Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.02.2017, Az. 4 StR 565/16

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 15679

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:140217B4STR565.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 565/16

vom
14. Februar
2017
in der Strafsache
gegen

wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 14.
Februar
2017
gemäß §
349 Abs.
4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 16.
August 2016 mit den Feststellun-gen aufgehoben.
2.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten vom Vorwurf der vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung freigesprochen. Zugleich hat es seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und deren Vollstreckung
zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem hat es die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von weiteren zwei Jahren keine neue Fahrerlaub-nis zu erteilen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
1.
Nach den Feststellungen trank der Angeklagte am 28.
August 2014 zuhause Bier. Gegen 22.00
Uhr fuhr er mit seinem Pkw zu einer Tankstelle, um weiteres Bier zu kaufen. Dabei war ihm bekannt, dass er aufgrund vorangegan-1
2
-
3
-
genen [X.] und des Konsums von Cannabis fahruntüchtig war. Schließlich fuhr er geradeaus über einen Kreisverkehr, wodurch sein Pkw be-schädigt wurde und liegen blieb. Zu diesem Zeitpunkt wurde er bereits von [X.] Polizeistreife mit eingeschaltetem Blaulicht verfolgt. Nachdem er einer [X.] der Polizeibeamten zum Verlassen seines Fahrzeugs keine Folge geleistet hatte, wurde er aus dem Fahrzeug gezogen und zur Durchführung weiterer Durchsuchungsmaßnahmen an das Auto gelehnt. In der Folge wurde der Angeklagte zunehmend aggressiver und musste deshalb gefesselt werden. Danach
unternahm er mehrere Kopfstöße in Richtung eines Polizeibeamten, der diesen jedoch ausweichen konnte. Dabei beleidigte er den Beamten unter Streifenwagen verbracht worden war, versuchte er erneut,
den neben ihm [X.] Polizeibeamten mit Kopfstößen zu treffen; außerdem wiederholte er ständig die bereits angeführten Beleidigungen.
Die sachverständig beratene [X.] hat angenommen, dass der Angeklagte bei Tatbegehung aufgrund einer paranoiden Schizophrenie mit aku-ter psychotischer Symptomatik sowie einer Alkohol-
und [X.] bei sekundärer Alkoholabhängigkeit und THC-Missbrauch schuldunfähig war.
2.
Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Kranken-haus gemäß §
63 StGB hat keinen Bestand, weil die Urteilsgründe nicht bele-gen, dass zwischen der psychischen Erkrankung des Angeklagten und den [X.] ein symptomatischer Zusammenhang besteht.
a)
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach §
63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der [X.] bei Begehung der [X.] aufgrund eines psychischen Defekts 3
4
5
-
4
-
schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf die-sem Zustand beruht. Dazu ist eine konkrete Darlegung erforderlich, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts-
oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 4.
August 2016

4
StR
230/16,
insofern nicht abge-druckt in [X.], 747).
b)
Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
Soweit das [X.] im Anschluss an den Sachverständigen ausführt, dass der Angeklagte schon allein aufgrund der feststellbaren akuten Sympto-matik der schizophrenen Psychose mit u.a. Wahnideen, Beobachtungsgefühlen und Denkstörungen nicht mehr in der Lage gewesen sei, zwischen der Fahrt und den ihm bekannten rechtlichen Vorgaben abzuwägen und sein Verhalten ich, ob und inwieweit bei dem Angeklagten zum Tatzeitpunkt tatsächlich Wahnideen etc. vorhanden waren und wie sich diese auf seine Tatmotivation und seine Handlungsmöglichkeiten ausgewirkt haben. Der festgestellte Anlass für die Trunkenheitsfahrt (weiteres
Bier kaufen) und die Situation im Zeitpunkt der Durchfahrt durch den Kreisver-kehr (Verfolgung durch die Polizei) lassen eine psychotische [X.] nicht erkennen. Auch die sich anschließenden Widerstandshandlungen und Beleidigungen enthalten für sich genommen keinen Hinweis auf ein [X.] Erleben oder ein Verkennen der Situation; sie sind vielmehr ebenso gut normal-psychologisch erklärbar. Die weitere Erwägung der [X.], der Angeklagte habe sich krankheitsbedingt in seinem Auto am sichersten gefühlt, was zu dem zwanghaften Verhalten geführt habe, sich in das Auto zu setzen, 6
7
-
5
-
ist für die konkrete Tatsituation nicht mit Tatsachen unterlegt und lässt sich mit der mitgeteilten Motivation für die Fahrt nicht in Einklang bringen.
3.
Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entschei-dung. Mit
Blick auf die Vorschrift des §
358 Abs.
2 Satz
2 StPO ist auch der Freispruch des Angeklagten mit aufzuheben (vgl. [X.], Beschluss vom 12.
Ok-tober 2016

4
StR
78/16,
Rn.
12, Beschluss vom
5.
August 2014

3
StR 271/14, [X.]R
StPO §
358 Abs.
2 Satz
2 Freispruch
1).
Damit verliert auch die Anordnung einer isolierten Sperrfrist gemäß §§
69, 69a Abs.
1 Satz
3 StGB ihre Grundlage.
4.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf das Folgende hin:
Sollte die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Kran-kenhaus auf der Grundlage des §
63 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Kranken-haus gemäß §
63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschrif-ten vom 8.
Juli 2016 erneut in Betracht gezogen werden, wird hinsichtlich der Gefährlichkeitsprognose zu berücksichtigen sein, dass Straftaten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe unter fünf Jahren bedroht sind, nicht ohne weite-res dem Bereich der
erheblichen Straftaten zuzurechnen sind (vgl. [X.], Be-schluss vom 24.
Juli 2013

2
BvR
298/12, [X.] 2014, 31, 32). Sollte der neue Tatrichter zu dem Ergebnis gelangen, dass von dem Beschuldigten in Zukunft (auch) Taten vergleichbar der [X.] zum Nachteil der eingesetzten Polizei-beamten zu erwarten sind, wird er bei deren Gewichtung in den Blick zu [X.] haben, dass Angriffe gegen Personen, die professionell mit derartigen Konfliktsituationen umgehen, dafür entsprechend geschult sind und in der kon-kreten Situation über besondere Hilfs-
und Schutzmittel verfügen, möglicher-8
9
10
-
6
-
weise weniger gefährlich sind (vgl. [X.], Beschluss vom 19.
Januar 2017

4
StR
595/16,
Rn.
19).
Sost-Scheible Cierniak Franke

Bender Quentin

Meta

4 StR 565/16

14.02.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.02.2017, Az. 4 StR 565/16 (REWIS RS 2017, 15679)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 15679

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4 StR 565/16

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