Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.10.2010, Az. VIII ZR 22/08

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 2169

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 22/08 Verkündet am: 20. Oktober 2010 Ring, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 -Der VII[X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 2010 durch den Vorsitzenden [X.], [X.] Frellesen, die [X.]innen [X.] und [X.] sowie [X.] [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 19. Zivilsenats des [X.] vom 7. Dezember 2007 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungs-gericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Die Klägerin betreibt ein Autohaus in [X.]und ist seit Jahren Ver-tragspartnerin der Beklagten, zuletzt aufgrund eines [X.] vom 30. September 2003/2. November 2004 (im [X.]: Händlervertrag). Art. XVII Nr. 1 dieses Vertrages lautet: 1 "Dieser Vertrag kann von jeder Vertragspartei unter Einhaltung einer Frist von 24 Monaten zum Ende eines Kalendermonats per [X.]/Rückschein gekündigt werden. Eine von [X.] ausge-sprochene Kündigung muss eine ausführliche Begründung enthal-ten, die objektiv und transparent ist und darf nicht auf Verhaltens-weisen des [X.] gestützt werden, die nach der [X.] ([X.]) Nr. 1400/2002 nicht eingeschränkt werden dürfen. Die Verordnung ist als Anlage XI diesem Vertrag angefügt. Darüber hin- - 3 -aus gelten, insbesondere bezüglich der Kündigung, die Regelungen des nationalen Rechtes. Abweichend davon ist es [X.] gestattet, diesen Vertrag mit [X.] zu beenden, unter der Voraussetzung, dass a) (–) b) sich für [X.] die Notwendigkeit ergibt, das Vertriebsnetz ins-gesamt oder zu einem wesentlichen Teil umzustrukturieren." Die Beklagte kündigte im Rahmen einer Netzkündigung, die sich auf sämtliche Händler- und Werkstattverträge erstreckte, mit Schreiben vom 11. Januar 2006 auch den [X.] unter Berufung auf Art. XVII Nr. 1 Abs. 2 Buchst. b des Vertrages zum 31. Januar 2007. In dem Schreiben heißt es unter anderem: 2 "Das derzeitige [X.]-Händlernetz setzt sich zusammen aus ca. 350 Ver-tragshändlern, mit denen die [X.] DEUTSCHLAND AG [X.] abgeschlossen hat. Diese Vertragshändler haben ca. 80 Filialen eingerichtet und mit ca. 215 Sekundärnetzhändlern ihrerseits [X.] abgeschlossen. Es besteht daher ein zweistufiges Händlernetz. (–) Bedingt durch diese Konstellation ist ein Händlernetz entstanden, das weder den Bedürfnissen der regionalen Kaufgewohnheiten der potentiellen [X.]-Kunden noch den Qualitätsanforderungen, die die potentiellen [X.]-Kunden an einen modernen Kfz-Vertrieb stellen, gerecht wird. Mit dem bisherigen Händ-lernetz werden daher weder alle potentiellen [X.]-Kunden in optimaler [X.] erreicht noch werden unsere Produkte in einem Umfeld präsentiert, das dem Ansehen der Marke [X.] gerecht wird. Eine Neustrukturierung des [X.]-Händlernetzes ist daher zwingend gebo-ten. Vor diesem Hintergrund hat die [X.] DEUTSCHLAND AG sich nunmehr entschlossen, den Vertrieb von [X.]-Neufahrzeugen in der [X.] umfassend neu zu ordnen. Im Zuge dieser Neuordnung wird das bisherige zweistufige Händlernetz aufge-löst. (–) Aufgrund der Ergebnisse intensiver Beobachtungen und Untersuchungen des Käuferverhaltens und der Kaufgewohnheiten in der [X.] in den vergangenen Jahren hat die [X.] DEUTSCHLAND - 4 -AG ein völlig neu konzipiertes Händlernetz mit ca. 535 Standorten für Händler-betriebe entwickelt. Diese Standorte sind so angeordnet, dass sie dem [X.] Käuferverhalten und den Kaufgewohnheiten der potentiellen [X.]-Kunden in optimaler Weise gerecht werden. Mit dem bestehenden Händlernetz lassen sich die neu konzipierten ca. 535 Standorte nicht abdecken. Darüber hinaus ist beabsichtigt, die Qualität und die Professionalität des [X.] und der Serviceleistungen zu verbessern, um den [X.] an einen modernen Kfz-Vertrieb gerecht zu werden. Hierzu haben wir nach geografischen Gesichtspunkten unterschiedliche Qualitätskriterien für den Kfz-Vertrieb entwickelt. Die [X.] werden zukünftig nach regionalen Gesichtspunkten eingeteilt, und zwar in sog. Metro-Regionen (Großstädte ab 400.000 Einwohner), [X.] (Städte ab 100.000 Einwohner) und länd-liche Gebiete. Gleichzeitig wurden auf die einzelnen Regionen abgestimmte Qualitätsstandards entwickelt, die für die jeweiligen Standorte zukünftig gelten. Die vorstehend beschriebene vertriebspolitische Entscheidung erfordert zwin-gend eine vollständige Umstrukturierung des derzeit bestehenden Vertriebsnet-zes. Deshalb ist es erforderlich, alle bestehenden Verträge zum gleichen Zeit-punkt zu kündigen, um uns die Möglichkeit zu eröffnen, mit Beendigung der [X.] das neu strukturierte Vertriebsnetz zu etablieren." Die Klägerin hat mit ihrer Klage die Feststellung der Nichtbeendigung des [X.] zum 31. Januar 2007 durch die Kündigung vom 11. Januar 2006 sowie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Fortführung des Vertragsverhältnisses und der Weiterbelieferung mit Nissan-Vertragswaren begehrt. Die Beklagte hat im Wege der [X.] [X.], festzustellen, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertrags-händlervertrag infolge der Kündigung vom 11. Januar 2006 spätestens zum 31. Januar 2008 endet. Das [X.] hat der Klage und der [X.] stattgegeben. Das [X.] hat die Berufungen der Klägerin und der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr auf Klageabweisung gerichtetes Begehren weiter. 3 - 5 -Entscheidungsgründe: 4 Die Revision hat Erfolg. [X.] 5 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt: 6 Die Kündigung vom 11. Januar 2006 habe das Vertragsverhältnis [X.] den Parteien nicht zum 31. Januar 2007, sondern erst zum 31. Januar 2008 beendet, da die Voraussetzungen für eine Kündigung des [X.] mit einjähriger Kündigungsfrist nach Art. XVII Nr. 1 Abs. 2 Buchst. b (im [X.]: Strukturkündigung) nicht dargetan seien. Das Sonderkündigungsrecht nach Art. XVII Nr. 1 Abs. 2 Buchst. b des Vertrags erfordere eine bedeutsame Änderung der Vertriebsstrukturen des [X.] sowohl in finanzieller als auch in räumlicher Hinsicht, die auf plausible Weise durch Gründe der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt sein müsse. 7 Die nach dem Vortrag der Beklagten vorgesehene Abschaffung des zweistufigen Händlernetzes, die Schaffung regional unterschiedlicher Qualitäts-standards (Metro-, Urban- und [X.]) sowie die Reduzierung der [X.] stellten zwar objektiv durchaus eine Umstrukturierung des Vertriebsnetzes dar. Es sei jedoch nicht hinreichend dargelegt, dass diese Um-strukturierungsmaßnahmen in finanzieller und räumlicher Hinsicht bedeutsam seien. 8 Zu dem finanziellen Aspekt fehle substantiierter Sachvortrag. Auch eine in räumlicher Hinsicht bedeutsame Veränderung habe die Beklagte nicht darge-tan. Die Bedeutsamkeit der Veränderung in räumlicher Hinsicht lasse sich nicht 9 - 6 -schon aus der Zahl der nach dem Vorbringen der Beklagten von einem Wegfall betroffenen Standorte herleiten, da von 638 Standorten lediglich 352 entfallen und 286 - darunter 63 von bisher 213 [X.]n - erhalten bleiben soll-ten. Auch die geplante Abschaffung des [X.]netzes und die Klassi-fizierung von Standorten entsprechend der [X.] "[X.]" begründeten keine in räumlicher Hinsicht wesentliche Umstrukturierung. Die Beklagte habe darüber hinaus auch nicht dargetan, dass die Ände-rungen der Vertriebsstruktur plausibel durch Gründe der wirtschaftlichen Effi-zienz gerechtfertigt gewesen seien. Soweit die Beklagte angeführt habe, dass eine zweijährige Kündigungsfrist den von ihr geplanten Werteffekt um ca. 39 Mio. • schmälern und die Amortisationszeit auf vier Jahre verdoppeln würde, bleibe dies auch unter Heranziehung der dazu als Anlage [X.] vorgelegten [X.] ohne Substanz. 10 I[X.] Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachvortrag der Beklagten kann die Wirksamkeit der zum 31. Januar 2007 ausgesprochenen Kündigung des [X.] den Parteien geschlossenen [X.] nicht verneint werden. 11 1. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsgerichts entschieden hat (Urteil vom 24. Juni 2009 - [X.], [X.], 346 Rn. 12 ff.), versto-ßen die vertraglichen Bestimmungen im Händlervertrag der Parteien über die Verkürzung der Kündigungsfrist auf ein Jahr bei einer Strukturkündigung entge-gen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht gegen den Grundsatz der Fristenparität (§ 89 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2, § 89 Abs. 2 Satz 2 HGB). 12 - 7 -2. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen einer Struktur-kündigung nach Art. XVII Nr. 1 Abs. 2 Buchst. b des [X.] verkannt und ist infolge dessen zu Unrecht davon ausgegangen, die Beklagte habe diese Voraussetzungen nicht hinreichend dargetan. 13 14 a) Nach Art. XVII Nr. 1 Abs. 2 Buchst. b des [X.] und der zugrunde liegenden Regelung des Art. 3 Abs. 5 Buchst. [X.] ([X.]) 1400/2002 der [X.] vom 31. Juli 2002 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrags auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugsektor ([X.]. [X.] Nr. L 203 S. 30; im Folgenden: [X.]) ist die Beklagte berechtigt, den Vertrag mit einer Kündigungsfrist von einem Jahr zu beenden, wenn sich für sie die Notwendigkeit ergibt, das Vertriebsnetz insgesamt oder zu einem wesentlichen Teil umzustrukturieren. Die Voraussetzungen, die an eine [X.] notwendige Umstrukturierung zu stellen sind, sind durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] (im Folgenden: Gerichtshof) zu Art. 5 Abs. 3 der Verordnung ([X.]) 1475/95 der [X.] vom 28. Juni 1995 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von [X.] und [X.] über Kraftfahrzeuge ([X.]. [X.] Nr. L 145 S. 25; im Folgenden: [X.] 1475/95) konkretisiert worden. Danach setzt das Bestehen der Notwendigkeit, das Vertriebsnetz insgesamt oder zu einem we-sentlichen Teil umzugestalten, eine bedeutsame Änderung der [X.] des betroffenen Lieferanten sowohl in finanzieller als auch in räumlicher Hinsicht voraus, die auf plausible Weise durch Gründe der wirtschaftlichen Effi-zienz gerechtfertigt sein muss. Es ist Sache der nationalen Gerichte, unter Be-rücksichtigung aller konkreten Gegebenheiten der Streitigkeit, mit der sie [X.] sind, zu beurteilen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind ([X.], [X.]. 2006, [X.] Rn. 39 f. - Vulcan Silkeborg A/S ./. Skandinavisk Motor Co. A/S; [X.]. 2006, [X.], Rn. 33 f. - Brünsteiner GmbH u.a. ./. [X.]). Zu Recht hat - 8 -das Berufungsgericht angenommen, dass diese von dem Gerichtshof zu Art. 5 Abs. 3 der [X.] 1475/95 entwickelten Grundsätze auch für die Auslegung des inhaltlich übereinstimmenden Art. 3 Abs. 5 Buchst. [X.] der [X.] he-ranzuziehen sind (Senatsurteil vom 24. Juni 2009 - [X.], aaO Rn. 22 mwN). 15 b) Die Beurteilung, ob die Voraussetzungen einer Strukturkündigung nach Art. XVII Nr. 1 Abs. 2 Buchst. b des [X.] gegeben sind, unter-liegt nur eingeschränkter revisionsrechtlicher Nachprüfung, die sich darauf zu beschränken hat, ob das Berufungsgericht die rechtlichen Voraussetzungen einer solchen Kündigung verkannt hat, ob ihm von der Revision gerügte Verfah-rensverstöße unterlaufen sind, ob es wesentliche Tatumstände übersehen oder nicht vollständig gewürdigt hat oder Erfahrungssätze verletzt hat (vgl. [X.] vom 17. Januar 2001 - [X.], NJW-RR 2001, 677 unter [X.]; [X.], Urteil vom 29. März 1990 - [X.], NJW 1990, 2889 unter [X.]). Ein solcher Rechtsfehler liegt hier vor. c) Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an eine Strukturkündi-gung verkannt. Nach dem mangels gegenteiliger Feststellungen des [X.] revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Vorbringen der [X.] sind die Voraussetzungen einer Kündigung nach Art. XVII Nr. 1 Abs. 2 Buchst. b des [X.] gegeben. 16 aa) Die Beklagte hat eine in räumlicher und finanzieller Hinsicht bedeut-same Umstrukturierung ihres Vertriebsnetzes hinreichend dargetan. 17 (1) Nach Maßgabe des auch vom Berufungsgericht zugrunde gelegten [X.]s war die beabsichtigte Umstrukturierung - wie die Revision zu Recht geltend macht - in räumlicher Hinsicht bedeutsam. Die Beklagte hat vorgetragen, sie habe ihr Vertriebsnetz durch eine Unternehmensberatungsge-18 - 9 -sellschaft überprüfen lassen und sich aufgrund dieser Untersuchung für ein ein-gliedriges Vertriebssystem mit einer Reduzierung der Gesamtzahl der [X.] entschieden. Von den bisherigen Standorten sollten lediglich 286 - weniger als die Hälfte - unverändert bestehen bleiben, während 352 der bisher für die Beklagte tätigen Primär- und [X.] durch 249 Unternehmen an neuen Standorten ersetzt werden sollten. Zugleich sollte das gesamte [X.] abgeschafft werden. Geplant war demnach, Standorte innerhalb des gesamten Vertriebsnetzes in [X.] zu einem nicht unerheblichen Teil zu verändern. Dies reicht entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts für eine in räumlicher Hinsicht bedeutsame Umstrukturierungsmaßnahme aus (Senatsurteil vom 24. Juni 2009 - [X.], aaO Rn. 24). Es ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht erforderlich, dass alle oder nahezu alle bisherigen Standorte wegfallen oder verändert werden (Senatsurteil vom 24. Juni 2009 - [X.], aaO). (2) Die von der Beklagten geplante Umstrukturierung des Vertriebsnet-zes ist auch in finanzieller Hinsicht als bedeutsam anzusehen. Es liegt auf der Hand, dass eine derart weitgehende Umstrukturierung des gesamten Vertriebs-netzes, wie sie die Beklagte nach ihrem Vortrag beabsichtigt und durchgeführt hat, auch in finanzieller Hinsicht bedeutsam ist (vgl. [X.], [X.] 2008, 1417, 1418; bestätigt durch Senatsurteil vom 24. Juni 2009 - [X.], aaO Rn. 25). Dies ergibt sich schon daraus, dass die Vorbereitung und [X.] einer solchen Umstrukturierung mit erheblichen Kosten verbunden ist, zu denen auch die Abfindungs- und Ausgleichsansprüche einer Vielzahl von Händlern gehören, die infolge der das gesamte Vertriebsnetz umfassenden Kündigungen entstehen (Senatsurteil vom 24. Juni 2009 - [X.], aaO). Es ist deshalb für die finanzielle Größenordnung der Umstrukturierung von Bedeutung, ob der Kraftfahrzeughersteller infolge der Umstrukturierung - wie hier - fast der Hälfte seiner bisherigen Vertragshändler ausgleichspflichtig 19 - 10 -ist. Neben den Kosten der Umstrukturierung ist auch der mit der Umstrukturie-rung erstrebte wirtschaftliche Vorteil zu berücksichtigen, der allerdings nicht exakt bemessen werden muss (Senatsurteil vom 24. Juni 2009 - [X.], aaO). Er beläuft sich nach dem Vorbringen der Beklagten (Anlage [X.]) auf einen Betrag in Höhe von 91 Mio. •. 20 bb) Nach dem [X.] ist auch die Notwendigkeit der Um-strukturierung auf plausible Weise durch Gründe der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt. (1) Im Rahmen eines Rechtsstreits über die Rechtmäßigkeit einer [X.] ist es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht Sache der nationalen Gerichte, die wirtschaftlichen und geschäftlichen Überlegungen, auf-grund deren ein Lieferant die Entscheidung getroffen hat, sein Vertriebsnetz umzustrukturieren, in Frage zu stellen. Andererseits kann die Notwendigkeit einer solchen Umstrukturierung - anders als die Revision meint - nicht der freien Beurteilung des Lieferanten unterliegen, sollen die Händler nicht jeden wirksa-men gerichtlichen Schutz in dieser Frage verlieren. Unter Berücksichtigung so-wohl des Zwecks als auch des Ausnahmecharakters der Vorschrift über die Strukturkündigung ist es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs daher er-forderlich, aber auch ausreichend, dass die Notwendigkeit der Umstrukturierung auf plausible Weise gerechtfertigt werden kann mit Gründen der wirtschaftlichen Effizienz, die sich auf interne oder externe objektive Umstände des Unterneh-mens des Lieferanten stützen, welche ohne eine schnelle Umstrukturierung des Vertriebsnetzes in Anbetracht des Wettbewerbsumfelds, in dem der Lieferant agiert, die Effizienz der bestehenden Strukturen des Vertriebsnetzes [X.] können; mögliche wirtschaftlich nachteilige Folgen, die der Lieferant im Fall einer Kündigung der Vertriebsvereinbarung mit einer Frist von zwei [X.] - 11 -ren erleiden könnte, sind in dieser Hinsicht erheblich ([X.], [X.]. 2006, [X.] Rn. 35 ff.; Senatsurteil vom 24. Juni 2009 - [X.], aaO Rn. 27). 22 (2) Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat die Beklagte die Notwendigkeit einer Umstrukturierung ihres Vertriebsnetzes entgegen der Auffassung des Be-rufungsgerichts hinreichend dargelegt. 23 Die Beklagte hat vorgetragen, dass sie ab dem [X.] einen dramati-schen Einbruch der Verkaufszahlen erlitten habe und die Ursache für den star-ken Rückgang ihrer Marktanteile in der Struktur des zweistufigen Vertriebsnet-zes - insbesondere in der finanziellen Schwäche vieler kleiner Händler - gele-gen habe. Es sei erforderlich gewesen, die Anzahl der Vertriebspartner zu re-duzieren, das zweistufige Vertriebssystem abzuschaffen und durch eine Anhe-bung der Standards zu gewährleisten, dass die Vertragspartner der Beklagten größer und repräsentativer werden. Schon dieser revisionsrechtlich zu unter-stellende Zusammenhang zwischen den erlittenen Markteinbußen und der Schwäche des Händlernetzes begründet ein anerkennenswertes Interesse der Beklagten daran, die Vertriebsstruktur möglichst kurzfristig zu ändern, um dem Rückgang der Marktanteile alsbald entgegenzuwirken (Senatsurteil vom 24. Juni 2009 - [X.], aaO Rn. 28). Dieses berechtigte Interesse der Beklagten reicht aus, um die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs erfor-derliche Notwendigkeit der Umstrukturierung zu begründen und damit die [X.] zu rechtfertigen (Senatsurteil vom 24. Juni 2009 - [X.], aaO Rn. 31). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ([X.], [X.]. 2006, [X.] Rn. 26 ff.) sind für die Anwendbarkeit von Art. 3 Abs. 5 Buchst. [X.] [X.] eine Darlegung und - was kaum je gelingen dürfte - ein Nachweis, dass die binnen Jahresfrist zu realisierende Umstrukturierung des Vertriebsnet-zes die (einzig) gebotene Entscheidung des Herstellers war, um die Effizienz - 12 -des Vertriebsnetzes zu erhalten, nicht erforderlich (Senatsurteil vom 24. Juni 2009 - [X.], aaO). 24 Es kommt deshalb entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht darauf an, ob der Beklagten über das Schwinden ihrer Marktanteile hinaus wei-tere wirtschaftliche Nachteile drohen und sie substantiiert dargelegt hat, dass eine - bei Kündigung mit zweijähriger Frist - um ein Jahr verzögerte [X.] den angestrebten wirtschaftlichen Nutzen der Umstrukturierung um 38 Mio. • geschmälert hätte. Mögliche wirtschaftlich nachteilige Folgen, die der Lieferant im Fall einer Kündigung der Vertriebsvereinbarung mit einer Frist von zwei Jahren im Vergleich zur Strukturkündigung mit einjähriger Frist erleiden könnte, lassen sich nicht genau berechnen und ermitteln. Denn die Beurteilung der negativen Folgen einer unveränderten Fortführung des bisherigen [X.] beruht auf Prognosen, die sich nach erfolgter Umstrukturierung nicht mehr verifizieren lassen. Davon geht ersichtlich auch der Gerichtshof aus, wenn er auf lediglich mögliche - nicht sichere - Nachteile für den Lieferanten abstellt. Es kann daher nur verlangt werden, dass mögliche wirtschaftlich nachteilige Folgen einer um ein Jahr hinausgeschobenen Umstrukturierung plausibel dargelegt werden, nicht jedoch, dass die befürchteten wirtschaftlichen Nachteile - der Höhe nach - feststehen und bewiesen werden können. Das Be-rufungsgericht hat die in diesem Zusammenhang zu stellenden Anforderungen überspannt. Wenn der Beklagten im Fall der Fortführung des bisherigen [X.] über einen Zeitraum von einem weiteren Jahr voraussichtlich weiter sinkende Marktanteile drohen, so reicht dies aus, um einen möglichen wirtschaftlichen Nachteil im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs [X.] und eine Strukturkündigung zu rechtfertigen. Nicht erforderlich ist dafür ein konkreter Vortrag oder Nachweis für die in einem Geldbetrag ausgedrückte Höhe dieser Nachteile (Senatsurteil vom 24. Juni 2009 - [X.], aaO Rn. 32). - 13 -II[X.] 25 Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist, da der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit das Berufungsgericht die erforderlichen Fest-stellungen treffen kann, soweit entscheidungserhebliches Vorbringen der [X.] von der Klägerin bestritten worden ist. [X.] [X.] [X.] [X.] [X.] am [X.] Dr. [X.] ist arbeitsunfähig erkrankt und daher gehindert zu unterschreiben.
[X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 15.03.2007 - 86 O 88/06 - O[X.], Entscheidung vom 07.12.2007 - 19 U 57/07 -

Meta

VIII ZR 22/08

20.10.2010

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.10.2010, Az. VIII ZR 22/08 (REWIS RS 2010, 2169)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2169

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