Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.11.2014, Az. XII ZB 86/14

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 1136

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.]/14

vom

20. November
2014

in der Betreuungssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG §
303 Abs.
2
Der im ersten Rechtszug nicht hinzugezogene Angehörige kann durch [X.] einer Beschwerde gegen die
getroffene Betreuungsentscheidung keine Überprüfung der getroffenen Sachentscheidung durch das Beschwerdegericht erzwingen.
[X.], Beschluss vom 20. November 2014 -
XII [X.]/14 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-

Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am
20.
November
2014
durch
den Vorsitzenden Richter Dose
und [X.], Dr.
Günter, Dr.
Nedden-Boeger und Dr. Botur
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1.
Zivilkammer des [X.] vom 15.
Januar
2014 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zu 1 bis
3 mit der Maßgabe zu-rückgewiesen, dass ihre Beschwerde gegen den Beschluss des [X.] vom 29.
Mai 2012 verworfen wird.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.
[X.]: 5.000

Gründe:
I.
Der
70jährige Betroffene leidet an einer fortschreitenden
Demenz, wegen derer er
seine
Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann. Am 25.
Feb-ruar 2010 erteilte er seiner Schwester, der Beteiligten zu
4 (im Folgenden: [X.]), notarielle
General-
und Vorsorgevollmacht.
Im April 2012 haben
drei Brüder des Betroffenen, die Beteiligten zu 1 bis
3
(im Folgenden: Beschwerdeführer),
die Einrichtung
einer Betreuung ange-regt. Das Amtsgericht hat eine Stellungnahme der Betreuungsbehörde [X.], der zufolge keine Veranlassung bestehe, die Geschäftsfähigkeit des Voll-1
2
-
3
-

machtgebers zum Zeitpunkt der Erteilung der Vollmacht anzuzweifeln,
und die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung nicht erforderlich erscheine. Noch am Tag
des Eingangs der Stellungnahme hat das Amtsgericht die Einrichtung einer Betreuung durch Beschluss vom 29.
Mai 2012
abgelehnt, weil sie im Hinblick auf die erteilte Vorsorgevollmacht nicht erforderlich sei.
Die Stellungnahme der Betreuungsbehörde und der Beschluss des Amtsgerichts
sind den Beschwerdeführern
nicht zur Kenntnis gegeben
worden; sie
sind in dem amtsgerichtlichen Beschluss auch nicht als Verfahrensbeteiligte aufgeführt.
Das [X.] hat die
von den
Beschwerdeführern
eingelegte
Be-schwerde nach Beweisaufnahme über die Geschäftsfähigkeit des Betroffenen im
Zeitpunkt der Vollmachterteilung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beschwerdeführer.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §
70 Abs.
3 Nr.
1 FamFG zulassungs-frei statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Rechtsbeschwerdebefugnis der Beschwerdeführer
ergibt sich daraus, dass ihre Beschwerde gegen den Be-schluss des Amtsgerichts ohne Erfolg geblieben ist (vgl. Senatsbeschluss vom 18.
April 2012

XII
ZB
624/11

FamRZ 2012, 1031 Rn.
3 mwN).
Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Sie ist mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts verworfen wird. Bereits die Erstbeschwerde ist nämlich unzulässig gewesen, weil den Beschwerdeführern die Beschwerdebefugnis gefehlt hat.
3
4
5
6
-
4
-

1. Nach §
303 Abs.
2 Nr.
1 FamFG steht unter anderem den [X.] das Recht der Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung im Interesse des Betroffenen nur zu, wenn sie im [X.] Rechtszug an dem Verfahren beteiligt worden sind. Ist ein Angehöriger aus dem privilegierten Personenkreis des §
303 Abs.
2 FamFG im ersten Rechtszug nicht
beteiligt worden, steht ihm nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung
das Recht der Beschwerde unabhängig davon nicht zu, aus welchen Gründen die Beteiligung im ersten Rechtszug
unterblieben ist (Senatsbeschlüsse vom 9.
April 2014

XII
ZB
595/13
FamRZ 2014, 1099 Rn.
10 und vom 30.
März 2011

XII
ZB
692/10
FamRZ 2011, 966 Rn.
6).
Für die Beschwerdebefugnis nach §
303 Abs.
2 FamFG
kommt es somit entscheidend
darauf an, ob
die Beschwerdeführer
tatsächlich im ersten [X.] beteiligt worden sind.
Dabei kann die Hinzuziehung eines Beteiligten auch konkludent erfolgen, etwa durch das Übersenden von Schriftstücken oder die Ladung zu Terminen. Die Nichterwähnung im Rubrum stünde einer tatsächli-chen Hinzuziehung zum Verfahren im Sinne des §
7 FamFG nicht entgegen (Senatsbeschluss vom 9.
April 2014

XII
ZB
595/13

FamRZ 2014, 1099 Rn.
11 mwN).
2. Gemessen hieran sind die Beschwerdeführer im ersten Rechtszug nicht beteiligt worden und waren demgemäß nicht nach §
303 Abs.
2 Nr.
1 FamFG
zur Beschwerde befugt.
Zwar ging
die Einleitung des Verfahrens
auf eine Anregung der Beschwerdeführer zurück, den Betreuungsbedarf zu über-prüfen. Die bloße Anregung der Beschwerdeführer zur Einleitung des Verfah-rens begründet für sich genommen jedoch noch nicht ihre Beteiligtenstellung
([X.]/[X.] FamFG 18.
Aufl. §
303 Rn.
27; [X.]/[X.] Betreuungsrecht 7
8
9
-
5
-

5.
Aufl. §
303 Rn.
5). Die Beschwerdeführer sind auch
weder im Lauf des so-dann von Amts wegen betriebenen Verfahrens angehört worden noch ist ihnen die Stellungnahme der Betreuungsbehörde übersandt worden noch sind sie sonst irgendwie im ersten Rechtszug beteiligt worden bis der angefochtene Be-schluss des Amtsgerichts ergangen ist, der sie auch weder als Beteiligte aus-weist noch ihnen bekannt gegeben
worden ist. Darin liegt weder eine förmliche noch eine konkludente Hinzuziehung der Beschwerdeführer als Verfahrensbe-teiligte.
3. Angehörige des Betroffenen müssen, wenn sie nicht von Amts wegen zu dem Verfahren hinzugezogen werden (§
274 Abs.
4 Nr.
1 FamFG), durch die Stellung eines
entsprechenden Antrags gemäß §
7 Abs.
3 FamFG während des ersten Rechtszugs vorgreiflich auf ihre Verfahrensbeteiligung hinwirken und, sollte der Antrag abgelehnt werden, das hierfür vorgesehene Rechtsmittel ein-legen. Erst wenn auf diesem Weg die Verfahrensbeteiligung erreicht wurde, erhält der Angehörige die Beschwerdebefugnis nach §
303 Abs.
2 FamFG ge-gen die betreuungsrechtliche Entscheidung (Senatsbeschluss vom 30.
März 2011

XII
ZB
692/10

FamRZ 2011, 966 Rn.
9). Die damit verbundene starke Einschränkung der Befugnis, das Beschwerdeverfahren in Gang zu setzen, entspricht der vom Gesetzgeber in §
303 FamFG getroffenen Differenzierung. Anders als dem privilegierten Personenkreis des §
303 Abs.
2 FamFG steht der Betreuungsbehörde gemäß §
303 Abs.
1 FamFG die Beschwerde gegen die Anordnung einer Betreuung oder deren Umfang auch dann zu, wenn sie [X.] eigenen Antrags (§
274 Abs.
3 FamFG) im ersten Rechtszug nicht beteiligt war.
4.
Eine nachträgliche Erlangung der Beschwerdebefugnis durch Hin-
zuziehung von Angehörigen
nach Abschluss des ersten Rechtszugs

sei
es
in einem Zwischenverfahren, sei es im Rahmen des [X.]s

kommt 10
11
-
6
-

ebenfalls nicht in Betracht
(a.[X.] BtPrax 2010, 242;
LG [X.] FamRZ
2011, 60, 61; [X.], 1371, 1372;
Prütting/[X.]/[X.] FamFG 3.
Aufl. §
303 Rn.
20
a;
[X.]/[X.] FamFG 18.
Aufl. §
303 Rn.
28;
MünchKommFamFG/[X.] 2.
Aufl. §
303 Rn.
5
a; [X.]/Weinreich/Rausch FamFG 4.
Aufl. §
303 Rn.
8; [X.]/[X.]/[X.]/[X.] FamFG 2.
Aufl. §
303 Rn.
9). Nach dem Wortlaut des §
303 Abs.
2 FamFG kommt es auf die tatsächliche Beteiligung der [X.] im ersten Rechtszug an. Dieser endet jedoch mit dem Erlass des
ange-fochtenen
Beschlusses durch das Amtsgericht. Das sich auf eine Beschwerde anschließende [X.] nach §
68 Abs.
1 Satz
1 FamFG gehört nicht mehr zum ersten Rechtszug, sondern schließt an diesen an. Bereits aus der systematischen Stellung des §
68 Abs.
1 FamFG ergibt sich, dass das Abhilfe-verfahren zum Gang des Beschwerdeverfahrens gehört
(so auch [X.]/[X.] FamFG 10.
Aufl. §
68 Rn.
2; Haußleiter FamFG §
68 Rn.
2).
5. Dadurch wird allerdings nicht
ausgeschlossen, dass ein Angehöriger mangels materieller Rechtskraft der Entscheidung des Betreuungsgerichts un-ter Darstellung seines bislang nicht berücksichtigten Vorbringens mit einem neuen Antrag eine Änderung der Entscheidung
anregt und zur Vorbereitung dieser Entscheidung nunmehr seine Hinzuziehung als Verfahrensbeteiligter be-antragt ([X.]/[X.] FamFG 18.
Aufl. §
303 Rn.
28; [X.]/[X.] Betreu-ungs-
und Unterbringungsrecht §
303 FamFG Rn.
13; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] Betreuungsrecht 5.
Aufl. §
303 Rn.
15).
12
-
7
-

Im Rahmen eines solchen Verfahrens wäre der Betreuungsbedarf des Betroffenen an
den im Senatsbeschluss vom 15.
Oktober 2010 (XII
ZB
165/10

FamRZ 2011, 285 Rn.
11) aufgestellten Grundsätzen zu messen, wonach ei-ne vom Betroffenen erteilte Vorsorgevollmacht die Bestellung eines Betreuers dann nicht hindert, wenn gegen die Wirksamkeit der Vollmachterteilung Beden-ken bestehen und die Vertretung durch die Bevollmächtigte deshalb im Rechts-verkehr auf Akzeptanzprobleme stößt.

Dose

Schilling

Günter

Nedden-Boeger

Botur
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 29.05.2012 -
1 XVII 138/12 -

LG [X.], Entscheidung vom 15.01.2014 -
1 [X.]/12 -

13

Meta

XII ZB 86/14

20.11.2014

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.11.2014, Az. XII ZB 86/14 (REWIS RS 2014, 1136)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1136

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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