Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19.11.2013, Az. XI B 50/13

11. Senat | REWIS RS 2013, 1027

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Gegenstand

Zum Verspätungszuschlag bei verspäteter Abgabe der Umsatzsteuer-Jahreserklärung in Erstattungsfällen


Leitsatz

NV: Bei verspäteter Abgabe der Umsatzsteuer-Jahreserklärung ist der Verspätungszuschlag auf der Grundlage der festgesetzten Umsatzsteuer für das Kalenderjahr und nicht nach Maßgabe des Unterschiedsbetrages i. S. von § 18 Abs. 4 UStG festzusetzen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist als Unternehmer verpflichtet, Umsatzsteuererklärungen abzugeben. Da der Kläger zwar Umsatzsteuer-Voranmeldungen, aber keine Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2006 bis zum 31. Mai 2007 und keine Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2007 bis zum 31. Mai 2008 abgab, wurde er am 15. Februar 2008 bzw. 13. Februar 2009 an die Abgabe erinnert und am 14. März 2008 bzw. am 13. März 2009 unter Androhung eines Zwangsgeldes nochmals zur Abgabe der Steuererklärungen aufgefordert. Da der Kläger auch weiterhin die Steuererklärungen nicht einreichte, schätzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 der Abgabenordnung ([X.]) mit Bescheiden vom 12. Januar 2010 und setzte die Umsatzsteuer für das [X.] auf 49.642 € (Abschlusszahlung: 4.169,45 €) und für das [X.] auf 20.484,71 € (Abschlusszahlung: 2.366,80 €) fest. Mit Bescheiden vom 25. Januar 2010 setzte das [X.] gegenüber dem Kläger einen Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer für das [X.] in Höhe von 2.500 € und zur Umsatzsteuer für das [X.] von 1.800 € fest.

2

Die gegen die Schätzungsbescheide und die Festsetzungen der [X.] eingelegten Einsprüche wies das [X.] als unbegründet zurück. Während des anschließenden Klageverfahrens reichte der Kläger am 20. Juli 2011 die Umsatzsteuererklärungen für die [X.] und 2007 ein. Dies führte wegen in den Umsatzsteuer-Voranmeldungen nicht geltend gemachter Vorsteuerbeträge zu entsprechenden Herabsetzungen der [X.] für die [X.] auf [X.] € und auf 14.306,28 € für 2007 (Bescheide vom 10. November 2011), was Erstattungen der bisher vom Kläger entrichteten Umsatzsteuer zur Folge hatte. Gleichzeitig wurden die festgesetzten [X.] für 2006 auf 1.000 € und für 2007 auf 250 € herabgesetzt. Dem Antrag des [X.], die [X.] aufzuheben, entsprach das [X.] nicht. Die Einsprüche des [X.] blieben ohne Erfolg.

3

Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen erhobene Klage ab.

4

Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und zur Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO. Schließlich rügt er die Verletzung rechtlichen Gehörs als Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

6

1. Die Revision ist nicht wegen der behaupteten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O oder zur Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 [X.]O zuzulassen, da die vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen nicht klärungsbedürftig sind.

7

a) An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, da die vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen durch die Gesetzeslage und die Rechtsprechung des [X.] ([X.]) bereits hinreichend geklärt sind.

8

aa) Gemäß § 152 Abs. 1 [X.] kann gegen denjenigen, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht oder nicht fristgemäß nachkommt, ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden. Der Verspätungszuschlag darf nach § 152 Abs. 2 Satz 1 [X.] 10 % der festgesetzten Steuer oder des festgesetzten Betrages nicht übersteigen und höchstens 25.000 € betragen. Bei der Bemessung des Verspätungszuschlags sind neben seinem Zweck, den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Abgabe der Steuererklärung anzuhalten, die Dauer der Fristüberschreitung, die Höhe des sich aus der Steuerfestsetzung ergebenden Zahlungsanspruchs, die aus der verspäteten Abgabe der Steuererklärung gezogenen Vorteile sowie das Verschulden und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen (§ 152 Abs. 2 Satz 2 [X.]).

9

Nach der Rechtsprechung des [X.] ist geklärt, dass ein Verspätungszuschlag auch in [X.] festgesetzt werden kann (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 26. Juni 2002 IV R 63/00, [X.]E 198, 399, [X.] 2002, 679; [X.]-Beschlüsse vom 1. April 2004 V B 223/03, [X.]/NV 2004, 1071; vom 14. April 2011 V B 100/10, [X.]/NV 2011, 1288). Ferner hat der [X.] entschieden, dass bei einem Änderungsbescheid, der zu einer Herabsetzung der Steuerschuld führt, zu prüfen ist, in welchem Umfang die für die Festsetzung des Verspätungszuschlags maßgebenden Gesichtspunkte noch gegeben sind, weil sich durch die Herabsetzung der Steuerschuld die für die Ausübung des Ermessens maßgebenden Gesichtspunkte geändert haben ([X.]-Urteil vom 29. März 1979 V R 69/77, [X.]E 128, 17, [X.] 1979, 641).

bb) Die vom [X.] bestätigten Entscheidungen des [X.] zu den im Streitfall festgesetzten [X.]n für die [X.] und 2007 stehen mit diesen Rechtsgrundsätzen im Einklang; insbesondere hat das [X.] nach Ergehen der [X.] auch die entsprechenden Festsetzungen der [X.] herabgesetzt. Das [X.] hat im Einzelnen begründet, warum die (letztlich) festgesetzten [X.] gerichtlich nicht zu beanstanden sind.

cc) Das Vorbringen des [X.] ist nicht geeignet, einen weiteren Klärungsbedarf zu begründen.

Soweit der Kläger die Rechtsfrage aufwirft, es sei bei der Festsetzung von [X.]n im Rahmen der Umsatzsteuer ungeklärt, ob "sich der Begriff der 'festgesetzten Steuer' im Sinne des § 152 Abs. 2 [Satz] 1 [X.] in den Fällen des § 18 Abs. 4 [des Umsatzsteuergesetzes (UStG)] auf den Umsatzsteuerjahresbetrag oder auf den Unterschiedsbetrag zur Summe der Vorauszahlungen" bezieht, besteht kein Klärungsbedarf in einem Revisionsverfahren. Denn die Formulierung in § 152 Abs. 2 Satz 1 [X.] bezieht sich auf die "festgesetzte Steuer", die bei den streitbefangenen [X.]en nach der Regelung des § 16 Abs. 1 Satz 2 UStG das jeweilige gesamte Kalenderjahr umfasst (vgl. dazu Treiber in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 18 Rz 57). Demgegenüber enthält § 18 Abs. 4 UStG lediglich eine Regelung zur Fälligkeit der Umsatzsteuerschuld, wenn sich ggf. zugunsten des Finanzamts ein Unterschiedsbetrag zwischen der Umsatzsteuerschuld aus den Umsatzsteuer-Voranmeldungen und der [X.] ergibt. Es handelt sich bei § 18 Abs. 4 UStG somit um eine Bestimmung im Bereich der Steuererhebung, die den Anwendungsbereich des § 152 Abs. 2 Satz 1 [X.], der sich mit der Steuerfestsetzung befasst, von vornherein nicht berührt.

Dementsprechend ist es für die Frage der Festsetzung eines etwaigen Verspätungszuschlags entgegen der Auffassung des [X.] auch ohne Bedeutung, ob im Rahmen des [X.]s ggf. im Verhältnis zu den eingereichten Umsatzsteuer-Voranmeldungen und den bereits entrichteten [X.] insgesamt eine niedrigere Umsatzsteuer festgesetzt wird (vgl. [X.]-Beschluss in [X.]/NV 2011, 1288). Die Ansicht des [X.], dass bei der Anwendung von § 152 Abs. 2 Satz 1 [X.] anstelle der Jahressteuerfestsetzung lediglich der etwaige Unterschiedsbetrag [X.] von § 18 Abs. 4 UStG zu den Umsatzsteuer-Voranmeldungen maßgeblich sein könnte, findet damit weder in den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen, noch in der vom Kläger zitierten Rechtsprechung eine Stütze. Im Übrigen würde der dargelegte Sinn und Zweck der Regelung des § 152 Abs. 1 Satz 2 [X.] unterlaufen, wenn bei einer niedrigeren [X.] im Verhältnis zu den gesamten [X.] in dem betreffenden Jahr jeweils unabhängig von einer deutlich verspäteten Abgabe der Umsatzsteuer-Jahreserklärungen --wie im [X.] kein Verspätungszuschlag festgesetzt werden dürfte.

Der Kläger hat im Übrigen auch keine entsprechenden Literaturstimmen genannt, die seine Auffassung teilen. Der bloße Hinweis darauf, diese Rechtsfrage sei vom [X.] noch nicht ausdrücklich entschieden worden, genügt nicht, um die Zulassung der Revision zu rechtfertigen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.]-Beschluss vom 29. Oktober 2012 III B 37/12, [X.]/NV 2013, 368, Rz 3). Daher vermag auch das Vorbringen des [X.] zum seines Erachtens noch nicht abschließend geklärten Verhältnis zwischen den Umsatzsteuer-Voranmeldungen und [X.]en keinen weiteren Klärungsbedarf zu begründen.

2. Der behauptete Verfahrensfehler [X.] von § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O liegt nicht vor. Denn das [X.] hat bei der Urteilsfindung nicht gegen das Grundrecht des [X.] auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes i.V.m. § 96 Abs. 2 [X.]O verstoßen.

a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst vor allem das Recht der Verfahrensbeteiligten, sich vor Erlass einer Entscheidung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen und Ergebnissen zu äußern. Sie haben einen Anspruch darauf, dem Gericht auch in rechtlicher Hinsicht alles vortragen zu können, was sie für wesentlich halten. Diesen Ansprüchen entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Weiterhin hat das Gericht seine Entscheidung zu begründen, wobei aus seiner Begründung erkennbar sein muss, dass eine Auseinandersetzung mit dem wesentlichen Vorbringen der Verfahrensbeteiligten stattgefunden hat (Beschluss des [X.] vom 15. April 1980  2 BvR 827/79, [X.] 54, 86, m.w.N.). Diese richterliche Pflicht geht jedoch nicht so weit, dass sich das Gericht mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich befassen müsste, da davon auszugehen ist, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen hat (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 119 Rz 10a, m.w.N.). Es darf das Vorbringen außer [X.] lassen, das nach seiner Auffassung unerheblich oder unsubstantiiert ist. Das rechtliche Gehör ist erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalles deutlich ergibt, dass das Gericht ein tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. z.B. [X.]-Beschluss vom 15. Dezember 2010 XI B 46/10, [X.]/NV 2011, 448).

b) Danach hat das [X.] im Streitfall nicht den Anspruch des [X.] auf rechtliches Gehör verletzt.

aa) Der Kläger führt hierzu aus, das [X.] habe [X.] seiner Argumentation nicht berücksichtigt, wonach es sich bei den rechtzeitig eingereichten Umsatzsteuer-Voranmeldungen nicht lediglich um bloße Vorauszahlungen gehandelt habe, sondern es insoweit bereits festgesetzte Umsatzsteuern gegeben habe, die nicht mit bloßen Vorauszahlungen --wie im Einkommensteuerrecht-- vergleichbar seien. Das [X.] sei auf die vom Kläger thematisierte Frage nach dem besonderen Verhältnis zwischen den [X.] und der Festsetzung im [X.] im Hinblick auf den Begriff der "festgesetzten Steuer" in § 152 Abs. 2 Satz 1 [X.] zu Unrecht nicht eingegangen. Andernfalls wäre es zu dem Ergebnis gelangt, dass im [X.] nur "die zu entrichtende Steuer oder der Überschuss", also der Unterschiedsbetrag "festgesetzt" würde mit der Folge, dass nach § 152 Abs. 2 Satz 1 [X.] kein Verspätungszuschlag berechnet werden dürfe.

bb) Entgegen der Darstellung des [X.] hat das [X.] seine Argumentation zur Kenntnis genommen und sich inhaltlich damit auseinandergesetzt. Dies ergibt sich bereits aus dem Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 27. November 2012, dem zu entnehmen ist, dass der entsprechend protokollierte Vortrag des [X.] Gegenstand der mündlichen Verhandlung war. Dass sich das [X.] mit dem Vorbringen des [X.] auch inhaltlich auseinandergesetzt hat, geht weiterhin aus seinem Urteil hervor: So hat das [X.] den Vortrag des [X.] in den Tatbestand seines Urteils aufgenommen (vgl. Seite 2  4. Absatz des [X.]-Urteils). Schließlich hat es in den Entscheidungsgründen seines Urteils (Seite 4  4. Absatz des [X.]-Urteils) ausgeführt: "Bemessungsgrundlage für den Verspätungszuschlag ist deshalb nach § 152 Abs. 2 Satz 1 [X.] die festgesetzte Steuer ... und nicht eine etwaige Abschlusszahlung."

3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 [X.]O).

Meta

XI B 50/13

19.11.2013

Bundesfinanzhof 11. Senat

Beschluss

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 27. November 2012, Az: 13 K 186/12, Urteil

§ 152 AO, § 18 Abs 4 UStG 2005

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19.11.2013, Az. XI B 50/13 (REWIS RS 2013, 1027)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1027

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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