Bundesfinanzhof, Urteil vom 07.11.2023, Az. VIII R 7/21

8. Senat | REWIS RS 2023, 10247

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Rückabwicklung eines Verbraucherdarlehensvertrags


Leitsatz

1. Der Bezug eines Nutzungsersatzes im Rahmen der reinen Rückabwicklung eines Verbraucherdarlehensvertrags nach Widerruf (vor Anwendbarkeit des § 357a Abs. 3 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB-- a.F.; jetzt § 357b BGB) begründet keinen steuerbaren Kapitalertrag, da er nicht auf einer erwerbsgerichteten Tätigkeit beruht und mithin nicht innerhalb der steuerbaren Erwerbssphäre erzielt wird.

2. Das infolge des Widerrufs entstandene Rückgewährschuldverhältnis ist bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise ertragsteuerlich als Einheit zu behandeln.

3. Der bezogene Nutzungsersatz ist auch nicht gemäß § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes steuerbar.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden das Urteil des [X.] vom 15.12.2020 - 5 K 2552/19 und die Einspruchsentscheidung vom 21.11.2019 aufgehoben.

Der Einkommensteuerbescheid 2017 vom 27.11.2018 wird dahingehend geändert, dass bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 32d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes ein Betrag von 14.500 € --je hälftig beim Kläger und bei der [X.] nicht bei den laufenden Kapitalerträgen angesetzt wird.

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten aufgegeben.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob es sich bei der von einer Bank aufgrund eines widerrufenen Darlehensvertrags gezahlten Nutzungsentschädigung für bereits erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen um steuerbare Einkünfte handelt.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden im Jahr 2017 (Streitjahr) als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie schlossen am …2005 einen Darlehensvertrag mit der [X.] über 208.000 € zur Finanzierung einer selbstgenutzten Wohnimmobilie ab. Die Darlehenszinsen waren für 20 Jahre festgeschrieben. Die [X.] zahlte das Darlehen aus. Die Kläger leisteten monatliche Zins- und Tilgungsleistungen und Sondertilgungen.

3

Mit Schreiben vom 21.03.2016 widerriefen die Kläger unter Verweis auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung ihre auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen und lösten die noch offene Restvaluta ab. In einem zivilgerichtlichen Verfahren gegen die [X.] klagten sie auf einen von ihnen errechneten Betrag in Höhe von 23.444,88 € als von der [X.] zu leistenden Nutzungsersatz für die von ihnen bis zum Widerruf erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen.

4

Vor dem [X.] schlossen die Kläger und die [X.] am …2017 einen Vergleich. Danach hatte die [X.] "zur Abgeltung der Klageforderung sowie sämtlicher Ansprüche aus dem Darlehensvertrag vom …2005" einen Betrag in Höhe von 14.500 € an die Kläger zu zahlen, der "ganz oder teilweise der Kapitalertragsteuer unterliegt". Die [X.] zahlte im Streitjahr nach Abzug von Kapitalertragsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer an die Kläger 10.558,18 € aus.

5

Die Kläger machten in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr geltend, die [X.] habe zu Unrecht Kapitalertragsteuer einbehalten. Sie beantragten für sämtliche Kapitalerträge die Überprüfung des [X.] gemäß § 32d Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung (EStG). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --[X.]--) folgte dem nicht und berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 27.11.2018 den streitigen Nutzungsersatz (je hälftig beim Kläger und bei der Klägerin) neben weiteren nicht streitigen Kapitalerträgen als Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 32d Abs. 1 EStG. Es zog beim Kläger und bei der Klägerin jeweils den Sparer-Pauschbetrag in Höhe von 801 € ab.

6

Dagegen legten die Kläger mit Schreiben vom 02.12.2018 Einspruch ein und erhoben am 17.10.2019 Untätigkeitsklage gemäß § 46 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O). Das [X.] wies den Einspruch mit Entscheidung vom [X.] als unbegründet zurück.

7

Die Klage hatte aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2021, 759 mitgeteilten Gründen keinen Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) hat entschieden, dass der nach dem Vergleich an die Kläger als Ersatz für [X.] geleistete Betrag zu steuerpflichtigen Kapitalerträgen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG führe. Der von den Klägern an die [X.] als Wertersatz für die Überlassung des ihnen zur Verfügung gestellten Kapitals geleistete Betrag sei gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Ferner sei der Vergleichsbetrag nicht in einen steuerpflichtigen Nutzungsersatz und eine nichtsteuerbare Rückzahlung überhöhter Zinsen aufzuteilen.

8

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG sowie einen Verfahrensfehler des [X.].

9

Die Kläger beantragen,
das Urteil des [X.] Köln vom 15.12.2020 - 5 K 2552/19 und die Einspruchsentscheidung vom [X.] aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2017 vom 27.11.2018 dahingehend zu ändern, dass ein Betrag in Höhe von 14.500 € --je hälftig beim Kläger und bei der [X.] als nicht steuerbar behandelt wird.

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]O). Der im Rahmen der Rückabwicklung des Darlehensvertrags von der [X.] an die Kläger geleistete Nutzungsersatz in Höhe von 14.500 € ist kein steuerbarer Kapitalertrag im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG (unter [X.]). Die Rückabwicklung des Darlehensvertrags führt bei den Klägern auch nicht zu Einkünften aus Leistungen im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG, sodass sich die Vorentscheidung auch nicht gemäß § 126 Abs. 4 [X.]O als richtig darstellt (unter II.2.). Die Sache ist spruchreif. Der [X.] gibt der Klage wie beantragt statt.

1. Die Entscheidung des [X.], dass der im Rahmen der Rückabwicklung des Darlehensvertrags von der [X.] an die Kläger geleistete Nutzungsersatz für Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 14.500 € zu einem Kapitalertrag im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG führt, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Nutzungsersatz ist nicht steuerbar. Er beruht nicht auf einer erwerbsgerichteten Tätigkeit der Kläger und ist mithin nicht innerhalb der steuerbaren Erwerbssphäre angefallen.

a) Nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des [X.] oder ein Entgelt für die Überlassung des [X.] zur Nutzung zugesagt oder gewährt worden ist, auch wenn die Höhe des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Dies gilt gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 EStG unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage. Unter den Begriff der Kapitalforderung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG fallen alle auf eine Geldleistung gerichteten Forderungen, deren Steuerbarkeit sich nicht bereits aus einem anderen Tatbestand im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 oder Nr. 8 bis 11 EStG ergibt, und zwar ohne Rücksicht auf die Dauer der Kapitalüberlassung oder den Rechtsgrund des Anspruchs (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 16.06.2020 - VIII R 7/17, [X.], 188, [X.] 2021, 9, Rz 11).

Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG erzielt, wer Kapitalvermögen gegen Entgelt zur Nutzung überlässt ([X.]-Urteile vom 15.06.2010 - VIII R 33/07, [X.], 109, [X.] 2011, 503; vom 16.12.2008 - VIII R 105/03, [X.], 1118, unter [X.] [Rz 17], m.w.N.). Der Rechtsgrund der Kapitalüberlassung ist dabei ebenso ohne Bedeutung wie der Umstand, ob die zugrundeliegende Kapitalforderung selbst steuerbar ist. Auch eine nicht freiwillige, sondern erzwungene Kapitalüberlassung kann zu Einnahmen aus Kapitalvermögen führen ([X.]-Urteile vom 26.06.1996 - VIII R 67/95, [X.] 1997, 175; vom 13.11.2007 - VIII R 36/05, [X.], 35, [X.] 2008, 292; vom 24.05.2011 - VIII R 3/09, [X.], 197, [X.] 2012, 254, Rz 14; vom 09.06.2015 - VIII R 18/12, [X.] 2015, 1616; vom 20.10.2015 - VIII R 40/13, [X.], 260, [X.] 2016, 342, Rz 25). Zu Einnahmen aus Kapitalvermögen können ferner grundsätzlich auch Nutzungen als nach gesetzlichen Ansprüchen geleistete Zahlungen gehören (so zu einem Nutzungsersatzanspruch nach § 2287 [X.]. § 818 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --[X.]-- [X.]-Urteil vom 06.04.1993 - VIII R 68/90, [X.], 25, [X.] 1993, 825, unter 2.b [Rz 20 ff.]).

b) Wie die Einkünfteerzielung im Rahmen aller anderen Einkunftsarten setzt die Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen im Grundsatz eine erwerbsgerichtete Tätigkeit voraus. Das gilt auch nach Einführung der Abgeltungsteuer. Auch innerhalb der Schedule der Kapitaleinkünfte ist zwischen der Erwerbssphäre und der nicht steuerbaren Privatsphäre zu unterscheiden. Der aufgrund des [X.] nach dem Widerruf des Darlehensvertrags an die Kläger gezahlte Nutzungsersatz fällt nicht innerhalb der Erwerbssphäre an. Die Rückabwicklung des Darlehensvertrags ist aus der Perspektive der Kläger keine erwerbsgerichtete Tätigkeit.

aa) Zivilrechtlich führt der Widerruf der auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen durch den Darlehensnehmer dazu, dass sich der Vertrag mit Zugang der Widerrufserklärung ex nunc in ein [X.] wandelt (vgl. nur Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 12.01.2016 - XI ZR 366/15, [X.]/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht --WM-- 2016, 454, Rz 7). Nach § 357, §§ 346 ff. [X.] in der für das Streitjahr geltenden Fassung hat der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber die Darlehensvaluta ohne Rücksicht auf (Teil-)Tilgungen (§ 346 Abs. 1 Halbsatz 1 [X.]) sowie einen Wertersatz für Gebrauchsvorteile am jeweils tatsächlich noch überlassenen Teil der Darlehensvaluta herauszugeben (§ 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 [X.]). Der Darlehensgeber schuldet dem Darlehensnehmer die Herausgabe bereits erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen (§ 346 Abs. 1 Halbsatz 1 [X.]) sowie die Herausgabe von Nutzungsersatz wegen Nutzung der bis zum Wirksamwerden des Widerrufs erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen (§ 346 Abs. 1 Halbsatz 2 [X.]). Dabei wird widerleglich vermutet, dass der Darlehensgeber Nutzungen in bestimmter Höhe tatsächlich erzielt hat ([X.] vom 22.09.2015 - XI ZR 116/15, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2015, 3441).

Der mit der Reform des Verbraucherschutzrechts in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügte § 357a Abs. 3 Satz 1 [X.] a.F. (jetzt § 357b [X.]), der unter anderem den Anspruch des Darlehensnehmers auf Nutzungsersatz für die Zukunft beseitigt hat, ist erst mit dem Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des [X.] vom 20.09.2013 ([X.]l I 2013, 3642) in Umsetzung von Art. 14 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des [X.] über [X.] und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates eingefügt worden und erstmals auf nach dem 12.06.2014 abgeschlossene [X.] anwendbar (vgl. Art. 229 § 32 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch).

Die wechselseitigen Rückgewähransprüche stehen sich zivilrechtlich als eigenständige Ansprüche gegenüber ([X.] vom 30.06.2017 - V ZR 134/16, [X.], 157, Rz 13). Sie sind Zug um Zug zu erfüllen (§ 348 Satz 1 [X.]). Soweit eine Seite die Aufrechnung erklärt, hat dies nicht zur Folge, dass der Anspruch der jeweils anderen Seite auf Herausgabe von Nutzungsersatz als nicht entstanden zu behandeln wäre ([X.] vom 22.09.2015 - XI ZR 116/15, NJW 2015, 3441, Rz 7). Zwischen den wechselseitigen Ansprüchen besteht keine synallagmatische Verknüpfung. Gleichartige Leistungen werden nicht automatisch saldiert. Der jeweilige [X.] kann seine Ansprüche auch ohne Rücksicht auf etwaige Gegenansprüche durchsetzen, solange der [X.] keine Gegenansprüche erhebt (vgl. [X.] vom 25.04.2017 - XI ZR 108/16, NJW 2007, 2102, Rz 19).

[X.]) Im Hinblick auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen vollzieht sich die Rückabwicklung eines vom Darlehensnehmer widerrufenen Darlehensvertrags (unabhängig von der zivilrechtlichen Einordnung) außerhalb der steuerbaren Erwerbssphäre.

(1) Mit dem (wirksamen) Widerruf wird das ursprüngliche [X.] in ein [X.] umgestaltet. Beide Seiten leiten danach ihre wechselseitigen Ansprüche auf Rückzahlung sowie auf Nutzungsersatz aus dem [X.] und nicht mehr aus dem ursprünglichen Darlehensvertrag her ([X.] vom 12.01.2016 - XI ZR 366/15, [X.], 454, Rz 7). Dieses [X.] ist maßgeblich für die Besteuerung. Es bildet die Grundlage für die Tatbestandsverwirklichung im Sinne von § 38 der Abgabenordnung.

(2) Das [X.] ist allein darauf gerichtet, den ursprünglichen Leistungsaustausch rückgängig zu machen ([X.] vom 12.01.2016 - XI ZR 366/15, [X.], 454, Rz 16; [X.] vom 21.02.2017 - XI ZR 467/15, [X.], 906, Rz 21). Es unterscheidet sich darin vom Darlehensvertrag, der als Dauerschuldverhältnis eine Vielzahl in die Zukunft gerichteter Pflichten statuiert, die durch den Austausch von Zahlungen nicht vollständig abgebildet werden können ([X.] vom 21.02.2017 - XI ZR 467/15, [X.], 906, Rz 21).

(3) Nach der Rechtsprechung des [X.]. [X.]s des [X.] fehlt es bei der Rückabwicklung des Erwerbs einer Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds an einem marktoffenbaren Vorgang und an einem Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Der Ausgleich der gezogenen Nutzungen stellt wie die Rückgabe der zuvor erworbenen Rechtspositionen in diesem Zusammenhang keinen Vorgang innerhalb der steuerbaren Erwerbssphäre, sondern nur einen notwendigen Teilakt im Rahmen der Rückabwicklung des ursprünglichen Leistungsaustauschs dar ([X.]-Urteile vom 06.09.2016 - [X.] R 27/15, [X.]E 255, 176, [X.] 2018, 335, Rz 22; vom 31.01.2017 - [X.] R 26/16, [X.]E 257, 78, [X.] 2018, 341, Rz 14). Die Rückabwicklung eines widerrufenen Darlehensvertrags ist damit wirtschaftlich vergleichbar.

(4) Die im Rahmen des [X.] vom Darlehensnehmer vereinnahmten Leistungen liegen für ihn jedenfalls dann außerhalb der steuerbaren Erwerbssphäre, wenn es sich um ein reines Rückabwicklungsverhältnis handelt. Daran würde es fehlen, wenn die wechselseitig erbrachten Leistungen nicht nur die Rückabwicklung des ursprünglichen Vertrags bewirken, sondern auch noch anderen Zwecken dienen sollten. Ob das der Fall ist, hat das [X.] auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls festzustellen. Handelt es sich nach den Feststellungen des [X.] um ein reines Rückabwicklungsverhältnis, kommt es nicht darauf an, ob die Rückabwicklung einvernehmlich, durch Vergleich, durch zivilgerichtliches Urteil oder auf andere Weise vollzogen worden ist.

(5) Das [X.] hat den zwischen den Klägern und der [X.] geschlossenen Vergleich dahingehend ausgelegt, dass in ihm ausschließlich die wechselseitigen Ansprüche aus dem [X.] im Wege des gegenseitigen [X.] erledigt werden sollten. Dagegen sind keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben worden. Die Auslegung des [X.] verstößt auch nicht gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze oder Denk- und Erfahrungssätze und ist daher für den [X.] gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O bindend (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 09.10.2001 - VIII B 30/01, [X.] 2002, 191, m.w.N.; vom 05.12.2006 - VIII B 4/06, [X.] 2007, 490, unter 2.c [Rz 10]).

cc) Der von den Klägern vereinnahmte Nutzungsersatz ist nicht isoliert zu sehen und deshalb als steuerbar zu behandeln, weil sich die Situation aus Sicht der Kläger nach dem Widerruf des Darlehensvertrags so darstellt, als hätten die Kläger der [X.] entgeltlich Kapital in Höhe der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen überlassen.

(1) Das [X.] ist bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise ertragsteuerlich als Einheit zu behandeln (zur [X.] vgl. [X.]-Urteile vom 23.04.2021 - [X.] R 20/19, [X.]E 273, 157, [X.] 2021, 687, Rz 23 zum Edelmetall-Pensionsgeschäft sowie vom 20.06.2023 - [X.] R 15/21, [X.]E 281, 409, [X.] 2023, 1103, Rz 21: [X.] abgelehnt für Darlehen und Zins-Währungs-Swap).

Die zivilrechtlich selbständigen wechselseitigen Ansprüche des [X.] stehen wirtschaftlich in so enger Verbindung zueinander, dass sich ihre isolierte Betrachtung als künstliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs darstellen würde. Sämtliche Ansprüche entstehen uno actu durch den einseitigen Widerruf der auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen des Darlehensnehmers. Der Anspruch auf Herausgabe von Nutzungsersatz ist nicht ohne den gegenläufigen Anspruch auf Herausgabe von Wertersatz denkbar (vgl. [X.], [X.], 1025, 1028). Zivilrechtlich ist zwar eine automatische Saldierung der jeweiligen (ausschließlich) auf Geld gerichteten Ansprüche ausgeschlossen ([X.]e vom 26.06.1991 - VIII ZR 198/90, [X.], 47; vom 30.06.2017 - V ZR 134/16, [X.], 157; [X.] vom 12.01.2016 - XI ZR 366/15, [X.], 454). Gleichwohl können die Ansprüche der einen Seite im Rahmen des [X.] nicht ohne die Gegenansprüche des Vertragspartners entstehen ([X.] vom 03.03.2016 - [X.] ZR 132/15, NJW 2016, 2118, Rz 25). Die [X.] aus dem [X.] haben für sich genommen, da sie sämtlich auf Geld gerichtet sind und sich aufrechenbar gegenüberstehen, keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung.

(2) Vor diesem Hintergrund kann der vom Darlehensnehmer vereinnahmte Nutzungsersatz auch nicht als Gegenleistung für eine unfreiwillige Kapitalüberlassung in Form der vom Darlehensgeber zurückzugewährenden Zins- und Tilgungsleistungen angesehen werden (vgl. zur Fallgruppe der unfreiwilligen Kapitalüberlassung z.B. [X.]-Beschluss vom 01.08.2023 - VIII R 8/21, [X.]E 281, 57, [X.] 2023, 1043; zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Abgeltungsteuer auch [X.]-Urteil vom 24.05.2011 - VIII R 3/09, [X.], 197, [X.] 2012, 254, Rz 15). Auf der Grundlage der gebotenen [X.] sind die einzelnen Ansprüche aus dem [X.] nicht für sich betrachtet Teil einer steuerbaren erwerbsgerichteten Tätigkeit. Die zivilrechtliche Einordnung des [X.], wonach der ehemalige Darlehensnehmer im Hinblick auf die erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen (rückwirkend) so gestellt wird, als hätte er von Anfang an "eine verzinsliche Wertanlage" erworben beziehungsweise als wäre ihm die Möglichkeit der Kapitalnutzung für die bereits erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen entzogen gewesen (vgl. z.B. [X.] vom 12.01.2016 - XI ZR 366/15, NJW 2016, 2428, Rz 20), ändert an der steuersystematisch (s. oben 1.b [X.]) wie wirtschaftlich gebotenen [X.] nichts.

(3) Dass der Widerruf des Darlehensvertrags für den ehemaligen Darlehensnehmer keine erwerbsgerichtete Tätigkeit ist, wird bei der gebotenen [X.] auch daraus deutlich, dass der ehemalige Darlehensnehmer im typischen Fall der Rückabwicklung (bei Saldierung der wechselseitigen Ansprüche) keinen Gesamtüberschuss erzielen kann. Die von ihm zurückzugewährenden Leistungen übersteigen der Höhe nach in der Regel die vom Darlehensgeber zurückzugewährenden Leistungen. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die reine Rückabwicklung des Darlehensvertrags zum Beispiel von einem steuerbaren Termingeschäft wie einem [X.] gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 3 EStG, bei dem beide Seiten einen positiven [X.] erzielen können und der deshalb der Erwerbssphäre zuzuordnen ist. Wirtschaftlich bewirkt die Rückabwicklung des Darlehensvertrags aus der Sicht des Darlehensnehmers bei globaler Betrachtung letztlich nur eine Verringerung der bis zum Widerruf auf das Darlehen zu zahlenden Zinsen oder des Wertersatzes für die Gebrauchsvorteile. Das gilt auch dann, wenn die Parteien des ursprünglichen Darlehensvertrags --wie im [X.] anstelle der Leistung von Wertersatz an die Bank auf eine Rückabwicklung der vom Darlehensnehmer geleisteten Zinsen verzichten.

2. Die Entscheidung des [X.] stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 126 Abs. 4 [X.]O). Der von der [X.] geschuldete Nutzungsersatz ist nicht nach der allein in Betracht kommenden Regelung zu den Einkünften aus Leistungen im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG steuerbar.

Gemäß § 22 Nr. 3 EStG sind sonstige Einkünfte solche aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6) noch zu den Einkünften im Sinne der Nr. 1, 1a, 2 oder 4 gehören, wie beispielsweise Einkünfte aus gelegentlichen Vermittlungen und aus der Vermietung beweglicher Gegenstände. Eine (sonstige) Leistung im Sinne dieser Vorschrift ist [X.], Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann und das eine Gegenleistung auslöst ([X.]-Urteile vom 12.09.1985 - VIII R 306/81, [X.]E 145, 320, [X.] 1986, 252, unter 1.b [Rz 30]; vom 02.07.2018 - [X.] R 31/16, [X.]E 262, 102, [X.] 2018, 759, Rz 24). § 22 Nr. 3 EStG erfasst, ergänzend zu den übrigen Einkunftsarten, das Ergebnis einer erwerbsgerichteten Tätigkeit (Leistung) und setzt wie diese die allgemeinen Merkmale des Erzielens von Einkünften nach § 2 EStG voraus ([X.]-Urteil vom 10.11.2020 - [X.] R 32/19, [X.]E 271, 218, [X.] 2023, 169, Rz 32).

Der Annahme eines steuerbaren Leistungsaustauschs steht im Streitfall danach auch bei der Anwendung von § 22 Nr. 3 EStG entgegen, dass die bei der gebotenen [X.] aus der Rückabwicklung des Darlehensvertrags vereinnahmten Einzelleistungen nicht in der Erwerbssphäre angefallen sind. Dies kann im Rahmen von § 22 Nr. 3 EStG nicht anders beurteilt werden als im Anwendungsbereich des § 20 EStG. Die Rückgewähr der jeweiligen Rechtspositionen aus dem Darlehensvertrag sowie der Ausgleich der gezogenen Nutzungen sind deshalb keine steuerbaren Leistungen im Sinne der Vorschrift.

3. Weil die Revision bereits mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg hat, kommt es auf die erhobene Verfahrensrüge nicht an (vgl. [X.]-Urteil vom 03.12.2019 - VIII R 23/16, [X.] 2020, 853, Rz 31, m.w.N.).

4. Das [X.] ist von anderen Rechtsgrundlagen ausgegangen. Sein Urteil ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der [X.] gibt der Klage statt. Der --nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des [X.]-- im Rahmen einer reinen Rückabwicklung des Darlehensvertrags von der [X.] an die Kläger geleistete Nutzungsersatz für Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 14.500 € ist kein steuerbarer Kapitalertrag im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG und keine steuerbare Leistung im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 27.11.2018 ist wie beantragt dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 32d Abs. 1 EStG ein Betrag von 14.500 € --je hälftig beim Kläger und bei der [X.] nicht bei den laufenden Kapitalerträgen angesetzt wird.

5. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

VIII R 7/21

07.11.2023

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 15. Dezember 2020, Az: 5 K 2552/19, Urteil

§ 20 Abs 1 Nr 7 EStG 2009, § 22 Nr 3 EStG 2009, § 346 BGB, § 348 BGB, § 357b BGB, § 38 AO, § 2 Abs 1 S 1 Nr 5 EStG 2009, § 2 Abs 1 S 1 Nr 7 EStG 2009, EStG VZ 2017

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 07.11.2023, Az. VIII R 7/21 (REWIS RS 2023, 10247)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 10247

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VIII R 16/22 (Bundesfinanzhof)

Rückabwicklung eines Verbraucherdarlehensvertrags


VIII R 6/22 (Bundesfinanzhof)

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteilen vom 07.11.2023 VIII R 7/21 und VIII R 16/22 - …


VIII R 30/19 (Bundesfinanzhof)

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteilen vom 07.11.2023 VIII R 7/21 und VIII R 16/22 - …


VIII R 21/21 (Bundesfinanzhof)

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteilen vom 07.11.2023 VIII R 7/21 und VIII R 16/22 - …


VIII R 5/23 (Bundesfinanzhof)

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteilen vom 07.11.2023 VIII R 7/21 und VIII R 16/22 - …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

IX ZR 132/15

XI ZR 467/15

XI ZR 108/16

V ZR 134/16

XI ZR 116/15

XI ZR 366/15

Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.