Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.02.2012, Az. 1 StR 427/11

1. Strafsenat | REWIS RS 2012, 9378

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
1 StR 427/11

vom
8. Februar 2012
in der Strafsache
gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
-
2
-
Der 1.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom
8.
Februar 2012, an der teilgenommen
haben:
[X.] am [X.]
Nack
und die [X.] am [X.]
Dr. Wahl,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,

[X.] am [X.]

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger
des Angeklagten,

Justizangestellte

-
in der Verhandlung -,
Justizangestellte

-
bei der Verkündung
-

als Urkundsbeamtinnen
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-
1.
Auf die
Revision der Staatsanwaltschaft wird
das Urteil des [X.]s [X.]f
vom 24. Mai
2011, soweit es den Angeklag-ten H.

betrifft,
mit den zugehörigen Feststellungen aufge-hoben
a)
im Schuldspruch zum [X.] der Urteilsgründe unter Aufrechterhaltung der Feststellungen
zum objektiven Tatgeschehen,
b)
soweit der
Angeklagte vom Vorwurf eines Sexualdelikts
freigesprochen worden ist,
und
c)
im gesamten Strafausspruch.

2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache
zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer
des [X.]s zurück-verwiesen.

Von Rechts wegen

-
4
-

Gründe:
Das [X.] ([X.]) hat den Angeklagten
unter Freispre-chung im Übrigen wegen

-
vorsätzlicher unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln
in Tatmehr-heit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ([X.] der Urteilsgründe) sowie wegen
-
Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung in drei tateinheit-lichen Fällen in Tateinheit mit Nötigung in Tateinheit mit Beihilfe zur dreifachen Nötigung, zur zweifachen gefährlichen Körperverletzung und zur Körperverletzung
([X.] der Urteilsgründe)
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.

Mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten und auf die Verlet-zung materiellen Rechts gestützten Revision beanstandet
die Staatsanwalt-schaft den Teilfreispruch vom Vorwurf eines Sexualdelikts und rügt zudem
Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten
im Schuld-
und Strafausspruch. Er-kennbar vom Revisionsangriff ausgenommen sind die Schuldsprüche im
Tat-komplex
B.II
([X.] und Widerstand gegen Vollstreckungsbe-amte) und im Fall B.IV.1 der Urteilsgründe (Körperverletzung), die [X.] zum objektiven Tatgeschehen im [X.].2 der Urteilsgründe so-wie der weitergehende Teilfreispruch von den Vorwürfen des Diebstahls und der räuberischen Erpressung.
Das vom [X.] weitgehend
ver-tretene Rechtsmittel hat Erfolg.

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5
-
I.
1.
Zum Tatgeschehen hat das [X.] Folgendes festgestellt:
a) [X.] der Urteilsgründe
Am 20. April 2010 führte der Angeklagte in einem Pkw
als Beifahrer min-destens 0,1 Gramm [X.] mit einem Mindestwirkstoffgehalt von 30% Metamphetaminbase, das er zuvor in der [X.] zum [X.] erworben hatte, über den Grenzübergang [X.]/[X.] in
die Bundesre-publik Deutschland ein.
Als er bei der Einreise einer Kontrolle durch Zollbeamte unterzogen wer-den sollte, steckte er das in einem kleinen Tütchen mitgeführte Rauschgift in den Mund. Nachdem er von den Beamten aufgefordert worden war, seinen
Mundinhalt vorzuzeigen, versuchte er zu fliehen. Als die Beamten ihn festhalten wollten, widersetzte er sich, schlug um sich und versuchte sich loszureißen. Nur unter Aufbietung aller Kräfte gelang es den Beamten, den Angeklagten am [X.] zu fixieren und zu fesseln. Dem Angeklagten gelang es allerdings noch während der Auseinandersetzung, das Plastiktütchen zu zerbeißen und das Rauschgift zu schlucken.
b) [X.] der Urteilsgründe
Am 28. Juli 2010 befand sich der Angeklagte zusammen mit dem [X.] [X.].

sowie

B.

und dem Geschädigten S.

in der [X.] in Strafhaft in einer Gemeinschaftszelle.
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-
6
-
aa) Fall B.IV.1
Gegen 19.45 Uhr kam es zwischen den Insassen zu einer Auseinander-setzung über Radio und Fernsehen in der Zelle, ohne dass der nähere Ablauf festgestellt werden konnte. Nicht ausschließbar bezeichnete dabei der Ge-schädigte S.

ohne Vorwarnung dem Geschädigten mit der Faust ins Gesicht schlug. Hierbei traf er dessen rechte Wange, sodass dieser, wie vom Angeklagten beabsich-tigt, erhebliche Schmerzen verspürte.
bb) Fall [X.]
Der Mitangeklagte [X.].

begab sich nun ebenfalls zum Geschädigten und forderte ihn
auf, sich körperlich zu wehren, was dieser jedoch ablehnte. Diese
dem Geschä-digten mit der Faust ins Gesicht schlug. Zudem versetzte er ihm einen Kniestoß
in die Rippen, sodass der Geschädigte vom Stuhl auf den Boden fiel. Als er am Boden lag, schlugen der Angeklagte und [X.].

gleichzeitig mit den Fäusten auf ihn ein, sodass er am Oberkörper weitere Schmerzen erlitt.

cc) Fall B.IV.2b
Anschließend forderten [X.].

und der Angeklagte den Geschädigten unter
Androhung weiterer Schläge auf, sich auf die Toilette zu begeben und dort zu bleiben. Während dieser [X.] räumte der Mitangeklagte [X.].
den Spind des [X.] aus.
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Nach etwa 15 bis 20 Minuten forderten [X.].

und der Angeklagte den [X.] auf, aus der Toilette zu kommen und den gesamten [X.] einschließlich Toilette und Waschbecken sofort zu reinigen. Dieser Aufforde-rung kam der Geschädigte aus Furcht vor weiteren Schlägen des Mitangeklag-ten [X.].

und auch des Angeklagten nach.
dd) Fall [X.]
Während des nun folgenden, sich über zwei bis drei Stunden hinziehen-den Geschehens lief der Angeklagte -
soweit er sich nicht unmittelbar an dem Geschehen beteiligte -
in der Zelle auf und ab oder hielt sich am Fenster auf. Er nahm das Vorgehen des Mitangeklagten [X.].

wahr, griff aber nicht in dieses ein, weil er keinen Anlass sah, dem Geschädigten zu helfen. Insbesondere be-tätigte er nicht die in der Zelle angebrachte Notrufanlage und drohte auch nicht mit ihrer Betätigung, obwohl ihm klar war, dass er mit seinem [X.] das Verhalten des Mitangeklagten [X.].

begünstigte. Er war sich auch bewusst, dass er durch seine gemeinsam mit [X.].

verübten Schläge erheblich dazu bei-getragen hatte, dass der Geschädigte eingeschüchtert war und die folgenden Misshandlungen aus Furcht vor weiteren Schlägen über sich ergehen ließ.
Der weitere Zelleninsasse

B.

lag während der folgenden [X.] auf seinem
Doppelstockbett und verhielt sich teils aus [X.], teils aus Angst, selbst geschlagen zu werden, völlig passiv.

o.

bekäme. Der Geschädigte musste sich auf seine Anweisung hin auf einen
Stuhl setzen, auf dem ihn [X.].

rasierte, um ihn zu demütigen und vor sämtlichen Mit-o.

rasierte ihm mit einem Einwegrasie-rer die Augenbrauen weg sowie von hinten nach vorn und von [X.] zu [X.] ein 15
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mehrere Zentimeter breites Kreuz in die Haare. Dabei erlitt der Geschädigte eine Vielzahl blutender Schürfwunden, die ihm erhebliche Schmerzen bereite-ten. Er erduldete dieses Vorgehen, da er -
wie von [X.].

ausdrücklich angedroht -
andernfalls weitere Schläge befürchten musste.
ee) Fall B.IV.2d

o.

noch mit einer [X.] den linken Arm des Geschädigten an dessen linken Oberschenkel. Sodann musste sich der Geschädigte mit einer mit Seife gefüllten Socke selbst schlagen. Als er nach Ansicht des [X.].
nicht fest genug zuschlug, versetzte die-ser ihm noch weitere starke und schmerzvolle Schläge auf den Oberkörper.
ff) Fall [X.]
Wiede
später
geriet der Mitangeklagte [X.].

erneut in Wut. Er forderte den Geschädigten auf, sich zu entkleiden,
und zog über den Zellenbesen eine Plastiktüte, die mit Duschgel oder Handcreme eingerieben wurde. Den so präparierten Besen reichte der Mitangeklagte [X.].
dem Geschä-digten unter Androhung weiterer Schläge mit der Aufforderung, sich diesen rek-tal einzuführen. Der Geschädigte, der erhebliche Angst hatte, kam dem nach und führte sich den Besenstiel mindestens einmal in gebückter Stellung
für we-nige Sekunden in seinen After ein.
Anschließend musste er sich auf Geheiß des Mitangeklagten [X.].

auf den Boden legen und den Vorgang wiederholen. Hierbei ergriff der Mitange-klagte
[X.].

unvermittelt selbst den Besen und versuchte, diesen kräftig in den After des Geschädigten nachzudrücken. Dem Geschädigten gelang es jedoch, das Ende des Stiels so zu führen, dass der Besenstiel dabei nicht in seinen After eindrang, sondern daneben vorbei auf den Boden rutschte. Auch hiermit 20
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wollte der Mitangeklagte [X.].

dem Geschädigten seine Hilflosigkeit und seine Opferrolle demonstrieren und ihn gegenüber den Zellengenossen als minder-wertig darstellen.
gg) Fall B.IV.2f
Danach
griff der Angeklagte, der sich am vorherigen Geschehen nicht aktiv oder kommunikativ beteiligt hatte, den Geschädigten mit dem [X.] an und schlug ihm mehrfach mit dem Stiel derart heftig auf den Rü-cken, dass der Stiel schließlich durchbrach. Der Geschädigte erlitt heftige Schmerzen und einige mehrere Zentimeter lange Hämatome am Rücken, auf denen sich die Form des Schrubberstiels abzeichnete.
hh) Fall B.IV.2g
Nachdem der Angeklagte und der Mitangeklagte [X.].

zunächst aufgehört hatten, den Geschädigten zu misshandeln, zwang ihn der Mitangeklagte [X.].

unter Androhung weiterer
Schläge, den Inhalt des Zigarettenaschenbechers in den Mund zu schütten und herunterzuschlucken.
ii) Fall B.IV.2h
Zu einem nicht näher bestimmbaren [X.]punkt im Laufe der Ereignisse versetzten die Angeklagten dem vor dem Zellenspiegel stehenden Geschädig-ten gemeinsam weitere schmerzhafte Faustschläge gegen den Oberkörper und bespuckten ihn.
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jj) Fall B.IV.2i
Schließlich musste sich der Geschädigte
auf Weisung des Mitangeklag-ten [X.].

zu einem ebenfalls nicht näher bestimmbaren [X.]punkt auf eine Wä-schekiste setzen und musste

zur weiteren Demütigung

unter Androhung weiterer Schläge auf Familienfotos, seinen Verlobungsring und andere persön-liche Gegenstände spucken.
Erst gegen 23.00 Uhr ließen der Angeklagte
und der Mitangeklagte [X.].

von dem Geschädigten ab, forderten ihn aber nachdrücklich unter Hinweis auf drohende Nachteile für seine Familie auf, über das Geschehene Stillschweigen zu wahren. Im Laufe dieses
Geschehens war
es immer wieder zu Pausen
ge-kommen, in denen sich nichts ereignete. Der Entschluss, den Geschädigten nun nicht mehr weiter anzugehen, wurde erst gegen 23.00 Uhr gefasst. Infolge der Misshandlungen befand sich der Geschädigte vier Wochen auf der Kran-kenstation des Gefängnisses.
Das [X.] konnte sich
keine Überzeugung dahingehend bilden, dass der Angeklagte und der Mitangeklagte [X.].

-
als sich der Geschädigte auf der Toilette befand -
eine Absprache getroffen haben, den Geschädigten weiter zu misshandeln und zu demütigen. Das gilt insbesondere auch für die
Miss-handlung
des Geschädigten mit dem Zellenbesen.
2. Im [X.] hat das [X.] den Angeklagten wegen Kör-perverletzung (Fall B.IV.1) in [X.] mit drei tateinheitlichen Fällen der gefährlichen Körperverletzung (Fälle [X.], 2f, 2h) in Tateinheit mit Nötigung (Fall B.IV.2b) in Tateinheit mit Beihilfe durch Unterlassen zur dreifachen Nöti-gung, zur zweifachen gefährlichen Körperverletzung und zur Körperverletzung (Fälle [X.], 2d, 2e,
1. [X.], 2g, 2i) schuldig gesprochen.
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a) Eine mittäterschaftliche Beteiligung des Angeklagten an den vom [X.] [X.].

ausgeführten Handlungen hat das [X.] verneint. Der Angeklagte habe sich an
weiten
Teilen
des Geschehens weder
aktiv beteiligt noch dieses durch Anfeuerung oder verbales Bestärken des Mitangeklagten gefördert. Er habe keinerlei Tatherrschaft bei der Ausführung der Delikte [X.], die vom Mitangeklagten [X.].

eigenständig vorgenommen worden seien. Eine Absprache oder ein eigenes Interesse an den Taten des Mitangeklagten konnte das [X.] ebenfalls nicht feststellen (UA S.
28, 31).
b) Das [X.] hat aber hinsichtlich der
Taten, bei denen der [X.] nicht selbst aktiv wurde,
eine
psychische Beihilfe durch Unterlassen an-genommen. Es
ist
davon überzeugt, dass der Angeklagte mit seinem [X.] das Verhalten des Mitangeklagten psychisch unterstützen wollte. Aus der Gesamtschau der Ereignisse hat es
geschlossen, dem Angeklagten sei bewusst gewesen, dass er durch seine Beteiligung am Anfang des Gesche-hens dem Mitangeklagten und dem Geschädigten das Gefühl vermittelt habe, es stünden [X.] gegen einen, und dass der Geschädigte deshalb aus Angst vor weiteren Schlägen auch vom Angeklagten
die ihm zugefügten Demü-tigungen dulden würde ([X.]). Damit habe der Angeklagte durch sein ei-genes Zuschlagen zu Beginn des Geschehens dem Geschädigten zu erkennen gegeben, dass er das Verhalten des Mitangeklagten billige und dass der Ge-schädigte sich nicht nur einem Gegner gegenüber sehe. Mit diesem Verhalten habe der Angeklagte eine Garantenstellung im Sinne eines vorangegangenen
gefährlichen Tuns begründet.
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c) Im [X.].2 der Urteilsgründe hat das [X.] ein ein-heitliches Geschehen im Sinne einer Tateinheit (§
52 StGB) angenommen.
Auch wenn das Tatgeschehen von Phasen vorübergehend fehlender Aktivität gekennzeichnet gewesen sei, habe der Mitangeklagte zu keinem [X.]punkt
sei-nen Plan, den Geschädigten zu demütigen, aufgegeben. Auch dem Angeklag-ten sei es von Anfang an gleichgültig gewesen, ob und in welcher Form der Mitangeklagte den Geschädigten weiter traktieren würde.
3. Abgesehen von den vom Revisionsangriff ausgenommenen Vorwür-fen des Diebstahls und der räuberischen Erpressung im Hinblick auf persönli-che Habe des Geschädigten
hat das [X.] den Angeklagten auch vom
Vorwurf
der Beteiligung an dem
vom Mitangeklagten [X.].

mit einem Besenstiel begangenen Sexualdelikt (Fall [X.],
2. [X.]) aus tatsächli-chen Gründen freigesprochen. Dieses Geschehen sei schon nach Sekunden wieder beendet gewesen, sodass der Angeklagte keine Möglichkeit zum Ein-greifen gehabt habe. Er habe damit diese Tat des Mitangeklagten [X.].

schon objektiv nicht gefördert (UA S.
29, 37).

II.
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils hinsichtlich des Teilfreispruchs vom Vorwurf der [X.] am Sexualdelikt des Mitangeklagten [X.].

, des Schuldspruchs
im [X.] sowie im gesamten Strafausspruch. Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen im [X.].2 sind vom Revisionsangriff aus-genommen und bleiben deshalb bestehen. Rechtsfehler zum Nachteil (§
301 StPO) des Angeklagten
sind nicht vorhanden.
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-
1. Im Ansatz zutreffend hat das [X.] die von dem Angeklagten im [X.].2 der Urteilsgründe zum Nachteil des Geschädigten begange-nen Taten als einheitliches Geschehen
im Sinne einer natürlichen Handlungs-einheit
bewertet.
Eine natürliche
Handlungseinheit setzt voraus, dass zwischen mehreren strafrechtlich erheblichen Verhaltensweisen, die von einem einheitlichen Willen getragen werden, ein unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht und das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise auch für einen Dritten als ein
einheitliches Tun erscheint (st. Rspr.;
vgl. [X.], Urteil vom 30.
Januar 1991 -
2 StR 321/90, [X.]R StGB vor §
1 natürli-che Handlungseinheit Entschluss, einheitlicher
4; [X.], Urteil vom 19.
November 2009 -
3 [X.]; [X.], Urteil vom 25.
September 1997
-
1
StR 481/97, [X.], 68, 69; vgl. auch die weiteren Nachweise bei
[X.], StGB, 59.
Aufl., Vor §
52 Rn.
3).
Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen durfte das [X.] hier [X.], denn der erforderliche zeitliche Zusammenhang wurde nicht dadurch beseitigt, dass die einzelnen strafrechtlich erheblichen Verhaltensweisen in ei-nem gewissen zeitlichen Abstand erfolgten. Vielmehr war das mehraktige [X.] zum einen von einem einheitlichen Willen, den Geschädigten zu de-mütigen (UA S.
32), getragen (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 26. Juli 1995
-
4 [X.]; [X.], Urteil vom 30.
Januar 1991 -
2 StR 321/90, [X.]R StGB vor § 1 natürliche Handlungseinheit Entschluss, einheitlicher
4), zum anderen befand sich der Geschädigte in einer fortdauernden
Zwangslage und konnte sich als in einer Gemeinschaftszelle untergebrachter Strafgefangener auch nicht frei bewegen, was der Angeklagte und der Mitangeklagte [X.].

bei den Verletzungshandlungen ausnutzten (vgl. [X.], Urteil vom 4.
September 2001 -
1
StR 232/01, [X.], 21 mwN). Die mehrfachen Pausen aktiver Einwirkung 41
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-
14
-
auf den
Geschädigten stellten -
entgegen der Auffassung der Staatsanwalt-schaft -
keine Zäsuren dar, zumal sich der Geschädigte unter der fortwirkenden Androhung weiterer Schläge in der abgeschlossenen Gefängniszelle dem [X.] zu keinem [X.]punkt entziehen konnte. [X.]st die (theoretische) Mög-lichkeit, zu versuchen, durch Drücken des [X.] weitere Gewalt gegen ihn zu unterbinden, konnte angesichts der Einschüchterung des Geschädigten durch die vorangegangenen Gewalthandlungen die das Geschehen verbinden-de Zwangssituation nicht beseitigen. Das einheitliche Geschehen zum Nachteil des Geschädigten fand erst dann seinen Abschluss, als der Mitangeklagte [X.].

und mit ihm auch der Angeklagte gegen 23.00 Uhr den Entschluss fassten, den Geschädigten nun nicht mehr weiter anzugehen (UA S.
23).
2. Gleichwohl kann der Schuldspruch im [X.].2 keinen [X.] haben, denn das [X.] hat in den Fällen, in denen sich der [X.] nicht
aktiv am Geschehen beteiligte, sondern in der Zelle umherlief oder zum Zellenfenster hinaussah, rechtsfehlerhaft eine mittäterschaftliche Tatbege-hung verneint.
a) Mittäter ist, wer [X.] fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung sei-nes eigenen [X.] erscheint. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen,
die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte kön-nen der Grad des eigenen Interesses am [X.], der Umfang der Tatbeteili-gung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft
sein (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 15.
Januar 1991 -
5 [X.], [X.]St 37, 289, 291 mwN). In Grenzfällen hat der [X.] dem Tatrichter für die ihm obliegende Wertung einen Beurteilungsspielraum eröffnet. Lässt das 44
45
-
15
-
angefochtene Urteil erkennen, dass der Tatrichter die genannten Maßstäbe gesehen
und den Sachverhalt vollständig gewürdigt hat, so kann das [X.] auch dann nicht als rechtsfehlerhaft bean-standet werden, wenn eine andere tatrichterliche Beurteilung möglich gewesen wäre oder sogar näher gelegen hätte (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 30.
Juni 2005 -
5 StR 12/05,
wistra 2005, 380, 381).

b) Das [X.] hat diese Maßstäbe zwar erkannt;
es hat aber den Sachverhalt nicht vollständig gewürdigt, weil es die erforderliche Gesamtbe-trachtung der Tathandlungen nicht vorgenommen hat.
Dadurch hat sich das [X.] den Blick dafür verstellt, dass der An-geklagte nach den Feststellungen durch seine Beteiligung am Anfang des [X.]s bewusst sowohl dem Geschädigten als auch dem Mitangeklagten [X.].

das Gefühl vermittelt hatte, [X.] stünden gegen einen. Ihm war von Anfang an auch
bewusst, dass der Geschädigte aus Angst vor weiteren Schlä-gen auch von dem Angeklagten die ihm zugefügten Demütigungen dulden wür-de (UA S.
28). Damit hat er aktiv an der Schaffung einer Bedrohungssituation mitgewirkt, welche die Tathandlungen des Mitangeklagten [X.].

ermöglichte, zumindest aber förderte. Diese von ihm mitgeschaffene Bedrohungssituation bestand auch
dann fort, wenn der Angeklagte lediglich in der Zelle auf-
und ab-ging oder sich am Fenster aufhielt (UA S.
17, 28).
46
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-
16
-
Die Wertung des [X.]s, der Angeklagte habe bei den Tathand-lungen des Mitangeklagten [X.].

lediglich eine untergeordnete Rolle gespielt, blendet rechtsfehlerhaft das Zusammenspiel der jeweiligen Handlungen des Angeklagten und des Mitangeklagten [X.].

im
Gesamtgeschehen aus. Der
An-geklagte hat nicht nur die Situation, dass der Geschädigte sich zwei Gegnern gegenüber sah, bewusst geschaffen, er hat auch jeweils nach
Gewalthandlun-gen des Mitangeklagten [X.].

wieder selbst
den Geschädigten geschlagen
und hat damit zum Ausdruck gebracht, dass er die Handlungen des [X.].

billigt.
Auch wenn

chluss, den [X.] nun nicht mehr anzugehen, erst gegen 23.00 Uhr gefasst. Erst zu diesem [X.]punkt endete die von dem Angeklagten geschaffene und bis dahin fortbestehende Bedrohungssituation.
Die Feststellungen zu den über drei Stunden andauernden und teils ge-meinsam, teils
einzeln vorgenommenen Einwirkungen des Angeklagten und des Mitangeklagten [X.].

auf den Geschädigten belegen damit ein
so enges Verhältnis des Angeklagten zu den Taten des [X.]., dass sich seine Verurteilung insoweit lediglich als Gehilfe durch Unterlassen als rechtsfehlerhaft erweist.
Seine
Tatbeiträge fügen sich derart in eine gemeinschaftliche Tat ein, dass der
Beitrag des Angeklagten als Teil der Tätigkeit des Mitangeklagten und umge-kehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen [X.] zu bewerten ist.
Dass der Angeklagte sich von den Handlungen des Mitangeklagten [X.].

distan-ziert habe, hat das [X.] nicht festgestellt und wäre mit dem übrigen [X.] auch nicht vereinbar.
3. Angesichts der unrichtigen Bewertung des Gesamtgeschehens im [X.].2
kann auch der Teilfreispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Beteiligung an dem vom Mitangeklagten [X.].

mit einem Besenstiel began-genen Sexualdelikt (Fall [X.], 2. [X.] der Urteilsgründe) 48
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-
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-
keinen Bestand haben. Denn das insoweit festgestellte Tatgeschehen kann nur im Lichte der übrigen Taten zutreffend bewertet werden.

Waren die übrigen gegen den Geschädigten gerichteten Gewalthandlun-gen aber von einem Täterwillen des Angeklagten umfasst, lag es
fern, dass gerade der Einsatz des Besenstiels gegen den After des Geschädigten nicht vom Willen des Angeklagten getragen sein sollte, zumal der Besenstiel schon vorher zum Einsatz kam und der Angeklagte im [X.] daran selbst mit dem Zellenschrubber auf den Geschädigten einschlug.
Mit dem unzutreffenden
Ansatz, es liege lediglich ein Unterlassen des Angeklagten vor,
hat sich das [X.]
den Blick für die Frage verstellt, ob eine Handlung wie das Nachschieben des Besenstiels in Richtung des Afters
des Geschädigten durch den Mitangeklagten [X.].

bereits vorher, als der [X.] selbst zuschlug und damit zur Einschüchterung des Geschädigten bei-trug, vom Vorsatz
des Angeklagten grundsätzlich umfasst war. Für einen Tat-vorsatz
spricht, dass der Angeklagte während des Tatgeschehens selbst mehr-fach heftige Schläge gegen den Geschädigten
austeilte, billigte, dass der Ge-schädigte von dem Mitangeklagten [X.].

gezwungen wurde, den Besenstiel in seinen After einzuführen,

des Besen-stielo.

mit dem Stiel des Zellenschrubbers derart heftig auf den Rücken des Geschädigten einschlug, dass der Zellenschrubber durchbrach (Fall B.IV.2f).
Vor diesem Hintergrund ist auch die Wertung
des [X.]s nicht tragfähig, bei diesem Geschehen handele es sich um eine Eskalation, die ei-nem plötzlichen Impuls des Mitangeklagten [X.].

entsprang, und mit dem nicht zu rechnen war
(UA S.
31).
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-
18
-
Jedenfalls liegt ein durch den unrichtigen Ansatz des [X.]s be-dingter,
durchgreifender Erörterungsmangel zur Frage
vor, ob ein vom Vorsatz des Angeklagten nicht umfasster Exzess des Mitangeklagten [X.].

gegeben war
oder ob -
was näher liegt -
der Angeklagte von vornherein auch mit einem sol-chen Vorgehen des Mitangeklagten einverstanden war. Dies gilt zumal ange-sichts der Erwägung des [X.]s, dem Angeklagten sei es -
soweit er nicht selbst aktiv tätig wurde -
von Anfang an gleichgültig gewesen, ob und in welcher Form der Mitangeklagte [X.].

den Geschädigten weiter traktieren würde
(UA S.
32). Die [X.] hätte daher jedenfalls den Umstand näher [X.] müssen, dass der Angeklagte trotz des nach ihrer Wertung für den [X.]n unvorhersehbaren Übergriffs des Mitangeklagten auf den Geschädigten im Fall
[X.], 2. [X.] heftig mit eigenen Schlägen in das Geschehen eingegriffen hat, statt sich zu distanzieren.
4. [X.] zieht hinsichtlich der betroffenen Taten die Aufhe-bung der zugehörigen Einzelstrafen sowie des [X.] nach sich. Der Senat hebt auch die von den [X.] nicht betroffenen Einzel-strafen auf, um dem neuen Tatgericht eine einheitliche und bruchlose Strafzu-messung zu ermöglichen.
55
-
19
-
5. Im Hinblick darauf, dass das Urteil gegen den Mitangeklagten [X.].

rechtskräftig ist, verweist der Senat die Sache im Umfang der Aufhebung an eine allgemeine Strafkammer des [X.]s zurück.
[X.]Wahl Graf

Jäger Sander
56

Meta

1 StR 427/11

08.02.2012

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.02.2012, Az. 1 StR 427/11 (REWIS RS 2012, 9378)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9378

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

1 StR 488/14

4 StR 7/16

Zitiert

1 StR 427/11

Zitieren mit Quelle:
x

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