Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.02.2020, Az. I ZB 44/19

1. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 1601

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Gegenstand

Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung: Auslegung des Bindungswillens der Parteien ohne gesondert abgeschlossenen Schiedsvertrag


Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 19. Zivilsenats des [X.] vom 10. Mai 2019 wird auf Kosten der Antragsteller als unzulässig verworfen.

Wert des [X.]: 10.000 €

Gründe

1

I. Die Antragsgegnerin und die Antragstellerin zu 1 waren Gesellschafter einer im Jahr 2007 als [X.]     GmbH & Co. KG gegründeten Gesellschaft. Die Antragstellerin zu 1 hat ihre Anteile vom Antragsteller zu 2 erworben. Am 31. Dezember 2015 schlossen die Antragstellerin zu 1 und die Antragsgegnerin eine Auseinandersetzungsvereinbarung, die eine Auflösung/Beendigung der Gesellschaft vorsah. Die Antragsgegnerin will Ansprüche gegen die Antragsteller wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit der Auflösung/Beendigung der Gesellschaft geltend machen. Sie hat mit [X.] vom 4. Dezember 2018 einen Schiedsrichter benannt und zugleich die Antragsteller aufgefordert, ihrerseits einen Schiedsrichter zu benennen. In einem gesonderten Verfahren begehrt die Antragsgegnerin die Bestellung eines Schiedsrichters für die Antragsteller.

2

Der Gesellschaftsvertrag enthält folgende Vereinbarung:

§ 20 Schlussbestimmungen

...

(4) Für sämtliche aus diesem Vertrag, seine Ausführung und Auslegung und über alle aus dem Gesellschaftsverhältnis sich ergebenden Streitigkeiten zwischen der Gesellschaft und einzelnen Gesellschaftern oder zwischen den Gesellschaftern soll unter Ausschluss des ordentlichen [X.] ein Schiedsgericht entscheiden. Hierüber werden die Parteien einen gesonderten Schiedsvertrag vereinbaren. Im Übrigen wird als Gerichtsstand [X.], soweit dies zulässig vereinbart werden kann, festgelegt.

...

3

Der in § 20 Abs. 4 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags vorgesehene gesonderte Schiedsvertrag ist nicht abgeschlossen worden. Die Antragsteller sind der Auffassung, der Gesellschaftsvertrag enthalte keine wirksame Schiedsklausel und haben beantragt, die Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens festzustellen. Das [X.] hat den Antrag zurückgewiesen.

4

II. Das [X.] hat angenommen, in § 20 Abs. 4 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags sei wirksam eine Schiedsklausel im Sinne von § 1029 ZPO vereinbart worden. Dass die Parteien den in Satz 2 vorgesehenen gesonderten Schiedsvertrag nicht abgeschlossen hätten, stehe der Wirksamkeit der Vereinbarung nicht entgegen. Zu unterscheiden sei, ob die Parteien in Satz 1 lediglich einen Vorvertrag geschlossen oder sich bereits mit dem dafür erforderlichen Rechtsbindungswillen darauf geeinigt hätten, den Weg zu den staatlichen Gerichten auszuschließen. Dafür, dass die Klausel als nicht bindend gemeint gewesen sei, sei nichts vorgetragen und auch sonst nichts ersichtlich. Insbesondere sei nichts dafür ersichtlich, dass ein gesonderter Schiedsvertrag deshalb nicht abgeschlossen worden wäre, weil die Parteien davon ausgegangen wären, sich noch nicht bindend einer Schiedsvereinbarung unterworfen zu haben. Vielmehr sei davon auszugehen, dass dies aus Nachlässigkeit oder im Vertrauen darauf unterblieben sei, die wesentlichen Punkte bereits geregelt zu haben. Die Klausel sei daher - wie regelmäßig - dahin zu verstehen, dass lediglich ergänzende Regelungen Gegenstand des [X.] hätten sein sollen. Die geltend gemachten Ansprüche fielen unter die Schiedsklausel.

5

III. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Rechtsbeschwerde der Antragsteller ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1 ZPO). Sie ist aber unzulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO).

6

1. Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erfordere eine Entscheidung des [X.].

7

a) Die Rechtsbeschwerde meint, es liege eine Divergenz vor. Das [X.] habe sich einem Beschluss des [X.] vom 28. April 2011 (NJW 2011, 2978 [juris Rn. 3]) angeschlossen, in dem der Rechtssatz aufgestellt worden sei, die Durchführung des [X.] spreche dafür, dass die [X.] trotz des Vorbehalts im Zeitpunkt ihres Abschlusses, noch weitere Vereinbarungen zur [X.] treffen zu wollen, ausreiche, um der [X.] zum Durchbruch zu verhelfen. Das [X.] Hamm habe demgegenüber in einem Beschluss vom 18. Juli 2007 (8 Sch 2/07, juris Rn. 33) den Rechtssatz aufgestellt, die Durchführung des [X.] allein reiche nicht, um der [X.] zur Geltung zu verhelfen, wenn in deren Rahmen noch weitere Vereinbarungen hätten niedergelegt werden sollen.

8

b) Damit kann die Rechtsbeschwerde nicht durchdringen. In den zitierten Entscheidungen werden die behaupteten Rechtssätze nicht aufgestellt. Zudem hat das [X.] die Entscheidung des [X.] zwar zitiert, sich aber dem angeblichen Rechtssatz des [X.] nicht angeschlossen.

9

Sowohl das [X.] als auch das [X.] Hamm haben die in ihren Verfahren maßgeblichen [X.] gemäß §§ 133, 157 BGB ausgelegt und sind zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt. Abstrakte Rechtssätze haben sie dabei nicht aufgestellt. Die unterschiedliche Auslegung unterschiedlicher Vertragsklauseln begründet keine Divergenz.

Das [X.] hat ausgeführt, die Zweifelsregel des § 154 Abs. 1 Satz 1 BGB sei nicht anwendbar, wenn die Parteien sich trotz der noch offenen Punkte erkennbar vertraglich binden wollten. Eine solche Bindung hat es für den streitigen [X.] angenommen und dabei (insbesondere) auf die begonnene Durchführung des Vertrags abgestellt.

Das [X.] Hamm hatte in seinem Verfahren eine Schiedsvereinbarung zu beurteilen, die vorsah, dass die Parteien sich einem Schiedsgericht "nach Maßgabe anliegender Schiedsurkunde, die Vertragsbestandteil ist", unterwerfen ([X.], Beschluss vom 18. Juli 2007 - 8 Sch 2/07, juris Rn. 3). Bei der erforderlichen Auslegung hat es keine tragfähigen Anhaltspunkte für die Annahme gesehen, dass die Parteien sich auch ohne den noch offenen Punkt binden wollten. Der Aufrechterhaltung der Vereinbarung unter Geltung des dispositiven Gesetzesrechts stehe entgegen, dass der Inhalt der Vereinbarung dafür spreche, dass die Parteien die unveränderte Anwendung des Gesetzesrechts gerade nicht vereinbaren wollten. Es könne daher nicht von einem Bindungswillen betreffend die [X.] ungeachtet der fehlenden Schiedsurkunde ausgegangen werden ([X.], Beschluss vom 18. Juli 2007 - 8 Sch 2/07, juris Rn. 29). Der Umstand, dass der Hauptvertrag in Vollzug gesetzt worden sei, stehe dieser Beurteilung nicht entgegen. Daraus lasse sich nur der Schluss ableiten, dass der Vertrag mit den sonstigen Regelungen gelten sollte. Hinsichtlich der [X.] gebe es dagegen keine Äußerung oder Handlung der Parteien, die auf den übereinstimmenden Willen schließen ließe, die [X.] solle trotz Fehlens einer gesonderten Schiedsurkunde gelten ([X.], Beschluss vom 18. Juli 2007 - 8 Sch 2/07, juris Rn. 33).

Eine Divergenz lässt sich aus diesen Entscheidungen nicht ableiten, auch wenn der genaue Wortlaut der streitigen Schiedsklausel aus dem Beschluss des [X.] nicht hervorgeht. Es handelt sich jeweils um eine tatgerichtliche Auslegung im Einzelfall.

Überdies hat sich das [X.] mit dem Verweis auf die Entscheidung des [X.] dem von der Rechtsbeschwerde behaupteten Rechtssatz nicht angeschlossen. Auch das [X.] hat vielmehr allein die Schiedsvereinbarung ausgelegt und dabei auch nicht auf eine begonnene Durchführung des [X.] abgestellt.

2. Die Rechtssache erfordert auch keine Entscheidung des [X.] zur Fortbildung des Rechts.

a) Die Rechtsbeschwerde meint, die Anwendung der Vorschrift des § 154 Abs. 1 Satz 1 BGB werde in Konstellationen, in denen noch ein gesonderter Schiedsvertrag geschlossen werden solle, mit der Floskel beiseite gewischt, die Klausel sei dahin zu verstehen, dass lediglich ergänzende Regelungen Gegenstand des [X.] sein sollten. Die gesonderte Vereinbarung sei allerdings nicht zustande gekommen, so dass die [X.] einschlägig sei. Das Fehlen der ergänzenden Vereinbarung könne nicht mit dem Vollzug des [X.] überbrückt werden.

b) Auch damit kann die Rechtsbeschwerde die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde nicht erreichen. Die Voraussetzungen für eine Rechtsfortbildung liegen nicht vor. Die Frage, ob die Vertragsparteien trotz des Hinweises auf einen gesondert abzuschließenden Schiedsvertrag bereits eine wirksame Schiedsvereinbarung getroffen haben, ist eine Frage des Einzelfalls und von den Tatgerichten durch Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung der Bestimmung des § 154 Abs. 1 Satz 1 BGB zu ermitteln. Entscheidend ist, ob sich aus der Vereinbarung der Wille der Parteien ergibt, Rechtsstreitigkeiten aus einem bestimmten Rechtsverhältnis unter Ausschluss der staatlichen Gerichte einem Schiedsgericht zuzuweisen (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Februar 2012 - 17 U 72/11, juris Rn. 15 bis 19; [X.], Beschluss vom 6. August 2015 - 34 [X.] 3/15, juris Rn. 11; [X.] in Musielak/[X.], ZPO, 16. Aufl., § 1029 Rn. 7; [X.] in [X.], ZPO, 8. Aufl., § 1029 Rn. 7; [X.], [X.], 153).

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Koch     

        

Schaffert     

        

Feddersen

        

Schmaltz     

        

Odörfer     

        

Meta

I ZB 44/19

06.02.2020

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Köln, 10. Mai 2019, Az: 19 SchH 5/19

§ 133 BGB, § 154 Abs 1 S 1 BGB, § 157 BGB, § 1029 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.02.2020, Az. I ZB 44/19 (REWIS RS 2020, 1601)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1601


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZB 44/19

Bundesgerichtshof, I ZB 44/19, 06.02.2020.


Az. 19 SchH 5/19

Oberlandesgericht Köln, 19 SchH 5/19, 10.05.2019.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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