Bundesgerichtshof, EuGH-Vorlage vom 18.01.2018, Az. III ZR 174/17

3. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 15426

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Gegenstand

Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zur Auslegung der Richtlinie zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr: Anrechnung des Pauschalbetrags von 40 € auf durch die vorprozessuale Beauftragung eines Rechtsanwalts entstandene Rechtsverfolgungskosten


Leitsatz

Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 AEUV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (ABl. EU Nr. L 48 S. 1) dahin auszulegen, dass der in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie genannte Pauschalbetrag von 40 € auf externe Rechtsverfolgungskosten anzurechnen ist, die infolge des Zahlungsverzugs des Schuldners durch die vorprozessuale Beauftragung eines Rechtsanwalts entstanden und daher nach Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie zu ersetzen sind?

Tenor

Die Entscheidung über die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des [X.] vom 10. Mai 2017 - 7 S 545/16 - wird ausgesetzt.

Dem [X.] wird gemäß Art. 267 A[X.]V folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2011/7/[X.] des [X.] und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr ([X.]. [X.] Nr. L 48 S. 1) dahin auszulegen, dass der in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie genannte Pauschalbetrag von 40 Euro auf externe Rechtsverfolgungskosten anzurechnen ist, die infolge des [X.] durch die vorprozessuale Beauftragung eines Rechtsanwalts entstanden und daher nach Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie zu ersetzen sind?

Gründe

I.

1

Die Klägerin begehrt im Revisionsverfahren die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung vorinstanzlich teilweise aberkannter vorgerichtlicher Kosten für die Beitreibung einer Entgeltforderung.

2

Die Beklagte betreibt eine Zimmervermietung. Sie beauftragte die Klägerin am 17. September 2014 mit dem Eintrag von Daten für das Unternehmen in ein Firmenverzeichnis zum Preis von 504 € netto. Nach erfolgtem Eintrag in das Verzeichnis forderte die Klägerin von der Beklagten hierfür 599,76 € brutto. Die Beklagte leistete trotz mehrerer Mahnungen der Klägerin und der von ihr mandatierten Rechtsanwältin keine Zahlung.

3

Die Klägerin hat die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Vergütung nebst Zinsen sowie weiterer 112 € begehrt. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus einer Pauschale von 40 € gemäß § 288 Abs. 5 Satz 1 [X.] sowie Rechtsanwaltskosten in Höhe von 72 €, die von der Klägerin als [X.] geltend gemacht werden. Die Klägerin meint, die Pauschale sei nicht auf die Rechtsanwaltskosten anzurechnen, stehe ihr vielmehr daneben zu.

4

Das Amtsgericht hat der Klage bezüglich der Hauptforderung und des überwiegenden Teils der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten stattgegeben, von diesen jedoch 40 € aberkannt. Das [X.] hat die vom Amtsgericht zugelassene Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich ihre vom [X.] zugelassene Revision, mit der sie die Restforderung weiterverfolgt.

II.

5

Gemäß Art. 267 A[X.]V ist unter Aussetzung des Revisionsverfahrens eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der [X.] einzuholen, weil die Entscheidung des Senats über die Revision der Klägerin von der Beantwortung der an den Gerichtshof gestellten Frage zur Auslegung von Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2011/7/[X.] des [X.] und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr ([X.]. [X.] Nr. L 48 S. 1; künftig: [X.]) abhängt.

6

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Pauschale von 40 € gemäß § 288 Abs. 5 Satz 1 [X.] sei nach § 288 Abs. 5 Satz 3 [X.] auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten anzurechnen. Dies sei mit der [X.] vereinbar. Die Anrechnung der Pauschale trage zwar den Erwägungsgründen 19 und 20 der Richtlinie keine Rechnung, stehe jedoch in Einklang mit deren Art. 6 Abs. 3. Da nach dieser Bestimmung vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nur insoweit geltend gemacht werden könnten, als sie die Pauschale von 40 € überschritten, sei letztere auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten anzurechnen.

7

2. Ob dies der rechtlichen Nachprüfung standhält, hängt von der Beantwortung der dem Gerichtshof der [X.] vorgelegten Frage ab.

8

a) Amts- und [X.] sind davon ausgegangen, dass die Klägerin von der Beklagten gemäß § 288 Abs. 5 Satz 1 [X.] Zahlung einer Pauschale von 40 € verlangen kann und dem Grunde nach auch einen Anspruch gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 286 Abs. 1 Satz 1 [X.] auf Ersatz der ihr vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten hat. Dies ist nicht zu beanstanden.

9

b) Damit kommt es für die Begründetheit des im Revisionsverfahren von der Klägerin - über die von den Vorinstanzen zugesprochenen Beträge hinaus - geltend gemachten Anspruchs in Höhe von 40 € darauf an, ob die der Klägerin gemäß § 288 Abs. 5 Satz 1 [X.] zustehende Pauschale von 40 € auf die ihr bei der Rechtsverfolgung vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten von 72 € anzurechnen ist oder zusätzlich hierzu geschuldet ist. Eine solche Anrechnung dürfte aus § 288 Abs. 5 Satz 3 [X.] folgen (nachfolgend zu aa), so dass sich im Hinblick auf eine richtlinienkonforme Auslegung der Norm die Frage stellt, ob sie in diesem Verständnis mit Art. 6 Abs. 3 der [X.] vereinbar ist (nachfolgend zu bb).

aa) Nach Auffassung des Senats ist die der Klägerin gemäß § 288 Abs. 5 Satz 1 [X.] zustehende Pauschale von 40 € nach § 288 Abs. 5 Satz 3 [X.] auf die ihr bei der Verfolgung ihres Anspruchs gegen die Beklagte vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten von 72 € anzurechnen.

(1) Nach dem Wortlaut von § 288 Abs. 5 Satz 3 [X.] ist die Pauschale nach § 288 Abs. 5 Satz 1 [X.] auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist. Kosten, die dem Gläubiger durch die nach Eintritt des Verzugs erfolgte Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Forderungsdurchsetzung entstehen, sind nach [X.] Recht ein in Kosten der Rechtsverfolgung begründeter Schaden, dessen Ersatz der Gläubiger gemäß § 280 Abs. 2 in Verbindung mit § 286 [X.] verlangen kann (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteile vom 17. September 2015 - [X.], NJW 2015, 3793 Rn. 7 ff mwN und vom 8. November 1994 - [X.], [X.]Z 127, 348, 351 ff). Unter Zugrundelegung allein des nationalen Verständnisses des Begriffs der Rechtsverfolgungskosten ist die Pauschale im Sinne von § 288 Abs. 5 Satz 1 [X.] daher auf Rechtsanwaltskosten anzurechnen, die - wie vorliegend - in Verfolgung eines Anspruchs des Gläubigers gegen einen in Zahlungsverzug befindlichen Schuldner entstanden und dem Gläubiger zu ersetzen sind ([X.]/[X.], 7. Aufl., § 288 Rn. 33; [X.]/Feldmann in [X.], [X.], Neubearbeitung 2014, § 288 Rn. 40.2; Erman/[X.], [X.], 15. Aufl., § 288 Rn. 21; NK[X.]/[X.], 3. Aufl., § 288 Rn. 20; [X.]/[X.], [X.], 2305, 2312; [X.]/[X.], [X.], 250; Verse, [X.], 1809, 1816; [X.]/[X.], [X.] 2017, 1, 4).

(2) Es spricht einiges dafür, dass dieser Norminhalt dem Willen des Gesetzgebers entspricht.

Die vorgenannte Bestimmung wurde durch das [X.] im Geschäftsverkehr und zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 22. Juli 2014 § 288 [X.] angefügt ([X.]l. I S. 1218). Sie beruht auf einem Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucks. 18/1309, S. 6).

Zu einem in Bezug auf § 288 Abs. 5 Satz 3 [X.] identischen, indes der Diskontinuität anheimgefallenen Entwurf der Bundesregierung hatte der Bundesrat in der vorhergehenden Wahlperiode um Prüfung gebeten, ob eine Anrechnung der Pauschale in § 288 Abs. 5 Satz 3 [X.] lediglich auf beim Gläubiger intern anfallende Kosten erfolgen solle (BT-Drucks. 17/10491, S. 18). Gegen diesen Vorschlag machte die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung Bedenken geltend (BT-Drucks. 17/10491, [X.]).

In dem sodann in der 18. Wahlperiode Gesetz gewordenen Entwurf der Bundesregierung findet sich die Bestimmung des § 288 Abs. 5 Satz 3 [X.] im Verhältnis zum Vorgängerentwurf zwar unverändert wieder. Dies weist darauf hin, dass die Anrechnung der Pauschale auf externe Rechtsverfolgungskosten dem Willen des Gesetzgebers entsprach (vgl. hierzu [X.]/[X.] aaO; Verse aaO; Dornis, [X.], 2427, 2430; [X.]. in [X.]/[X.], § 288 Rn. 78 ff [Stand: 01.12.2017]; [X.]/[X.] [X.] 2017, 1, 4; [X.]/[X.], [X.] 2017, 67, 71). Die Begründung des in der 18. Wahlperiode erneut eingebrachten Gesetzentwurfes führt indes im Hinblick auf § 288 Abs. 5 Satz 3 [X.] allein an, dass diese Vorschrift der Umsetzung von Art. 6 Absatz 3 Satz 1 der [X.] dienen soll (BT-Drucks. 18/1309, [X.]). Sollte die Richtlinie eine Anrechnung der Pauschale nur auf interne Rechtsverfolgungskosten bestimmen, könnte dies daher für einen entsprechenden ([X.] auch des [X.] Gesetzgebers oder zumindest für eine planwidrige Regelungslücke sprechen.

bb) Damit stellt sich im Hinblick auf eine richtlinienkonforme Auslegung von § 288 Abs. 5 Satz 3 [X.] die Frage, wie Art. 6 Abs. 3 der [X.] auszulegen ist (zu den - weiten - Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung einer nationalen Bestimmung, die der Umsetzung einer [X.]-Richtlinie dient vgl. [X.], Urteil vom 5. Oktober 2004 - [X.]/01 bis [X.]/01 - Pfeiffer, juris Rn. 108 ff; [X.], Urteil vom 26. November 2008 - [X.], [X.]Z 179, 27 Rn. 19 ff; Beschlüsse vom 16. April 2015 - [X.], juris Rn. 26 und vom 16. Mai 2013 - [X.], [X.], 2674 Rn. 43).

(1) Nach Auffassung des Senats bestimmt auch Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie eine Anrechnung der Pauschale auf externe Rechtsverfolgungskosten (so auch [X.]/[X.] aaO; [X.]/[X.], [X.], 77. Aufl., § 288 Rn. 15; NK[X.]/[X.] aaO; [X.]/[X.] aaO; [X.]/[X.] aaO; Verse aaO; a.A. [X.]/[X.] aaO S. 4 f; [X.]/[X.] aaO S. 70 f).

(a) Gemäß Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der [X.] hat der Gläubiger gegenüber dem Schuldner zusätzlich zu dem in Absatz 1 genannten Pauschalbetrag einen Anspruch auf angemessenen Ersatz aller durch den Zahlungsverzug des Schuldners bedingten Beitreibungskosten, die diesen Pauschalbetrag überschreiten. Zu diesen Kosten können nach Satz 2 der Bestimmung auch Ausgaben zählen, die durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts oder eines Inkassounternehmens entstehen.

Aus der Formulierung "aller durch den Zahlungsverzug des Schuldners bedingten Beitreibungskosten" sowie aus der ausdrücklichen Benennung von Rechtsanwaltskosten in Art. 6 Abs. 3 Satz 2 wird deutlich, dass Gegenstand des Anspruchs nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der [X.] auch externe Beitreibungskosten sind. Da der Anspruch indes nur besteht, soweit die Beitreibungskosten den in Art. 6 Abs. 1 der [X.] genannten Pauschalbetrag "überschreiten", ist letzterer auf den Anspruch nach Art. 6 Abs. 3 der [X.] und damit auch auf externe Beitreibungskosten anzurechnen ([X.]/[X.] aaO; Verse aaO; [X.]/[X.] aaO).

Die Verwendung des Wortes "zusätzlich" in Art. 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 der [X.] spricht - entgegen der Auffassung der Revision - nicht gegen eine Anrechnung der Pauschale auf den Anspruch auf Ersatz externer Beitreibungskosten (a.A. [X.]/[X.] aaO S. 4). Das Wort ist im Zusammenhang mit dem ersten Absatz dieser Norm zu sehen. Der Begriff "zusätzlich" stellt lediglich klar, dass der in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie geregelte Pauschalbetrag nicht erschöpfend ist. Damit soll zum Ausdruck kommen, dass der in Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie geregelte Ersatzanspruch nicht durch den Anspruch auf Zahlung eines [X.] gemäß Absatz 1 dieser Norm ausgeschlossen wird, sondern - dem Grunde nach - neben, das heißt "zusätzlich", zu diesem besteht. Dagegen liegt darin keine Aussage zur Höhe des Anspruchs auf Ersatz der Beitreibungskosten. Diese wird im zweiten Halbsatz von Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der [X.] ausdrücklich dahingehend bestimmt, dass der Anspruch nur auf Ersatz der Beitreibungskosten besteht, die den Pauschalbetrag von 40 € überschreiten.

(b) Anderen Sprachfassungen der [X.] vermag der Senat keinen hiervon abweichenden Bedeutungsgehalt von Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der [X.] zu entnehmen (so auch Verse aaO; a.A. [X.]/[X.] aaO S. 5). Das gilt entgegen der Ansicht der Revision auch für die [X.] Fassung. Diese lautet:

"Le créancier est en droit de réclamer au débiteur, [X.] visé au paragraphe 1, une indemnisation raisonnable pour tous les autres frais de recouvrement venant en sus dudit montant [X.] et encourus par suite d´un retard de paiement du débiteur."

Im Unterschied zur [X.] Fassung ist in der [X.]n Sprachfassung zwar von allen "anderen" Beitreibungskosten ("tous les autres frais de recouvrement") die Rede, hinsichtlich derer ein Ersatzanspruch des Gläubigers neben ("[X.]") dem Anspruch auf den Pauschalbetrag gemäß Art. 6 Abs. 1 der [X.] besteht (ähnlich die [X.] Sprachfassung von Art. 4 Abs. 3 des der [X.] vorausgegangenen Richtlinienvorschlags der [X.] - [X.] (2009) 126, S. 24: "… Anspruch auf angemessenen Ersatz aller übrigen durch den Zahlungsverzug des Schuldners bedingten Beitreibungskosten, …"). Aus dieser Formulierung kann indes nicht geschlossen werden, dass die anderen Beitreibungskosten nicht nur dem Grunde nach, sondern auch der Höhe nach unbegrenzt neben dem Pauschalbetrag geltend gemacht werden können. Würde man dies an[X.] sehen, wäre dies mit der Art. 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 der [X.] Sprachfassung entsprechenden Formulierung "venant en sus dudit montant [X.]" unvereinbar. Sie bezieht sich auf die "anderen" Beitreibungskosten. Letztere schließen aber, wie sich aus Art. 6 Abs. 3 Satz 2 der [X.] auch in ihrer [X.]n Fassung ("[X.], [X.], les dépenses engagées pour [X.].") ergibt, externe Rechtsverfolgungskosten ein. Daraus folgt, dass ein Anspruch auf Ersatz von Rechtsanwaltskosten als - im Verhältnis zum Pauschalbetrag - "andere" Beitreibungskosten nur besteht, soweit er den Pauschalbetrag überschreitet.

(2) Allerdings steht nicht mit der nach der [X.] (vgl. z.B.: [X.], Urteile 15. September 2005 - [X.]/03 - [X.], Slg. 2005, [X.] Rn. 33 und vom 6. Oktober 1982 - 283/81 - [X.], Slg. 1982, 3415 Rn. 16; [X.], Beschluss vom 26. November 2007 - [X.] 23/07, [X.]Z 174, 273 Rn. 34) erforderlichen Sicherheit fest, dass die vorstehende Auslegung von Art. 6 Abs. 3 der [X.] offenkundig richtig ist, für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt und der Senat davon überzeugt sein kann, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den Gerichtshof der [X.] die gleiche Gewissheit bestünde (siehe vielmehr das eine ähnliche Fallgestaltung betreffende Vorabentscheidungsersuchen des [X.] [[X.]] vom 19. Mai 2017, Aktenzeichen des Gerichtshofs der [X.] C-287/17). Vielmehr sprechen durchaus Gründe auch gegen eine Anrechnung der Pauschale nach Art. 6 Abs. 1 auf Rechtsanwaltskosten im Sinne von Art. 6 Abs. 3 Satz 2 der [X.].

(a) Für eine solche Auslegung von Art. 6 Abs. 3 der [X.] könnten insbesondere die Erwägungsgründe 19 und 20 der [X.] sprechen (so [X.]/[X.] aaO S. 4 f; [X.]/[X.] aaO S. 70; [X.], Urteil vom 26. Juli 2016 - 113 C 8/16, juris Rn. 23). Danach dient der Pauschalbetrag der Entschädigung für interne Beitreibungskosten des Gläubigers. Nach Erwägungsgrund 20 soll der Gläubiger neben einem Anspruch auf Zahlung für interne Beitreibungskosten auch eine Forderung auf Ersatz der übrigen, durch den Zahlungsverzug des Schuldners bedingten Beitreibungskosten haben, wozu auch die Kosten zählen, die dem Gläubiger durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts entstehen. Eine Verringerung dieses Anspruchs durch den - interne Beitreibungskosten betreffenden - Pauschalbetrag wird dort nicht gefordert. Dies könnte den Schluss erlauben, dass die [X.] (externen) Kosten, die dem Gläubiger durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts entstehen, in keinem Zusammenhang mit dem Pauschalbetrag steht und durch letzteren nicht gemindert werden soll.

Hierfür könnte zudem geltend gemacht werden, dass der Pauschalbetrag bei seiner Anrechnung - jedenfalls unter Zugrundelegung des [X.] [X.] (vgl. RVG Anlage 1, Nr. 2300, 2302 (Geschäftsgebühr), Nr. 7002 [[X.]] und RVG Anlage 2 [Mindestgebühr von 45 €]) - weitgehend oder sogar vollständig aufgezehrt wird mit der Folge, dass der Gläubiger im Ergebnis nur einen Betrag in Höhe der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangen könnte ([X.] aaO; NK[X.]/[X.] aaO; [X.]/[X.] aaO). Eine etwaige Abschreckungswirkung und die Kompensation der Verwaltungskosten und internen Kosten in Höhe der Pauschale, die nach Erwägungsgrund 19 mit der Entschädigung der Gläubiger erreicht werden sollen (vgl. hierzu [X.]/[X.] aaO S. 2; [X.]/[X.] aaO), würden bei Einschaltung eines Rechtsanwalts von dem Anspruch auf den Pauschalbetrag nicht erzielt werden. Ob dies dem Willen des [X.] entspricht, der mit der [X.] den ersatzfähigen Pauschalbetrag neu eingeführt hat, kann in Frage gestellt werden.

(b) Die vorstehenden Erwägungen hält der Senat zwar nicht für durchgreifend.

Die in den Erwägungsgründen angelegte Trennung zwischen internen und externen Beitreibungskosten spiegelt sich im [X.] des Art. 6 Abs. 3 der [X.] nicht wider (so auch [X.]/[X.] aaO; Verse aaO; [X.], [X.], 182, 188). Der dort geregelte Ersatzanspruch des Gläubigers differenziert nicht zwischen verschiedenen Arten von Beitreibungskosten. Mit dem [X.] der [X.] dürfte § 288 Abs. 5 Satz 3 [X.] daher - wie ausgeführt - im Einklang stehen.

Auch ist in Erwägungsgrund 19 der [X.] nicht bestimmt, dass speziell der in Satz 2 und 3 des [X.] genannte Pauschalbetrag die in Satz 1 des [X.] geforderte Abschreckungswirkung erzielen soll. Vielmehr spricht die Verwendung des Wortes "zudem" in Satz 2 eher gegen einen unmittelbaren inhaltlichen Zusammenhang von Abschreckungswirkung und Pauschalbetrag. Dessen ungeachtet bleibt eine Abschreckungswirkung auch bei Anrechnung auf externe Kosten erhalten, denn der Gläubiger kann stets mindestens die vorgesehenen 40 € beanspruchen. Wird der Pauschalbetrag durch die Anrechnung von den übrigen Rechtsverfolgungskosten im Ergebnis gänzlich aufgezehrt, entfalten die hierfür anfallenden höheren Beträge die beabsichtigte Abschreckung erst recht.

Soweit durch die Anrechnung der Pauschale auf interne und externe Rechtsverfolgungskosten der nach dem Erwägungsgrund 19 beabsichtigte Ausgleich der Verwaltungskosten und internen Kosten des Gläubigers wirtschaftlich entfällt, spricht auch dies letztlich nicht gegen die Vereinbarkeit von § 288 Abs. 5 Satz 3 [X.] mit der [X.]. Anderenfalls würde bei einer Beschränkung der Anrechnung der Pauschale auf interne [X.] ohne Grund der Gläubiger besser gestellt, der keinen betriebsinternen Aufwand zur Beitreibung seiner Forderung betreibt, sondern sich bei Zahlungsverzug des Schuldners sogleich externer Hilfe (z. B. Inkassounternehmen) bedient. Denn dieser Gläubiger würde ohne weitere Anrechnung der Pauschale zusätzlich zur Erstattung seiner - nachweisbaren - externen Rechtsverfolgungskosten den Betrag von 40 € geltend machen können (BT-Drucks. 17/10491, [X.]). Dies würde zu einer von dem Zweck der Richtlinie nicht gedeckten Überkompensation führen.

Da die Argumente der Gegenansicht jedoch vertretbar sind und auch vertreten werden, kann gleichwohl von einem "acte-clair" nicht ausgegangen werden.

[X.]     

      

Seiters     

      

[X.]

      

Reiter     

      

[X.]     

      

Meta

III ZR 174/17

18.01.2018

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

EuGH-Vorlage

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Leipzig, 10. Mai 2017, Az: 7 S 545/16

Art 6 Abs 1 EURL 7/2011, Art 6 Abs 3 EURL 7/2011, § 288 Abs 5 S 1 BGB, § 288 Abs 5 S 3 BGB, Art 267 AEUV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, EuGH-Vorlage vom 18.01.2018, Az. III ZR 174/17 (REWIS RS 2018, 15426)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 854-855 WM2018,389 REWIS RS 2018, 15426


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. III ZR 174/17

Bundesgerichtshof, III ZR 174/17, 29.11.2018.

Bundesgerichtshof, III ZR 174/17, 18.01.2018.


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