Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.07.2023, Az. 2 StR 141/23

2. Strafsenat | REWIS RS 2023, 5754

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 12. Januar 2023

a) im Schuldspruch dahin berichtigt, dass der Angeklagte des sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Herstellung einer kinderpornographischen Schrift und wegen Besitzes kinderpornographischer Inhalte schuldig ist,

b) aufgehoben

aa) im Ausspruch zu der Einzelstrafe im Fall II. 1 der Urteilsgründe und

bb) im [X.].

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen „sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen, jeweils tateinheitlich begangen mit der Herstellung kinderpornographischer Inhalte sowie des Besitzes von kinderpornographischen Inhalten“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussfassung ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

1. [X.] ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

3

2. Die auf die erhobene Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils führt zur Berichtigung des Schuldspruchs in den Fällen [X.] und II. 2 der Urteilsgründe, ferner zur Aufhebung des Strafausspruchs im Fall [X.] der Urteilsgründe und des Gesamtstrafenausspruchs. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

4

a) Der Schuldspruch in den Fällen [X.] und II. 2 der Urteilsgründe war aus den Gründen der Zuschrift des [X.] dahin zu berichtigen, dass sich der Angeklagte des sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit der Herstellung kinderpornographischer Schriften (nicht Inhalte) schuldig gemacht hat. Der Tenor folgt der zur Tatzeit gültigen Gesetzesfassung des § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB vom 13. April 2017. Dem Schuldspruch im Fall III. 3 der Urteilsgründe liegt § 184b Abs. 3 StGB in der Fassung vom 16. Juni 2021 zugrunde, so dass sich der Angeklagte insoweit des Besitzes kinderpornographischer Inhalte schuldig gemacht hat.

5

b) Im Fall [X.] der Urteilsgründe erweist sich die tateinheitliche Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes nach § 176 Abs. 1 StGB in der Fassung vom 21. Januar 2015 als rechtsfehlerhaft. Der Schuldspruch hat gleichwohl Bestand, weil die Feststellungen eine Verurteilung nach § 176 Abs. 4 Nr. 2 StGB in der Fassung vom 21. Januar 2015 tragen.

6

aa) Nach den [X.] Feststellungen zog der Angeklagte, um sich sexuell zu erregen, zwischen dem 27. Dezember 2017 und dem 29. April 2018 seinem damals drei oder vier Jahre alten Neffen die Shorts herunter und veranlasste diesen dazu, selbst seinen Penis in die Hand zu nehmen, sowie ihn in sexuell aufreizender Weise sein Gesäß zu präsentieren.

7

bb) Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 176 Abs. 1 Nr. 1 StGB aF nicht festgestellt. Die Vorschrift untersagt die Vornahme einer sexuellen Handlung mit körperlicher Berührung zwischen Täter und Kind (vgl. NK-StGB/[X.], 6. Aufl., § 176 Rn. 16). Das vom [X.] festgestellte Herunterziehen der Shorts des Geschädigten, das in diesem Fall die einzige Handlung darstellt, durch die der Angeklagte Körperkontakt zu dem Kind herstellte, erfüllt die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift noch nicht. Das Ausziehen eines Kindes stellt sich regelmäßig nicht als sexuelle Handlung an dessen Körper dar, wenn nicht das [X.] seinerseits mit einer sexuellen Handlung am Körper verbunden ist; das bloße Entfernen der Kleidung führt nicht zu dem körperlichen Kontakt, der für eine sexuelle Handlung im Sinne des § 176 Abs. 1 StGB aF erforderlich ist (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Beschlüsse vom 14. Juni 2016 – 3 [X.], [X.], 39 f.; vom 23. Februar 2017 – 1 [X.], [X.], 140, 141 mwN; vom 1. Februar 2022 – 4 [X.], juris Rn. 8).

8

cc) Der Angeklagte hat sich indes des sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176 Abs. 4 Nr. 2 StGB aF schuldig gemacht. Er hat den Geschädigten dazu bestimmt, an sich sexuelle Handlungen vorzunehmen und vor ihm zu posieren. Sowohl das Anfassen des eigenen Penis wie auch das Posieren, zu dessen Vornahme der Angeklagte das Kind aufforderte, enthalten eine – nicht unerhebliche (§ 184h Nr. 1 StGB) – sexuelle Handlung, durch die der Betrachter sexuell provoziert werden soll (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 17. Dezember 1997 – 3 StR 567/97, [X.]St 43, 366, 368).

9

c) Die Einzelstrafe im Fall [X.] der Urteilsgründe hat keinen Bestand. Während eine Verurteilung nach § 176 Abs. 1 StGB aF Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, wie von der [X.] auch angenommen, vorsah, eröffnet der Schuldspruch nach § 176 Abs. 4 Nr. 2 StGB aF lediglich einen Strafrahmen zwischen drei Monaten und fünf Jahren Freiheitsstrafe, mithin den identischen Strafrahmen wie die tateinheitliche Verurteilung nach § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB aF. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das [X.] bei Anwendung des zutreffenden Strafrahmens eine geringere Einzelstrafe zugemessen hätte.

d) Der Wegfall der Einzelstrafe im Fall [X.] der Urteilsgründe entzieht der Gesamtfreiheitsstrafe die Grundlage.

3. Die dem Strafausspruch zugrundeliegenden Feststellungen sind von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen und haben Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO); an ergänzenden Feststellungen ist das neue Tatgericht nicht gehindert, soweit diese nicht in Widerspruch zu den bisherigen Feststellungen stehen.

Franke     

  

Krehl     

  

Meyberg

  

Grube     

  

Schmidt     

  

Meta

2 StR 141/23

18.07.2023

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Meiningen, 12. Januar 2023, Az: 2 KLs 447 Js 935/21 jug

§ 176 Abs 1 aF StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.07.2023, Az. 2 StR 141/23 (REWIS RS 2023, 5754)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 5754

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 72/16 (Bundesgerichtshof)

Schwerer sexueller Missbrauch eines Kindes: Ausziehen als sexuelle Handlung an einem Kind; Erheblichkeitsschwelle


2 StR 264/21 (Bundesgerichtshof)

Sexueller Missbrauch von Kindern u.a.: Anforderungen an das Merkmal des "Bestimmens"


4 StR 404/21 (Bundesgerichtshof)

Sexueller Missbrauch von Kindern: Sexuelle Handlung bei bloßem Ausziehen eines Kindes


2 StR 490/21 (Bundesgerichtshof)

Verurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit dem Herstellen kinderpornographischer Schriften


3 StR 72/16 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

4 StR 404/21

1 StR 627/16

3 StR 72/16

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.