Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.01.2013, Az. 4 StR 527/12

4. Strafsenat | REWIS RS 2013, 8565

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Gegenstand

Straßenverkehrsgefährdung: Trunkenheitsfahrt auf einem mit Schranke verschlossenen Tankstellenparkplatz


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten [X.]wird das Urteil des [X.] vom 24. August 2012, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben

a) im Fall II. 4 der Urteilsgründe,

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe,

c) im [X.] über die Anordnung einer Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen sowie wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es bestimmt, dass die Verwaltungsbehörde ihm vor Ablauf von zwei Jahren keine Fahrerlaubnis erteilen darf. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er allgemein die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der [X.] hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, soweit das [X.] ihn wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen verurteilt hat (Fälle II. 2 und II. 3 der Urteilsgründe).

3

2. Dagegen hält der Schuldspruch der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, soweit das [X.] den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr für schuldig befunden hat ([X.] 4 der Urteilsgründe). Insofern belegen die Feststellungen nicht, dass der Angeklagte das Kraftfahrzeug im öffentlichen Verkehrsraum geführt hat.

4

a) Tathandlung des § 316 Abs. 1 [X.] ist das Führen eines Fahrzeugs im öffentlichen Verkehr. Nach § 2 Abs. 1 [X.] bedarf der Fahrerlaubnis, wer auf öffentlichen Straßen ein Kraftfahrzeug führt. Der Begriff des Straßenverkehrs im Sinne der §§ 315 b ff. [X.] entspricht dem des [X.] und bezieht sich auf Vorgänge im öffentlichen Verkehrsraum. Erfasst werden zum einen alle Verkehrsflächen, die nach dem Wegerecht des [X.] und der Länder oder der Kommunen dem allgemeinen Verkehr gewidmet sind (z.[X.] Straßen, Plätze, Brücken, Fußwege). Ein Verkehrsraum ist darüber hinaus auch dann öffentlich, wenn er ohne Rücksicht auf eine Widmung und ungeachtet der Eigentumsverhältnisse entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen ist und auch tatsächlich so genutzt wird (Senatsurteil vom 4. März 2004 – 4 [X.], [X.], 128, 129; Senatsbeschluss vom 8. Juni 2004 – 4 [X.], [X.], 625; SSW-[X.]/[X.], § 142 Rn. 9). Für die Frage, ob eine Duldung des Verfügungsberechtigten vorliegt, ist nicht auf dessen inneren Willen, sondern auf die für etwaige Besucher erkennbaren äußeren Umstände (Zufahrtssperren, Schranken, Ketten, Verbotsschilder etc.) abzustellen. Eine Verkehrsfläche kann zeitweilig „öffentlich“ und zu anderen Zeiten „nicht-öffentlich“ sein ([X.] in LK-[X.], 12. Aufl., § 142 Rn. 14). Die Zugehörigkeit einer Fläche zum öffentlichen Verkehrsraum endet mit einer eindeutigen, äußerlich manifestierten Handlung des Verfügungsberechtigten, die unmissverständlich erkennbar macht, dass ein öffentlicher Verkehr nicht (mehr) geduldet wird (vgl. Senatsurteil vom 4. März 2004 – 4 [X.], [X.], 128, 129; [X.], [X.], 120; Pasker, [X.], 120, 121). So liegt der Fall hier.

5

b) Nach den Feststellungen steuerte der alkoholbedingt absolut fahruntüchtige Angeklagte [X.], der keine Fahrerlaubnis besaß, den seiner Ehefrau gehörenden Pkw, nachdem er zunächst im Ortsbereich von [X.]     umhergefahren war, auf einen unbefestigten und zunächst frei zugänglichen Parkplatz neben einer Tankstelle. Zusammen mit dem Angeklagten [X.]misshandelte er daraufhin den Geschädigten [X.]P.   durch eine Vielzahl wuchtiger Faustschläge und Fußtritte. Der Zeuge S.  , der vom Vermieter des Parkplatzes mit dem regelmäßigen Öffnen und Schließen zweier dort befindlicher Schranken beauftragt war, erfasste die Situation zunächst nicht richtig und rief den Angeklagten zu, sie sollten den Parkplatz mit ihrem Pkw verlassen, damit er die Schranke schließen könne. Der Angeklagte [X.]antwortete sinngemäß, er solle sich keine Gedanken machen, sie kämen schon vom Parkplatz herunter. Daraufhin ging der Zeuge weiter und schloss die Schranke der [X.]. Als der Zeuge wenig später sah, wie die Angeklagten [X.]und [X.] auf den am Boden liegenden Geschädigten mit voller Wucht eintraten, alarmierte er die Polizei ([X.] 3 der Urteilsgründe).

6

Im [X.] an die Misshandlung des Geschädigten bestiegen die Angeklagten erneut den Pkw, wobei [X.]das Fahrzeug führte. Zunächst versuchte er, mit dem Pkw die Tankstelle zu umfahren und vorbei an einer benachbarten Diskothek auf die [X.] zu gelangen, was an einer Begrenzung scheiterte. Anschließend fuhr er dieselbe Strecke zurück und lenkte das Fahrzeug an der geschlossenen Schranke vorbei. Er erreichte die [X.] erneut nicht, da er nunmehr einen kleinen Erdwall vor sich hatte. An dieser Stelle blieb er nach einer Fahrtstrecke von ungefähr 220 Metern endgültig stehen ([X.] 4 der Urteilsgründe).

7

c) Nachdem der Zeuge [X.]die Angeklagten zum Verlassen des Parkplatzes aufgefordert und daraufhin die Schranke der Zufahrt geschlossen hatte, gehörte das [X.], auf dem der Pkw stand, nicht mehr zum öffentlichen Verkehrsraum. Denn der Wille des Verfügungsberechtigten, den Parkplatz ab diesem Zeitpunkt der Allgemeinheit nicht mehr zur Verfügung zu stellen, war nach außen manifest geworden. Dies war für jedermann unmissverständlich erkennbar (vgl. [X.], [X.], 120). Die Fahrt des Angeklagten [X.]auf dem [X.] ([X.] 4 der Urteilsgründe) fand deshalb nicht im öffentlichen Straßenverkehr statt und war somit nicht tatbestandsmäßig im Sinne von § 21 Abs. 1 Nr. 1 [X.] und § 316 Abs. 1 [X.]. Das [X.] hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Angeklagte bei seinen Versuchen, die Tankstelle bzw. die [X.] zu umfahren, sich vorübergehend im öffentlichen Verkehrsraum bewegte. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.

8

3. Die Aufhebung der Verurteilung wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zieht die Aufhebung der festgesetzten Gesamtstrafe und des [X.] nach sich.

Mutzbauer                              Roggenbuck                            Franke

                      Quentin                                    [X.]

Meta

4 StR 527/12

30.01.2013

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Halle (Saale), 24. August 2012, Az: 1 Ks 4/12

§ 316 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.01.2013, Az. 4 StR 527/12 (REWIS RS 2013, 8565)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8565

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