Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.09.2017, Az. 4 StR 88/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 5439

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Gegenstand

Strafverfahren wegen Massenbetrug: Anforderungen an die Darlegung eines täuschungsbedingten Irrtums bei einer Vielzahl von gleichartigen Einzelfällen


Tenor

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 20. April 2016 werden verworfen. Jedoch wird der Tenor des vorbezeichneten Urteils dahin berichtigt, dass die Angeklagten der Beihilfe zum Betrug in Tateinheit mit Beihilfe zur unerlaubten Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke und strafbaren [X.] schuldig sind.

Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten jeweils wegen Beihilfe zum Betrug in Tateinheit mit Beihilfe zur unerlaubten „Verwendung“ urheberrechtlich geschützter Werke und strafbaren [X.] schuldig gesprochen. Die Angeklagte [X.]hat es zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und den Angeklagten M.     zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Gegen ihre Verurteilung wenden sich die Angeklagten jeweils mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

2

1. Nach den Feststellungen des [X.]s vertrieben die Angeklagten in der [X.] vom 6. November 2012 bis zum 8. April 2014 unter Führung des früheren Mitangeklagten    [X.].   in arbeitsteiligem Zusammenwirken gefälschte Software-Komponenten als Originalprodukte der Firma [X.] (sog. Original Equipment Manufacturer-Software [OEM-Software]) für Windows-Anwendungen über einen geschäftsmäßig betriebenen [X.] unter verschiedenen Firmennamen.    [X.].   erhielt die gefälschte Software zum einen auf DVDs aus der [X.], zum anderen bezog er nur die Produktschlüssel (sog. [X.]) für entsprechende Software-Bestandteile aus [X.], wo sie zuvor aus einem Werk des Unternehmens [X.] auf nicht näher festgestellte Weise entwendet worden waren. Indem er diese unter Mitwirkung der Angeklagten über seinen [X.] bewarb und vertrieb, machte er sich die urheberrechtliche Rechtslage zunutze, wonach OEM-Software nicht nur mit einem zugehörigen Hardware-System an die jeweiligen [X.], sondern im Wege der sog. Zweitverwertung als gebrauchte [X.] auch unabhängig von Hardware-Komponenten - zu deutlich geringeren Preisen - direkt an [X.] veräußert werden kann. Die optische Gestaltung der von [X.].   mit Hilfe der beiden Angeklagten beworbenen Produkte vermittelte daher entsprechend dem zuvor gefassten Tatentschluss den für die Kaufentscheidung maßgeblichen Eindruck, es handele sich um [X.] mit gängigen Produktbezeichnungen und Kennzeichen der Firma [X.]. Tatsächlich handelte es sich jedoch um Fälschungen bzw. Plagiate, mit deren Einziehung auf Betreiben der Firma [X.] die Erwerber, die jeweils einen Kaufpreis von mindestens 19,90 € im Voraus zahlten, jederzeit rechnen mussten. Teilweise erfolgte nach Leistung der Vorkasse auch gar keine Lieferung, was ebenfalls vom [X.] umfasst war. Beide Angeklagten nahmen als Vertraute des früheren Mitangeklagten [X.].   bei der Tatausführung Leitungsfunktionen wahr. Die Angeklagte [X.]organisierte, ausgestattet mit einer Generalvollmacht, die kaufmännischen Abläufe, der Angeklagte M.     war u.a. Ansprechpartner für alle technischen Angelegenheiten.

3

2. Das [X.] ist davon ausgegangen, dass im Tatzeitraum in insgesamt 132.512 Fällen gefälschte Software - DVDs und [X.] - an unterschiedliche Kunden veräußert wurde. Es hat die Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 2 StPO auf 26 Kunden bzw. Verkaufsfälle beschränkt, die ausgeschiedenen Verkaufsfälle, bei denen es jeweils von einem Mindestschaden von 19,90 € ausgegangen ist, aber jeweils straferschwerend berücksichtigt.

II.

4

1. Die Verfahrensrügen versagen.

5

Insoweit bemerkt der Senat in Ergänzung zu den Ausführungen des [X.] in seinen [X.] vom 13. März 2017:

6

a) Die von beiden Angeklagten gegen die Berufsrichter der [X.] gerichtete erhobene Rüge der Verletzung von § 338 [X.] StPO durch Zurückweisung des [X.] im Zusammenhang mit der unterbliebenen Information der Verfahrensbeteiligten darüber, dass der frühere Mitangeklagte und Haupttäter    [X.].   von seiner ursprünglichen, geständigen Einlassung abgerückt war, ist zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Der Darlegung von Einzelheiten zum Zustandekommen der Verständigung mit dem früheren Mitangeklagten [X.].   in der [X.] bedurfte es insoweit nicht. Unter Berücksichtigung der Zielrichtung der Rüge ist für die revisionsgerichtliche Prüfung allein der Umstand von Belang, dass sich [X.].   durch Schreiben seines Verteidigers an die [X.] von seiner zunächst geständigen Einlassung noch während des Laufs der Hauptverhandlung gegen die Angeklagten distanziert hatte.

7

Die Rüge hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Mit Blick auf die dienstlichen Stellungnahmen der Mitglieder der [X.], wonach über eine Einführung des Verteidigerschreibens des früheren Mitangeklagten [X.].   in die Hauptverhandlung beraten, eine solche also ernsthaft in Betracht gezogen wurde, bestand aus Sicht eines vernünftigen Angeklagten kein Anlass, an der Unvoreingenommenheit [X.] zu zweifeln. Anhaltspunkte dafür, dass den Angeklagten das betreffende Schreiben willkürlich verschwiegen wurde, tragen die Beschwerdeführer selbst nicht vor.

8

b) Die auf die Verletzung der §§ 261, 250 und § 249 Abs. 2 StPO gestützte Rüge des Angeklagten M.     , wonach diesem eine Liste mit den für das Selbstleseverfahren bestimmten Urkunden nicht ausgehändigt worden sei, genügt nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.

9

Auf etwaige Fehler bei der Durchführung des [X.] kann - wie auch auf solche bei dessen Anordnung - eine Verfahrensrüge nur dann gestützt werden, wenn zuvor ein Gerichtsbeschluss herbeigeführt wurde. Geht es, wie hier, um die vom Vorsitzenden zu bestimmende Art der Durchführung des Verfahrens nach § 249 Abs. 2 StPO, ist eine solche Entscheidung des erkennenden Gerichts gemäß § 238 Abs. 2 StPO herbeizuführen ([X.], Beschlüsse vom 14. Dezember 2010 - 1 [X.], [X.], 458; vom 9. November 2017 - 1 StR 554/16). Dazu, dass aus diesem Grund ein Widerspruch erfolgte bzw. ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt wurde, fehlt der erforderliche Revisionsvortrag. Dass keine Gelegenheit zur Kenntnisnahme der betreffenden Urkunden bestand, ergibt der Revisionsvortrag im Übrigen nicht.

2. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der von der Angeklagten [X.]näher ausgeführten und vom Angeklagten M.     allgemein erhobenen Rüge der Verletzung sachlichen Rechts hat jedenfalls keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.

a) Der Schuldspruch ist im Ergebnis aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

aa) Das [X.] hat insbesondere die Anforderungen an die beweisrechtliche Grundlage der Feststellung eines täuschungsbedingten Irrtums der Haupttat des Betruges (§ 263 Abs. 1 StGB), zu der die Angeklagten Beihilfe geleistet haben, nicht verkannt.

(1) In den Urteilsgründen ist grundsätzlich festzustellen und darzulegen, welche irrigen Vorstellungen die Person hatte, die die für eine Betrugsstrafbarkeit maßgebliche Verfügung trifft. Zwar ist es danach, insbesondere in komplex gelagerten Fällen, regelmäßig erforderlich, die irrende Person zu ermitteln und in der Hauptverhandlung über ihr tatrelevantes Vorstellungsbild zu vernehmen (vgl. [X.], Urteil vom 5. Dezember 2002 - 3 [X.], NJW 2003, 1198, 1199 f.). Nach der Rechtsprechung des [X.] gilt dies jedoch vor allem im Bereich gleichförmiger, massenhafter oder routinemäßiger Geschäfte, die von selbstverständlichen Erwartungen geprägt sind, nicht ausnahmslos. Liegen dem Tatvorwurf - wie im vorliegenden Fall - zahlreiche Einzelfälle zu Grunde, kann die Vernehmung weniger Zeugen ausreichen; wenn deren Angaben das Vorliegen eines Irrtums (in den sie betreffenden Fällen) belegen, kann auf die Erregung eines Irrtums auch bei anderen [X.] geschlossen werden (vgl. Senatsurteil vom 22. Mai 2014 - 4 [X.], NJW 2014, 2132, 2133 mwN).

(2) Gemessen daran beruht die auf die Vernehmung von drei Zeugen gestützte Überzeugung des [X.]s von einem täuschungsbedingten Irrtum sämtlicher Kunden, die Computersoftware von dem gesondert verfolgten Haupttäter [X.].   erwarben, auf einer noch tragfähigen Beweisgrundlage. Dem Gesamtzusammenhang der in den Urteilsgründen wiedergegebenen Aussage des [X.]    , den die [X.] - „exemplarisch für andere“ - als Kunden vernommen hat, ist zu entnehmen, dass dieser - irrtümlich - davon ausging, [X.] zu erwerben. Dabei hat es das [X.] indes nicht belassen. Ergänzend wird die Aussage eines weiteren Kunden, des Zeugen K.     , herangezogen, der die Software nach dem Kauf auf Echtheit überprüfen ließ, da er (nachträglich) befürchtete, er habe eine Fälschung erworben. Dass durch die Beschaffenheit der Software die Eigenschaft eines Originalprodukts vorgetäuscht werden sollte, konnte die [X.] ferner auf die Angaben des Zollbeamten H.    stützen, der einen zielgerichteten Testkauf über den von den Angeklagten zusammen mit dem gesondert verfolgten    [X.].   betriebenen [X.] tätigte. Die vernommenen Zeugen gehörten zwar sämtlich nicht zu den 26 Kunden, auf die der Gegenstand der Urteilsfindung beschränkt worden ist; aus Rechtsgründen mindert dies aber nicht deren Bedeutung für die Beweiswürdigung insgesamt. Auch unter Berücksichtigung der Vielzahl der Verkaufsfälle hat das [X.] dem aus § 261 StPO folgenden Erfordernis, sich eine objektive Grundlage für seine Überzeugungsbildung zu verschaffen und diese im Urteil darzulegen, noch hinreichend genügt.

bb) Auch hinsichtlich der vom [X.] angenommenen (tateinheitlichen) Beihilfe zur unerlaubten Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke (§ 106 Abs. 1 [X.]) hält der Schuldspruch im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.

(1) Der Schuldspruch wegen unerlaubter Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke im Sinne des § 106 Abs. 1 [X.] wird jedenfalls in der Tatmodalität des [X.] schon allein von den Feststellungen zu den an die Kunden veräußerten gefälschten DVDs getragen.

(2) Da der Schuldspruch wegen unerlaubter Verwertung danach schon mit Blick auf die veräußerten DVDs keinen durchgreifenden Bedenken begegnet, kann der Senat offen lassen, ob der Tatbestand der unerlaubten Verwertung im Sinne des § 106 Abs. 1 [X.] in den Tatvarianten des [X.] bzw. des Vervielfältigens durch den Haupttäter    [X.].   auch in den Fällen erfüllt ist, in denen den - getäuschten - Kunden lediglich ein Produktschlüssel übersandt wurde, der es diesen ermöglichte, die betreffende Software aus dem [X.] herunterzuladen, ohne dass ein anschließender Download festgestellt worden ist. Nach der insoweit maßgeblichen Rechtsprechung des [X.] greift der Kunde bei einer derartigen Fallgestaltung regelmäßig erst durch den Download in das Vervielfältigungsrecht des Rechteinhabers ein (vgl. dazu [X.], Urteil vom 19. März 2015 - [X.], NJW 2015, 3576, 3578). Ob schon die - hier festgestellte - bloße Gestattung der Vervielfältigung durch Überlassen des Produktschlüssels für sich genommen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 106 Abs. 1 [X.] erfüllt, ist danach zweifelhaft.

cc) Gegen die Annahme des [X.]s, auch die Voraussetzungen einer strafbaren [X.] im Sinne von § 143 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 14 Abs. 2 Nr. 2 [X.] seien erfüllt, ist aus Rechtsgründen ebenfalls nichts zu erinnern. Dass die [X.] insoweit lediglich auf den „Vertrieb von Fälschungen“ und damit auf die veräußerten DVDs abstellt, nicht aber auf das Inverkehrbringen der Produktschlüssel als markenrechtlichen Verstoß im Sinne der §§ 14 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 und [X.], Abs. 5 und 6, 19 Abs. 1 und 3 [X.] (vgl. dazu [X.], [X.], 136, 137), beschwert die Angeklagten nicht.

b) Die sachlich-rechtliche Nachprüfung der Strafaussprüche ergibt ebenfalls keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten.

aa) Da das [X.] sämtliche Veräußerungsfälle rechtsfehlerfrei unter dem Gesichtspunkt des Betruges und der strafbaren [X.] gewürdigt hat und die weit überwiegende Zahl dieser Fälle (Veräußerung der DVDs) die rechtliche Bewertung der Haupttat als unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke tragen, kann der Senat ausschließen, dass die [X.] unter Berücksichtigung des hinsichtlich der Fälle des Verkaufs von [X.] möglicherweise geringeren Schuldumfangs gegen die Angeklagten als Gehilfen des gesondert verfolgten [X.]    [X.].   niedrigere Strafen verhängt hätte.

bb) Dass das [X.] bei der Zumessung der Strafen maßgeblich auf einen „hohen Gesamtschaden“ abgestellt hat, begegnet auch unter Berücksichtigung der vorgenommenen Verfahrensbeschränkung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar kann im Fall eines hohen Gesamtschadens, der sich aus einer sehr großen Zahl von Kleinschäden zusammensetzt, die Möglichkeit einer Beschränkung des Verfahrensstoffs nach §§ 154, 154a StPO mit Blick auf die rechtsfehlerfreie Erfassung des Schuldumfangs beschränkt sein, wenn keine Taten mit höheren Einzelschäden vorliegen (vgl. [X.], Beschluss vom 6. Februar 2013 - 1 [X.], NJW 2013, 1545, 1546). Eine nähere Bestimmung der Grenzen, die dem Tatrichter bei einer derartigen „quantitativen Verfahrensreduktion“ gesetzt sind, braucht der Senat aus Anlass des vorliegenden Falles indes nicht vorzunehmen. Die Erwägung zum Nachteil der Angeklagten, es sei ein hoher Gesamtschaden entstanden, wird jedenfalls in einer Gesamtschau des Schadensumfangs in den ausgeurteilten und den gemäß § 154a Abs. 2 StPO ausgeschiedenen Fällen von den Feststellungen getragen. Schon bei den Fällen, die Gegenstand der Verurteilung sind, hat die [X.] zwei für sich genommen hohe [X.] in Höhe von jeweils über 4.000 € festgestellt; auch der Gesamtschaden in Höhe von über 10.000 € ist nicht unerheblich. Die [X.] belegen in ihrem Gesamtzusammenhang, dass dem [X.] das Gewicht und der jeweilige Schuldumfang des ausgeschiedenen und des ausgeurteilten Verfahrensstoffs nicht aus dem Blick geraten ist; ein Wertungsfehler ist daher auch insoweit nicht zu besorgen.

cc) Auch die strafschärfende Berücksichtigung der gemäß § 154a Abs. 2 StPO ausgeschiedenen Verkaufsfälle hält rechtlicher Nachprüfung stand.

(1) Die Berücksichtigung von nach §§ 154, 154a StPO eingestellten bzw. ausgeschiedenen Taten ist nach ständiger Rechtsprechung des [X.] zulässig, wenn diese prozessordnungsgemäß so bestimmt festgestellt sind, dass sie ihrem wesentlichen Unrechtsgehalt nach bewertet werden können und eine Berücksichtigung des bloßen Verdachts weiterer Straftaten ausgeschlossen werden kann ([X.], Beschlüsse vom 20. August 2014 - 3 [X.], [X.], 552; vom 18. März 2015 - 2 StR 54/15, [X.]R StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 33; vgl. auch [X.], Beschluss vom 19. November 2013 - 4 StR 448/13, NJW 2014, 645 f.). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil.

(2) Das [X.] hat sich rechtsfehlerfrei die hinreichende Überzeugung auch von den nach § 154a Abs. 2 StPO ausgeschiedenen Verkaufsfällen verschafft und diese in den Urteilsgründen hinreichend dargelegt. Der ausgeschiedene Verfahrensstoff war ausweislich der Urteilsgründe Gegenstand der Hauptverhandlung, die Verteidigungsmöglichkeiten der Angeklagten mithin gewahrt. Die Zahl der betreffenden Einzelfälle ist dabei ebenso festgestellt wie der Tatzeitraum, die jeweils genutzten Online-Firmen sowie die Zahl der getäuschten Kunden.

Entsprechendes gilt für die Feststellung der Schadenshöhe. In Fällen einer Tatserie ist es, insbesondere bei [X.], zur Bestimmung des Schuldumfangs zulässig, unter Beachtung des Zweifelssatzes eine Schätzung vorzunehmen ([X.], Urteile vom 6. Dezember 1994 - 5 [X.], [X.]St 40, 374, 377; vom 11. August 2010 - 1 [X.]). Durch die Annahme des [X.]s, jedem Erwerber sei hier ein Mindestschaden von 19,90 € entstanden, werden die Angeklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt beschwert. Auch das [X.] der Angeklagten wurde gewahrt. Die gemäß § 154a Abs. 2 StPO ausgeschiedenen Fälle waren Gegenstand der Beweisaufnahme; auf die strafschärfende Berücksichtigung dieses Teils des Verfahrensstoffs wurden die Angeklagten von der [X.] hingewiesen.

dd) Die Verfahrensbeschränkung nach § 154a Abs. 2 StPO wirkt sich auch nicht deshalb rechtsfehlerhaft auf die verhängten Strafen aus, weil das [X.] in den gemäß § 154a Abs. 2 StPO ausgeschiedenen Verkaufsfällen jeweils von einem Mindestschaden von 19,90 € ausgegangen ist, es insoweit aber an den gemäß § 248a StGB erforderlichen Verfahrensvoraussetzungen fehlen würde. Zum einen handelt es sich bei dem vom [X.] herangezogenen Betrag von 19,90 € für jeden einzelnen Verkaufsfall um eine Mindestannahme; aus den Urteilsfeststellungen ergibt sich, dass die Geringfügigkeitsgrenze in einer erheblichen Zahl der Fälle überschritten wurde. Zum anderen können Taten, deren Verfolgung ein Verfahrenshindernis entgegensteht, straferschwerend berücksichtigt werden, wenn auch mit geringerem Gewicht (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 22. Februar 2001 - 4 [X.], NJW 2001, 1874, 1876; Beschluss vom 23. August 2016 - 2 [X.], JurionRS 2016, 26140).

III.

Die Berichtigung der Urteilsformel war geboten, weil dem [X.] ein offensichtliches Fassungsversehen unterlaufen ist.

[X.]     

      

Cierniak     

      

[X.]

      

Bender     

      

Quentin     

      

Meta

4 StR 88/17

13.09.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Halle (Saale), 20. April 2016, Az: 2 KLs 13/14

§ 261 StPO, § 263 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.09.2017, Az. 4 StR 88/17 (REWIS RS 2017, 5439)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 5439

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