Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.09.2013, Az. 3 StR 209/13

3. Strafsenat | REWIS RS 2013, 2761

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 209/13
vom
17. September 2013
in der Strafsache
gegen

wegen
erpresserischen Menschenraubes
u.a.

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Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] -
zu 2. auf dessen Antrag -
am 17.
September 2013 gemäß §
349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 20.
Dezember 2012, soweit es ihn [X.], mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

a)
in den Aussprüchen über die Einzelstrafen in den [X.], 4 und 5 der Urteilsgründe,
b)
im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landge-richts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen erpresserischen [X.] in Tateinheit mit schwerem Raub und mit Computerbetrug, wegen schwerer räuberischer Erpressung, Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Kör-perverletzung in zwei Fällen sowie wegen versuchter räuberischer Erpressung 1
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in Tateinheit mit Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf [X.] der [X.] formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachbeschwerde den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von §
349 Abs. 2 StPO.
1. Die verfahrensrechtlichen Beanstandungen der Revision bleiben ohne Erfolg. Dies gilt auch für die [X.], das [X.] habe einen in der [X.] gestellten Antrag des Angeklagten, ein psychiatrisches Sachver-ständigengutachten zum Beweis dafür einzuholen, dass er sich bei Begehung der ihm vorgeworfenen Taten im Zustand zumindest erheblich verminderter Schuldfähigkeit befand, rechtsfehlerhaft zurückgewiesen. Der Angeklagte hat im Rahmen der Antragsbegründung
ausgeführt, er habe sich im Januar 2007 stationär in einer Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie befunden und sei nach zehn Tagen mit der Diagnose eines Restzustandes nach [X.] entlassen worden. Er hat weiter vorgetragen, er habe von August bis [X.] 2011 vor dem Hintergrund der Diagnose pathologisches Glücksspiel ([X.] 63.0) an einer stationären Rehabilitation in einer internistisch psychosoma-tischen Fachklinik teilgenommen, nachdem ihm das [X.] in seinem Beschluss vom 22.
August 2011 über die Aussetzung des Restes einer gegen ihn vollzogenen Jugendstrafe aufgegeben hatte, an einer Therapie in dieser Fachklinik teilzunehmen.
Es kann dahinstehen, ob dem Antrag trotz der ihm beigegebenen [X.] hinreichend konkreter Beweisbehauptung die Qualität eines Beweisantrags fehlt, und das [X.], so es sich doch um einen Beweisan-trag handeln sollte, durch dessen Ablehnung wegen völliger Ungeeignetheit des
Beweismittels gegen §
244 Abs. 3 Satz 2 Var. 3 StPO verstoßen hat; denn je-2
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denfalls könnte das Urteil auf dem etwaigen Verfahrensfehler nicht beruhen. Nach den vom [X.] rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, die als Anknüpfungstatsachen auch von einem beigezogenen Sachverständigen [X.] zugrunde gelegt werden müssen, ist auszuschließen, dass das [X.] nach sachverständiger Beratung zu der Überzeugung hätte gelangen können, der Angeklagte sei bei Begehung der Taten aufgrund seines Betäubungsmittel-konsums und einer Spielsucht (je für sich oder in Kombination) in seiner Ein-sichts-
oder Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt gewesen. Im [X.]:
a) Der Konsum von Betäubungsmitteln und eine Betäubungsmittelab-hängigkeit begründen für sich weder eine Schuldunfähigkeit noch eine erhebli-che Verminderung der Schuldfähigkeit. Dies ist vielmehr nur ausnahmsweise der Fall, wenn langjähriger [X.] zu schwersten Persön-lichkeitsveränderungen geführt hat, der Täter unter starken [X.] gelitten bzw. solche befürchtet hat und
dadurch dazu getrieben wurde, sich mittels einer Straftat Drogen oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen, oder unter Umständen auch dann, wenn er das Delikt im Zustand eines aktuel-len Rausches verübt hat (vgl. Weber, BtMG, 4. Aufl., vor §§ 29 ff., Rn. 451
f. mwN).

Auch "Pathologisches Spielen" oder "Spielsucht" stellt für sich genom-men keine die Schuldfähigkeit erheblich einschränkende oder ausschließende krankhafte seelische Störung oder schwere andere seelische Abartigkeit dar. Maßgeblich ist insoweit vielmehr, ob der Betroffene durch seine "Spielsucht" gravierende psychische Veränderungen in seiner Persönlichkeit erfährt, die in ihrem Schweregrad einer krankhaften seelischen Störung gleichwertig sind. Nur 4
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wenn die "Spielsucht" zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen führt oder der Täter bei [X.] unter starken Entzugserscheinungen gelitten hat, kann ausnahmsweise eine erhebliche Verminderung der [X.] im Sinne von §
21 StGB anzunehmen sein (vgl. [X.], Urteil vom 25.
November 2004 -
5 [X.], [X.]St 49, 365, 369 ff.; Beschluss vom 9.
Oktober 2012 -
2 StR 297/12, [X.], 181 f., je mwN).

b) Das Vorliegen derartiger Besonderheiten in der Persönlichkeit des Angeklagten, die ihre Ursachen in einer "Spielsucht", einer Betäubungsmittel-abhängigkeit oder in dem Zusammentreffen beider Suchtformen hätten, ist nach den Urteilsfeststellungen ausgeschlossen.

Danach erreichte der Angeklagte während der gegen ihn bis Ende [X.] 2011 vollstreckten Jugendstrafe den Realschulabschluss. Nach Entlas-sung aus der Haft und der erfolgreichen Absolvierung der ihm aufgegebenen Therapie wegen "pathologischen Glücksspiels" begann er ab 1. Dezember 2011 ein Praktikum zur Vorbereitung einer Ausbildung bei der [X.]

; ohne seine Inhaftierung in vorliegender Sache hätte er konkrete Aussichten gehabt, eine offizielle Ausbildungsstelle zu erhalten. Zwar begann der Angeklagte ab Ende Februar 2012 wieder verstärkt Spielhallen zu besuchen, wo er auch erhebliche Summen verspielte. Auf seinen durch das Praktikum strukturierten Tagesablauf oder sein sonstiges Verhalten wirkte sich dies indes nicht wesentlich aus. Betäubungsmittel konsumierte der Angeklagte nur in Maßen, zuletzt in unregelmäßigen Abständen drei bis vier Joints pro [X.]; sonstige Betäubungsmittel mied der Angeklagte und nahm Alkohol nur gelegentlich und in geringen Mengen zu sich. Soweit er und seine Tatgenossen 6
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bei den verfahrensgegenständlichen Taten größere Geldbeträge erbeuteten, verwendete der Angeklagte seinen Anteil -
außer für das Spielen an Spielauto-maten -
jeweils auch für Drogen und Alkohol sowie zum Kauf von Essen, Trin-ken und Zigaretten und zur Finanzierung von Bordellbesuchen.

Vor diesem Hintergrund liegen bei Anwendung der dargelegten rechtli-chen Maßstäbe die Voraussetzungen des §
21 StGB ersichtlich nicht vor. [X.] musste sich das [X.] auch nicht dazu gedrängt sehen, zur Beurtei-lung der Schuldfähigkeit des Angeklagten gemäß §
244 Abs. 2 StPO von Amts wegen ein psychiatrisches Sachverständigengutachten einzuholen. Auch die von der Revision insoweit zusätzlich erhobene Aufklärungsrüge bleibt daher erfolglos.

2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachbeschwerde hat zum Schuldspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Ange-klagten erbracht. Die Strafzumessung hat hingegen nur zum Teil Bestand. Der jeweilige Einzelstrafausspruch in den Fällen [X.], 4 und 5 (Taten vom 11./12. Mai 2012) kann nicht bestehen bleiben, da das [X.] insoweit die [X.] des Strafrahmens gemäß §
46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, §
49 Abs. 1 StGB
rechtsfehlerhaft nicht geprüft hat.

Nach den Urteilsgründen ist das [X.] zutreffend davon [X.], dass der Angeklagte [X.] hinsichtlich der Taten vom 24.
März 2012 und vom 7.
Mai 2012 (Taten II. 1 und 2 der Urteilsgründe) ge-leistet hat. Aufgrund dessen hat das [X.] in Ausübung des ihm einge-räumten Ermessens in diesen Fällen den Strafrahmen jeweils gemäß §
49 8
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Abs.
1 StGB gemildert und dies ausführlich begründet. In den übrigen drei Fäl-len hat das [X.] die Milderung des Strafrahmens hingegen nicht vorge-nommen und das Absehen hiervon auch nicht begründet. Daher ist davon [X.], dass das [X.] diese Strafrahmenmilderung insoweit nicht ge-prüft oder von vornherein nicht für möglich gehalten hat. Dies ist rechtsfehler-haft.

§
46b StGB -
in seiner zu den [X.] geltenden Fassung (§
2 Abs. 1 StGB) -
ist auch dann anwendbar, wenn zwischen der jeweils zu beurteilenden Tat und derjenigen, zu der der Täter einen Aufklärungsbeitrag erbracht hat, kein Zusammenhang besteht (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Mai 2010 -
5 [X.], [X.]St 55, 153, 154 f. mwN; BT-Drucks. 17/9695 S. 1, 6). Daher ist, wenn dem Täter mehrere Delikte zur Last liegen, die mit einer
im Mindestmaß erhöhten Freiheitstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind (§
46b Abs. 1 Satz 1 StGB), für alle Taten abzuwägen, ob eine Strafrah-menverschiebung gerechtfertigt ist, auch wenn sich die [X.] nur auf eine dieser Taten bezieht (vgl. [X.], Beschluss vom 5.
Februar 2013 -
3 StR 8/13, [X.], 203; BT-Drucks. 16/6268 S. 13 mwN). Eine solche Abwä-gung hat das [X.] in den Fällen [X.], 4 und 5 der Urteilsgründe -
auch nach deren Gesamtzusammenhang -
nicht vorgenommen. Der [X.] kann nicht ausschließen, dass es bei Ausübung seines Ermessens in jedem dieser Fälle den gemilderten Strafrahmen angewandt und eine niedrigere Einzelstrafe festgesetzt hätte. Der Wegfall dieser Einzelstrafen (neun Monate, ein Jahr und neun Monate sowie zwei Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe) hat die Auf-hebung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Folge.

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Den neuen Tatrichter weist der [X.] darauf hin, dass sich die [X.] der am 1.
August 2013 in [X.] getretenen Neufassung des §
46b StGB (46. [X.] vom 10.
Juni 2013, [X.]) nach den allgemeinen Vor-gaben des §
2 StGB bestimmt. Hat -
wie hier -
der Aufklärungsgehilfe seine Taten vor Inkrafttreten der Neuregelung begangen, so ist daher gemäß § 2 Abs. 3 StGB über die mögliche Strafrahmenverschiebung nach den Maßstäben des §
46b StGB in seiner alten Fassung zu entscheiden (vgl. BT-Drucks. 17/9695 S. 9).

Becker [X.] Hubert

Ri[X.] [X.] befindet sich Spaniol

im Urlaub und ist daher

gehindert zu unterschreiben.

Becker
12

Meta

3 StR 209/13

17.09.2013

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.09.2013, Az. 3 StR 209/13 (REWIS RS 2013, 2761)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2761

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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