Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.05.2014, Az. VIII R 25/11

8. Senat | REWIS RS 2014, 5609

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Gegenstand

(Gewinnrealisierung bei Abschlagszahlungen nach § 8 Abs. 2 HOAI)


Leitsatz

1. Die Gewinnrealisierung tritt bei Planungsleistungen eines Ingenieurs nicht erst mit der Abnahme oder Stellung der Honorarschlussrechnung ein, sondern bereits dann, wenn der Anspruch auf Abschlagszahlung nach § 8 Abs. 2 HOAI entstanden ist.

2. Abschlagszahlungen nach § 8 Abs. 2 HOAI sind nicht wie Anzahlungen auf schwebende Geschäfte zu bilanzieren.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine KG, betreibt ein Ingenieurbüro für Bautechnik. Sie ermittelt ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). In ihrer Bilanz auf den 31. Dezember 2000 aktivierte sie "unfertige Leistungen" in Höhe von 8.481.829,85 DM und passivierte "erhaltene Anzahlungen" in Höhe von 11.041.615,56 DM als Verbindlichkeiten, da sie davon ausging, dass insoweit eine Gewinnrealisierung noch nicht eingetreten sei. Nach einer Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) die Auffassung, dass ein wesentlicher Teil der Leistungen, die die Klägerin in ihrer Bilanz als unfertige Leistungen ausgewiesen hatte, bereits wirtschaftlich erfüllt und der Gewinn auch insoweit realisiert sei. Für mögliche Belastungen durch Restarbeiten und Planungsfehler setzte es eine Rückstellung in Höhe der Differenz zwischen den Honorarforderungen und den erhaltenen Anzahlungen an und erhöhte in dem geänderten Feststellungsbescheid für 2000 vom 4. November 2005 den Gesamthandsgewinn der Klägerin auf 3.984.378 DM. Nach Abzug der [X.] beliefen sich die festgestellten Einkünfte aus selbständiger Arbeit auf 3.959.445 DM.

2

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat das Finanzgericht ([X.]) der Klage in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 816 veröffentlichten Urteil vom 12. April 2011  13 K 3413/07 F teilweise stattgegeben. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass der Gewinn nur insoweit realisiert worden sei, als die Planungsleistungen der Klägerin (fiktiv oder konkludent) abgenommen worden seien. Der [X.] sei insoweit rechtswidrig, als in dem festgestellten Gewinn Abschlagszahlungen für Projekte erfasst worden seien, die am Bilanzstichtag noch nicht abgenommen worden seien. Das [X.] setzte den Gesamthandsgewinn der Klägerin auf 2.132.062 DM herab und übertrug die Aufteilung des Gewinns auf die Gesellschafter dem [X.]. Während des Revisionsverfahrens erließ das [X.] für das Streitjahr geänderte Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 15. Juni 2011 und 20. Juli 2011 (letzteren nur wegen erneut geänderter Gewinnverteilung), in denen es den Gesamthandsgewinn nach Maßgabe des [X.]-Urteils erneut feststellte und auf die Gesellschafter verteilte.

3

Zur Begründung ihrer Revision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, die Erhöhung des Gesamthandsgewinns sei rechtswidrig. Eine Gewinnrealisierung sei nicht eingetreten, da weder Honorarschlussrechnungen gestellt noch die Planungsleistungen abgenommen worden seien. Entgegen der Auffassung des [X.] könne eine Teilabnahme nicht fingiert werden.

4

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] Düsseldorf vom 12. April 2011  13 K 3413/07 F, die Einspruchsentscheidung vom 7. August 2007 sowie die geänderten Bescheide zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2000 vom 4. November 2005, vom 15. Juni 2011 und vom 20. Juli 2011 aufzuheben.

5

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen sowie die Klage gegen die [X.] vom 15. Juni 2011 und 20. Juli 2011 abzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

II. Auf die Revision der Klägerin ist das angefochtene Urteil aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, sodass die Klage gegen die [X.] abzuweisen ist.

7

1. Das angefochtene Urteil ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Das [X.] hat über den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2000 vom 4. November 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. August 2007 entschieden. Das [X.] hat sich nicht darauf beschränkt, nach Maßgabe des [X.]-Urteils das Ergebnis der Neuaufteilung des [X.]s festzustellen, sondern hat in den geänderten Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2000 vom 15. Juni 2011 und 20. Juli 2011 auch den [X.] festgestellt. Die Bescheide sind an die Stelle des ursprünglich mit der Klage angefochtenen Bescheides getreten, sodass dem Urteil des [X.] ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde liegt und es deshalb keinen Bestand haben kann (Urteil des [X.] --BFH-- vom 20. November 2003 IV R 31/02, [X.], 166, [X.], 7, m.w.[X.]).

8

Die geänderten Feststellungsbescheide vom 15. Juni 2011 und 20. Juli 2011 sind nach § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden. Da sich hinsichtlich der streitigen Punkte keine Änderungen ergeben haben und die Klägerin auch keinen weiter gehenden Antrag gestellt hat, bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache gemäß § 127 [X.]O. Das finanzgerichtliche Verfahren leidet nicht an einem Verfahrensmangel, sodass die vom [X.] getroffenen tatsächlichen Feststellungen durch die Aufhebung des Urteils nicht weggefallen sind; sie bilden daher nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des Senats (BFH-Urteil vom 23. Januar 2003 IV R 71/00, [X.], 269, [X.], 43).

9

2. Aufgrund seiner Befugnis aus den §§ 121 und 100 [X.]O entscheidet der Senat in der Sache selbst. Die Klage ist unbegründet und deshalb abzuweisen. Der zuletzt ergangene Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2000 vom 20. Juli 2011, der die vorangegangenen Bescheide in sich aufnimmt, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, da der festgestellte Gewinn zum Abschlussstichtag bereits in voller Höhe realisiert worden war.

a) Der [X.]punkt der Aktivierung von Forderungen bestimmt sich auch bei der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 1 EStG nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung --GoB-- (BFH-Urteile vom 10. September 1998 IV R 80/96, [X.], 429, [X.] 1999, 21; vom 6. Dezember 1983 VIII R 110/79, [X.], 74, [X.] 1984, 227; [X.]/ [X.], EStG, 33. Aufl., § 4 Rz 44). Zu diesen GoB gehört das in § 252 Abs. 1 Nr. 4  2. Halbsatz des Handelsgesetzbuchs geregelte [X.], demzufolge Gewinne nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind (BFH-Urteil vom 17. März 2010 [X.], [X.], 2033). Bei Lieferungen und anderen Leistungen wird Gewinn realisiert, wenn der Leistungsverpflichtete die von ihm geschuldeten Erfüllungshandlungen "wirtschaftlich erfüllt" hat und ihm die Forderung auf die Gegenleistung (die Zahlung) --von den mit jeder Forderung verbundenen Risiken abgesehen-- so gut wie sicher ist (vgl. BFH-Urteile vom 20. März 2013 [X.], [X.], 1548; vom 3. August 2005 I R 94/03, [X.], 398, [X.], 20; vom 12. Mai 1993 XI R 1/93, [X.], 448, [X.] 1993, 786; vom 28. Januar 1960 IV 226/58 S, [X.], 111, [X.]I 1960, 291, jeweils m.w.[X.]). In diesem Fall reduziert sich das [X.] des Leistenden darauf, dass der Empfänger Gewährleistungsansprüche geltend macht oder sich als zahlungsunfähig erweist. Ohne Bedeutung ist hingegen, ob am Bilanzstichtag die Rechnung bereits erteilt ist, ob die geltend gemachten Ansprüche noch abgerechnet werden müssen oder ob die Forderung erst nach dem Bilanzstichtag fällig wird (vgl. BFH-Urteil in [X.], 398, [X.], 20, m.w.[X.]).

b) Eine Dienst- oder Werkleistung ist "wirtschaftlich erfüllt", wenn sie --abgesehen von unwesentlichen [X.] erbracht worden ist (vgl. BFH-Urteile in [X.], 111, [X.]I 1960, 291). Zwar bedarf es bei Werkverträgen i.S. des § 631 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) grundsätzlich der Übergabe und der Abnahme des Werks durch den Besteller (§ 640 BGB), um die handels- und steuerrechtliche Gewinnrealisierung herbeizuführen (vgl. BFH-Urteile vom 24. Januar 2008 IV R 87/06, [X.], 385, [X.] 2008, 428; vom 8. September 2005 IV R 40/04, [X.], 206, [X.], 26, jeweils m.w.[X.]). Dies kann uneingeschränkt jedoch nur dann gelten, wenn die Wirkungen der Abnahme für das Entstehen des [X.] des Unternehmers nicht durch Sonderregelungen, wie etwa eine Gebührenordnung, modifiziert werden (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1979 IV R 69/74, [X.], 380, [X.] 1980, 239).

c) Dies ist bei den von der Klägerin erbrachten Planungsleistungen der Fall, da für deren Abrechnung die Bestimmungen der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure ([X.]) gelten. Nach § 8 Abs. 2 [X.] in der im Streitjahr geltenden Fassung vom 21. September 1995 ([X.], 1174) hat der Werkunternehmer in angemessenen zeitlichen Abständen für bereits nachgewiesene Leistungen einen Anspruch auf Abschlagszahlungen. Dieser setzt weder voraus, dass eine Teilabnahme vereinbart worden ist, noch, dass eine solche tatsächlich erfolgt ist. Erforderlich ist lediglich, dass der Auftragnehmer die (Teil-)Leistung abnahmefähig erbracht und eine prüfbare Rechnung wie bei der Schlussrechnung vorgelegt hat. Zweck der Regelung ist es, dem Auftragnehmer die Nachteile der bestehenden Vorleistungspflicht zu nehmen, da es sachlich nicht gerechtfertigt ist, dem Auftragnehmer einen beträchtlichen Teil des Honorars für eine längere [X.] vorzuenthalten, wenn die zu vergütende Leistung bereits erbracht worden ist (Beschluss des [X.] --BGH-- vom 22. Dezember 2005 VII ZB 84/05, [X.], 332, m.w.[X.]; [X.]/[X.]/Vygen, [X.], 7. Aufl., § 8 Rz 22, 54; [X.]/Koeble/Frik, Kommentar zur [X.], 7. Aufl., § 8 Rz 58 ff.; [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 8 Rz 10).

Da weder die Abnahme der Planungsleistung noch die Stellung einer Honorarschlussrechnung für die Entstehung des [X.] nach § 8 Abs. 2 [X.] von Bedeutung sind, ist mit der auftragsgemäßen Erbringung der Planungsleistung die Abschlagszahlung bereits verdient (vgl. BFH-Urteile in [X.], 390, [X.] 1980, 239; vom 29. November 2007 IV R 62/05, [X.], 85, [X.] 2008, 557; in [X.], 111, [X.]I 1960, 291). Sie ist dem Leistenden auch "so gut wie sicher", da eine Rückforderung geleisteter Abschlagszahlungen ausgeschlossen ist, wenn der Auftragnehmer durch Überreichung einer prüfbaren Honorarschlussrechnung nachweist, dass der Honoraranspruch in der bereits abgerechneten Höhe entstanden ist ([X.] vom 22. November 2007 VII ZR 130/06, Neue Juristische [X.] Zivilrecht 2008, 328, m.w.[X.]; [X.]/[X.]/Vygen, a.a.[X.], § 8 Rz 61). Der Auftragnehmer hat es danach --unabhängig von der Abnahme des Werkes-- selbst in der Hand, ob er das bereits verdiente Entgelt behalten kann. Es besteht somit kein Grund, Abschlagszahlungen nach § 8 Abs. 2 [X.] wie Anzahlungen auf schwebende Geschäfte zu bilanzieren.

d) Nach diesen Grundsätzen ergibt sich ein höherer als der vom [X.] im Bescheid vom 20. Juli 2011 festgestellte Gewinn, da in diesem nicht alle von der Klägerin bis zum 31. Dezember 2000 gemäß § 8 Abs. 2 [X.] vereinnahmten Abschlagszahlungen mit gewinnrealisierender Wirkung erfasst worden sind. Das Verbot der reformatio in [X.] schließt indessen die Feststellung eines höheren Gewinns aus (vgl. BFH-Urteil vom 16. Februar 1989 IV R 64/87, [X.], 44, [X.] 1989, 708). Die Klage ist daher abzuweisen.

Meta

VIII R 25/11

14.05.2014

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 12. April 2011, Az: 13 K 3413/07 F, Urteil

§ 4 Abs 1 EStG 1997, § 252 Abs 1 Nr 4 Halbs 2 HGB, § 631 BGB, § 640 BGB, § 8 Abs 2 HOAI

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.05.2014, Az. VIII R 25/11 (REWIS RS 2014, 5609)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5609

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