Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2011, Az. 4 StR 163/11

4. Strafsenat | REWIS RS 2011, 6834

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 163/11

vom
11. Mai
2011
in der Strafsache
gegen

wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes
u. a.

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Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 11. Mai
2011
gemäß §
349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 15. Dezember
2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugend-schutzkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen [X.] eines Kindes in vier
Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs
Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung ma-teriellen Rechts. Sein Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Nach den Feststellungen kam es in
den Sommerferien
2006
auf ei-nem Ruderboot und danach bis zum 14. Oktober 2007 weitere
sechsmal im Kinderzimmer der Wohnung jeweils in gleicher Weise zu sich in der Intensität steigernden sexuellen Handlungen zwischen dem Angeklagten und seiner
Stieftochter, der am 15. Oktober
1993
geborenen Nebenklägerin. Der Ange-klagte hat die Tatvorwürfe bestritten. Das [X.] hat seine Überzeugung allein aufgrund der Angaben der Nebenklägerin gewonnen, an deren Glaub-würdigkeit es keine Zweifel hat.
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2. Die Beweiswürdigung leidet an einem durchgreifenden [X.].
In einem Fall,
in dem,
wie hier, Aussage gegen Aussage steht und die Entscheidung allein davon abhängt, welcher Aussage das Tatgericht Glauben schenkt, müssen alle Umstände, die die Entscheidung zu beeinflussen geeig-net sind, in die Überlegungen des Tatrichters einbezogen werden (st. Rspr.,
vgl. nur [X.], Beschluss vom 19. Oktober 2000

1 StR 439/00, [X.]R StPO §
261, Beweiswürdigung 23). Diesen Grundsatz hat die [X.] in ihrer ausführlichen Beweiswürdigung zwar beachtet, sie hat allerdings einen gewich-tigen
Umstand, der
für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussage
der [X.] von wesentlicher Bedeutung ist, nur unzureichend erörtert.

Nach dem Inhalt des Urteils trennte sich
die Mutter der Nebenklägerin im Mai 2008 vom Angeklagten. Der Angeklagte weigerte sich, aus der gemeinsa-men Wohnung auszuziehen und strebte das Sorgerecht für die beiden gemein-samen Kinder
an. Im Juli 2008 machte die Familie noch einmal gemeinsam Urlaub. Die Nebenklägerin führte zu Beginn des Urlaubs ein Gespräch mit der Mutter des Angeklagten, in dem sie deutlich machte, dass sie ein Sorgerecht des Angeklagten für ihre beiden Halbgeschwister nicht befürworte. Zu der [X.] des Angeklagten sagte sie sinngemäß, dass sie verhindern werde, dass der Angeklagte das Sorgerecht für seine beiden Kinder bekomme und dafür alles tun werde. Sie habe sich dazu bereits im [X.] schlau gemacht und etwas gefunden, was nur Kinder tun könnten. Etwa eine Woche später eskalierten die Streitigkeiten innerhalb der Familie und es kam zur Anzeige der [X.].
Das [X.] teilt in der Beweiswürdigung mit
([X.]), dass die Äußerung der Nebenklägerin gegenüber der Mutter des Angeklagten und das 3
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insgesamt schlechte Verhältnis der Nebenklägerin zum Angeklagten im Jahre 2008 im Gutachten der aussagepsychologischen Sachverständigen berücksich-tigt und im Rahmen der Hypothese einer bewussten Lüge oder eines Komplotts ausführlich thematisiert worden seien. Wie bereits erörtert,
habe die These [X.] bewussten Falschaussage, um den Angeklagten aus der Familie zu drän-gen, sich an ihm zu rächen oder ihm im Sorgerechtsstreit zu schaden,
von der Sachverständigen auf überzeugende Art und Weise verneint werden können.
Diese Form der Beweiswürdigung erweist sich als lückenhaft. Aus den vorangegangenen Erörterungen der Falschaussagehypothese im Urteil ist eine hinreichende Auseinandersetzung der Sachverständigen oder des Tatrichters mit der fraglichen Äußerung nicht erkennbar. Die Äußerung wird im [X.] mit der Prüfung der Falschaussagehypothese lediglich im Hinblick darauf erwähnt, dass die Nebenklägerin in den Konflikt um den Sorgerechts-streit um die Halbgeschwister einbezogen war und sich die Position der Mutter zu eigen gemacht hatte ([X.]). Keine Erörterung findet aber die Frage, was die Nebenklägerin im [X.] gefunden hat, was nur Kinder tun können. Um 7
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die Relevanz dieses Teils der Äußerung für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit
der Nebenklägerin revisionsrechtlich nachprüfen zu können, hätte es hier zu-dem der Mitteilung bedurft, welche Erklärung die Nebenklägerin selbst für diese Äußerung gegeben hat.

[X.]Franke

Mutzbauer Bender

Meta

4 StR 163/11

11.05.2011

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2011, Az. 4 StR 163/11 (REWIS RS 2011, 6834)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6834

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