Bundespatentgericht, Beschluss vom 12.05.2010, Az. 26 W (pat) 99/09

26. Senat | REWIS RS 2010, 6696

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Habt Ihr kein Zuhause?" – Werbeslogan - Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 307 30 401.9

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 12. Mai 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] [X.] sowie [X.] und Lehner

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des [X.] vom 13. Januar 2009 aufgehoben.

Gründe

I

1

Die Markenstelle für Klasse 38 des [X.] hat die Anmeldung der Wortmarke 307 30 401

2

[X.]?

3

für die Waren und Dienstleistungen

4

„Ton-, Bild- sowie Datenträger aller Art, insbesondere Tonbänder, Kassetten, [X.], Schallplatten, [X.], Videobänder, Disketten, CD-ROMs, sämtliche vorstehende Waren in bespielter und unbespielter Form; Computerprogramme und Software; Druckereierzeugnisse; Fotografien; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Werbung, Marketing, Marktforschung, Marktanalyse, Meinungsforschung; Bannerexchange , nämlich Vermietung von Werbeflächen im [X.]; [X.], nämlich Bestellannahme, [X.] und Rechnungsabwicklung für elektronische Bestellsysteme; Erstellen und Herausgabe von Statistiken; Aufstellen von [X.]; betriebswirtschaftliche Beratung; Zusammenstellen von Daten in Computerdatenbanken, insbesondere von Presseartikeln, Profilen und Informationen zu Immobilien; Versicherungswesen; Finanzwesen; Immobilienwesen; Ausgabe von Gutscheinen und Wertmarken; Telekommunikation, insbesondere datenverarbeitungsgestützte elektronische Informations- und Kommunikationsdienste für offene und geschlossene [X.]; Bildschirmtextdienst; Dienstleistungen von Presseagenturen; E-Mail-Datendienste; Bereitstellen von Informationen im [X.]; Sammeln und Liefern von Nachrichten im [X.]; Nachrichten- und Bildübermittlung mittels Computer; Onlinedienste, nämlich Übermittlung von Nachrichten und Informationen aller Art; Pagingdienste; Sammeln und Liefern von Pressemeldungen; Teletextservice; Übermittlung von Nachrichten, auch elektronisch; WAP-Messaging, nämlich Weiterleiten von Nachrichten aller Art an [X.]adressen; Errichten und Betreiben eines Newstickers in Form eines Onlinelaufbandes mit aktuellen Nachrichten und Informationen; Betreiben einer digitalisierten Medienplattform für den Austausch von Nachrichten und Informationen aller Art, auch unter Umwandlungen von Formaten in [X.] oder andere Ausgabemedien; Bereitstellung einer [X.] im [X.], Bereitstellung einer Hotline; Erziehung, Ausbildung, Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten; Veranstaltung von [X.] und deren Verbreitung im [X.]; Bereitstellung von Inhalten aus [X.], nämlich Sammeln und Liefern von Artikeln, Anzeigen, Fotos und sonstigen Informationsmitteln; Veröffentlichung und Herausgabe von [X.] sowie von elektronisch [X.] Text-, Grafik-, Bild- und Toninformationen sowie Sprachdaten, die über Datennetze abrufbar sind; [X.] Trainingsangebote; Entwicklung, Gestaltung und Produktion von Film-, Fernseh-, Rundfunk-, BTX-, [X.], [X.], [X.]programmen oder -sendungen, insbesondere von interaktiven Programmen oder Sendungen; Bereitstellung von Computerprogrammen in Datennetzen; Betrieb von Suchmaschinen für das [X.]; Datenspeicherung und Datenverarbeitung für Dritte; Design von Software; Sammeln, Speichern und zur Verfügung stellen von Software, Daten, Bildern, Audio- und/oder Videoinformationen; Vermittlung und Vermietung von Zugriffszeiten zu Datenbanken; digitale Bildbearbeitung, digitale Datenaufbereitung und digitale Datenverarbeitung; Entwicklungs- und Recherchedienste bezüglich Presseinformationen und Nachrichten; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Erstellung und Bereitstellung multimedialer Datenbanken (Bild, Film, Text mittels Intranet und [X.]), digitale Datenlieferung von [X.] am Erscheinungstag sowie Vergabe der Lizenz zur Speicherung für die Archivierung von Presseinformationen, insbesondere Artikeln und Anzeigen; Erstellen und Zusammenstellen von Daten, Texten, Bildern und Grafiken für Dritte; Durchführung von Recherchen in internen und externen Datenbanken und konventionellen Archiven; Bereitstellen eines Zugangs zu internen multimedialen Datenbanken mittels [X.] für Recherchen; Vermittlung und Vergabe von Zugangsberechtigungen für Benutzer zu unterschiedlichen Kommunikationsnetzen; Verwaltung und Verwertung von Urheberrechten und gewerblichen Schutzrechten für andere; Vermittlung, Verwertung und Verwaltung von Fernsehübertragungsrechten, insbesondere von Rechten für die Übertragung von Veranstaltungen im Fernsehen, wie zum Beispiel von Sportveranstaltungen; Vermittlung, Verwertung und Verwaltung von Rechten an Presse-, Rundfunk-, Fernseh- und Filmbeiträgen zur Verwendung auf Ton- und Bildträgern; Vermittlung, Verwertung und Verwaltung von Rechten an Zeitungs- und Zeitschriftenbeiträgen“

5

[X.]?“ handele es sich um einen Werbeslogan, in dem in negativ formulierter Weise danach gefragt werde, ob jemand eine Unterkunft, eine Wohnung oder ein Haus habe. Für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen der Klasse 36, die eine enge Verbindung zu Immobilien aufwiesen, werde die verfahrensgegenständliche Wortfolge lediglich als beschreibende Angabe aufgefasst. In Bezug auf die für die Klassen 9, 16, 41 und 42 angemeldeten Waren und Dienstleistungen des [X.] eigne sich das Zeichen als inhaltsbeschreibender Werktitel. Darüber hinaus fehle der angemeldeten Bezeichnung unabhängig von den konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen die Unterscheidungskraft, weil sie als [X.] Frage in der Alltagssprache gebräuchlich sei und vom angesprochenen Verkehr nur als solche und nicht als herkunftshinweisendes Unterscheidungsmittel verstanden werde.

6

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Ihrer Auffassung nach sei die Wortfolge „[X.]?“ phantasievoll, originell und mehrdeutig. Der Verkehr verwende diesen Ausspruch umgangssprachlich, um gegenüber einem Dritten seine Missbilligung für dessen Verhalten auszusprechen oder ihn zum Verlassen eines Ortes aufzufordern. Es bedürfe mehrerer gedanklicher Zwischenschritte, um einen Zusammenhang zwischen der negativ besetzten Frage „[X.]?“ und dem angemeldeten Waren- und Dienstleistungsverzeichnis herzustellen. Die Marke „[X.]?“ weise aus sich heraus keinen produkt- oder dienstleistungsbeschreibenden Charakter auf. Auch der Umstand, dass sich die Anmelderin als einziger Marktteilnehmer auf dem Immobiliensektor dieses Slogans bediene, belege die für eine Eintragung hinreichende Unterscheidungskraft des Prüfzeichens.

7

Die Anmelderin beantragt,

8

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des [X.] vom 13. Januar 2009 aufzuheben.

II

9

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist begründet. Dies führt zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses des [X.] vom 13. Januar 2009. Der Eintragung der Marke „[X.]?“ im Umfang ihrer Anmeldung steht keines der Schutzhindernisse der § 8 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 [X.] entgegen.

Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, die Waren oder Dienstleistungen, für welche die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren/Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Auch dieses Eintragungshindernis ist im Lichte des Allgemeininteresses auszulegen, das ihm zugrunde liegt, und das darin besteht, den freien Waren- oder Dienstleistungsverkehr zu gewährleisten (vgl. [X.] GRUR 2002, 804, 809 -

Werbeslogans wie das Anmeldezeichen „[X.]?“ sind hierbei wie andere Wortmarken zu behandeln, unterliegen also keinen strengeren Schutzvoraussetzungen und müssen insbesondere keine zusätzliche Originalität aufweisen (vgl. [X.] GRUR 2004, 1027, 1029 -

Ausgehend von diesen Grundsätzen kann der [X.] die für eine Eintragung erforderliche hinreichende Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Die Wortfolge „[X.] keine Zuhause?“ ist vieldeutig interpretierbar und lässt einen Zusammenhang zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht ohne weiteres Nachdenken erkennen. Das verfahrensgegenständliche Zeichen hat in mehreren Bedeutungen Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden. So steht „[X.]?“ nicht nur im Wortsinne für die Frage, ob die angesprochene Mehrheit von Personen über eine Unterkunft verfüge. Der Spruch wird in der Umgangssprache verwendet und bringt in ironischer oder scherzhafter Weise zum Ausdruck, dass die Anwesenheit einer Person an einem Ort unerwünscht sei oder deren Verhalten missbilligt werde. Der angesprochene Verkehr wird der Frage „[X.]?“ auch keinen unmittelbar beschreibenden Hinweis auf die für Klasse 36 angemeldeten Dienstleistungen aus dem Bereich der Immobilien- oder Finanzwirtschaft entnehmen. Mit dem Begriff „Zuhause“ verbindet der angesprochene Verkehr nicht nur das Heim des Adressaten, sondern auch dessen Lebensmittelpunkt, sei es im räumlichen Sinne als Wohnort, sei es im übertragenen Sinne als ein Gefühl der Geborgenheit. Diese Mehrdeutigkeit des Begriffs“ Zuhause“ führt dazu, dass der Verbraucher erst einen Denkprozess anstrengen muss, um aus dem Begriff „Zuhause“ bzw. aus dem [X.] „[X.]?“ auf eine Sachaussage in Bezug auf eine Immobilie schließen zu können. Ebenso wenig vermutet der angesprochene Durchschnittsverbraucher in der beim Adressaten verschiedene Assoziationen hervorrufenden Kennzeichnung „[X.]?“ einen inhaltsbeschreibenden Zusammenhang zu den angemeldeten Dienstleistungen aus dem Medienbereich. Das Anmeldezeichen setzt sich demzufolge nicht nur aus einer gewöhnlichen Werbeaussage zusammen, sondern löst einen das Eintragungshindernis mangelnder Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] überwindenden Denkprozess aus und erfordert jedenfalls ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand (vgl. [X.] a. a. O. -

Der Eintragung des [X.] steht auch nicht das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegen. Bei der Wortfolge „[X.]?“ handelt es sich nicht um eine beschreibende Angabe, die im Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen, wie [X.] ihrer Art, Beschaffenheit oder Bestimmung, dienen kann. Es ist auch nicht ersichtlich, dass Mitbewerber der Anmelderin auf die Verwendung einer Marke mit einer mit dem Prüfzeichen übereinstimmenden Wortfolge angewiesen wären. Ein Freihaltebedürfnis an der angemeldeten Kennzeichnung besteht daher nicht.

Meta

26 W (pat) 99/09

12.05.2010

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 12.05.2010, Az. 26 W (pat) 99/09 (REWIS RS 2010, 6696)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6696

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