Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.12.2017, Az. 4 StR 323/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 1291

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2017:051217B4STR323.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 323/17

vom
5. Dezember
2017
in der Strafsache
gegen

wegen Betrugs

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 5.
Dezember 2017 gemäß §
349
Abs.
2 und 4 [X.] beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 7.
November 2016 mit den zugehöri-gen Feststellungen aufgehoben,
a)
soweit der Angeklagte in den Fällen
1 und 2 der Urteils-gründe verurteilt worden ist,
b)
im Strafausspruch im Fall
4 der Urteilsgründe,
c)
im [X.]
und
d)
soweit festgestellt ist, dass gegen den Angeklagten we-gen eines Geldbetrages in Höhe von 52.431
Euro ledig-lich deshalb nicht auf Verfall von Wertersatz erkannt wird, weil Ansprüche Verletzter entgegenstehen.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurück-verwiesen.
3.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.

-
3
-
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betrugs in fünf Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt sowie eine Adhäsionsent-scheidung und eine Anordnung nach §
111i Abs.
2 [X.] getroffen. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiel-len Rechts; soweit er das Verfahrensrecht beanstandet, ist die Rüge aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] nicht ordnungsgemäß ausgeführt (§
344 Abs.
2 Satz
2 [X.]). Das Rechtsmittel hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 [X.].
1.
Ein Verfahrenshindernis mit Blick darauf, dass die in den [X.] befindliche Anklageschrift vom 13.
Juni 2016 nicht unterschrieben ist, [X.] nicht. Das Fehlen der Unterschrift führt nicht zur Unwirksamkeit der [X.] und damit der Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshinder-nisses, wenn die Anklage mit Wissen und Wollen des zuständigen Beamten der Staatsanwaltschaft zu den Akten gereicht worden ist (vgl. [X.], 407, 408; [X.], [X.], 352; [X.], [X.], 280; [X.], [X.], 60.
Aufl., §
200 Rn.
27; [X.], [X.] 1997, 33, 34).
So verhält es sich hier. Denn aus der dienstlichen Stellungnahme der Staatsanwältin vom 23.
Oktober
2017 und deren Vermerk vom 20.
Oktober 2017 ergibt sich, dass die Akte mit der jeweils unterschriebenen Fassung der Begleitverfügung und der Anklageschrift an die [X.] wurde; weshalb sodann diese Fassungen in die Zweitakte und die nicht unterschriebe-nen Fassungen in die Hauptakte geraten sind, konnte nicht mehr aufgeklärt werden. Danach steht aber fest, dass die Anklage mit Wissen und Wollen des 1
2
3
-
4
-
zuständigen Beamten erhoben worden ist und somit den Verfolgungswillen der Anklagebehörde dokumentiert (vgl. [X.] in KK-[X.], 7.
Aufl., §
200 Rn.
37 [X.]).
2.
Der Schuldspruch in den Fällen
1 und 2 der Urteilsgründe hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Annahme eines bei den Käufern ver-ursachten Vermögensschadens im Sinne des §
263 StGB in der gesamten Hö-he
ihrer Vorauszahlungen wird von den Feststellungen des angefochtenen Ur-teils nicht getragen. Wenngleich nach dem Gesamtzusammenhang der Urteils-feststellungen
ein Ausschluss jeglichen Vermögensschadens fern liegt, können die Schuldsprüche ohne dessen zutreffende Bestimmung nicht aufrechterhalten bleiben.
Ein Vermögensschaden im Sinne des §
263 StGB tritt ein, wenn die Vermögensverfügung des [X.] bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirt-schaftlichen [X.] seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldie-rung, vgl. [X.], Beschlüsse vom 18.
Februar 2009

1
StR
731/08, [X.]St 53, 199, 201, und vom 29.
Januar 2013

2
StR
422/12, [X.], 711, jeweils [X.]; Urteil vom 27.
Juni 2012

2
StR
79/12, [X.], 629). Wurde der [X.] zum Abschluss eines Vertrages verleitet (Eingehungsbetrug), sind bei der für die Schadensfeststellung
erforderlichen Gesamtsaldierung der Geldwert des erworbenen Anspruchs gegen den Vertragspartner und der Geldwert der eingegangenen Verpflichtung miteinander zu vergleichen. Der Getäuschte ist geschädigt, wenn sich dabei ein [X.] zu seinem Nachteil
ergibt ([X.], Beschluss vom 18.
Juli 1961 -
1
StR
606/60, [X.]St 16, 220, 221; Urteil vom 20.
Dezember 2012

4
StR
55/12, [X.]St 58, 102, 111
f. [X.]; [X.], [X.] vom 19.
Februar 2014

5
StR
510/13, [X.], 270). Maßgeblich 4
5
-
5
-
ist der Zeitpunkt der Vermögensverfügung, also der Vergleich des [X.] unmittelbar vor und nach der Verfügung. Spätere Entwicklungen berühren den tatbestandlichen Schaden nicht. Diese haben nur noch für die Strafzumes-sung Bedeutung (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 21.
April 2016

1
StR
456/15, [X.], 674, 675; Urteil
vom 10.
Juli 1952

5
StR
358/52, [X.]St 3, 99, 102;
Beschluss vom 14.
Juli 2016

4
StR
362/15, [X.], 1785, 1786).
Ein solcher Vergleich ergibt hier, dass der täuschungsbedingte Nachteil der Käufer darin besteht, dass ihr Erfüllungsanspruch gegen die Firma des [X.] war, weil der Angeklagte bereits bei Vertragsschluss nicht in der Lage war, alle
erworbenen Mobilfunkgeräte zu liefern, die jeweiligen Käu-fer jedoch die vereinbarten Kaufpreise im Vertrauen auf die vertragsgemäße Lieferung vollständig vorab bezahlten. Die Urteilsgründe ergeben jedoch nicht, dass im Zeitpunkt der täuschungsbedingten [X.] keinerlei Aussicht auf eine Lieferung durch den Angeklagten bestand, etwa weil dieser leistungsunwillig war, und der erworbene Gegenanspruch deshalb wirtschaftlich vollständig wertlos war. Dass der Angeklagte von Anfang an nicht die Absicht oder die Möglichkeit hatte, in den ausgeurteilten Fällen zu liefern, hat das [X.] gerade nicht festgestellt. Der Umstand, dass in den ausgeurteilten Fällen letztlich keiner der Käufer ein Mobilfunkgerät erhielt, hat dafür lediglich einen Indizwert. Dem steht jedoch entgegen, dass der Angeklagte anderen Käufern im selben Zeitraum Mobilfunkgeräte lieferte (vgl. UA
11, UA
16). Auch lassen die Urteilsgründe die Möglichkeit offen, dass der Angeklagte für den Fall der Nichtlieferung bereit und zunächst auch in der Lage war, geleistete Vorkas-sebeträge zurückzuzahlen (vgl. UA
16). Unter diesen Umständen kann ein Vermögensschaden in Höhe der von den Käufern geleisteten Zahlungen nicht zugrunde gelegt werden.
6
-
6
-
3.
Auch im Fall
4 der Urteilsgründe hat der Tatrichter rechtsfehlerhaft

wie oben dargelegt

für die Bestellungen am 8.
Dezember 2015 die geleiste-ten Zahlungen in voller Höhe als Schaden zugrunde gelegt. Da aufgrund der getroffenen Feststellungen zu den Verkäufen ab dem 11.
Dezember 2015, bei denen der Angeklagte wusste, dass er keine Mobilfunkgeräte mehr liefern [X.] würde, sicher davon
auszugehen ist, dass ein tatbestandlicher Vermögens-schaden entstanden ist, hat der Rechtsfehler keine Auswirkungen auf den Be-stand des Schuldspruchs (vgl. [X.], Urteil vom 24.
März 2016

2
StR
36/15, [X.], 205, 207; Urteil vom 26.
November 2015

3
StR
247/15, [X.], 343, 344 [X.]). Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass das [X.] von einem zu großen Schuldumfang ausgegangen ist, sodass der Ausspruch über die Einzelstrafe aufzuheben war.
4.
Die Aufhebung der Schuldsprüche in den Fällen
1 und 2 der Urteils-gründe sowie des Strafausspruchs im Fall
4 der Urteilsgründe entzieht auch dem [X.] die Grundlage.
5.
Die teilweise Aufhebung des Urteils zum Schuld-
und Strafausspruch erfasst auch den Ausspruch gemäß §
111i Abs.
2 [X.]. Dieser Ausspruch hat aber auch unabhängig davon keinen Bestand, weil die Ausführungen des [X.] besorgen lassen, es habe einen Härtefall nach §
73c Abs.
1 Satz
2 [X.]
aF ohne Ausübung des ihm zustehenden Ermessens allein des-halb verneint, weil der Angeklagte das Erlangte für den Lebensunterhalt [X.] hat. Auch in diesen Fällen ist dem Tatrichter jedoch ein Ermessens-spielraum eröffnet. Der Verbrauch der erlangten Mittel in einer Notlage oder zum notwendigen Lebensunterhalt des Betroffenen und seiner Familie kann sogar als Argument für eine positive Ermessensentscheidung dienen (vgl. [X.], Urteil vom 26.
März 2015

4
StR
463/14, [X.], 176, 177; Beschlüsse 7
8
9
-
7
-
vom 14.
Oktober 2014

2
StR
134/14, [X.]R StGB §
73c Ermessensentschei-dung
1; vom
3.
Februar 2016

1
StR
606/15, [X.], 14 jeweils [X.]).
6.
Der neue Tatrichter wird im Fall
2 der Urteilsgründe zu prüfen haben, ob der Angeklagte, nachdem ihm bewusst geworden war, nicht mehr alle ein-gehenden Bestellungen erfüllen zu können, den Online-Shop durch [X.] oder Unterlassen weiter betrieben hat (vgl. [X.], Beschluss vom 20.
September 2016

3
StR
302/16, [X.], 231).
Sost-Scheible
Roggenbuck
Cierniak

Bender
Feilcke
10

Meta

4 StR 323/17

05.12.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.12.2017, Az. 4 StR 323/17 (REWIS RS 2017, 1291)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 1291

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 323/17 (Bundesgerichtshof)

Feststellung des Vermögensschadens bei Eingehungsbetrug


4 StR 55/12 (Bundesgerichtshof)


1 StR 562/13 (Bundesgerichtshof)


1 StR 20/16 (Bundesgerichtshof)

Betrug: Vermögensschaden beim Erwerb einer angeblich verpachteten Immobilie; Erfordernis der Stoffgleichheit; Urteilsfeststellungen bei Annahme eines …


3 StR 552/17 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

4 StR 323/17

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.