Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.02.2024, Az. VIa ZR 1356/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 811

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Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 8. Zivilsenats des [X.] vom 24. August 2022 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Kläger kaufte am 31. März 2016 einen von der Beklagten hergestellten, gebrauchten [X.] A6 Avant 3.0 [X.], der mit einem ebenfalls von der Beklagten hergestellten [X.] (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist. Das Fahrzeug verfügt auch über einen SCR-Katalysator. Das [X.] ([X.]) veranlasste einen Rückruf des Fahrzeugs wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung.

3

Das [X.] hat die auf Zahlung von Schadensersatz nebst Zinsen sowie Feststellung des Annahmeverzugs gerichtete Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des [X.] ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision des [X.] hat Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

6

Dem Kläger stehe kein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB zu, denn er habe die nach § 826 BGB erforderliche vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nicht hinreichend dargetan. In Bezug auf eine behauptete [X.] fehle es an greifbaren Anhaltspunkten, weil der Rückruf des [X.] die [X.] bei einer bestimmten Restreichweite betreffe. Die seitens der [X.] eingeräumte [X.] sei nicht grenzwertkausal und vom [X.] nicht als unzulässig beanstandet worden. Dementsprechend sei die Verwendung dieser Funktion nicht sittenwidrig. Auch die Restreichweitenerkennung und die davon abhängige Steuerung der [X.] begründe nicht die Sittenwidrigkeit. Auswirkungen des Software-Updates könnten nicht die Sittenwidrigkeit begründen. In einer Lenkwinkelerkennung liege keine Abschalteinrichtung. Die Behauptungen des [X.] zum [X.] seien als neue Angriffsmittel im zweiten Rechtszug nach § 529 Abs. 1 Nr. 2, § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO nicht zu berücksichtigen, weil die Beklagte die konkrete Ausgestaltung in Abrede gestellt habe und überdies eine Erforderlichkeit des [X.]s zum Motorschutz behauptet habe.

7

Schließlich bestehe kein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 [X.] ([X.]) Nr. 715/2007. Dabei könne die Rechtsnatur der zuletzt genannten Vorschrift als Schutzgesetz offenbleiben. Denn jedenfalls fehle es an einem Schaden des [X.], weil die Gefahr einer Betriebsbeschränkung durch das Aufspielen des freigegebenen Software-Updates habe ausgeräumt werden können.

II.

8

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht stand.

9

1. Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings eine Schadensersatzhaftung der [X.] aus §§ 826, 31 BGB verneint.

a) In Bezug auf die als solche nicht bestrittene Verwendung eines [X.]s ergibt sich dies schon aus einer mangelnden Prüfstandsbezogenheit und dem Fehlen weiterer Umstände (vgl. [X.], Urteil vom 16. September 2021 - [X.]/20, NJW 2021, 3721 Rn. 15 ff.; Urteil vom 19. Oktober 2023 - [X.], juris Rn. 15; Beschluss vom 19. Januar 2021 - [X.], NJW 2021, 921 Rn. 16 ff.). Dementsprechend kommt es hier nicht darauf an, dass das Berufungsgericht bei seinen Ausführungen zur Präklusion neuen Vorbringens im zweiten Rechtszug nach § 529 Abs. 1 Nr. 2, § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO nicht berücksichtigt hat, dass die Beklagte nur die behauptete Ausgestaltung des [X.]s, nicht aber die Verwendung eines [X.]s als solche bestritten hatte und dass das Vorbringen des [X.] insoweit zu berücksichtigen war, weil es unstreitig war (vgl. [X.], Urteil vom 18. November 2004 - [X.], [X.]Z 161, 138, 141 ff.; Urteil vom 6. Dezember 2004 - [X.], NJW-RR 2005, 437).

b) Zutreffend hat das Berufungsgericht ferner hinsichtlich der [X.] auf die Grenzwertkausalität abgestellt. Denn bei fehlender Grenzwertkausalität bestehen keine Anhaltspunkte für eine Täuschung der Genehmigungsbehörde (vgl. [X.], Urteil vom 12. Oktober 2023 - [X.], juris Rn. 17; Urteil vom 6. November 2023 - [X.], [X.], 40 Rn. 11).

c) Richtig hat das Berufungsgericht ferner die Sittenwidrigkeit im Hinblick auf die Steuerung der [X.] mit Rücksicht auf eine bestimmte Restreichweite verneint. Insofern gelten die zur Funktion eines [X.]s angestellten Erwägungen sinngemäß.

d) Dass ein aufgespieltes Software-Update den geltend gemachten Schadensersatzanspruch nicht zu begründen vermag, folgt bereits aus dem seitens des [X.] geltend gemachten Schaden in Form der Belastung mit einem nicht gewollten Vertrag. Hierfür kann ein später aufgespieltes Software-Update nicht ursächlich sein. Hinzu kommt, dass - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - ein Software-Update auch dann nicht den Vorwurf der Sittenwidrigkeit zu begründen vermag, wenn damit nicht nur die unzulässige Manipulationssoftware entfernt wird, sondern damit auch nachteilige Veränderungen einhergehen ([X.], Beschluss vom 9. März 2021 - [X.] 889/20, NJW 2021, 1814 Rn. 30).

e) Richtig hat das Berufungsgericht schließlich ausgeführt, dass in einer Lenkwinkelerkennung für sich betrachtet keine Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 3 Nr. 10 der [X.] ([X.]) Nr. 715/2007 liegt. Erforderlich ist vielmehr ein Bezug der [X.] zur Emissionskontrolle.

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der [X.] nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], [X.]Z 237, 245 Rn. 29 bis 32).

Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des [X.] auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], [X.]Z 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]s zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023 - [X.], [X.], 1839 Rn. 21 ff.; - [X.], juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 - [X.], juris Rn. 20). Dieser Schaden kann auch nicht unter Verweis auf die Beurteilung des Sachverhalts durch das [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 42) und eine nach dem Aufspielen eines vom [X.] freigegebenen Software-Updates nicht mehr bestehende Gefahr von Betriebsbeschränkungen verneint werden. Vielmehr setzt das voraus, dass das betreffende Software-Update nicht seinerseits eine unzulässige Abschalteinrichtung umfasst. Da es sich um einen Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung handelt, liegt die Darlegungs- und Beweislast insofern allerdings bei der [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 80). Das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der [X.] wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen noch hat es die Darlegungen der [X.] an dem erwähnten Maßstab gemessen und entsprechende Feststellungen zum Software-Update getroffen.

III.

Die angefochtene Entscheidung ist demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil sie sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen [X.] darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom 26. Juni 2023 ([X.], [X.]Z 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu den Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der [X.] nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV zu treffen haben.

[X.]     

      

Krüger     

      

Götz   

      

Rensen     

      

Katzenstein     

      

Meta

VIa ZR 1356/22

13.02.2024

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Hamm, 24. August 2022, Az: I-8 U 89/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.02.2024, Az. VIa ZR 1356/22 (REWIS RS 2024, 811)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 811

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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