Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.03.2015, Az. 6 AZR 82/14

6. Senat | REWIS RS 2015, 14137

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Gegenstand

Klageverzicht in einem Formularaufhebungsvertrag


Leitsatz

Ein formularmäßiger Klageverzicht in einem Aufhebungsvertrag, der zur Vermeidung einer vom Arbeitgeber angedrohten außerordentlichen Kündigung geschlossen wird, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen iSv. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, wenn ein verständiger Arbeitgeber die angedrohte Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte, die Drohung also widerrechtlich iSd. § 123 BGB ist.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 7. November 2013 - 16 [X.] - aufgehoben.

2. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrags.

2

Der Kläger war seit August 2001 bei der [X.], die ein Unternehmen des Einzelhandels mit 500 Filialen und rund 25.000 Mitarbeitern betreibt, beschäftigt. Zuletzt war er als Erstkraft tätig. [X.] arbeitsvertraglicher Vereinbarung fanden auf das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge des Einzelhandels [X.] Anwendung. § 11 Abs. 10 des Manteltarifvertrags für den Einzelhandel [X.] vom 25. Juli 2008 idF des [X.] vom 29. Juni 2011 (künftig [X.]) bestimmt:

        

„Auflösungsverträge bedürfen der Schriftform. Jede der Parteien kann eine Bedenkzeit von drei Werktagen in Anspruch nehmen. Ein Verzicht hierauf ist schriftlich zu erklären.“

3

Am 28. Dezember 2012 führten der für den Kläger zuständige Filialleiter und die Bezirksleiterin der [X.] mit dem Kläger ein Personalgespräch. Sie hielten ihm vor, dass er am Vortag zwei Fertigsuppen aus dem Lagerbestand der [X.] entnommen und verzehrt habe, ohne sie in die Liste der Personalkäufe eingetragen oder bezahlt zu haben. Sie kündigten ihm an, die Beklagte werde wegen des Diebstahls der Suppen die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses erklären und Strafanzeige erstatten. Zudem habe der Kläger mit einer Sperre beim Bezug von Arbeitslosengeld zu rechnen. Die angekündigten Konsequenzen könne er vermeiden, wenn er einen von der [X.] bereits fertig vorbereiteten Aufhebungsvertrag unterzeichne. Der Kläger bestritt die Vorwürfe, unterzeichnete jedoch am Ende des etwa anderthalbstündigen Personalgesprächs den Aufhebungsvertrag. Dieser unter dem Briefkopf der Zentrale der [X.] in U mit dem Datum 27. Dezember 2012 erstellte Vertrag enthält ua. folgende Regelungen:

        

„1.     

Die Parteien sind sich darüber einig, dass das bestehende Arbeitsverhältnis zum 28.12.2012 beendet wird.

        

…       

        
        

8.    

Der Arbeitnehmer verzichtet ausdrücklich auf Bedenkzeit, die Möglichkeit eines Widerrufs sowie auf weitere Hinweise der Arbeitgeberin bezüglich etwaiger arbeits-, steuer- sowie sozialversicherungsrechtlicher Konsequenzen aus diesem Aufhebungsvertrag.

        

9.    

Die Vertragsparteien verzichten auf die Einlegung von Rechtsmitteln (Klage etc.).“

4

Mit Schreiben vom 28. Dezember 2012, das der [X.] per Fax übermittelt wurde, focht der Kläger den Aufhebungsvertrag an. In diesem Schreiben seines späteren Prozessbevollmächtigten heißt es auszugsweise:

        

„Abgesehen davon, dass das gesamte Vorgehen Ihres Filialleiters und der Wortlaut des [X.] bereits als sittenwidrig anzusehen ist und damit von Anfang an nichtig ist,

        

fechte ich hiermit vorsorglich im Auftrage meines Mandanten die von ihm abgegebene Erklärung in der Form seiner Unterschrift unter den ihm vorgelegten Aufhebungsvertrag gemäß § 123 BGB an.

        

Wenn eine Willenserklärung in anfechtbarer Weise abgegeben worden ist und die Anfechtung erfolgt, so hat dies zur Folge, dass die Willenserklärung als von Anfang an nichtig und somit als nicht existent anzusehen ist, was dazu führt, dass der Aufhebungsvertrag rückwirkend unwirksam ist.“

5

Anschließend findet sich im [X.] eine umfassende Darstellung, dass und warum die Drohung der [X.] mit einer außerordentlichen Kündigung am 28. Dezember 2012 unberechtigt gewesen sei. Im [X.] daran heißt es:

        

„Ausführungen zu den weiteren Punkten in dem Aufhebungsvertrag sind entbehrlich, da die Sittenwidrigkeit derart offensichtlich und eklatant ist.“

6

Im Folgenden wird in dem Schreiben dargelegt, dass aus Sicht des [X.] sein Filialleiter eine Möglichkeit gesucht habe, den Kläger „loszuwerden“. Das [X.] schließt mit folgenden Ausführungen:

        

„Mein Mandant bietet seine Arbeitskraft hiermit ausdrücklich an. …“

7

Mit seiner am 10. Januar 2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der [X.] am 25. Januar 2013 zugestellten Klage begehrt der Kläger die Feststellung des [X.]. Er hat die gegen ihn erhobenen Vorwürfe weiter bestritten. Erstmals im Berufungsverfahren hat er sich auf das tarifliche Widerrufsrecht berufen und insoweit ausgeführt, die tarifliche Bedenkzeit sei gerade für eine plötzliche Konfrontation mit einem Aufhebungsvertrag wie im vorliegenden Fall geschaffen worden. Wenn dem Arbeitnehmer ein vom Arbeitgeber vorgefertigter Aufhebungsvertrag vorgelegt werde und darin zugleich ein Verzicht auf die tarifliche Bedenkzeit niedergelegt sei, so widerspreche das Sinn und Zweck der tariflichen Regelung eindeutig. Nach Sinn und Zweck der tariflichen Regelung müsse die tarifliche Bedenkzeit im Regelfall in Anspruch genommen werden können. Die Androhung einer fristlosen Kündigung sei angesichts des langjährig bestehenden, unbelasteten Arbeitsverhältnisses auch unangemessen und nicht vertretbar gewesen.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 28. Dezember 2012 hinaus fortbesteht.

9

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen, mit dem Abschluss des Aufhebungsvertrags hätten die Parteien lediglich von der allgemeinen Vertragsfreiheit im Einklang mit dem für sie geltenden Tarifrecht Gebrauch gemacht. Aufgrund der von ihr angestellten Ermittlungen sei sie berechtigt gewesen, eine fristlose Kündigung anzudrohen.

Das Arbeitsgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Es hat den Klageverzicht als rechtsunwirksam angesehen, den Verzicht auf das Widerrufsrecht dagegen für wirksam gehalten und angenommen, die Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung greife nicht durch, weil die Beklagte mit einer fristlosen Kündigung habe drohen dürfen. Das [X.] hat auf die Berufung des [X.] der Klage stattgegeben. Es hat angenommen, der Kläger habe den Vertrag mit seinem Schreiben vom 28. Dezember 2012 wirksam widerrufen. Die [X.] in Ziffer 8 des Vertrags sei intransparent und benachteilige den Kläger unangemessen.

Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das [X.] hat nicht berücksichtigt, dass der Kläger innerhalb der von § 11 Abs. 10 [X.] eröffneten Frist von drei Tagen keinen Widerruf erklärt hat. Auf die Wirksamkeit des Verzichts auf einen Widerruf in Ziffer 8 des Aufhebungsvertrags vom 27. Dezember 2012 kommt es deshalb nicht an. Auf der Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts kann der [X.] nicht selbst entscheiden, ob die [X.] wirksam ist. Das wäre nur dann der Fall, wenn sie nicht unter dem Druck einer widerrechtlichen Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung vereinbart worden wäre. Dazu bedarf es noch weiterer Feststellungen des [X.]s. Das führt zur Aufhebung des [X.]erufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

I. Das [X.] hat nicht geprüft, ob der Kläger von seinem tariflich eröffneten Widerrufsrecht überhaupt fristgerecht Gebrauch gemacht hat. Das rügt die Revision mit Recht. Der [X.] kann diese Prüfung selbst vornehmen. Die maßgeblichen tatsächlichen Umstände sind unstreitig, weiter gehende Feststellungen stehen nicht zu erwarten. Der Kläger hat mit dem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 28. Dezember 2012 den Aufhebungsvertrag nur nach § 123 [X.]G[X.] angefochten und sich auf die Sittenwidrigkeit dieses Vertrags berufen, nicht aber den nach § 11 Abs. 10 [X.] möglichen Widerruf erklärt.

1. Die wortgleichen Vorgängervorschriften des § 11 Abs. 10 [X.] in § 9 Abs. 9 des Manteltarifvertrags für den Einzelhandel in [X.] vom 13. Dezember 1980 sowie in § 10 Abs. 9 des Manteltarifvertrags vom 6. Juli 1989 hat das [X.] dahin ausgelegt, dass damit den Parteien eines Auflösungsvertrags das verzichtbare Recht eingeräumt werden sollte, den Vertrag innerhalb einer Frist von drei Werktagen zu widerrufen ([X.] 24. Januar 1985 - 2 [X.] - zu I 1 der Gründe; 30. September 1993 - 2 [X.] - zu II 7 a der Gründe, [X.]E 74, 281). Die Tarifvertragsparteien haben an dieser Regelung unverändert auch im 2008 abgeschlossenen [X.] festgehalten und damit zu erkennen gegeben, dass dieses Verständnis der von ihnen getroffenen Regelung ihrem Willen entspricht. Das tarifliche Widerrufsrecht gilt für Verträge, durch die ein Arbeitsverhältnis aufgrund einer Willenseinigung der Parteien endet ([X.] 24. Januar 1985 - 2 [X.] - zu [X.] 2 der Gründe), und damit auch für den [X.] vom 27. Dezember 2012.

2. Anfechtung einer Willenserklärung und Widerruf einer auf den Abschluss eines Vertrags gerichteten Willenserklärung sind unterschiedliche rechtsgestaltende Erklärungen, die unterschiedlichen Voraussetzungen unterliegen und unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich ziehen. Die Anfechtung muss innerhalb der gesetzlichen Frist des § 121 bzw. § 124 [X.]G[X.] erfolgen. Sie bedarf eines Anfechtungsgrundes und führt gemäß § 142 Abs. 1 [X.]G[X.] zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts ex tunc. Der Widerruf unterliegt anderen Fristen, hier der [X.] des § 11 Abs. 10 [X.]. Er bedarf keines Grundes. Die Willenserklärung ist bis zum Ablauf der tariflich eröffneten „[X.]edenkzeit“ nicht endgültig wirksam, sofern nicht der tariflich ebenfalls mögliche Verzicht auf den Widerruf erklärt wird. Das Widerrufsrecht nach § 11 Abs. 10 [X.] schiebt das endgültige Zustandekommen des Vertrags bis zum Ablauf der [X.]edenkzeit hinaus ([X.] 24. Januar 1985 - 2 [X.] - zu I 1 der Gründe für die [X.] in § 9 Abs. 9 [X.]). Wird der Widerruf nach § 11 Abs. 10 [X.] fristgerecht ausgeübt, wird der Aufhebungsvertrag nicht wirksam.

3. Wegen dieser unterschiedlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen von Anfechtung und Widerruf genügt zur Ausübung des Widerrufs eine Erklärung, die lediglich erkennen lässt, dass der Erklärende an den Vertrag nicht mehr gebunden sein will, nicht (vgl. [X.] 19. Januar 1973 - V [X.] - zu [X.] 2 der Gründe). Vielmehr muss die Erklärung hinreichend deutlich machen, dass der Vertrag gerade wegen des Widerrufs nicht gelten solle (vgl. für den Widerruf nach § 178 [X.]G[X.]: [X.] in [X.]Rspr. seit 22. Juni 1965 - V ZR 55/64 - zu I b der Gründe; [X.] 31. Januar 1996 - 2 [X.] - zu II 1 der Gründe; für das Verhältnis von Widerruf nach dem HTürGG und nach § 178 [X.]G[X.] [X.] 8. Mai 2006 - II [X.] - Rn. 22).

4. [X.] vom 28. Dezember 2012 lässt lediglich erkennen, dass der Aufhebungsvertrag wegen Sittenwidrigkeit und der erklärten Anfechtung nach § 123 [X.]G[X.] nichtig sein solle. Es setzt sich inhaltlich ausschließlich damit auseinander, dass die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung und einer Strafanzeige rechtswidrig gewesen sei. Daraus lässt sich nicht der erforderliche Wille entnehmen, Gebrauch von einem Widerrufsrecht zu machen. Das gilt umso mehr, weil der Kläger bei Abgabe der Anfechtungserklärung anwaltlich vertreten war (vgl. [X.] 19. Januar 1973 - V [X.] - zu [X.] 2 der Gründe). Rechtskundige sind bei den von ihnen abgegebenen Erklärungen grundsätzlich beim Wort zu nehmen (vgl. [X.]FH 14. Juni 2011 - V [X.] 24/10 - Rn. 14; für [X.]: [X.] 21. Februar 2013 - 6 [X.] - Rn. 36, [X.]E 144, 263; vgl. auch [X.]VerfG 25. Januar 2014 - 1 [X.]vR 1126/11 - Rn. 26). Als Rechtsfolge ist im letzten Absatz auf Seite 1 des Schreibens vom 28. Dezember 2012 ausdrücklich angegeben, dass „die Willenserklärung von Anfang an nichtig“ und der „Aufhebungsvertrag rückwirkend unwirksam“ sei. An dieser allein auf eine Anfechtung sowie Sittenwidrigkeit des Vertrags zielenden Willensäußerung muss sich der Kläger festhalten lassen. Der erforderliche [X.] fehlte auch deshalb, weil dem späteren Prozessbevollmächtigten des [X.] im Zeitpunkt der Erstellung des Schreibens vom 28. Dezember 2012 das tarifliche Widerrufsrecht offensichtlich nicht bekannt war. Er hat es in der Klageschrift und im gesamten erstinstanzlichen Verfahren nicht angesprochen. Das Widerrufsrecht ist erstmals im Urteil des Arbeitsgerichts erwähnt und im [X.]erufungsrechtszug vom Prozessbevollmächtigten des [X.] aufgegriffen worden.

II. [X.] ist nicht zur Entscheidung reif. Der [X.] kann aufgrund der durch das [X.] getroffenen Feststellungen nicht selbst abschließend prüfen, ob die [X.] in Ziffer 9 des [X.] wirksam ist und die Klage deshalb als unzulässig abzuweisen ist. Ein formularmäßiger Klageverzicht in einem Aufhebungsvertrag, der zur Vermeidung einer vom Arbeitgeber angedrohten außerordentlichen Kündigung geschlossen wird, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen iSv. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 [X.]G[X.], wenn ein verständiger Arbeitgeber die angedrohte Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Dazu fehlt es an Feststellungen.

1. Grundsätzlich können sich die Parteien eines (künftigen) Prozesses vertraglich zu jedem rechtlich möglichen Verhalten verpflichten, sofern dieses nicht gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt. Unter diesen Voraussetzungen ist auch die vertragliche Verpflichtung, eine bestimmte Klage nicht zu erheben, möglich und wirksam. Wird unter Missachtung einer solchen wirksam eingegangenen Verpflichtung zu einem bestimmten prozessualen Verhalten Klage erhoben, ist diese als unzulässig abzuweisen (vgl. [X.] 21. Dezember 2005 - [X.]/04 - Rn. 19 mwN, Rn. 21; 10. Oktober 1989 - VI ZR 78/89 - zu II 2 e der Gründe, [X.]Z 109, 19; zum Streitstand für den Verzicht auf die Kündigungsschutzklage [X.] 25. September 2014 - 2 [X.] - Rn. 11).

2. Auf der Grundlage der Feststellungen des [X.]s kann der [X.] nicht selbst entscheiden, ob der Klageverzicht in Ziffer 9 des Aufhebungsvertrags der Parteien mit § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 [X.]G[X.] und damit mit höherrangigem Recht in Einklang steht.

a) Das [X.] hat allerdings mit zutreffenden Erwägungen angenommen, dass es sich bei Ziffer 9 des [X.] um eine grundsätzlich kontrollfähige [X.] handelt.

aa) Das [X.] hat ohne Rechtsfehler angenommen, bei den einzelnen Klauseln des Aufhebungsvertrags vom 27. Dezember 2012 handele es sich jedenfalls um Einmalbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 [X.]G[X.] und damit um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Die Revision erhebt insoweit keine Rügen.

bb) Formularmäßige Abreden, die Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistung und der hierfür zu zahlenden Vergütung unmittelbar bestimmen, sind aus Gründen der Vertragsfreiheit gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 [X.]G[X.] regelmäßig von der gesetzlichen Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 [X.]G[X.] ausgenommen ([X.]Rspr., vgl. nur [X.] 27. November 2003 - 2 [X.]/03 - zu [X.] IV 3 der Gründe mwN, [X.]E 109, 22; [X.] 14. Oktober 1997 - [X.] - zu I 2 a der Gründe, [X.]Z 137, 27; vgl. auch [X.]T-Drs. 7/3919 S. 22; zur Kontrollfähigkeit eines von § 4 Satz 1 iVm. § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG abweichenden Klageverzichts vgl. [X.] 25. September 2014 - 2 [X.] - Rn. 21). Darum unterliegt in einem Aufhebungsvertrag die [X.]eendigungsvereinbarung als solche ebenso wenig einer Angemessenheitskontrolle ([X.] 8. Mai 2008 - 6 [X.] - Rn. 22) wie eine als Gegenleistung für die Zustimmung des Arbeitnehmers zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses etwaig gezahlte Abfindung (zu diesem [X.] vgl. [X.] 10. November 2011 - 6 [X.] - Rn. 18, [X.]E 139, 376; zur Kontrollfreiheit der Abfindung [X.] 21. Juni 2011 - 9 [X.] - Rn. 42, [X.]E 138, 136).

cc) Das [X.] hat aber rechtsfehlerfrei angenommen, dass Ziffer 9 des Aufhebungsvertrags eine kontrollfähige [X.] enthält. Gegenleistung für die Zustimmung des [X.] zum Aufhebungsvertrag war allein der Verzicht der [X.]eklagten auf die in Aussicht gestellte außerordentliche Kündigung und Strafanzeige. Alle weiteren Klauseln des Vertrags zu den übrigen, im Zusammenhang mit der [X.]eendigung des Arbeitsverhältnisses stehenden noch regelungsbedürftigen Fragen unterliegen als [X.]n in vollem Umfang der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. [X.]G[X.], wobei allerdings die [X.]esonderheiten des Arbeitsrechts zu berücksichtigen sind ([X.] 21. Juni 2011 - 9 [X.] - Rn. 42, [X.]E 138, 136; [X.]/Preis 15. Aufl. §§ 305 bis 310 [X.]G[X.] Rn. 77; [X.] [X.]. NJW 2012, 103, 107, 108; Däubler [X.]. [X.] [X.]G[X.] § 307 Nr. 53 zu [X.]). Dies rechtfertigt sich daraus, dass der Arbeitnehmer seine Abschlussentscheidung von solchen Nebenpunkten im Allgemeinen nicht abhängig macht ([X.]/[X.] 6. Aufl. [X.] Rn. 95).

b) Das [X.] hat jedoch die zur Prüfung der Wirksamkeit des Verzichts auf die Klage erforderlichen Feststellungen nicht getroffen.

aa) [X.] verwehrt dem Kläger dauerhaft das Recht, die Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrags gerichtlich geltend zu machen. Er kann zwar die von ihm abgegebene Willenserklärung gegenüber der [X.]eklagten anfechten. Die Anfechtung bleibt jedoch ohne die Möglichkeit, ihre Wirksamkeit auch gerichtlich inhaltlich überprüfen lassen zu können, wirkungslos. Im Ergebnis nimmt Ziffer 9 ihm damit die Möglichkeit, den Vertrag rechtlich durchsetzbar anzufechten.

bb) Ein solcher formularmäßiger Klageverzicht in einem Aufhebungsvertrag, der zur Vermeidung einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers geschlossen wird, ist mit dem gesetzlichen Leitbild nur dann zu vereinbaren, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung ernsthaft in Erwägung ziehen durfte und die Drohung deshalb nicht widerrechtlich ist. Anderenfalls benachteiligt der Verzicht den Arbeitnehmer unangemessen iSv. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 [X.]G[X.].

(1) § 123 [X.]G[X.] gewährleistet, dass eine Willenserklärung, die nicht Ausdruck freier rechtsgeschäftlicher Selbstbestimmung ist, der Anfechtung unterliegt, und schützt so die rechtsgeschäftliche Entschließungsfreiheit ([X.] 21. September 2011 - IV ZR 38/09 - Rn. 28). Die Rechtsordnung stellt dem [X.] für den Fall, dass er sich zur Rechtsverfolgung entschließt, ihre Autorität und Macht zur Verfügung, um ihm sein Recht zu verschaffen. Sie gibt ihm deshalb die Möglichkeit, zur Durchsetzung des Anfechtungsrechts zu klagen (vgl. [X.] Lehrbuch des Schuldrechts [X.]d. I Allgemeiner Teil 14. Aufl. S. 19 zur Durchsetzbarkeit von Forderungen).

(2) [X.]ei einer [X.] in einem unter dem Druck der Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung geschlossenen Aufhebungsvertrag ist zu differenzieren.

(a) Nach dem gesetzlichen Regelungskonzept ist eine nach § 123 [X.]G[X.] anfechtbar zustande gekommene Willenserklärung nur dann nichtig, wenn sie innerhalb der - gegenüber den anderen Anfechtungstatbeständen des [X.]G[X.] verlängerten - Anfechtungsfrist des § 124 [X.]G[X.] angefochten wird. Der Getäuschte oder [X.]edrohte kann sich also entscheiden, ob er die Willenserklärung ungeachtet ihres rechtswidrigen Zustandekommens gegen sich gelten lassen will ([X.]/[X.] [X.]G[X.] 14. Aufl. § 123 Rn. 1). Ein Verzicht auf das Anfechtungsrecht ist darum nach der anfechtbaren Handlung ohne Weiteres möglich (vgl. [X.] 21. Februar 1991 - 2 [X.] - zu II 4 c der Gründe; [X.] 1. April 1992 - [X.] - zu 2 der Gründe; [X.]/[X.] aaO Rn. 59).

(b) Erklärt der Arbeitnehmer in einem Aufhebungsvertrag, der zur Vermeidung einer außerordentlichen Kündigung geschlossen wird, einen Klageverzicht, wird dieser Verzicht - wie die übrigen [X.]estimmungen des Vertrags - mit der Unterzeichnung der zweiten Vertragspartei wirksam. In einem solchen Fall, in dem der Verzicht Teil des anfechtbaren Rechtsgeschäfts ist, lassen sich die Drohung mit der Kündigung und der Klageverzicht rechtlich (und tatsächlich) letztlich nicht trennen. Auch der Verzicht ist unter dem Druck der Drohung erklärt. Das Gesetz sieht mit § 123 [X.]G[X.] aber eine, wie ausgeführt, auch gerichtlich durchsetzbare Möglichkeit vor, sich von der unter diesem Druck zustande gekommenen Erklärung wieder zu lösen. Dies trägt der Erkenntnis Rechnung, dass der unter dem Druck einer Drohung Handelnde aufgrund der Zwangslage keine Möglichkeit hat, sich in zumutbarer Weise selbst zu schützen (vgl. [X.]/Singer/von [X.] (2012) § 123 Rn. 64). Mit diesem der gesetzlichen Regelung zugrundeliegenden Gerechtigkeitsgehalt ist es nicht zu vereinbaren, wenn sich der Verwender durch eine in den Aufhebungsvertrag aufgenommene [X.] die Möglichkeit verschafft, Vorteile aus einer widerrechtlichen Drohung zu ziehen, ohne eine Rückabwicklung befürchten zu müssen. Einem solchen Verhalten muss die Rechtsordnung ihren Schutz versagen.

(c) [X.] im Aufhebungsvertrag vom 27. Dezember 2012 benachteiligt den Kläger darum nur dann nicht unangemessen iSv. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 [X.]G[X.], wenn die Drohung mit der außerordentlichen Kündigung nach gerichtlicher Feststellung nicht widerrechtlich war (zu den diesbezüglichen Anforderungen [X.] 28. November 2007 - 6 [X.] - Rn. 48 f., [X.]E 125, 70). Letztlich kann der Arbeitgeber durch eine [X.], die Teil eines der AG[X.]-Kontrolle unterliegenden Aufhebungsvertrags ist, eine gerichtliche Prüfung der durch den Arbeitnehmer erklärten Anfechtung damit nicht verhindern.

cc) Das [X.] hat - ausgehend von seinem rechtlichen Standpunkt konsequent - keine Feststellungen zur Widerrechtlichkeit der Drohung getroffen. Der [X.] kann darum nicht selbst feststellen, ob der Klageverzicht nach vorstehend entwickelten Maßstäben wirksam ist. Die Zurückverweisung gibt dem [X.] die Möglichkeit, die fehlenden Feststellungen zu treffen.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    D. Knauß    

        

    Wollensak    

                 

Meta

6 AZR 82/14

12.03.2015

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Gelsenkirchen, 28. Mai 2013, Az: 1 Ca 157/13, Urteil

§ 307 Abs 1 BGB, § 307 Abs 2 Nr 1 BGB, § 123 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.03.2015, Az. 6 AZR 82/14 (REWIS RS 2015, 14137)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 2908 REWIS RS 2015, 14137

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