Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.12.2000, Az. VI ZR 411/99

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2000, 178

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[X.] DES VOLKESURTEILVI ZR 411/99Verkündet am:12. Dezember 2000Holmes,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z: neinBGB § 254 Da, [X.] 1970 § 21a Abs. 1a)Einem Kfz-Insassen, der den Sicherheitsgurt nicht anlegt, fällt grundsätzlich [X.] (§ 254 Abs. 1 BGB) an seinen infolge der Nichtanlegung [X.] erlittenen Unfallverletzungen zur Last (Fortsetzung der [X.] Rspr., vgl.[X.], 268, 270 m.w.[X.])Die Gurtanlegepflicht "während der Fahrt" nach § 21a Abs. 1 Satz 1 [X.] bestehtauch bei kurzzeitigem verkehrsbedingten Anhalten.[X.], Urteil vom 12. Dezember 2000 - [X.] LG Neubrandenburg- 2 -- 3 -Der VI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] durch die Vorsitzende Richterin [X.], die [X.]. v. [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.] Recht erkannt:Auf die Revision der [X.] wird das Urteil des [X.] vom 22. November 1999 aufge-hoben.Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen.Von Rechts [X.]:Der Kläger verlangt von den [X.] Schadensersatz aus einem [X.] vom 24. Mai 1993, bei dem er als Fahrer eines gepanzerten Klein-transporters seiner Arbeitgeberin, einer Wach- und Schließgesellschaft, ver-letzt wurde, weil der Beklagte zu 2) mit einem bei der [X.] zu 1) haft-pflichtversicherten Sattelzug auf den verkehrsbedingt haltenden Kleintrans-porter auffuhr, diesen gegen ein weiteres Fahrzeug und sodann nach rechtsgegen einen [X.] -Das [X.] hat die [X.] unter Berücksichtigung vorgerichtlichgezahlter 2.000 DM antragsgemäß zur Zahlung eines weiteren [X.] in Höhe von 28.000 DM wegen der vom Kläger durch den Unfall erlitte-nen Schädigung seines Geschmacks- und Geruchssinns verurteilt und ihreEinstandspflicht für die sich zukünftig aus dem Unfallereignis ergebenden [X.] und immateriellen Schäden festgestellt. In der Berufungsinstanz habendie [X.] erstmals ein Mitverschulden des [X.] an seinen unfallbe-dingten Verletzungen geltend gemacht, und behauptet, dieser habe bei [X.] keinen Sicherheitsgurt getragen. Das [X.] hat dieBerufung ohne hierüber Feststellungen zu treffen zurückgewiesen und die Re-vision der [X.] wegen der von ihm bejahten Frage zugelassen, ob [X.] des verkehrsbedingten Anhaltens die Gurtanlegepflicht entfallen sei.Mit ihrer Revision verfolgen die [X.] ihren Klageabweisungsantragweiter.Entscheidungsgründe:I.Nach Auffassung des Berufungsgerichts fiele dem Kläger auch bei [X.] Richtigkeit der Behauptung der [X.], dieser sei im [X.] nicht angegurtet gewesen, kein Mitverschulden im Sinne des § 254Abs. 1 BGB zur Last, weil er in diesem Zeitpunkt zur Anlegung des [X.] nicht verpflichtet gewesen sei. Zum einen sei die Gurtanlegepflichtentfallen, weil die tatbestandliche Voraussetzung des § 21 a Abs. 1 Satz 1[X.] "während der Fahrt" begrifflich beim [X.] nicht er-füllt sei. Zum anderen sei der Führer eines [X.] auch in entspre-- 5 -chender Anwendung des [X.] aus § 21 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1[X.] ebenso wie ein [X.]- oder Mietwagenfahrer bei der Fahrgastbeförderungvon der Pflicht zur Anlegung des Sicherheitsgurtes befreit, weil er sich auch beikurzzeitigen [X.] in einer vergleichbaren potentiell gefährli-chen Situation befinde.[X.] Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nicht stand.1. Das Berufungsgericht geht zwar mit der ständigen [X.] erkennenden Senats zutreffend davon aus, daß einem Kfz-Insassen, derden Sicherheitsgurt nicht anlegt, grundsätzlich ein Mitverschulden (§ 254Abs. 1 BGB) an seinen infolge der Nichtanlegung des Gurtes erlittenen [X.] fällt ([X.]Z 74, 25 ff., 30; 83, 71, 73; 119, 268, 270; Se-natsurteile vom 10. April 1979 - [X.] - VersR 1979, 532; vom 10. [X.] - VersR 1981, 548, 549 und vom 9. November 1982 -VI [X.] - [X.], 153). Rechtsfehlerfrei nimmt es auch an, daß [X.] dem Unfallopfer ein Nichtanschnallen nicht als Mitverschulden vor-halten kann, wenn im konkreten Fall eine Gurtanlegepflicht nach § 21 a Abs. 1Satz 1 [X.] nicht bestand oder eine Ausnahme im Sinne des § 21 a Abs. 1Satz 2 [X.] vorlag (vgl. [X.], 268, 272). Die Erwägungen, mit denen [X.] im vorliegenden Fall eine Gurtanlegepflicht des [X.] imUnfallzeitpunkt verneint hat, halten jedoch revisionsrechtlicher Überprüfungnicht stand.2. Der Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger sei nicht zum An-legen des Sicherheitsgurtes nach § 21 a Abs. 1 Satz 1 [X.] verpflichtet gewe-- 6 -sen, weil das von ihm geführte Fahrzeug im Unfallzeitpunkt gestanden habe,kann aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden.Allerdings wird die Formulierung "während der Fahrt" in dieser Vorschriftin Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich verstanden. Die vom [X.] favorisierte Meinung versteht hierunter unter Hinweis auf die ver-meintliche Eindeutigkeit des Wortes "Fahrt" nur den Zustand der Bewegungdes Fahrzeuges, der beim - auch nur kurzzeitigen - Anhalten nicht gegeben sei(vgl. [X.] ZfS 1981, 326; [X.] 1986, 28; [X.] VRS 72, 211;[X.] NJW 1986, 1307, 1311; [X.]/[X.], [X.] Aufl., [X.] § 21 a Rdn. 3). Nach der Gegenansicht ist der Begriff der"Fahrt" weiter zu verstehen und umfaßt auch kurzzeitige verkehrsbedingte[X.] (vgl. [X.], 299; [X.] VRS 72, 75; [X.], 1510; [X.] NStZ 1987, 270, 274).Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Der [X.] "Fahrt" ist nach allgemeinem Sprachgebrauch nicht eindeutig. Hierunter ist,wie u.a. die Verwendung dieses Begriffes in der für die Führung von [X.] maßgeblichen Vorschrift des § 31 a StVZO zeigt, nicht nur der [X.] zu verstehen, den die [X.] in der Regel mit dem ent-sprechenden Tätigkeitswort "fahren" oder seinen Abwandlungen umschreibt(vgl. §§ 2 ff.), sondern auch der Gesamtvorgang der Benutzung des [X.] als Beförderungsmittel im Straßenverkehr, um von einem Ort zum an-deren zu gelangen (vgl. [X.], 299, 300). Dieser einheitliche [X.] nicht dadurch beendet, daß das Fahrzeug vor dem Rotlicht einer Ampel-anlage, einem Stopschild oder durch sonstige verkehrsbedingte [X.] angehalten [X.] solchen Auslegung des Begriffes "Fahrt" im Sinne des § 21 aAbs. 1 Satz 1 [X.] gebührt bereits deshalb der Vorzug, weil es mit dem [X.] Zweck der Vorschrift, durch die Einführung einer Anschnallpflicht die Zahlder Verkehrstoten und (Schwer-)Verletzten zu senken, schlechterdings unver-einbar wäre, gefahrenträchtige Situationen verkehrsbedingten Anhaltens hier-von auszunehmen.Etwas anderes läßt sich auch nicht aus § 21 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 [X.]herleiten, wonach auch Fahrten mit Schrittgeschwindigkeit von der Anschnall-pflicht ausgenommen sind (a.A. wohl [X.] NJW 1986, 1307, 1312). [X.] dieser Ausnahmevorschrift ebenfalls von "Fahrten" und nicht vom "Fahren"und von [X.] wie Rückwärtsfahren und Fahren auf Parkplätzen dieRede ist, spricht dafür, unter "Fahrten mit Schrittgeschwindigkeit" nur solcheVerkehrsvorgänge zu verstehen, die von vornherein nur auf das Fahren mitSchrittgeschwindigkeit angelegt und außerdem weniger gefahrenträchtig sind,weil sie sich abseits des fließenden Verkehrs oder im Übergangsbereich zwi-schen fließendem und ruhenden Verkehr abspielen (so zutreffend [X.],299, 300). Deshalb kommt es letztlich auch nicht darauf an, ob der Kläger - [X.] Revision im Rahmen einer Verfahrensrüge geltend macht - im [X.] bereits hinter dem vor ihm haltenden Fahrzeug völlig zum Stillstand ge-kommen war oder noch mit Schrittgeschwindigkeit auf dieses zufuhr.3. Soweit das Berufungsgericht eine Gurtanlegepflicht für den Fahrer [X.] "in entsprechender Anwendung des [X.]"aus § 21 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] verneint, kann dem aus [X.] nicht beigetreten werden.Gegen eine Analogie spricht bereits, daß die in §§ 21 a Abs. 1 Satz 2und 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 [X.] geregelten Fälle Ausnahmen darstellen, an- 8 -die strenge Anforderungen zu stellen sind (vgl. Senat [X.]Z 83, 71, 73 ff.; 119,268, 272). Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß in der Nichtberück-sichtigung anderer Berufsgruppen als [X.]- oder Mietwagenfahrern eine plan-widrige Gesetzeslücke vorliegt, die einer Ausfüllung durch die [X.] wäre.Im übrigen fehlt es an einer Vergleichbarkeit der Fälle. Nach der amtli-chen Begründung ([X.]. 75, 675 ff., insoweit auszugsweise abgedruckt bei [X.]/[X.], aaO, Rdn. 1) hielt der Gesetzgeber die Befreiung der [X.]-und Mietwagenfahrer von der Gurtanlegepflicht bei der Fahrgastbeförderungfür geboten, weil feststand, daß schon wiederholt Angehörige dieser [X.] einem Anschlag auf ihr Leben nur deshalb entgehen konnten, weil siesich aus der geöffneten Tür ihres Fahrzeuges fallen ließen. Die Revision machtmit Recht geltend, daß der Fahrer eines [X.] im Gegensatz [X.] oder Mietwagenfahrern keinen entsprechenden Gefahren aus dem [X.] Fahrzeuges ausgesetzt i[X.] Ob der Fahrer eines [X.] Gefah-ren für Leib oder Leben, die ihm bei einem verkehrsbedingten Anhalten vonaußerhalb seines gepanzerten Fahrzeuges drohen, ebenfalls besser ohne an-gelegten Sicherheitsgurt begegnen könnte, bedarf keiner Entscheidung, zumalentsprechende Gefahren wegen der im [X.] oder Mietwagen befindlichenGeldbeträge den Gesetzgeber ebenfalls nicht bewogen haben, deren Fahrerbei Leerfahrten von der Gurtanlegepflicht zu befreien.- 9 -4. Das Berufungsgericht wird mithin Feststellungen zu der [X.] [X.] nachzuholen haben, der Kläger habe im Unfallzeitpunkt den [X.] nicht angelegt gehabt und deshalb seine unfallbedingten Verlet-zungen mitverschuldet.[X.]Dr. v. [X.][X.]ist wegen Urlaubs ander Unterschrift verhindert[X.][X.]Diederichsen

Meta

VI ZR 411/99

12.12.2000

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.12.2000, Az. VI ZR 411/99 (REWIS RS 2000, 178)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 178

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