedenen Ehefrau aufgefundenen Bargeldbeträge von insgesamt 10.725

rühren ebenfalls aus dem vom Angeklagten betriebenen Kokainhandel her.
Den Verfall von [X.] hat die [X.] in Höhe der für
die ab-geurteilten Taten errechneten Erlöse zuzüglich der für die Gewährung des [X.] und den Erwerb des Fahrzeugs verwendeten Beträge angeordnet. [X.] der sichergestellten Bargeldbeträge hat es auf den erweiterten Verfall erkannt.
2
3
-
4
-
II.
Die Anordnung von Verfall und erweitertem
Verfall im angefochtenen
Urteil hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Die Annahme des Landge-richts, der Angeklagte habe aus der Tat
II.
7 der Urteilsgründe 22.500

wird von den Feststellungen nicht getragen. Ferner hat die [X.] das Verhältnis von §
73 StGB zu §
73a StGB und die Unterschiede in den [X.] für den Verfall und erweiterten Verfall nicht hinreichend beachtet.
1.
Soweit das [X.] bei der Berechnung des [X.]verfalls davon ausgegangen ist, der Angeklagte habe aus der Tat
II.
7 der Urteilsgründe 22.500

ststellungen nicht getragen. Die [X.] hat nicht auszuschließen vermocht, dass das vom Angeklagten am 18.
November 2009 abgesprochene [X.] erst am Folgetag, als sich der Angeklagte in den [X.] absetzte, durch einen Geschäftspartner des Angeklagten abgewickelt wurde. Dass der Angeklagte selbst eine Gegenleis-tung erhielt oder an einem von seinem Geschäftspartner [X.] Erlös eine faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht erlangte (vgl. [X.], Urteil vom 28.
Oktober 2010 -
4
StR
215/10, [X.]St 56, 39 Tz.
19
f.), lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen.
2.
a)
Bei der Anordnung des Verfalls nach §
73 StGB muss die Tat, für die oder aus der etwas erlangt worden ist, Gegenstand der Verurteilung sein (vgl. [X.], Beschluss vom 20.
April 2010 -
4
StR
119/10, NStZ-RR
2010, 255). Dem Verfall unterliegt dabei das, was unmittelbar für die oder aus der abgeur-teilten Tat erlangt worden ist. Soweit ein Zugriff auf das unmittelbar Erlangte nicht (mehr) möglich ist und von einem Verfall eines Ersatzgegenstandes ge-4
5
6
-
5
-
mäß §
73 Abs.
2 Satz
2 StGB abgesehen wird, ist nach §
73a Satz
1 StGB der Verfall eines Geldbetrages anzuordnen, der dem Wert des [X.] entspricht ([X.]verfall). Findet der erweiterte Verfall Anwendung, weil der [X.] wegen einer Tat verurteilt wird, für die das Gesetz (hier: §
33 Abs.
1 Nr.
2 BtMG i.V.m. §
29a Abs.
1 Nr.
2 BtMG) auf die Vorschrift des §
73d StGB ver-weist, erstreckt sich der Verfall auf Vermögensgegenstände des Angeklagten, die unmittelbar für oder aus rechtswidrigen Taten erlangt worden sind, ohne dass diese Taten im Einzelnen festgestellt werden müssen (vgl. [X.], [X.] vom 22.
November 1994 -
4
StR
516/94, [X.]St 40, 371, 373). Als [X.] erfasst werden alle im Sinne des §
73d Abs.
1 Satz
1 StGB aus rechtswidrigen Taten herrührenden Gegenstände oder deren Surrogate gemäß §
73d Abs.
1 Satz
3, §
73 Abs.
2 Satz
2 StGB, die bei Begehung der den erweiterten Verfall eröffnenden Anknüpfungstat im Vermögen des Ange-klagten vorhanden waren (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Strafrechtsänderungsgesetz -
Erweiterter Verfall
-,
BT-Drucks.
11/6623 S.
8; [X.], Beschlüsse vom 1.
Juli 2004 -
4
StR
226/04, [X.], 394; vom 7.
Januar 2003 -
3
StR
421/02, [X.], 422, 423; Urteil vom 9.
Mai 2001
-
3
StR
541/00, [X.]R StGB §
73d
Gegenstände
4). Ist der Verfall eines be-stimmten Gegenstandes nach der Anknüpfungstat ganz oder teilweise unmög-lich geworden, ist nach §
73d Abs.
2 StGB in entsprechender Anwendung des §
73a StGB auf [X.]verfall in Höhe des Wertes des ursprünglich dem erweiterten Verfall unterliegenden Gegenstandes zu erkennen (vgl. [X.], Urteil
vom 9.
Mai 2001 -
3
StR
541/00, aaO). Im Verhältnis zur Verfallsanordnung nach §
73 StGB ist der erweiterte Verfall gemäß §
73d Abs.
1 StGB subsidiär. Die Anordnung des §
73d StGB setzt daher voraus, dass nach Ausschöpfung aller Beweismittel nicht festgestellt werden kann, dass die aus oder für
rechtswidrige Taten erlangten Gegenstände aus solchen Taten herrühren,
-
6
-
die Gegenstand der Verurteilung sind (vgl. [X.], Urteil vom 7.
Juli 2011 -
3
StR
144/11, [X.]R StGB §
73d Anwendungsbereich
3).
b)
Das [X.] hat die zutreffend ermittelten Erlöse aus den Ta-ten
II.
2, 3 und 5 der Urteilsgründe in Höhe von insgesamt 49.500

voller Höhe der Anordnung des [X.]verfalls zugrunde gelegt. Nach den [X.], die zur Herkunft der beim Angeklagten und in der Wohnung seiner geschiedenen Ehefrau sichergestellten Bargeldbeträge getroffen worden sind,
bleibt indes die Möglichkeit offen, dass diese Geldscheine ganz oder zum Teil aus den abgeurteilten Taten stammen. In diesem Fall wäre der Verfall der be-treffenden Geldscheine und ein um deren Wert verminderter [X.]verfall anzuordnen gewesen.
Soweit die sichergestellten Bargeldbeträge unmittelbar aus den abgeurteilten Taten erlangt wurden, scheidet die Anordnung des erwei-terten Verfalls aus.
c)
Da das [X.] nicht festgestellt hat, wann
der Angeklagte im September 2009 das Fahrzeug BMW
X
6 erwarb, ist nach der [X.] im angefochtenen Urteil nicht auszuschließen, dass auch Erlöse aus der Tat
II.
2 der Urteilsgründe für den Erwerb verwendet wurden. Bei dieser Konstellation
hätte die [X.], worauf der [X.] zu Recht hinweist, die betreffenden Erlösanteile bei ihrer Berechnung des [X.]ver-falls doppelt erfasst. Soweit für den Fahrzeugerwerb Erlöse aus Kokaingeschäf-ten Verwendung fanden, die nicht Gegenstand der Verurteilung sind, ist allein die Möglichkeit des erweiterten Verfalls eröffnet. Dies setzt aber nähere tat-sächliche Feststellungen zu den insoweit bei der Begehung der Anknüpfungsta-ten noch im Vermögen
des Angeklagten vorhandenen Vermögensgegenstän-den voraus, die das [X.] nicht getroffen hat. Bei einem Fahrzeugerwerb vor der ersten Anknüpfungstat käme als Gegenstand einer Verfallsanordnung 7
8
-
7
-
nur das Fahrzeug selbst als Surrogat der ursprünglich rechtswidrig erlangten Erlöse (vgl. [X.], Urteile vom 7.
Juli 2004 -
1
StR
115/04; vom 9.
Mai 2001 -
3
StR
541/00, aaO) in Betracht.
d)
Hinsichtlich der für die Darlehensgewährung an einen Bekannten ver-wendeten Gelder ist die [X.] davon ausgegangen, dass diese aus [X.] stammten, die der Angeklagte vor den hier abgeurteilten Taten durchführte. Damit scheidet aber eine Verfallsanordnung nach §§
73, 73a StGB aus. Die vom [X.] beantragte Abänderung in eine Anordnung des erweiterten Verfalls kann der Senat nicht vornehmen,
da das [X.] auch insoweit nicht festgestellt hat, welche bestimmten Gegenstände zum Zeit-punkt der Begehung der [X.] im Vermögen des Angeklagten vor-handen waren. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen lässt sich [X.] der mögliche Gegenstand einer Verfallsanordnung nach §
73d StGB nicht bestimmen.
3.
Die Anordnung des Verfalls und des erweiterten Verfalls bedarf daher einer neuen tatrichterlichen Verhandlung und Entscheidung. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die auf §
353 Abs.
2 [X.] beruhende Aufhebung der den Verfallsentscheidungen zuzuordnenden Feststellungen nicht die soge-nannten doppelrelevanten Tatsachen erfasst, die auch den Schuld-
oder
9
10
-
8
-
Strafausspruch tragen (vgl. [X.], [X.], 54.
Aufl., Einleitung Rn.
187 und §
353 Rn.
20). Insoweit sind nur ergänzende Feststellungen zulässig, die den bindend gewordenen nicht widersprechen dürfen.
Ernemann
Roggenbuck
Mutzbauer

Bender
Quentin

Meta

4 StR 76/12

23.05.2012

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.05.2012, Az. 4 StR 76/12 (REWIS RS 2012, 6179)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6179

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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