Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.05.2016, Az. IV ZR 205/15

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 10957

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2016:250516U[X.]205.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
IV ZR
205/15

Verkündet am:

25. Mai 2016

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja

BGB § 2285

Die Anfechtung wechselbezüglicher Verfügungen des erstversterbenden Ehegatten durch einen [X.] wird nicht in entsprechender Anwendung von § 2285 BGB be-schränkt.

[X.], Urteil vom 25.
Mai 2016 -
IV ZR 205/15 -
OLG Stuttgart

[X.]

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch
die Vorsitzende Richterin [X.],
[X.], [X.], die Richterinnen Dr.
Brockmöller und [X.] auf die mündliche Verhandlung vom
25. Mai 2016

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 19.
Zivilsenats des [X.] vom 19.
März 2015 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Feststellung ihrer Alleinerbenstellung nach ihrer verstorbenen Mutter.

Die Klägerin und die Beklagte sind die beiden leiblichen Töchter des Ehepaares M.

. Die Eltern der Parteien errichteten am 7.
April 1977 ein
handschriftliches gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig als Erben einsetzten.
Sie bestimmten
die Klägerin zur Erbin des zuletzt versterbenden Ehegatten, enterbten die Beklagte und entzogen ihr den Pflichtteil.
1
2
-
3
-

Der Vater der Parteien verfasste außerdem im Jahr 1985
ein Ein-zeltestament, in dem er seine
Ehefrau als Alleinerbin einsetzte. Nach seinem Tod im Jahr 1995
lag dem Nachlassgericht nur dieses
von der Mutter abgelieferte
Einzeltestament vor.

Die Mutter verstarb am 22.
Januar 2012. Das Nachlassgericht er-teilte einen Erbschein, der die
Parteien je zur Hälfte als ihre
Erben aus-wies.

Nachdem die Klägerin am 15.
Juli 2013 das [X.] im [X.] des Elternhauses
gefunden hatte, lieferte sie es
beim Nachlassgericht ab
und beantragte die Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbin
der Mutter. Die Beklagte erklärte daraufhin mit Schreiben vom 27.
Juli 2013 gegenüber dem Nachlassgericht die Anfechtung des
[X.]
wegen
eines
[X.]s ihrer
Eltern. Diese seien
damals
wütend auf sie gewesen, weil sie entgegen deren Wunsch Sozialpäda-gogik statt Medizin studiert und ihre Eltern außerdem
erfolgreich
auf Un-terhaltsleistung verklagt
habe. Bereits etwa
ein Jahr später hätten sich ihre
Eltern jedoch wieder mit ihr versöhnt.

Das [X.] hat der Feststellungsklage stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. [X.] richtet sich deren
Revision, mit der sie weiter die Abweisung der Klage erstrebt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils
und zur Zu-rückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
3
4
5
6
7
-
4
-

I. Das Berufungsgericht, dessen Urteil unter anderem
in [X.] 2015, 476 (mit Anmerkung [X.]) abgedruckt ist,
hat ausgeführt,
die Kläge-rin sei aufgrund des [X.]s
vom 7.
April 1977 Alleinerbin der Mutter geworden, da das Testament
weder wirksam wi-derrufen noch angefochten worden
sei. Die Verfügungen der Ehegatten zur [X.] der Klägerin
seien wechselbezüglich im Sinne
des
§
2270 Abs.
1 BGB.
Die Beklagte habe die
Verfügung der [X.] zur [X.] gemäß §
2285 BGB analog nicht anfech-ten können, da die Mutter als letztverstorbener
Ehegatte
ihr Recht zur [X.] der wechselbezüglichen Verfügung bereits durch Frist-ablauf verloren
gehabt
habe. Die Jahresfrist des §
2283 BGB habe mit dem Tod des [X.] zu laufen begonnen,
da die Mutter nach dem
Vor-trag der Beklagten zu diesem [X.]punkt
bereits Kenntnis von dem be-haupteten [X.] gehabt habe.
Den
Fragen, ob ein
[X.] vor-gelegen habe und ob der Vater ggf. einen Widerruf seiner wechselbezüg-lichen Verfügung trotz Erkennens dieses Irrtums bewusst unterlassen habe, müsse nicht nachgegangen werden. Entgegen der in der Literatur überwiegend vertretenen Ansicht sei auch eine Anfechtung der wechsel-bezüglichen Verfügung
des
erstversterbenden
Ehegatten
durch einen [X.]
gemäß §
2285 BGB analog ausgeschlossen. Andernfalls würde man der Beklagten ein Recht einräumen, das
zum Nachteil des überle-benden Ehegatten zu dem gleichen Ergebnis
führte
wie das Recht zum Widerruf, von dem der Vater aber trotz Kenntnis des "Anfechtungsgrun-des"
keinen Gebrauch gemacht habe. Hätte der Vater zu Lebzeiten seine wechselbezügliche Verfügung widerrufen, hätte die Mutter darauf durch eine eigene letztwillige Verfügung angemessen reagieren können. Wenn man nun der Beklagten nach dem Tod der Eltern ein Anfechtungsrecht hinsichtlich der wechselbezüglichen Verfügung des [X.]
-
5
-

ters zubilligte, verletzte man die durch §
2271 Abs. 1 BGB geschützten Interessen der Mutter.

Das Gericht halte außerdem dafür, dass die Eltern durch die Bei-behaltung des [X.] eine Bestätigung vorgenommen hätten oder der behauptete [X.] nicht kausal geworden sei. Auch aus diesem Grund sei eine Anfechtung nicht möglich.

II. Diese Ausführungen halten
rechtlicher
Nachprüfung nicht
in al-len Punkten
stand.

1. Nach den in der Revisionsinstanz nicht angegriffenen
Feststel-lungen des Berufungsgerichts sind die Verfügungen zur
Schlusserben-einsetzung der Klägerin durch beide
Ehegatten in dem [X.] wechselbezüglich
im Sinne von
§
2270 Abs.
1 BGB. [X.] wirksame Anfechtung der Verfügung des [X.] zur Schlusserbenein-setzung hätte daher gemäß §
2270 Abs.
1 BGB auch die Unwirksamkeit
der entsprechenden Verfügung der Mutter zur Folge.

2. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte die
Verfügung der Mutter zur [X.] ge-mäß §
2285 BGB analog nicht anfechten konnte.
Nach dieser Regelung
kann ein Dritter
vertragsmäßige Verfügungen im Erbvertrag nicht mehr auf Grund der §§
2078, 2079 BGB anfechten, wenn das Recht des [X.], die Verfügung aus demselben Grund anzufechten, zur [X.] des Erbfalls erloschen ist.
Die erbvertragliche Vorschrift des §
2285 BGB ist auf die wechselbezüglichen Verfügungen des letztverstorbenen Ehegat-ten
im [X.]
entsprechend anwendbar ([X.] vom 15.
Juni 2010

IV
ZR 21/09, [X.] 2010, 364 Rn.
7; Se-9
10
11
12
-
6
-

natsurteile
vom 15.
Mai 1985

[X.] ZR
231/83, [X.], 1123 unter [X.]; vom 18.
Januar 1956

IV
ZR 199/55, [X.], 83, 84). Die entsprechende Anwendung folgt aus der engen
Verwandtschaft und völ-ligen Gleichheit der Rechtslage, die gegenüber dem durch Erbvertrag gebundenen Erblasser und dem überlebenden
Ehegatten besteht, soweit jener das ihm wechselbezüglich Zugewendete
nicht ausgeschlagen hat ([X.], 165, 167
f.).
Das Recht zum Widerruf einer wechselbezügli-chen Verfügung erlischt gemäß §
2271 Abs.
2 Satz 1
Halbsatz
1
BGB mit dem Tod des anderen Ehegatten, so dass der überlebende Ehegatte von diesem [X.]punkt an wie der Erblasser beim Erbvertrag grundsätzlich an
seine Verfügung gebunden ist. Es gibt daher keinen Grund, den anfech-tungsberechtigten [X.] gegenüber dem [X.] besser zu stellen und den
überlebenden, gebundenen Ehegatten nicht ebenso wie den [X.] in die Lage zu versetzen, durch das Unterlassen der Anfechtung nach freiem Belieben das Anfechtungsrecht des [X.] zu zerstören (vgl. [X.] aaO S. 169).

Im vorliegenden Fall war die Jahresfrist des §
2283 Abs. 1 BGB für eine [X.] durch die Mutter zur [X.] des Erbfalls bereits ab-gelaufen, da sie nach dem [X.] den behaupteten Motivirr-tum als Anfechtungsgrund bereits bei ihrer Versöhnung mit der [X.] etwa ein Jahr nach Verfassen des [X.]s erkannt hatte, so dass die Anfechtungsfrist mit dem Tod des [X.] im Jahr 1995 als frühestmöglichem
Anfechtungszeitpunkt zu laufen begon-nen hätte.

3. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht aber angenommen, auf ei-nen [X.] des [X.] komme es nicht an, weil auch die Anfechtung der
Verfügung des [X.] zur
[X.] durch die Beklag-te
in entsprechender Anwendung von §
2285 BGB ausgeschlossen
sei. 13
14
-
7
-

Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf die Drittanfechtung einer wechselbezüglichen Verfügung des erstversterbenden
Ehegatten im [X.] kommt nicht in Betracht. Es fehlt an der
ver-gleichbaren Interessenlage, die
für eine Analogie
neben
einer planwidri-gen Regelungslücke erforderlich ist.

a) Die herrschende Meinung
in der
Literatur geht davon aus, dass
§
2285 BGB auf die Anfechtung von wechselbezüglichen Verfügungen des erstversterbenden
Ehegatten durch Dritte

vor oder nach dem Tod des Überlebenden

nicht entsprechend angewendet werden
kann, weil dem erstversterbenden
Ehegatten selbst kein Anfechtungsrecht, sondern ein Widerrufsrecht hinsichtlich seiner wechselbezüglichen Verfügungen zusteht
(vgl. [X.]/[X.], BGB 75.
Aufl. §
2271 Rn.
31;
[X.]/[X.], 6.
Aufl. §
2271 Rn. 43; [X.]/Kanz-leiter, BGB Bearbeitung 2014 §
2271
Rn. 67;
Soergel/Wolf, BGB 13.
Aufl. §
2271
Rn.
38; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Testament und Erbver-trag
6.
Aufl. §
2271 BGB Rn. 91;
BeckOGK/[X.], BGB Stand: 4. Januar 2016
§
2271 Rn. 145; Klessinger in [X.]/[X.], Praxiskommentar Erbrecht 3.
Aufl. §
2271 Rn.
102; [X.]/[X.], 4.
Aufl. §
2271
Rn.
100
f.; Litzenburger in [X.]/[X.], [X.]. §
2271
Rn. 39; [X.]/S. u. T. Kappler, [X.]. §
2271
Rn. 23;
Muscheler, [X.] Rn. 2171;
a.[X.] Karlsruhe
NJW 1958, 714; in einem obiter dic-tum an der h.M. zweifelnd
auch
BayObLG [X.] 2004, 152, 153).
Diese Ansicht ist zutreffend.

b) Wegen der unterschiedlichen Ausgestaltung des Widerrufs-rechts
des erstversterbenden
Ehegatten
und des beim Erbvertrag beste-henden [X.] ist
weder §
2285 BGB zur
entsprechenden
Anwendung auf die wechselbezügliche Verfügung des erstversterbenden
15
16
-
8
-

Ehegatten geeignet noch ist diese Analogie
angesichts der dort beste-henden Interessenlage erforderlich.

§
2285 BGB ergänzt das [X.]srecht, das dem Erblas-ser
beim Erbvertrag
gemäß §
2281 BGB
und in entsprechender Anwen-dung auch dem überlebenden Ehegatten beim gemeinschaftlichen [X.]
([X.], Urteile
vom 3.
November 1969

III
ZR
52/67, [X.], 79 unter [X.]; vom 4.
Juli 1962

[X.], [X.]Z 37, 331 unter 1)
hinsichtlich seiner
vertragsmäßigen
bzw. wechselbezüglichen Verfü-gungen zusteht.
Die [X.] erfordert dieselben Anfechtungs-gründe im Sinne von
§§
2078, 2079 BGB wie die Anfechtung durch einen [X.] und kann gemäß §
2283 Abs.
1, 2 BGB nur innerhalb eines [X.] ab Kenntnis vom Anfechtungsgrund oder
Beendigung der Zwangsla-ge erklärt werden.
Falls das Anfechtungsrecht des Erblassers durch Ab-lauf
der Anfechtungsfrist oder durch Bestätigung, §
2284 BGB, beim [X.] bereits erloschen ist, ist
daher
gemäß §
2285 BGB auch eine Anfech-tung durch einen [X.], die auf denselben Anfechtungsgrund gestützt werden soll, ausgeschlossen. Hat
der
Erblasser
dagegen
keine Kenntnis vom Anfechtungsgrund, beginnt
auch die Anfechtungsfrist
für ihn nicht zu laufen, so dass sein
Anfechtungsrecht beim Erbfall nicht erloschen sein kann und eine Drittanfechtung daher möglich bleibt.

Dieser
besondere Schutz des Willens des Erblassers
durch die Beschränkung der Drittanfechtung nach §
2285 BGB
folgt
aus der [X.] des [X.]s
an seine eigene Verfügung, der er bereits zu Lebzeiten unterliegt. §
2285 BGB bringt den allgemeinen Gedanken zum Ausdruck, dass stets
der Wille des Erblassers dafür maßgebend bleibt, ob ein Dritter seinerseits den Bestand der letztwilligen Verfügung angreifen darf oder nicht ([X.], 165, 170). Wenn sich der gebundene Erblasser durch Bestätigung
seiner Verfügung
oder Verstreichenlassen 17
18
-
9
-

der Anfechtungsfrist dafür entscheidet, die anfechtbare Verfügung trotz Kenntnis des [X.] gelten zu lassen, sollen an diese Ent-scheidung auch seine
(potentiellen)
Erben gebunden sein und nicht auf Grund eines eigenen [X.] eine dem Willen des Erblassers nicht entsprechende Korrektur seiner Nachlassregelung vornehmen kön-nen ([X.]/[X.], aaO
§
2285 Rn. 1;
vgl. auch
[X.]
aaO
§
2285 Rn. 7).

Dagegen ist
der
erstversterbende
Ehegatte beim [X.] nicht
an seine wechselbezüglichen
Verfügungen
gebun-den und auf ein Anfechtungsrecht beschränkt. Zu Lebzeiten beider [X.] kann jeder von ihnen seine wechselbezüglichen Verfügungen ge-mäß §
2271 Abs. 1 BGB widerrufen und hat dabei nur die
Vorschriften über Form und Zugang der Widerrufserklärung nach
§
2271 Abs.
1 Satz
1 BGB i.V.m.
§
2296 BGB zu beachten.
Anders als die Anfechtung erfordert der Widerruf weder einen Grund noch besteht für ihn eine dem §
2283 Abs. 1 BGB vergleichbare Frist.
Das Anfechtungsrecht eines [X.] reicht
von vornherein nicht über dieses Recht
des Erblassers, sich von seiner Verfügung zu lösen, hinaus, ohne dass es dazu einer
Be-schränkung der Drittanfechtung durch
§
2285 BGB bedarf.
Das Wider-rufsrecht des erstversterbenden Ehegatten kann
auch
nicht "zur [X.] des Erbfalls"
im Sinne von §
2285 BGB bereits erloschen sein, sondern es erlischt mit seinem Tod. Eine uneingeschränkte analoge Anwendung von §
2285 BGB auf das Erlöschen des Widerrufsrechts durch den Erbfall hätte daher zur Folge, dass eine Anfechtung durch Dritte immer
und un-abhängig davon ausgeschlossen wäre, ob der Erblasser Kenntnis von Tatsachen hatte, die ein Anfechtungsrecht begründen.
Damit wäre es nicht mehr möglich, dem wahren
Willen des Erblassers Geltung zu [X.].
Für einen
solch
umfassenden
Ausschluss der Drittanfechtung 19
-
10
-

bei wechselbezüglichen Verfügungen im [X.] lässt sich dem Gesetz jedoch nichts entnehmen.

c) Die analoge Anwendung
des §
2285 BGB
kann
aber
auch nicht auf Fälle
beschränkt werden, in denen der erstversterbende Ehegatte
seine Verfügung
trotz Kenntnis der später zur
Begründung der
Anfech-tung angeführten Gründe nicht widerruft. Auch in diesen Fällen fehlt es
mangels materieller Bindung des Erstversterbenden
an einer Vergleich-barkeit mit
dem
in den §§
2281, 2285 BGB geregelten Fall (vgl. BeckOGK/[X.] aaO).
Der
erstversterbende
Ehegatte
befindet sich
an-ders als der Letztversterbende
trotz Kenntnis von einem möglichen [X.] nicht
in der Situation, fristgebunden
entscheiden zu müssen, ob er die Verfügung anfechten oder andernfalls eine
grundsätz-lich
nicht mehr zu beseitigende Bindung eingehen will.
Bleibt er untätig,
kann dieses Unterlassen allein
daher nicht als Verstreichenlassen einer

fiktiven

Anfechtungsfrist mit entsprechenden Rechtsfolgen gedeutet werden.
Seinem Willen wird
vielmehr
ausschließlich durch die
Prüfung, ob die Voraussetzungen eines
Drittanfechtungsrechtes
vorliegen,
[X.] verschafft, ohne diese Anfechtung von vornherein durch §
2285 BGB zu beschränken.
Entscheidend ist insoweit stets der Wille des [X.]. Über dessen Recht, sich von seiner Verfügung zu lösen, geht das Drittanfechtungsrecht nicht hinaus.

d) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann eine entspre-chende Anwendung von §
2285 BGB auf die Verfügung des erstverster-benden
Ehegatten nicht mit den Interessen des letztversterbenden
[X.], der auf den Bestand der wechselbezüglichen Verfügung vertraut hat,
begründet werden. §
2285 BGB dient nicht dem Schutz des Ver-tragserben
beim Erbvertrag
oder
des letztversterbenden
Ehegatten
beim [X.].
Der Gesetzgeber begründete die Vor-20
21
-
11
-

schrift allein damit, dass anderen Personen ein Anfechtungsrecht nicht in größerem Umfang zugestanden werden könne als dem Erblasser selbst (Motive [X.] 325).
Geschützt wird daher das Interesse des [X.] daran, dass sich sein -
frei von Irrtum oder Drohung
im Sinne von §
2078 BGB gebildeter
-
Wille durchsetzt
([X.]/Kanzleiter aaO).
Wenn
aber
durch die erfolgreiche Anfechtung seiner Verfügung
die dazu wechselbezügliche Verfügung des anderen Ehegatten gemäß §
2270 Abs. 1 BGB unwirksam wird, so
entspricht dies gerade dem die Wech-selbezüglichkeit begründenden Willen der Ehegatten, dass ihre Verfü-gungen miteinander stehen
oder
fallen sollen.

Auch der Verweis des Berufungsgerichts auf den Schutz des [X.] durch die Empfangsbedürftigkeit des Widerrufs gemäß §
2271 Abs.
1 Satz 1 i.V.m.
§
2296 Abs.
2
Satz 1
BGB (ebenso BayObLG
[X.] 2004, 152, 153) vermag eine Beschränkung
der Drittanfechtung nicht zu begründen. Bei einem Widerruf zu Lebzeiten beider Ehegatten wird der andere Ehegatte durch den Zugang der Widerrufserklärung
in die Lage versetzt, darauf
durch eine neue letztwillige Verfügung zu reagieren. Im Regelfall wird er diese Möglichkeit auch bei einer Drittanfechtung nach dem ersten Erbfall haben, da die fristgebundene (§
2082
BGB) Anfech-tung noch zu
seinen Lebzeiten erfolgen und das
Nachlassgericht ihm
die Anfechtungserklärung mitteilen
wird, §
2081
Abs.
2 Satz 1 BGB.
Die Be-gründung
des
Berufungsgerichts
für eine Analogie
bezieht
sich
daher
al-lein auf den hier vorliegenden Sonderfall, in dem das [X.]
dem Nachlassgericht
nach dem
ersten Erbfall nicht vorlag
und daher eine Drittanfechtung nicht zu Lebzeiten
des letztverstorbenen Ehegatten
erfolgen konnte.
Doch ein allgemeiner Grundsatz, dass die
Ehegatten auf den Bestand der
eigenen wechselbezüglichen Verfügun-gen nach ihrem Tod vertrauen können, besteht beim gemeinschaftlichen 22
-
12
-

Testament nicht. Das Interesse eines Ehegatten an der Wirksamkeit
der eigenen Verfügungen
tritt auch in anderen Konstellationen unabhängig davon zurück, ob er noch mit einer neuen Verfügung auf eine Verände-rung reagieren kann (vgl. [X.],
[X.] 2015,
480, 481; BeckOGK/[X.], aaO
Rn. 145.1). So kann auch das Recht des überlebenden [X.], sich durch Ausschlagung gemäß §
2271 Abs. 2 Satz
1 Halbsatz 2 BGB von dem [X.] zu lösen, nicht abbedungen werden (Senatsurteil vom 12.
Januar 2011

IV
ZR 230/09, NJW 2011, 1353 Rn. 11). [X.] er anschließend die eigenen Verfügungen auf, hat dies gemäß §
2270 Abs. 1 BGB grundsätzlich die Unwirksamkeit der [X.] wechselbezüglich verbundenen Verfügungen des erstversterbenden Ehegatten zur Folge (Senatsurteil
aaO Rn. 15).

4. Die Hilfserwägung des Berufungsgerichts trägt die angefochtene Entscheidung mit den bisher getroffenen Feststellungen ebenfalls nicht. Seiner nicht näher begründeten Annahme, die Eltern hätten
durch die Beibehaltung des [X.] eine Bestätigung vorgenommen oder der behauptete [X.] sei nicht kausal für ihre Verfügung geworden, fehlt eine ausreichende
Tatsachengrundlage.

Zwar kann ein bewusstes Bestehenlassen der letztwilligen Verfü-gung dafür sprechen, dass der behauptete Irrtum nicht ursächlich für die Verfügung war oder sie jedenfalls zur [X.] des [X.] dem Willen des Erblassers entsprach und eine Anfechtung daher ausgeschlossen ist (BayObLG NJW-RR 1995, 1096,
1098; [X.]/[X.] aaO
§
2271 Rn.
43; [X.] aaO §
2271 Rn. 91; [X.]/[X.] aaO §
2078 Rn. 9). Dies setzt aber voraus, dass der Erblasser die Verfügung tat-sächlich bewusst beibehält, sich also im Wissen um den Inhalt dieser Verfügung und in Kenntnis des Irrtums dafür entscheidet, daran festzu-halten, und er nicht nur aus Nachlässigkeit, Passivität oder aus sonsti-23
24
-
13
-

gen anderen Gründen eine Abänderung unterlässt
(vgl. BayObLG
NJW-RR 2002, 367,
370; [X.]/[X.], BGB Bearbeitung 2013 §
2078 Rn.
30; [X.]/[X.], 6. Aufl. §
2078 Rn. 50). Das [X.] hat jedoch ausdrücklich offengelassen, ob der Vater den Widerruf seiner wechselbezüglichen Verfügung trotz Erkennens des be-haupteten [X.]s bewusst unterließ. Damit fehlt es aber auch an der Feststellung, dass er das Testament bewusst bestehen ließ. Ohne solche Feststellungen zum Willen des Erblassers kann allein aus dem Umstand, dass das Testament weiter existierte, nicht geschlossen wer-den, der Erblasser
habe
das Testament bestätigt
oder der behauptete [X.] sei nicht kausal für seine Verfügung gewesen.

[X.] Die angefochtene Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig.

Die Mutter der Parteien verfügte
in dem gemeinschaftlichen [X.] neben der [X.] der Klägerin die Enterbung der Beklagten. Es steht jedoch nicht fest, dass
auch
im Falle
einer Un-wirksamkeit
der
[X.] die Enterbung der Beklagten
fortbestünde und daher die gesetzliche
Erbfolge zugunsten der Klägerin einträte.
Vielmehr deutet das Berufungsgericht an, dass seiner Ansicht nach
eine wirksame Anfechtung der [X.] auch die
gleichzeitig verfügte Enterbung der Beklagten
durch die Mutter
entfallen ließe, ohne aber ausdrückliche Feststellungen zum Willen der Erblasse-rin zu treffen. Dies hätte es
im Falle einer wirksamen Anfechtung der [X.] nachzuholen.
Andernfalls wäre zu prüfen, ob die Beklagte auch ihre

gemäß §
2270 Abs. 3 BGB
nicht wechselbezüg-liche

Enterbung durch die
Mutter wirksam angefochten hat.

25
26
-
14
-

IV. Eine
eigene
Sachentscheidung ist dem
Senat
nicht möglich, da das Berufungsgericht noch ergänzende Feststellungen zu treffen hat.

[X.] [X.] [X.]

Dr. [X.]

[X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.09.2014 -
3 O 32/14 I -

OLG Stuttgart, Entscheidung vom 19.03.2015 -
19 [X.] -

27

Meta

IV ZR 205/15

25.05.2016

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.05.2016, Az. IV ZR 205/15 (REWIS RS 2016, 10957)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 10957

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IV ZR 205/15 (Bundesgerichtshof)

Ehegattentestament: Anfechtung wechselbezüglicher Verfügungen des erstversterbenden Ehegatten durch einen Dritten


31 Wx 224/16 (OLG München)

Wechselbezügliche Anordnungen in einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament


I-3 Wx 34/15 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


15 W 14/14 (Oberlandesgericht Hamm)


31 Wx 427/14 (OLG München)

Anfechtung der letztwilligen Verfügung in einem gemeinschaftlichen Testament durch den überlebenden Ehegatten


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

IV ZR 205/15

19 U 134/14

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.