Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.01.2014, Az. 1 StR 562/13

1. Strafsenat | REWIS RS 2014, 8318

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR 562/13

vom
28. Januar 2014
in der Strafsache
gegen

wegen
Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub u.a.

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Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 28. Januar 2014
beschlos-sen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 6. Juni 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltrei-bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen in Tatmehr-heit mit versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Kör-perverletzung und mit Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub in Tatmehr-heit mit uneidlicher Falschaussage zu einer ([X.] von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Daneben hat es Verfall von [X.] in Höhe von 4.500 Euro angeordnet. Mit seiner Revision beanstandet der Ange-klagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg (§
349 Abs.
4 StPO).
1.
Das Urteil ist insgesamt angefochten.
Die in der Revisionsbegründung des Pflichtverteidigers enthaltene Be-schränkung der Revision, nach der die Verurteilung des Angeklagten im Fall
4 der Urteilsgründe wegen falscher uneidlicher Aussage (§
153 StGB) von der 1
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Anfechtung ausgenommen sein sollte, ist nicht wirksam. Zwar handelt es sich bei dieser Beschränkung nicht

wie vom Wahlverteidiger angenommen

um eine Revisionsrücknahme. Vielmehr wurde der Umfang der Revision des Ange-klagten erst durch die [X.] des Pflichtverteidigers rechtlich bindend festgelegt (vgl. [X.], Beschluss vom 13.
Juni 1991

4 StR 105/91, [X.]St 38, 4). Die [X.] ist jedoch unwirksam, weil die Voraussetzungen einer teilweisen Anfechtbarkeit des Urteils insoweit nicht vorliegen.
Eine Teilanfechtung setzt voraus, dass sie sich auf einen abtrennbaren Teil des Urteils bezieht und die übrigen Tatvorwürfe losgelöst und getrennt von diesem Fall beurteilt werden
können (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 29.
Februar 1956

2
StR 25/56, [X.]St 10, 100). Das ist hier nicht der Fall. Der Angeklagte wurde im Fall
4 der Urteilsgründe deshalb verurteilt, weil er in der Hauptverhandlung gegen

K.

bestritten hatte, zusammen mit dem Zeugen C.

von K.

Haschisch gekauft und dabei gewesen zu sein, als eine größere Menge Haschisch an K.

übergeben worden sei (UA S.
10).
Die Haschischerwerbe bei

K.

sind aber Gegenstand der [X.] in den Fällen 1
und 3 der Urteilsgründe wegen [X.] Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Ob der Angeklagte diese Taten begangen hat und sich deshalb (nach Belehrung ge-mäß §
55 StPO) im Strafverfahren gegen

K.

einer uneidlichen Falschaussage schuldig gemacht hat, kann hier aber nur einheitlich beurteilt werden. Denn hat er die von ihm bestrittenen Taten nicht begangen, hat er in-soweit durch Bestreiten seiner Tatbeteiligung im Verfahren gegen

K.

auch keine falschen Angaben gemacht, die eine Verurteilung gemäß §
153 StGB rechtfertigen könnten.
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4
-
2. Die Revision des Angeklagten hat mit der Verfahrensrüge Erfolg, das [X.] habe nicht in die Hauptverhandlung eingeführt, dass mit dem [X.] C.

in dessen Verfahren als Angeklagten eine Verfahrensabsprache ge-troffen worden ist, welche die Benennung weiterer Tatbeteiligter zum Gegen-stand hatte.
a) Der zulässig erhobenen Aufklärungsrüge (§
244 Abs.
2 StPO) liegt folgendes Geschehen zugrunde:
Das [X.] hat den Angeklagten in den Fällen
1 bis
3 der Urteils-gründe wegen Taten im Zusammenhang mit [X.] ver-urteilt, die der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen gemeinsam mit dem Zeugen
C.

begangen hat. Im Fall
4 der Urteilsgründe hat das [X.] als uneidliche Falschaussage des
Angeklagten gewertet, dass der Angeklagte im Verfahren gegen den Rauschgiftlieferanten

K.

seine Beteiligung an den Rauschgiftgeschäften mit diesem bestritten hatte.
Seine Überzeugung vom Ablauf der [X.], einer damit zusammenhängenden räuberischen Erpressung u.a. (Fall
2
der Urteils-gründe) sowie von der Täterschaft des Angeklagten stützt das [X.] maßgeblich auf die Angaben des Zeugen C.

als Mittäter des Angeklagten bei diesen Taten. Im Rahmen der Würdigung der Glaubhaftigkeit der Angaben die-ses Zeugen berücksichtigt das [X.], dass C.

die ihm zur Last geleg-ten Taten zwar zunächst bestritten habe, in der gegen ihn gerichteten Haupt-verhandlung aber eingeräumt und den Angeklagten als Geldgeber für den Rauschgiftkauf bezeichnet habe. Die ohne Belastungseifer gemachten [X.] des Zeugen wiesen eine deutliche Aussagekonstanz sowie erheblichen Detailreichtum auf, enthielten Realkennzeichen und würden durch die [X.] weiterer Zeugen bestätigt (UA S.
16
f.).
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Keine Erwähnung in den Urteilsgründen findet der der [X.] be-kannte Umstand, dass der Zeuge C.

den Angeklagten erstmals als seinen Begleiter benannte, nachdem in der gegen ihn unter derselben Vorsitzenden geführten Hauptverhandlung eine Verständigung stattgefunden hatte. Darin war zwischen den Verfahrensbeteiligten vereinbart worden, was auch in das [X.] aufgenommen wurde, dass C.

im Falle eines umfas-u-bungsmittelgeschäftes sowie Benennung weiterer Tatbeteiligter zu einer Ge-

b) Bei dieser Sachlage musste es sich dem [X.] aufdrängen, dass es die mit dem Zeugen C.

in dessen Verfahren getroffene Verfahrens-absprache in die
Hauptverhandlung gegen den Angeklagten einführen und
C.

s Aussage auch vor dem Hintergrund dieser Verfahrensabsprache würdi-gen musste. Denn bei der Aussage des Zeugen C.

handelte es sich auch aus Sicht des [X.] trotz der die Richtigkeit dieser Aussage stützenden Angaben weiterer Zeugen um eine für das Verfahren entscheidungserhebliche Zeugenaussage, zumal das [X.] nicht allen Zeugen glaubt. Die Ver-ständigung im Verfahren gegen den Zeugen C.

war vom [X.] zu würdigen, weil es sich um eine Verfahrensabsprache zu Lasten Dritter (vgl. da-zu [X.], Beschluss vom 6.
November 2007

1 [X.], [X.]St 52, 78, 83 und Urteil vom 29.
November 2011

1 StR
287/11, [X.], 180
Rn.
14) und damit auch des Angeklagten handelte. Das [X.] hatte deshalb zu prüfen, ob der Zeuge C.

in seinem eigenen Verfahren irrig geglaubt haben könnte, eine Falschaussage zu Lasten des Angeklagten sei für ihn günstiger als wahre Angaben (vgl. auch [X.], Beschlüsse vom 9.
Februar 2012

1 StR 438/11, [X.], 393 und vom 15.
Januar 2003

1
StR 464/02, [X.]St 48, 161, 168) und ob er im Verfahren gegen den Angeklagten nur deshalb bei die-9
10
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ser Aussage geblieben ist, um sich nicht selbst zu widersprechen, obwohl das gegen ihn geführte Verfahren bereits abgeschlossen war. Da die Möglichkeit eines solchen Irrtums nicht davon abhängt, ob die Verfahren gegen C.

und den Angeklagten verbunden waren oder nicht, bestand die Notwendigkeit der Würdigung der Verständigung unabhängig davon, ob diese mit einem anderen Tatbeteiligten im selben oder in einem anderen Verfahren stattgefunden hat. Was zu würdigen ist, muss auch in die Hauptverhandlung eingeführt werden (vgl. [X.], Beschluss vom 9.
Februar 2012

1 StR 438/11, [X.], 393).
c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass das [X.] bei Würdi-gung der mit dem Zeugen C.

in dessen Strafverfahren getroffenen Verfah-rensabsprache dessen den Angeklagten belastender Aussage in der [X.] gegen den Angeklagten geringeres Gewicht beigemessen und hin-sichtlich aller vier dem Angeklagten zur Last liegenden Taten zu einer anderen Überzeugung gelangt wäre. Zwar hat das [X.] die Verurteilung des [X.] nicht allein auf die Aussage des Zeugen gestützt; vielmehr hat es seine Überzeugung aus
einer Gesamtwürdigung mehrerer Zeugenaussagen geschöpft. Jedoch wird deutlich, dass das [X.] der Aussage des [X.] C.

als unmittelbar Tatbeteiligtem
zentrale Bedeutung für die Überzeu-gungsbildung beigemessen hat. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer tat-richterlicher Aufklärung und Entscheidung.
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3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf die Vorschrift des §
157 Abs.
1 StGB hin. Denn, sollte das neue Tatgericht wieder zu denselben Feststellungen hinsichtlich der Betäubungsmitteldelikte gelangen, liegt es nahe, dass der Angeklagte im Verfahren gegen

K.

nur deshalb die Un-wahrheit gesagt hat, um von sich die Gefahr abzuwenden, wegen dieser Delikte
bestraft zu werden.
Raum

Wahl Rothfuß

Rin[X.] Cirener ist erkrankt

und deshalb an der Unter-

schriftsleistung verhindert.

Jäger Raum
12

Meta

1 StR 562/13

28.01.2014

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.01.2014, Az. 1 StR 562/13 (REWIS RS 2014, 8318)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8318

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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