Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.10.2009, Az. I ZR 188/07

I. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 869

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[X.] DES VOLKES URTEIL I ZR 188/07 Verkündet am: 29. Oktober 2009 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 29. Oktober 2009 durch [X.] und [X.], Dr. Schaffert und [X.] für Recht erkannt: Die Revision gegen das [X.]eil des 5. Zivilsenats des Kammerge-richts vom 21. September 2007 wird auf Kosten der Klägerin zu-rückgewiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Die Parteien sind Wettbewerber auf dem [X.], unter anderem auf dem Gebiet der entgeltlichen meinungsbildenden Tageszeitungen. Die Klägerin verlegt den "[X.]". Zu den von der [X.] gehört seit Ende Mai 2004 die Tageszeitung "[X.]", die für 70 Cent im Einzelverkauf oder im Abonnement erhältlich ist. Der Marktanteil aller von der [X.] verlegten Zeitungen auf dem [X.] beträgt - bezogen auf die verkauften Exemplare - 50%. 1 Die Beklagte plant, die "W. K. " auch über ungesicherte Ver- kaufshilfen, sogenannte "stumme Verkäufer", abzusetzen. In einer ersten Test-phase stellte sie solche Verkaufshilfen im Juli und August 2005 vor den Schwimmbädern der [X.] auf. 2 - 3 - Nach Ansicht der Klägerin ist der Einsatz ungesicherter Verkaufshilfen für den Vertrieb entgeltlicher Tageszeitungen wettbewerbswidrig. Wegen der zu erwartenden [X.] laufe diese Vertriebsart auf eine Gratisabgabe hin-aus. Darin liege ein übertriebenes Anlocken. Auch führe diese Praxis zu einer allgemeinen Marktbehinderung. 3 4 Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte unter Androhung von [X.] zu verurteilen, es zu [X.], im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des [X.] die Kaufzei-tung "W. K. " auf dem [X.] über mechanische Verkaufshilfen (sogenannte "stumme Verkäufer") anzubieten bzw. anbieten zu lassen und/oder zu vertreiben bzw. vertreiben zu lassen, soweit diese [X.] nicht gegen kostenlose Entnahme der in ihnen enthaltenen Zei-tungsexemplare gesichert sind. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die "W. K. " spreche andere Leserschichten an als herkömmliche Zeitungsangebote. Der Leser sei mittlerweile auch an kostenlose Informationsangebote zum Beispiel im [X.] gewöhnt und werde deshalb durch stumme Verkaufshilfen nicht un-sachlich in seiner Kaufentscheidung beeinflusst. Eine konkrete Störung des [X.] sei nicht ersichtlich. 5 Das [X.] hat der Klage stattgegeben. 6 In der Berufungsverhandlung hat sich die Beklagte unter Versprechen einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung an die Klägerin zu zahlenden [X.] in Höhe von 8.000 • verpflichtet, es zu unterlassen, 7 im geschäftlichen Verkehr zu [X.]zwecken ungesicherte Verkaufshil-fen für den Vertrieb der "W. K. " in [X.] zu verwenden, ohne dass auf jedem Automaten ein deutlich sichtbarer Hinweis über den Kaufpreis sowie die Angabe "Diebstahl wird verfolgt, Kontrolleure im Einsatz" erfolgt und durch eine Vereinbarung mit dem für die Bestückung der Automaten zuständigen Dienstleister sichergestellt wird, dass durch regelmäßige stichprobenartige [X.] gewährleistet wird, dass Zeitungen nur gegen Bezahlung entnommen werden. - 4 - Die Berufung der [X.] hat zur Abweisung der Klage geführt ([X.], 579 = ZUM 2008, 137). 8 9 Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurück-weisung die Beklagte beantragt, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen [X.]eils. Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Unterlassungsan-spruch für nicht begründet erachtet und hierzu im Wesentlichen ausgeführt: 10 Ein Unterlassungsanspruch bestehe nicht unter dem Gesichtspunkt einer allgemeinen Marktbehinderung. Voraussetzung hierfür sei eine konkrete Ge-fahr, Mitbewerber vom Markt zu drängen. Eine abstrakte Gefährdung des Wett-bewerbs reiche nicht aus. Dies gelte nicht nur bei Gratiszeitungen, sondern auch bei [X.]. Eine konkrete Gefährdung des [X.] sei selbst dann nicht anzunehmen, wenn von 3.000 geplanten Verkaufshilfen mit je 25 Exemplaren sowie von einem Schwund von 60% und damit von einem Anteil von 10% der in [X.] verkauften Zeitungen ausgegangen werde. Ob sich die Gefahr einer Marktbehinderung in Zukunft durch Nachahmungshandlungen der Mitbewerber ergeben könne, lasse sich noch nicht hinreichend sicher vor-hersehen. 11 Ein Unterlassungsanspruch bestehe auch nicht unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Wertreklame und des übertriebenen Anlockens nach § 4 Nr. 1 UWG. Zwar seien die Verkaufshilfen der [X.] bislang so geplant und ges-taltet gewesen, dass sie nicht unerhebliche Teile des angesprochenen Verkehrs dazu verleiteten, Zeitungen ohne Bezahlung zu entnehmen. Die Verbraucher 12 - 5 - würden so in ihrer Kaufentscheidung irrational beeinflusst. Die von der [X.] abgegebene Unterlassungserklärung gewährleiste aber, dass beim Einsatz der Verkaufshilfen ein ausreichender Überwachungsdruck ausgeübt werde, um die Verkehrskreise von der unentgeltlichen Entnahme abzuhalten. 13 I[X.] Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat kei-nen Erfolg. Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Unterlassungsan-spruch zu Recht verneint. Die beanstandete Verhaltensweise der [X.] ist nicht geeignet, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher durch unangemesse-nen unsachlichen Einfluss i.S. des § 4 Nr. 1 UWG zu beeinträchtigen (dazu [X.]); auch unter dem Gesichtspunkt einer allgemeinen Marktbehinderung ist sie nicht als wettbewerbswidrig zu beurteilen (dazu [X.]). 1. Der Klägerin steht der unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit der Kaufinteressenten (§§ 3, 4 Nr. 1 UWG) geltend gemachte Anspruch weder als [X.] gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 UWG noch als vorbeugender Unterlas-sungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 UWG zu. 14 a) Nach der noch zu § 1 UWG a.F. ergangenen Senatsentscheidung "[X.]" ([X.], [X.]. v. 15.2.1996 - I ZR 1/94, [X.], 778 = [X.], 889) kann die kostenlose Abgabe einer entgeltlichen Zeitung, so-fern sie in großem Umfang und über einen langen Zeitraum erfolgt, einen [X.] Gewöhnungseffekt erzeugen, so dass die Leser dauerhaft der ihnen durch die kostenlose Abgabe bekannt gewordenen Zeitung den Vorzug geben, auch wenn diese später nicht mehr kostenlos abgegeben wird. Der kostenlosen Abgabe stehe eine Vertriebsmethode gleich, bei der - wie beim Vertrieb von Zeitungen über "stumme Verkäufer", die zu einer [X.] von 60% führ-ten - von vornherein mit einer so hohen Diebstahls- oder [X.] zu 15 - 6 - rechnen sei, dass sie im Ergebnis auf eine kostenlose Abgabe hinauslaufe ([X.] [X.], 778, 780 - Stumme Verkäufer). 16 Diese Voraussetzungen sind im Streitfall schon deshalb nicht erfüllt, weil die Beklagte bis zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung am 21. September 2007, der für die Beurteilung der Wiederholungsgefahr als materiell-rechtliche Voraussetzung des Verletzungsunterlassungsanspruchs maßgeblich ist ([X.], [X.]. v. 25.10.2001 - I ZR 29/99, [X.], 717, 719 = [X.], 679 - Vertretung der [X.]), lediglich im Juli und August 2005 probeweise vor den Schwimmbädern der [X.] elf Verkaufshilfen aufge-stellt hatte. Eine solche zeitlich und räumlich begrenzte Abgabe zu Testzwe-cken war nach der Lebenserfahrung nicht geeignet, einen unsachlichen Ge-wöhnungseffekt in dem vorstehend beschriebenen Sinn zu erzeugen. b) Ein auf §§ 3, 4 Nr. 1 UWG gestützter vorbeugender Unterlassungsan-spruch scheitert hier jedenfalls daran, dass es insoweit an einer unangemesse-nen unsachlichen Einflussnahme auf die Personen fehlt, die sich durch die be-anstandete Geschäftsmethode der [X.] dazu verleiten lassen, die in de-ren Verkaufshilfen angebotenen Zeitungen ohne Bezahlung zu entnehmen. Die Grenze zur Unlauterkeit ist nach § 4 Nr. 1 UWG erst dann überschritten, wenn eine geschäftliche Handlung geeignet ist, die Rationalität der Nachfrageent-scheidung der angesprochenen Marktteilnehmer vollständig in den Hintergrund treten zu lassen (st. Rspr.; vgl. nur [X.], [X.]. v. 8.11.2007 - I ZR 60/05, [X.], 530 [X.]. 13 = [X.], 777 - Nachlass bei der Selbstbeteiligung, m.w.[X.]). Unter dem geltenden, die Vorgaben der Richtlinie 2005/29/[X.] über unlautere Geschäftspraktiken berücksichtigenden Recht kann zudem darauf abgestellt werden, dass eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers i.S. des § 4 Nr. 1 UWG nur dann gegeben ist, wenn der [X.] diese Freiheit durch Belästigung oder durch unzulässige Beeinflussung i.S. 17 - 7 - des Art. 2 lit. j der Richtlinie erheblich beeinträchtigt ([X.] in [X.]/[X.], UWG, 28. Aufl., § 4 [X.]. 1.7b). Dies ist im Hinblick darauf, dass der gel-tend gemachte Unterlassungsanspruch in die Zukunft gerichtet ist, auch im Streitfall zu berücksichtigen. 18 Nach diesen Grundsätzen kann nicht von einer unzulässigen Einfluss-nahme auf die Entscheidungsfreiheit der Kunden - gleichgültig, ob sie die [X.] ordnungsgemäß bezahlen oder ohne Zahlung mitnehmen - ausgegangen werden. Nach der Lebenserfahrung liegt es fern, dass die [X.] durch die ihnen eröffnete und von ihnen zum Teil auch wahrgenommene Möglichkeit der weithin gefahrlosen Entwendung von Zeitungen nachhaltig [X.] werden und in Zukunft beim entgeltlichen Erwerb von Zeitungen nicht mehr rational entscheiden können, welchem Angebot sie den Vorzug geben. Im Übrigen verdient die geschäftliche Entscheidungsfreiheit von Verbrauchern, die sich selbst nicht marktkonform verhalten, keinen Schutz nach § 4 Nr. 1 UWG. 2. Der Klägerin steht der von ihr unter dem Gesichtspunkt einer allge-meinen Marktbehinderung (§ 3 UWG 2004, § 3 Abs. 1 UWG 2008) geltend ge-machte Anspruch aus den oben unter [X.] a genannten und hier entsprechend geltenden Gründen nicht als Verletzungsunterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 UWG zu. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, insoweit bestehe auch kein vorbeugender Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 UWG, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung ebenfalls stand. 19 a) Die unter der Geltung des § 1 UWG a.F. anerkannte Fallgruppe der allgemeinen Marktbehinderung (Marktstörung) ist zwar nicht im Beispielstatbe-standskatalog des § 4 UWG 2004 aufgeführt, der seit 30. Dezember 2008 in dem durch das [X.] zur Änderung des [X.] vom 22. Dezember 2008 ([X.]) nur geringfügig [X.] - derten § 4 UWG 2008 fortgilt; sie soll aber nach der Ansicht des Gesetzgebers - entsprechend dem nicht abschließenden Charakter der Beispielstatbestände - gleichwohl unter die Generalklausel des § 3 UWG 2004 (§ 3 Abs. 1 UWG 2008) fallen können (vgl. Begründung des [X.] zu § 4 Nr. 10 UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487 S. 19). In Übereinstimmung damit ist auch der Senat in seiner Rechtsprechung zum UWG 2004 davon ausgegangen, dass die zu dieser Fallgruppe entwickelten Grundsätze weiter fortgelten (vgl. [X.], [X.]. v. 30.3.2006 - I ZR 144/03, [X.], 596 [X.]. 13 ff. = [X.], 888 - 10% billiger; [X.]. v. 2.10.2008 - I ZR 48/06, [X.], 416 [X.]. 24 f. = [X.], 432 - [X.]). Dieser Ausgangspunkt entspricht auch der überwiegenden Ansicht im Schrifttum (vgl. [X.] in [X.]/[X.] aaO § 4 [X.]. 12.1; [X.].UWG/[X.], [X.]. §§ 1-7 B [X.]. 1 f.; Harte/[X.]/Omsels, UWG, 2. Aufl., § 4 Nr. 10 [X.]. 248; Fezer/[X.], UWG, 2. Aufl., § 4-S1 [X.]. 8; [X.], Der Tatbestand der allgemeinen Marktbehinde-rung, 2006, [X.]; zweifelnd [X.] in [X.], jurisPK-UWG, 2. Aufl., § 3 [X.]. 28; [X.]/Seichter in [X.], jurisPK-UWG aaO § 4 Nr. 10 [X.]. 346; für die Aufgabe der Fallgruppe der allgemeinen [X.] in Piper/[X.]/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 4 [X.]. 10/97). Da die Fallgruppe der [X.] zudem außerhalb des [X.] der Richtlinie 2005/89/[X.] über unlautere Geschäftspraktiken liegt ([X.], GRUR 2005, 793, 799), ist auch unter der Geltung des § 3 Abs. 1 UWG 2008 davon auszugehen, dass eine danach unter dem Gesichtspunkt einer allgemeinen Marktbehinderung unzulässige geschäftliche Handlung gemäß den hierzu be-reits unter der Geltung des § 1 UWG a.F. entwickelten Grundsätzen (vgl. [X.]Z 114, 82, 84 - [X.]; [X.], [X.]. v. 29.6.2000 - I ZR 128/98, [X.], 80, 81 = [X.], 1394 - ad-hoc-Meldung; [X.]Z 157, 55, 61 - 20 Minuten [X.]) dann vorliegt, wenn ein für sich genommen zwar nicht unlau-teres, aber immerhin bedenkliches [X.]verhalten allein oder in Verbin-dung mit gleichartigen Maßnahmen von Mitbewerbern die ernstliche Gefahr - 9 - begründet, dass der auf der unternehmerischen Leistung beruhende Wettbe-werb in erheblichem Maß eingeschränkt wird. 21 b) In den Entscheidungen "20 Minuten [X.]" ([X.]Z 157, 55) und "[X.]" ([X.]. v. 20.11.2003 - [X.], [X.], 746) hatte der Senat den kostenlosen Vertrieb von zwei Zeitungen zu beurteilen: einer an [X.] ausgelegten und an belebten Stellen im Stadtgebiet verteilten Zeitung mit einem redaktionellen Teil, der etwa zwei Drittel ihres Inhalts ausmachte und neben lokalen Nachrichten Berichte insbesondere aus Politik, Kultur und Sport enthielt ("20 Minuten [X.]"), sowie einer Sonntagszeitung, die ihrem [X.] nach eine [X.] war und redaktionelle Beiträge zu regionalen und überregionalen Themen, eine umfassende Sportberichterstattung und ei-nen ausführlichen Veranstaltungskalender enthielt ("Zeitung zum Sonntag"). Weil diese Zeitungen im vollen Umfang durch Anzeigen finanziert wurden, lag kein Verschenken geldwerter Leistungen vor; die Rechtsprechung zur [X.] unentgeltlichen Abgabe von Originalware war deshalb nicht anwendbar ([X.] [X.], 746, 747 - Zeitung zum Sonntag; vgl. auch [X.]Z 157, 55, 60 - 20 Minuten [X.]). Da die Garantie der Pressefreiheit nicht danach unterschei-det, ob sich eine Zeitung mit redaktionellem Textteil allein durch Anzeigen oder daneben auch durch ein vom Leser für den Erwerb zu zahlendes Entgelt finan-ziert, können entgeltlich vertriebene Zeitungen im Rahmen der wettbewerbli-chen Beurteilung nicht auf eine höhere Stufe gestellt werden als anzeigenfinan-zierte ([X.]Z 157, 55, 62 f. - 20 Minuten [X.]; [X.] [X.], 746, 748 - Zeitung zum Sonntag). Der Umstand, dass bei gratis verteilten Zeitungen eine größere Gefahr der Einflussnahme der Werbetreibenden auf die Arbeit, [X.] und personelle Besetzung der Redaktion bestehen mag, rechtfertigt es ebenfalls nicht, der durch die Leserschaft (mit-)finanzierten Tageszeitung von vornherein einen höheren Schutz vor einer Marktstörung zuzubilligen ([X.]Z 157, 55, 63 - 20 Minuten [X.]; [X.] [X.], 746, 748 - Zeitung zum [X.] - tag). Damit kann weder entgeltlich vertriebenen Zeitungen ein präventiver Schutz zugesprochen noch das unentgeltliche Verteilen von Tageszeitungen unabhängig vom Vorliegen einer konkreten Gefährdung des [X.]be-stands als wettbewerbswidrig angesehen werden ([X.]Z 157, 55, 63 f. - 20 Minuten [X.]; [X.] [X.], 746, 748 - Zeitung zum Sonntag). Da das [X.]recht gerade dem freien Spiel der Kräfte des Markts im Rahmen der gesetzten Rechtsordnung Raum gewähren soll, können die [X.] Zeitungen keine Sicherung ihres Bestands beanspruchen. Mögliche Ab-satzrückgänge bei [X.] führen auch nicht dazu, dass die Gratisvertei-lung wettbewerbsrechtlich zu beanstanden wäre ([X.]Z 157, 55, 64 f. - 20 Mi-nuten [X.]; [X.] [X.], 746, 748 f. - Zeitung zum Sonntag). Wegen der verfestigten Strukturen und der damit extrem hohen Marktzutrittsschranken auf den [X.] können sich neue Anbieter kaum anders als über aus-schließlich anzeigenfinanzierte Zeitungen etablieren. Daher führt auch eine Be-rücksichtigung der Interessen der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wett-bewerb zu keiner anderen Beurteilung ([X.]Z 157, 55, 65 - 20 Minuten [X.]; [X.] [X.], 746, 749 - Zeitung zum Sonntag). c) Diese Erwägungen haben auch für die Beurteilung der im Streitfall ge-gebenen Abgabe von entgeltlichen Tageszeitungen über ungesicherte [X.] zu gelten, die es mit sich bringt, dass ein erheblicher Teil der [X.] entwendet und damit - jedenfalls aus der Sicht der Mitbewerber und des Marktes - unentgeltlich abgegeben wird ([X.] in [X.]/[X.] aaO § 4 [X.]. 12.24; [X.].UWG/[X.], [X.]. §§ 1-7 B [X.]. 41 und 51; [X.]/Seichter in [X.], jurisPK-UWG aaO § 4 Nr. 10 [X.]. 357; [X.], [X.], 645, 652; [X.] aaO S. 167 und 429; Fezer/[X.] aaO § 4-S1 [X.]. 222). Dafür spricht insbesondere der Umstand, dass diejenigen Gesichtspunkte, die nach der Senatsrechtsprechung für die grundsätzliche Zu-lässigkeit der unentgeltlichen Abgabe rein anzeigenfinanzierter Zeitungen [X.] (vgl. oben unter [X.] b), sämtlich in gleicher oder immerhin vergleichbarer Weise bei der wegen häufiger Entwendungen faktisch teilweise unentgeltlichen Abgabe an sich entgeltlicher Zeitungen vorliegen. Vor allem handelt es sich in beiden Fällen nur bei vordergründiger Betrachtung um eine ganz oder - im Fall der Abgabe über stumme Verkäufer - teilweise unentgeltliche Abgabe; denn tatsächlich erfolgt die Finanzierung im einen Fall ganz über Anzeigen und im anderen Fall teilweise auf diese Weise und im Übrigen über die Zahlungen der-jenigen Kunden, die das an den Verkaufshilfen verlangte Entgelt ordnungsge-mäß entrichten. [X.] bedenklich werden beide Vertriebssysteme erst dann, wenn sie zu einer dauerhaften Abgabe unter Selbstkosten führen und auf diese Weise den Bestand des [X.] gefährden (vgl. [X.] in [X.]/[X.] aaO § 4 [X.]. 12.24). Soweit sich aus der Senatsentschei-dung "[X.]" Gegenteiliges ergibt, hält der Senat hieran nicht fest. d) Das Berufungsgericht hat das Vorliegen einer Begehungsgefahr für eine allgemeine Marktbehinderung ohne Rechtsfehler verneint. 23 aa) Die für einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch erfor-derliche Begehungsgefahr stellt eine materielle Anspruchsvoraussetzung dar ([X.], [X.]. v. [X.] - I ZR 141/98, [X.], 255 = [X.], 151 - [X.]; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 8 [X.]. 1.10 m.w.[X.]). Da es sich um eine anspruchsbegründende Tatsache handelt ([X.]Z 173, 188 [X.]. 54 - Jugendgefährdende Medien bei [X.]; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 8 [X.]. 1.11 m.w.[X.]), liegt die Beweislast hierfür beim An-spruchsteller ([X.].UWG/Ehricke, Vor § 12 [X.]. 110; Fezer/Büscher aaO § 8 [X.]. 99). 24 - 12 - bb) Das Drohen einer Rechtsverletzung i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 UWG setzt, soweit eine allgemeine Marktbehinderung in Rede steht, voraus, dass das [X.]verhalten allein oder in Verbindung mit zu erwartenden gleicharti-gen Maßnahmen von Mitbewerbern die ernstliche Gefahr begründet, der auf unternehmerischer Leistung beruhende Wettbewerb werde in erheblichem Maß eingeschränkt (st. Rspr.; vgl. [X.]Z 157, 55, 61 - 20 Minuten [X.], m.w.[X.]). Von einer solchen Gefahr ist nur dann auszugehen, wenn greifbare [X.]alts-punkte für eine wettbewerbsbeschränkende Entwicklung vorliegen (vgl. [X.], [X.]. v. 24.6.2004 - I ZR 26/02, [X.], 877, 880 = [X.], 1272 - Werbeblocker; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 4 [X.]. 12.7; [X.]/Seichter in [X.], jurisPK-UWG aaO § 4 Nr. 10 [X.]. 350; Fezer/Büscher aaO § 8 [X.]. 99). Soweit in diesem Zusammenhang eine Nachahmungsgefahr mit berücksichtigt werden soll, müssen zudem auch greifbare [X.]altspunkte für ein entsprechendes Verhalten der Mitbewerber sprechen ([X.] in [X.]/[X.] aaO § 4 [X.]. 12.11 m.w.[X.]). 25 cc) Die durch das erstmalige Drohen begründete Erstbegehungsgefahr kann - anders als die durch einen bereits begangenen [X.]verstoß be-gründete Wiederholungsgefahr, für deren Bestehen eine tatsächliche Vermu-tung streitet (st. Rspr.; vgl. [X.], [X.]. v. 14.11.2002 - I ZR 137/00, [X.], 446, 447 = [X.], 509 - Preisempfehlung für Sondermodelle; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 8 [X.]. 1.33 m.w.[X.]) - im Allgemeinen bereits durch ein entgegengesetztes Verhalten und daher, wenn sie - wie im Streitfall - auf Äußerungen beruht, auch schon durch deren Widerruf oder die Erklärung des [X.] ausgeräumt werden, sofern mit dieser Äußerung von dem ursprünglichen Vorhaben unmissverständlich und ernstlich Abstand genommen wird (vgl. [X.], [X.]. v. 31.5.2001 - I ZR 106/99, [X.], 1174, 1176 = [X.], 1076 - Berühmungsaufgabe). Das Berufungsgericht hat bei der Beurteilung der Frage, ob eine von der Klägerin nicht hinzunehmende [X.] - 13 - ne Marktbehinderung droht, daher mit Recht zugunsten der [X.], dass diese ihre über die aufzustellenden Verkaufshilfen vertriebenen Zeitungen in der Weise gegen Entwendungen schützen will, wie sie es in der von ihr in der Berufungsverhandlung abgegebenen strafbewehrten Unterlas-sungserklärung beschrieben hat. 27 [X.]) Die vom Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung des [X.] vorgenommene Beurteilung, dass danach kein hinreichender Grad der Gefährdung des [X.]bestandes gegeben ist, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Das Berufungsgericht hat zugunsten der Klägerin unterstellt, dass die Beklagte 3.000 Verkaufshilfen aufzustellen beabsichtigt und danach bei einer angenommenen Diebstahlsquote von 60% ein Schwund von 45.000 Zeitungen zu erwarten wäre, wobei dieser Schwund in absoluten Zahlen gesehen dreimal so hoch wäre wie in dem der Senatsentscheidung "[X.]" zugrunde liegenden Fall und 10% der in [X.] insgesamt verkauften [X.] ausmachen würde. Eine konkrete Gefährdung des [X.]bestan-des wäre damit indessen nicht dargetan. Inwieweit eine solche - unterstellte - Absatzsteigerung der [X.] zu einem entsprechenden Rückgang des [X.] anderer Zeitungen führen würde, ist völlig offen. Denn unter denjenigen, die die Möglichkeit zur weithin gefahrlosen Entwendung einer Tageszeitung nutzen, werden nach der Lebenserfahrung nicht wenige sein, die andernfalls entweder gar keine oder eben die Tageszeitung der [X.] gekauft hätten würden. Im Übrigen könnte auch bei einem Absatzrückgang in der Größenord-nung von 10% noch nicht von einer konkreten Bestandsgefährdung ausgegan-gen werden (vgl. [X.]Z 157, 55, 64 f. - 20 Minuten [X.]). 28 - 14 - Unter diesen Umständen stellt sich die vom Senat in der Entscheidung "[X.]" ([X.] [X.], 778, 780) aufgeworfene Frage nicht, ob sich die Abgabe der Zeitungen über die Verkaufshilfen ausnahmsweise als wettbewerbsrechtlich unbedenklich darstellt. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die von der [X.] zugesagten Sicherungsmaßnahmen die nach den bisherigen Erfahrungen anzunehmende [X.] von 60% zu senken vermögen. 29 II[X.] Nach allem ist die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. 30 [X.] Pokrant Büscher
Schaffert Koch Vorinstanzen: LG [X.], Entscheidung vom [X.] - 102 O 66/06 - KG [X.], Entscheidung vom [X.]

Meta

I ZR 188/07

29.10.2009

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.10.2009, Az. I ZR 188/07 (REWIS RS 2009, 869)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 869

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