Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.11.2012, Az. VI ZB 64/11

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 1248

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI [X.]/11
vom
20. November 2012
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 91 Abs. 4, § 103 Abs. 1, § 126 Abs. 1
Zahlt die obsiegende [X.] im Verlaufe des Rechtsstreits auf einen vom gegneri-schen Rechtsanwalt gemäß §
126 Abs.
1 ZPO auf dessen eigenen Namen erwirkten [X.] und erlischt dessen Beitreibungsrecht durch die [X.] oder Änderung der [X.], so kann die [X.] die gezahlten Kosten gegen den Anwalt [X.] lassen.

[X.], Beschluss vom 20. November 2012 -
VI [X.]/11 -
[X.]

LG Hamburg

-
2
-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat am 20. November 2012 durch den Vorsitzenden [X.], den
[X.] [X.], die [X.]in [X.], den
[X.] Pauge und die [X.]in von Pentz
beschlossen:
1.
Die Rechtsbeschwerde des [X.] gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats des [X.] vom 31.
August 2011 wird als unzulässig verworfen.
2.
Die Rechtsbeschwerde des
Antragsgegners
gegen den Be-schluss des 8. Zivilsenats des [X.] vom 31.
August 2011
wird zurückgewiesen.
3.
Die Kosten des
Rechtsbeschwerdeverfahrens
haben
die Rechtsbeschwerdeführer zu tragen.
[X.]: 1.032,85

Gründe:
I.
Der
Antragsgegner ist dem Kläger auf dessen Prozesskostenhilfeantrag hin vom [X.] als Prozessbevollmächtigter beigeordnet worden. Nach-dem der Kläger in erster Instanz obsiegt hatte, beantragte der Antragsgegner gemäß §
126 Abs.
1 ZPO im eigenen Namen die Festsetzung seiner Gebühren und Auslagen gegen die Beklagte. Mit Beschluss vom 12.
Juni 2009 setzte das 1
-
3
-

[X.] die von der [X.] an den Antragsgegner zu zahlenden Kosten auf
1.024,30

fest. Die Beklagte zahlte den festgesetzten Betrag nebst Zinsen in Höhe von 8,55

,
an den Antrags-gegner. Mit Urteil vom 1.
Februar 2011 änderte
der [X.] das Ur-teil des [X.]s ab, wies die Klage ab
und erlegte dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auf.
Mit [X.] vom 24.
Mai 2011 hat das [X.] auf Antrag der [X.] den von dieser
auf den [X.] vom 12.
Juni 2009 gezahlten Betrag gegen den Antragsgegner rückfestgesetzt. Mit seiner sofortigen Beschwerde hat der Antragsgegner geltend gemacht, die zurückzuzahlenden Kosten könnten nicht gegen den Prozessbevollmächtigten persönlich festgesetzt werden. Das [X.] hat die sofortige Be-schwerde mit der klarstellenden Maßgabe zurückgewiesen, dass die festge-setzten Kosten nebst Zinsen vom Antragsgegner zu erstatten seien. Mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antrags-gegner sein Begehren weiter.

II.
Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, das [X.] habe die Rückfestsetzung der von der [X.] an den Antragsgegner als beigeordne-ten Prozessbevollmächtigten des [X.] gezahlten Kosten zu Recht vorge-nommen. Zwar erfasse §
91 Abs.
4 ZPO nach seinem Wortlaut nicht den Fall, dass die obsiegende [X.] an den Prozessbevollmächtigten der unterlegenen [X.], der sein Beitreibungsrecht nach §
126 Abs.
1 ZPO ausgeübt habe, [X.] habe. Die Anwendbarkeit der Bestimmung müsse aber auf die vorliegende Fallkonstellation ausgedehnt werden. Denn der Sache nach sei es dem Ge-2
3
-
4
-

setzgeber bei Einführung der Bestimmung darum gegangen, die [X.] solcher Zahlungen im vereinfachten Kostenfestsetzungsverfahren abzusi-chern, die die im Rechtsstreit zunächst unterlegene [X.] vor ihrem späteren Obsiegen geleistet habe, weil diese Kosten zunächst entsprechend festgesetzt worden seien. So liege die Sache hier, da die Zahlung an den Antragsgegner auf die entsprechende Kostenfestsetzung gemäß §
126 ZPO erfolgt sei. Die im Endeffekt obsiegende [X.] dürfe nicht schlechter gestellt werden, als sie stände, wenn ihr Gegner und nicht dessen Prozessbevollmächtigter im eigenen Namen die Kostenfestsetzung beantragt hätte.

III.
1. Die Rechtsbeschwerde des [X.] ist unzulässig.
Sie ist nicht statt-haft, da ihre Statthaftigkeit weder im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist noch das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde in Bezug auf den Kläger zugelassen hat (§
574 Abs.
1 Satz 1 ZPO). Es fehlt darüber hinaus an der erforderlichen Beschwer des [X.] und einer Begründung der Rechtsbeschwerde (§
575 Abs.
2, §
577 Abs.
1 ZPO).
2. Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners ist gemäß §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass die mit [X.] vom 12.
Juni 2009 gemäß §
126 Abs.
1 ZPO zugunsten des Antragsgegners festgesetzten und von der [X.] an diesen gezahlten Kosten nach der Abänderung des dem Kostenfestsetzungs-beschluss zugrunde liegenden Urteils
des [X.]s vom 15.
Mai 2009 ge-gen den Antragsgegner rückfestgesetzt werden konnten. Dies ergibt sich aus einer Rechtsanalogie zu den Bestimmungen in §
91 Abs.
4, §
103 Abs.
1, §
126 4
5
-
5
-

Abs.
1 ZPO. Diesen Bestimmungen ist das übergeordnete Prinzip zu entneh-men, dass aufgrund einer [X.] im Kostenfest-setzungsverfahren festgesetzte und von der obsiegenden [X.] im Verlauf des Rechtsstreits gezahlte Kosten nach Änderung der Kostengrundentscheidung im selben Verfahren gegen den Titelgläubiger rückfestgesetzt werden können.
a)
Gemäß §
91 Abs.
4 ZPO gehören zu den Kosten des Rechtsstreits auch die Kosten, die die obsiegende [X.] der unterlegenen [X.] im Verlauf des Rechtsstreits gezahlt hat. §
91 Abs.
4 ZPO ist durch Art.
1 Nr.
3
des Ersten Gesetzes zur Modernisierung der Justiz vom 24.
August 2004 ([X.]
I 2198) eingefügt worden. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 15/1508, S.
16) sollte die herrschende Praxis, die eine Rückfestsetzung von im [X.] festgesetzten Kosten unter bestimmten Voraussetzungen zu-ließ, gesetzlich abgesichert werden (vgl. BT-Drucks. 15/1508,
S.
16
f.). Es gebe keinen sachlichen Grund, weshalb der Gläubiger seinen Kostenerstattungsan-spruch aufgrund eines vorläufigen Titels im vereinfachten Kostenfestsetzungs-verfahren geltend machen könne, der zahlungsbereite Schuldner nach Aufhe-bung oder Änderung der Kostengrundentscheidung hingegen nicht. In beiden Fällen handele es sich um prozessuale Ansprüche, die materiell-rechtliche Ent-sprechungen hätten. Beide würden für sich genommen keine Schwierigkeiten aufwerfen, die eine Prüfung durch den [X.] erforderlich machten (BT-Drucks. 15/1508, S.
16). Mit der Bestimmung des §
91 Abs.
4 ZPO sollte die von der herrschenden Praxis bereits bewirkte Waffengleichheit der [X.]en abgesichert werden. Die [X.], die auf der Grundlage einer vorläufigen Kostengrundent-scheidung die Festsetzung ihrer Kosten im vereinfachten Kostenfestsetzungs-verfahren erreicht hatte, soll nach Änderung der Kostengrundentscheidung [X.] müssen, dass der Titel zu gleichen Bedingungen wieder rückgängig gemacht wird (vgl. [X.], [X.], 1329, 1331).
6
-
6
-

b)
Bei der Schaffung des §
91 Abs.
4 ZPO hat der Gesetzgeber ersicht-lich nicht den Fall bedacht, dass
die obsiegende [X.] -
wie im vorliegenden Fall
-
im Verlaufe des Rechtsstreits Kosten
an den Prozessbevollmächtigten der unterlegenen [X.] gezahlt hat, die dieser gemäß §
126 Abs.
1 ZPO in seinem eigenen Namen hat festsetzen lassen. In dieser Fallkonstellation ist die Interes-senlage vergleichbar mit derjenigen, die der Regelung der §
91 Abs.
4, §
103 Abs.
1 ZPO zugrunde liegt.
aa) §
126 Abs.
1 ZPO gibt dem der bedürftigen [X.] beigeordneten Rechtsanwalt als Ergänzung zu den §§
91
ff., §§
103
ff. ZPO
ein eigenes [X.]. Er kann von dem unterlegenen Gegner insbesondere auch [X.], die er von seiner bedürftigen [X.] ge-mäß §
122 Abs.
1 Nr.
3 ZPO
nicht verlangen kann, solange ihr Prozesskosten-hilfe gewährt wird
(vgl. [X.], Beschlüsse vom 14.
Februar 2007 -
XII ZB 112/06, N[X.]-RR 2007, 1147 Rn.
11; vom 9.
Juli 2009 -
VII
ZB 56/08, [X.], 2962 Rn.
7; [X.] in [X.], ZPO, 22.
Aufl., §
126 Rn.
1; [X.]/[X.], ZPO, 9.
Aufl., §
126 Rn.
1). Der Rechtsanwalt erwirbt eine Stel-lung, die in derjenigen des Überweisungsgläubigers nach §
835 ZPO eine ge-wisse Parallele findet. Das Beitreibungsrecht des Anwalts nach §
126 ZPO und der Kostenerstattungsanspruch der bedürftigen [X.] stehen zwar selbständig nebeneinander.
Die [X.] kann aber nicht mit Wirkung gegenüber dem Anwalt über den Kostenerstattungsanspruch verfügen;
eine Zahlung des Gegners an die [X.] wirkt
nicht
gegenüber dem Anwalt (vgl.
[X.], Beschluss vom 14.
Februar 2007 -
XII
ZB 112/06, aaO; [X.] in [X.], aaO; [X.]/[X.], aaO Rn.
9; Pukall in Hk-ZPO, 4.
Aufl., §
126 Rn.
5; vgl.
zu §
124
ZPO
aF: [X.], Urteil vom 6. März 1952 -
IV
ZR 171/51,
[X.]Z 5, 251, 253).
Ein endgültiges Beitreibungsrecht erwirbt der Rechtsanwalt erst dann, wenn die Verurteilung der gegnerischen [X.]
in die Kosten Rechtskraft erlangt 7
8
9
-
7
-

oder sie
durch Vergleich endgültig kostenpflichtig
wird. Wird die vorläufig [X.], auf deren Grundlage der Rechtsanwalt seine Gebühren und Auslagen gemäß §
126
Abs.
1 ZPO beigetrieben hat, da-gegen aufgehoben oder abgeändert, so erlischt das Beitreibungsrecht des [X.]; der gegnerischen [X.] erwächst ein Schadensersatzanspruch aus §
717 Abs.
2 ZPO unmittelbar gegen den Rechtsanwalt (vgl. [X.], [X.] 1932,
672
f.; [X.]/Motzer, 3.
Aufl., §
126 Rn.
7; [X.] in [X.]/
[X.], aaO Rn.
4; [X.]/[X.], ZPO, 29.
Aufl., §
126 Rn.
2; Pukall in Hk-ZPO, aaO Rn.
3; [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 33. Aufl., §
126 Rn.
2). Liegen die Voraussetzungen des §
717 Abs.
2 ZPO nicht vor, so steht der gegnerischen [X.], die
nach Festsetzung der Kosten auf den Namen des Anwalts an diesen gezahlt hat, bei Aufhebung oder Abänderung der vorläufigen Kostengrundent-scheidung ein Rückzahlungsanspruch aus §
812 Abs.
1 Satz
1 Fall 1
[X.] zu. Denn durch die Zahlung an den Titelgläubiger hat sie diesem gegenüber eine Leistung erbracht. Sie hat
dessen Vermögen bewusst gemehrt und
ihm gegen-über einen eigenen Leistungszweck verfolgt (vgl. zur Leistung an den Pfand-gläubiger: [X.], [X.], 389, 391; [X.]/[X.], [X.], 71.
Aufl., §
812 Rn.
66 aE).
bb) Der der bedürftigen [X.] im Prozesskostenhilfeverfahren beigeord-nete Rechtsanwalt kann seine [X.] gegen die gegnerische [X.] aufgrund der [X.] im vereinfachten Kosten-festsetzungsverfahren geltend machen. Es ist kein sachlicher Grund dafür er-sichtlich, weshalb
die gegnerische [X.], die aufgrund des auf den Namen des Anwalts ergangenen [X.]es an diesen
gezahlt hat, ihren Rückerstattungsanspruch gegen ihn
bei Aufhebung oder Abänderung der [X.] hingegen in einem anderen Verfahren und zu anderen Bedingungen verfolgen muss. Auch in diesem Fall wirft die Rückerstattung für sich genommen keine Schwierigkeiten auf, die eine Prüfung 10
-
8
-

durch den [X.] erforderlich machen. Zahlt die [X.] auf einen
vom gegneri-schen Anwalt gemäß §
126 Abs.
1 ZPO auf dessen eigenen Namen erwirkten [X.] und erlischt dessen Beitreibungsrecht durch die Aufhebung oder Änderung der [X.], so ist die Höhe des dann bestehenden Rückerstattungsanspruchs eindeutig feststellbar. Insoweit ist die Interessenlage vergleichbar mit derjenigen, die der Regelung des §
91 Abs.
4 ZPO zugrunde liegt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
97 Abs.
1 ZPO.
Galke
[X.]
Diederichsen

Pauge
von Pentz

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 24.05.2011 -
324 O 587/08 -

[X.], Entscheidung vom 31.08.2011 -
8 W 26/11 -

11

Meta

VI ZB 64/11

20.11.2012

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.11.2012, Az. VI ZB 64/11 (REWIS RS 2012, 1248)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1248

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VI ZB 64/11 (Bundesgerichtshof)

Kostenfestsetzungsverfahren: Rückfestsetzung an einen gegnerischen Prozesskostenhilfeanwalt gezahlter Kosten nach Aufhebung oder Änderung der vorläufigen Kostengrundentscheidung


VII ZB 56/08 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 241/15 (Bundesgerichtshof)

Kostenerstattungsanspruch: Rangfolge des Beitreibungsrechts des beigeordneten Rechtsanwalts und der Pfändung des Kostenerstattungsanspruchs der Partei


VI ZR 379/21 (Bundesgerichtshof)

Vollstreckungsgegenklage gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss: Gesamt- oder Teilgläubigerschaft obsiegender Streitgenossen bezüglich eines Kostenerstattungsanspruchs


I-2 W 6/18 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

VI ZB 64/11

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.