Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.10.2022, Az. 2 ARs 100/22

2. Strafsenat | REWIS RS 2022, 8743

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Tenor

1. Der Beschluss des [X.] vom 11. November 2021 wird aufgehoben.

2. Für die Untersuchung und Entscheidung der Sache ist das

Amtsgericht Münster

zuständig.

Gründe

1

Die Amtsgerichte [X.] und [X.] streiten darüber, welches von ihnen für die Untersuchung und Entscheidung in einem Bußgeldverfahren zuständig ist.

I.

2

Der Direktor der [X.] als Landesbeauftragter mit Sitz in [X.] hat gegen den Betroffenen vier auf § 14 Abs. 2 des Düngegesetzes in Verbindung mit verschiedenen Regelungen der Düngeverordnung gestützte Bußgeldbescheide erlassen, gegen die der Betroffene jeweils Einspruch eingelegt hat.

3

Das Amtsgericht [X.] hat sich mit Beschluss vom 11. November 2021 für örtlich unzuständig erklärt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Landesregierung in [X.] mit der Verordnung über die Zuständigkeit der Amtsgerichte in Strafsachen gegen Erwachsene, in [X.], in Bußgeldverfahren und Abschiebungshaftsachen vom 5. Juli 2010 ([X.]. [X.], [X.]; im Folgenden: AGStrafZustV [X.]) eine Dezentralisierungsregelung im Sinne des § 68 Abs. 3 OWiG getroffen habe und sich die Zuständigkeit in Verfahren, die Ordnungswidrigkeiten nach § 14 des Düngegesetzes zum Gegenstand haben, nach den § 12 Abs. 2 Nr. 12, §§ 11, 10 AGStrafZustV [X.] richte. Aus dem „allgemeinen Verweis in § 11 AGStrafZustV [X.] auf die für die Umweltstrafsachen geltenden Regeln“ folge zugleich „die Geltung der Regelungen über den Gerichtsstand in den §§ 7 ff. [X.]“. Zuständig sei deshalb das Amtsgericht [X.], da ein Tatort im Bezirk des [X.] [X.] liege.

4

Das Amtsgericht [X.] hat sich mit Beschluss vom 10. März 2022 ebenfalls für örtlich unzuständig erklärt und unter anderem ausgeführt, dass es sich bei den vom Amtsgericht [X.] in Bezug genommenen Regelungen nicht um solche gemäß § 68 Abs. 3 OWiG, sondern gemäß § 58 Abs. 1 [X.]G handele, die eine Konzentration und keine Dekonzentration von Zuständigkeiten bezwecke. Zugleich hat es die Sache dem [X.] zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

II.

5

1. Der [X.] ist als gemeinschaftliches oberstes Gericht der Amtsgerichte [X.] (Bezirk des [X.]) und [X.] (Bezirk des Oberlandesgerichts [X.]) zur Entscheidung des [X.] nach § 46 Abs. 1 OWiG, § 14 [X.] berufen.

6

2. Zuständig für die Untersuchung und Entscheidung des Verfahrens ist das Amtsgericht [X.] gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 OWiG als Amtsgericht am Sitz der Verwaltungsbehörde.

7

a) Die die Bußgeldbescheide erlassende Behörde – der Direktor der [X.] als Landesbeauftragter (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten und zur Übertragung von Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen für Bereiche der Agrarwirtschaft vom 5. Februar 2019, [X.]. [X.], [X.]) – hat ihren Sitz in [X.] (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über die [X.] vom 25. März 2022, [X.]. [X.], [X.] [LWKG; wortidentisch mit § 19 Abs. 2 Buchstabe a) [X.]]; § 1 der Hauptsatzung der [X.] vom 8. Dezember 2017, zuletzt geändert durch die Erste Satzung zur Änderung der Hauptsatzung vom 6. Dezember 2019).

8

b) Eine von der Grundregel des § 68 Abs. 1 OWiG abweichende Zuständigkeit aufgrund einer vorgehenden Spezialregelung oder einer Rechtsverordnung im Sinne des § 68 Abs. 3 OWiG besteht nicht. Eine solche besteht insbesondere auch nicht aufgrund der AGStrafZustV [X.] für den hier maßgeblichen Fall eines Bußgeldverfahrens wegen Verstoßes gegen § 14 des Düngegesetzes.

9

aa) Mit Artikel 1 Nr. 5 Buchstabe b) [X.]) der Achten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Zuständigkeit der Amtsgerichte in Strafsachen gegen Erwachsene, in [X.], in Bußgeldverfahren und Abschiebungshaftsachen vom 22. Februar 2022 ([X.]. [X.], [X.]) ist die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 12 AGStrafZustV [X.] mit Wirkung ab dem 1. April 2022 (ersatzlos) aufgehoben und damit Verfahren betreffend Ordnungswidrigkeiten nach § 14 des Düngegesetzes vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen, so dass die Rechtsauffassung des Amtsgerichts [X.] nach nunmehr bestehender Rechtslage ins Leere läuft.

[X.]) Dessen ungeachtet wäre der hier zu entscheidende Sachverhalt nicht von § 10 AGStrafZustV [X.] erfasst.

Nach dessen Satz 1 sind die „Amtsgerichte, die ihren Sitz am Ort des [X.] haben, für den Bezirk des [X.] zuständig, soweit nicht die Zuständigkeit des Schifffahrtsgerichts begründet ist.“ Hiernach werden amtsgerichtliche Zuständigkeiten innerhalb eines [X.]bezirks bei dem Amtsgericht am Sitz des [X.] konzentriert. Bedeutsam und maßgeblich ist insoweit die damit einhergehende Begrenzung auf (bestehende) Zuständigkeiten innerhalb eines [X.]bezirks.

An einer solchen Zuständigkeit eines im [X.]bezirk [X.] gelegenen Amtsgerichts fehlt es. Die §§ 10, 11 AGStrafZustV [X.] setzen sie gerade voraus. Es handelt sich nicht um (dezentralisierende) Regelungen im Sinne des § 68 Abs. 3 OWiG. Vielmehr gehen sie – was auch der historische Befund belegt (vgl. Verordnung über die Zuständigkeit der Amtsgerichte des Landes [X.] in Umweltstrafsachen und in Bußgeldverfahren wegen [X.] gegen Erwachsene vom 17. März 2005, [X.]. [X.], [X.]) – auf die [X.] des § 58 Abs. 1 [X.]G zurück. Auf die (bedenkliche) Ansicht des Amtsgerichts [X.], dass über den Verweis des § 11 AGStrafZustV auf die für die Umweltstrafsachen geltenden Regeln die §§ 7 ff. [X.] Anwendung finden, kommt es daher nicht mehr an.

Franke     

  

Appl     

  

Zeng

  

Grube     

  

Schmidt     

  

Meta

2 ARs 100/22

11.10.2022

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: ARs

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.10.2022, Az. 2 ARs 100/22 (REWIS RS 2022, 8743)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8743

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