Bundesfinanzhof, Urteil vom 28.01.2015, Az. VIII R 13/13

8. Senat | REWIS RS 2015, 16437

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Gegenstand

Abgeltungsteuer: Kein Abzug der tatsächlichen Werbungskosten bei Günstigerprüfung


Leitsatz

Auch bei der sog. "Günstigerprüfung" nach § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG findet § 20 Abs. 9 EStG Anwendung; ein Abzug der tatsächlich entstandenen Werbungskosten kommt daher nicht in Betracht.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 17. Dezember 2012  9 K 1637/10 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist testamentarischer [X.]lleinerbe der 1914 geborenen und im September 2010 verstorbenen [X.] Diese schloss zusammen mit ihrem damals noch lebenden Ehemann als Treugeber am 5. März 1998 mit dem Prozessbevollmächtigten einen [X.]. Gegenstand des Vertrags war die Verwaltung des den [X.] gehörenden Einfamilienhauses, verschiedener einzeln bezeichneter Konten und Sparbücher sowie der bestehenden Rentenansprüche. Die Vergütung bestand in einem Pauschalhonorar von 14.000 DM [X.] Umsatzsteuer je Kalenderjahr sowie einem zusätzlichen Stundenhonorar für besondere Maßnahmen, [X.]ufwendungs- und [X.]uslagenersatz. Für die Erstellung der jährlichen Steuererklärungen wurde die Vergütung gemäß der Steuerberatergebührenverordnung vereinbart. Seit dem [X.] lebte [X.] in einem Pflegeheim.

2

Nachdem zwischenzeitlich ihr Ehemann verstorben war, erteilte [X.] dem Prozessbevollmächtigten im November 2004 eine General- und Vorsorgevollmacht, die auch die Vertretung in Steuerangelegenheiten umfasste. [X.]m 16. November 2004 wurde der [X.] geändert und ein höheres Pauschalhonorar sowie eine zusätzliche Sondervergütung vereinbart. Das Einfamilienhaus wurde im Jahr 2006 veräußert.

3

In der im März 2010 beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --F[X.]--) eingegangenen Einkommensteuererklärung 2009 erklärte [X.] neben Renteneinkünften Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 30.238 €. Zu diesem Zeitpunkt war [X.] 95 Jahre alt und litt an einer dementen Störung, weshalb sie in die [X.] eingestuft wurde. Der Prozessbevollmächtigte verwaltete aufgrund des [X.]s ihr Vermögen und betreute sie. In der Steuererklärung wies der Prozessbevollmächtigte darauf hin, dass im Veranlagungszeitraum 2009 eine Zusammenballung von Einnahmen aus Kapitalvermögen vorliege. Im Folgejahr 2010 sei lediglich mit Zinseinnahmen von 12.800 € zu rechnen, was zu einer Steuerschuld von 0 € führe. Im Einkommensteuerbescheid 2009 vom 8. [X.]pril 2010 berücksichtigte das F[X.] die [X.] in der erklärten Höhe und zog lediglich den Sparer-Pauschbetrag von 801 € ab. Von der im Veranlagungszeitraum 2009 aufgrund des [X.]s von [X.] gezahlten Vergütung von insgesamt 10.647,64 € berücksichtigte das F[X.] einen Teilbetrag von 3.549,21 € als außergewöhnliche Belastung für die allgemeine Betreuung durch den Prozessbevollmächtigten.

4

Mit der form- und fristgerecht erhobenen Sprungklage begehrte der Kläger (als Rechtsnachfolger der [X.]) den [X.]bzug von Werbungskosten aus Kapitalvermögen in Höhe von insgesamt 7.375 € (nicht berücksichtigte [X.] 7.098 € und Steuerberatungskosten für die Kapitaleinkünfte 277 €). Diese [X.]ufwendungen seien bei der Berechnung der Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht berücksichtigt worden. Dies verstoße gegen das aus [X.]rt. 3 [X.]bs. 1 des Grundgesetzes abgeleitete Prinzip der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und das objektive Nettoprinzip.

5

Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2013, 1041 veröffentlichten Urteil insoweit statt, als die geltend gemachten Werbungskosten den Sparer-Pauschbetrag von 801 € gemäß § 20 [X.]bs. 9 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes 2009 (EStG) überstiegen. Zur Begründung verwies es darauf, § 32d [X.]bs. 6 Satz 1 EStG sei verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die tatsächlich entstandenen Werbungskosten jedenfalls dann abziehbar seien, wenn der individuelle Steuersatz bereits unter Berücksichtigung nur des [X.] unter 25 % liege.

6

Mit der --vom [X.] zugelassenen-- Revision rügt das F[X.] die Verletzung von § 32d [X.]bs. 6 EStG. Der Wortlaut der Vorschrift sei mit der vom [X.] vorgenommenen verfassungskonformen [X.]uslegung nicht vereinbar; der [X.]usschluss des [X.]bzugs der tatsächlich entstandenen Werbungskosten durch § 20 [X.]bs. 9 Satz 1  2. Halbsatz EStG sei verfassungsrechtlich unbedenklich.

7

Der Beigetretene, das [X.] (Beigetretener --[X.]--), schließt sich der [X.]uffassung des F[X.] an und macht ergänzend geltend, selbst nach den Feststellungen des [X.] hätten 80 % der Steuerpflichtigen keine über den Sparer-Pauschbetrag hinausgehenden [X.]ufwendungen; nach einer wissenschaftlichen Untersuchung des [X.] gelte das sogar für mehr als 95 % der Steuerpflichtigen. Die vom Gesetzgeber vorgenommenen pauschalisierenden und typisierenden Regelungen hielten den verfassungsrechtlichen [X.]nforderungen damit stand.

8

Das F[X.] beantragt,
das Urteil des [X.] Baden-Württemberg vom 17. Dezember 2012 9 K 1637/10 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Der Kläger beantragt,
die Revision des F[X.] zurückzuweisen.

Das [X.] hat keinen [X.]ntrag gestellt.

[X.]uf mündliche Verhandlung haben die Beteiligten übereinstimmend verzichtet.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des [X.] ist begründet. Sie führt zur [X.]ufhebung der Vorentscheidung und [X.]bweisung der Klage (§ 126 [X.]bs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die [X.]uffassung des [X.], § 32d [X.]bs. 6 Satz 1 EStG sei verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die tatsächlich entstandenen Werbungskosten abzugsfähig seien, wenn der individuelle Steuersatz bereits unter Berücksichtigung nur des [X.] unter 25 % liege, hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 32d [X.]bs. 6 EStG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

1. Nach § 32d [X.]bs. 6 Satz 1 EStG werden auf [X.]ntrag des Steuerpflichtigen anstelle der [X.]nwendung der [X.]bsätze 1, 3 und 4 der Norm die nach § 20 EStG ermittelten Kapitaleinkünfte den Einkünften i.S. des § 2 EStG hinzugerechnet und der tariflichen Einkommensteuer unterworfen, wenn dies zu einer niedrigeren Einkommensteuer einschließlich Zuschlagsteuern führt (Günstigerprüfung). Für diesen [X.]usnahmefall kommt dann nicht der für die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen grundsätzlich anzuwendende [X.] von 25 % zur [X.]nwendung (vgl. § 32d [X.]bs. 1 Satz 1 EStG), sondern der progressive Regelsteuersatz. Die Ermittlung der Kapitaleinkünfte ist indes auch bei der Günstigerprüfung --und damit auch im [X.] nach § 20 EStG vorzunehmen (vgl. § 32d [X.]bs. 6 Satz 1 EStG). Damit findet auch im Falle der Günstigerprüfung die einschränkende Regelung zum Verbot des [X.]bzugs der tatsächlich entstandenen Werbungskosten (vgl. § 20 [X.]bs. 9 Satz 1  2. Halbsatz EStG) [X.]nwendung.

2. Gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 32d [X.]bs. 6 EStG hat der Senat keine Bedenken. Die Vorschrift beinhaltet eine begünstigende Sonderregelung für bestimmte Steuerpflichtige, bei denen ausnahmsweise von der [X.]nwendung des proportionalen Sondertarifs für die Einkünfte aus Kapitalvermögen von 25 % abgesehen wird und stattdessen der Regelsteuersatz [X.]nwendung findet, sofern das zu einer niedrigeren Einkommensteuer führt. Da auch für diejenigen Steuerpflichtigen, die dem [X.] unterliegen, das in § 20 [X.]bs. 9 EStG verankerte [X.]bzugsverbot für die tatsächlich entstandenen Werbungskosten gilt, werden die Steuerpflichtigen, für die nach § 32d [X.]bs. 6 EStG aufgrund der Günstigerprüfung der Regelsteuersatz zum Tragen kommt, gegenüber den vom [X.] Betroffenen insoweit nicht schlechter gestellt.

3. Der Senat hat auch keine Bedenken, dass das Werbungskostenabzugsverbot gemäß § 20 [X.]bs. 9 EStG verfassungsrechtlichen [X.]nforderungen standhält. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit Bezug auf die Gründe seiner Entscheidung vom 1. Juli 2014 VIII R 53/12 ([X.], 332, [X.] 2014, 975).

4. Die Regelung stellt sich auch im Vergleich zu Steuerpflichtigen, die kraft Gesetzes oder aufgrund eigenen [X.]ntrags gemäß § 32d [X.]bs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 EStG mit den dort geregelten Einkünften aus Kapitalvermögen aus der [X.]bgeltungsteuer ausgeschlossen sind und gemäß § 32d [X.]bs. 2 Satz 2 EStG ihre Einkünfte aus Kapitalvermögen unter [X.]bzug der tatsächlich entstandenen Werbungskosten ermitteln können, als verfassungsgemäß dar. Im Fall des § 32d [X.]bs. 6 EStG werden die Einkünfte aus Kapitalvermögen ohne den [X.]bzug der tatsächlichen Werbungskosten ermittelt, gehen mit dieser pauschalierten Bemessungsgrundlage in den Gesamtbetrag der Einkünfte ein (vgl. § 2 [X.]bs. 5b EStG) und unterliegen der tariflichen Einkommensteuer gemäß § 2 [X.]bs. 6 Satz 1 EStG. Steuerpflichtige werden im Rahmen der Günstigerprüfung somit im Hinblick auf den Umfang abziehbarer Werbungskosten im Ergebnis schlechter gestellt als die Bezieher tariflich besteuerter Einkünfte aus Kapitalvermögen, wenn ihnen höhere tatsächliche Werbungskosten als der anzuwendende Sparer-Pauschbetrag entstanden sind.

Diese Differenzierung ist sachlich gerechtfertigt. Denn mit den vorstehend genannten [X.]usnahmen vom [X.] will der Gesetzgeber "Mitnahmeeffekte" bzw. eine Überbesteuerung vermeiden (vgl. dazu auch die Senatsentscheidung vom 28. Januar 2015 VIII R 8/14, zur [X.] vorgesehen, m.w.[X.]). Die Günstigerprüfung nach § 32d [X.]bs. 6 EStG hat indes weniger den Charakter einer nach der Intention des Gesetzes zwingenden sachlichen [X.]usnahme von der [X.]nwendung des [X.]es, sondern ist eher als Billigkeitsmaßnahme zu verstehen, mit der Steuerpflichtige, deren Steuersatz noch niedriger liegt als 25 %, eine weitere Begünstigung erfahren. Diese soll aber nicht dazu führen, dass die derart Begünstigten vollumfänglich aus dem System der [X.]bgeltungsteuer ausscheiden.

Diese Ungleichbehandlung innerhalb des Systems der Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen ist aber auch durch den [X.] und [X.] der Regelung in § 20 [X.]bs. 9 Satz 1 EStG gerechtfertigt, der für den typischen Fall des [X.] über den [X.]bzug des [X.] auch im Fall der Günstigerprüfung zu einer realitätsgerechten Berücksichtigung der [X.]ufwendungen führt (Senatsentscheidung in [X.], 332, [X.] 2014, 975).

Im hier zu entscheidenden Fall beruhten die hohen [X.]ufwendungen der verstorbenen [X.] im Streitjahr auf einem mit dem Prozessbevollmächtigten geschlossenen Treuhandvertrag, welcher diesem trotz nicht sonderlich hoher Kapitaleinnahmen eine nicht unbeträchtliche Treuhandvergütung zugestand, welche mit vertraglicher Ergänzung aus dem [X.] sogar noch einmal deutlich erhöht wurde. [X.]llein daraus wird erkennbar, dass es sich im Fall der verstorbenen [X.] um eine atypische Konstellation handelte, die der Gesetzgeber bei der von ihm vorgenommenen verfassungsrechtlich zulässigen Typisierung weder berücksichtigen musste noch konnte. Die Verfassungsmäßigkeit der typisierenden [X.]bzugsbeschränkung des § 20 [X.]bs. 9 Satz 1 EStG auch in Fällen der Günstigerprüfung wird somit durch den Streitfall nicht in Frage gestellt.

Dies gilt auch deshalb, weil der Klägerin die Möglichkeit einer Billigkeitsmaßnahme gemäß §§ 163, 227 der [X.]bgabenordnung ([X.]) verbleibt. Die Möglichkeit einer Billigkeitsmaßnahme flankiert in besonderen Einzelfällen die Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers und gestattet ihm, eine typisierende Regelung zu treffen, bei der Unsicherheiten über Zahl und Intensität der von der typisierenden Regelung nachteilig betroffenen Fälle mit zumutbarem [X.]ufwand nicht beseitigt werden können (Urteile des [X.] vom 20. September 2012 IV R 36/10, [X.], 429, [X.] 2013, 498, Rz 57; vom 24. Juni 2014 VIII R 35/10, [X.], 565, Rz 28). Der Senat hat in diesem Verfahren nicht zu entscheiden, ob es sich insoweit um einen atypischen Extremfall handelt, für den eine Billigkeitsmaßnahme gemäß § 163 [X.] in Betracht zu ziehen ist, verweist jedoch darauf, dass es keinen [X.]nspruch auf "Meistbegünstigung" selbst gewählter Gestaltungen gibt ([X.]/[X.], § 32d EStG Rz 163).

5. Danach besteht weder die Notwendigkeit noch --entgegen der [X.]uffassung des [X.]-- die Möglichkeit, § 32d [X.]bs. 6 Satz 1 EStG verfassungskonform derart auszulegen, dass die tatsächlich entstandenen Werbungskosten jedenfalls dann abzugsfähig sind, wenn der individuelle Steuersatz bereits unter Berücksichtigung nur des [X.] unter 25 % liegt. Eine solche "verfassungskonforme" [X.]uslegung widerspricht sowohl dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes als auch den mit Einführung der [X.]bgeltungsteuer vom Gesetzgeber bezweckten Zielen. Ist das [X.] der [X.]uffassung, ein absolutes und unumkehrbares [X.]bzugsverbot von Werbungskosten sei in derartigen Konstellationen verfassungswidrig, hätte es die Sache dem [X.] ([X.]) zur Prüfung vorlegen müssen.

a) Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes hat die Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen auch bei der Günstigerprüfung gemäß § 20 EStG zu erfolgen. Das folgt bereits daraus, dass es in § 32d [X.]bs. 6 Satz 1 EStG lautet, dass "die nach § 20 ermittelten Kapitaleinkünfte" den Einkünften i.S. des § 2 EStG hinzugerechnet und der tariflichen Einkommensteuer unterworfen werden, wenn dies zu einer niedrigeren Einkommensteuer führt. Die Nichtanwendung des § 20 [X.]bs. 9 EStG bei der Ermittlung der Kapitaleinkünfte im Rahmen der Günstigerprüfung stellt daher einen Verstoß contra legem dar.

b) Das [X.] begründet seine verfassungskonforme [X.]uslegung des § 32d [X.]bs. 6 Satz 1 EStG letztlich damit, dass es das Werbungskostenabzugsverbot gemäß § 20 [X.]bs. 9 EStG als verfassungswidrig erachtet; die Regelung stelle einen Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip dar, verletze den allgemeinen Gleichheitssatz, verletze das Prinzip der Folgerichtigkeit und sei auch durch außerfiskalische Förderungs- und Lenkungszwecke nicht gerechtfertigt. Eine verfassungskonforme [X.]uslegung könne die Verfassungswidrigkeit vermeiden.

aa) Der revisionsrechtlichen Prüfung halten diese Überlegungen nicht stand. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist maßgebend für die Interpretation eines Gesetzes der in ihm zum [X.]usdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers (vgl. z.B. [X.]-Beschluss vom 9. November 1988  1 BvR 243/86, [X.]E 79, 106, unter [X.] der Gründe, m.w.[X.]; [X.]-Urteile vom 1. Dezember 1998 VII R 21/97, [X.]E 187, 177, unter [X.] der Gründe; vom 21. Oktober 2010 IV R 23/08, [X.]E 231, 544, [X.] 2011, 277). Der Feststellung des zum [X.]usdruck gekommenen objektivierten Willens des Gesetzgebers dienen die [X.]uslegung aus dem Wortlaut der Norm (grammatikalische [X.]uslegung), aus dem Zusammenhang (systematische [X.]uslegung), aus ihrem Zweck (teleologische [X.]uslegung) sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (historische [X.]uslegung); zur Erfassung des Inhalts einer Norm darf sich der [X.] dieser verschiedenen [X.]uslegungsmethoden gleichzeitig und nebeneinander bedienen (z.B. [X.]-Urteil in [X.]E 187, 177, m.w.[X.]). Gegen seinen Wortlaut ist die [X.]uslegung eines Gesetzes allerdings nur ausnahmsweise möglich, wenn nämlich die wortgetreue [X.]uslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führt, das vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt sein kann (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 1. [X.]ugust 1974 IV R 120/70, [X.]E 113, 357, [X.] 1975, 12; vom 7. [X.]pril 1992 VIII R 79/88, [X.]E 168, 111, [X.] 1992, 786; vom 17. Februar 1994 VIII R 30/92, [X.]E 175, 226, [X.] 1994, 938; vom 17. Januar 1995 IX R 37/91, [X.]E 177, 58, [X.] 1995, 410; vom 12. [X.]ugust 1997 VII R 107/96, [X.]E 184, 198, [X.] 1998, 131; vom 17. Mai 2006 [X.], [X.]E 213, 494, [X.] 2006, 868; vom 17. Juni 2010 VI R 50/09, [X.]E 230, 150, [X.] 2011, 43; [X.] in Tipke/[X.], [X.]bgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 4 [X.] Rz 380) oder wenn sonst anerkannte [X.]uslegungsmethoden dies verlangen (z.B. [X.]-Beschluss vom 4. Februar 1999 VII R 112/97, [X.]E 188, 5, [X.] 1999, 430).

bb) Im Streitfall führt eine wortgetreue [X.]uslegung der Vorschrift indes nicht zu einem sinnwidrigen Ergebnis, das vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt sein kann, vielmehr entspricht diese gerade den vom Gesetzgeber beabsichtigten Zielen. Wie vorstehend bereits ausgeführt, hat der Senat keine Zweifel, dass § 20 [X.]bs. 9 EStG verfassungsrechtlichen [X.]nforderungen standhält (vgl. dazu II.3.). Die Vorschrift ist entgegen der [X.]uffassung des [X.] auch im Rahmen der Günstigerprüfung anzuwenden. Das gebietet bereits der Gesetzeswortlaut des § 32d [X.]bs. 6 Satz 1 EStG, der von "nach § 20 EStG ermittelten Kapitaleinkünften" spricht.

cc) Ebenso wenig streiten die historische und die teleologische [X.]uslegung der Vorschrift für die [X.]uffassung des [X.]. Wie sich bereits aus dem Gesetzentwurf zum Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (BTDrucks 16/4841, S. 35) ergibt, sollte mit der [X.]bgeltungsteuer nicht nur eine erhebliche steuerliche Entlastung, sondern auch eine deutliche Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens von Kapitaleinkünften erreicht werden. Dem entspricht auch die Gesetzesbegründung zu § 20 [X.]bs. 9 EStG (vgl. BTDrucks 16/4841, S. 57), in der es lautet: "Der [X.]nsatz der tatsächlichen Werbungskosten ist grundsätzlich ausgeschlossen. Dabei wird sowohl eine Typisierung hinsichtlich der Höhe der Werbungskosten in den unteren Einkommensgruppen vorgenommen, als auch berücksichtigt, dass mit einem relativ niedrigen Proportionalsteuersatz von 25 Prozent die Werbungskosten in den oberen Einkommensgruppen mit abgegolten werden." Bereits das spricht dafür, die mit der [X.]bgeltungsteuer bezweckte Vereinfachung und damit auch die [X.]nwendung des § 20 [X.]bs. 9 EStG für die Günstigerprüfung des § 32d [X.]bs. 6 EStG nicht auszuschließen.

[X.]uch die Formulierung "grundsätzlich ausgeschlossen" in der Gesetzesbegründung spricht nicht gegen die [X.]nwendung des § 20 [X.]bs. 9 EStG. Das [X.] gewichtet nicht ausreichend, dass das Gesetz in § 32d [X.]bs. 2 EStG noch weitere [X.]usnahmen von der [X.]nwendung des gesonderten [X.] für Einkünfte aus Kapitalvermögen vorsieht, nämlich unter bestimmten Voraussetzungen bei Kapitalerträgen aufgrund von Verträgen zwischen einander nahestehenden Personen sowie bei bestimmten [X.]rten der Gesellschafterfremdfinanzierung (s. oben unter II.4.). Hier ordnet der Gesetzgeber konkret an, dass der besondere proportionale Sondertarif für die Einkünfte aus Kapitalvermögen von 25 % keine [X.]nwendung findet. Eine ähnliche Regelung findet sich in § 32d [X.]bs. 2 Nr. 3 EStG für Steuerpflichtige, die sog. unternehmerische Beteiligungen halten. Ihnen wird unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit eröffnet, anstelle der [X.]bgeltungsteuer zur Regelbesteuerung zu optieren. In beiden Fällen ordnet das Gesetz indes ausdrücklich an, dass § 20 [X.]bs. 9 EStG [X.] wie [X.]bs. 6 der [X.] keine [X.]nwendung findet (vgl. § 32d [X.]bs. 2 Nr. 1 Satz 2 und [X.]bs. 2 Nr. 3 Satz 2 EStG, sowie BTDrucks 16/4841, S. 61). Bei dem hier einschlägigen [X.]bs. 6 Satz 1 EStG der Norm findet sich ein derartiger Hinweis indes nicht. Wenn ein entsprechender Hinweis aber weder dem Gesetzeswortlaut noch der Gesetzesbegründung zu entnehmen ist, deutet das angesichts des Wortlauts der Regelung "die nach § 20 ermittelten Kapitaleinkünfte" darauf hin, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Günstigerprüfung gerade nicht von der [X.]nwendung des § 20 [X.]bs. 9 EStG absehen wollte. Das gilt umso mehr, als die Gewährung des [X.] und der [X.]usschluss des [X.]bzugs der tatsächlich entstandenen Werbungskosten prägender Bestandteil der mit der [X.]bgeltungsteuer bezweckten Vereinfachung der Besteuerung sind.

dd) Die Überlegungen des [X.] zur "Belastungsgleichheit" sind ebenfalls nicht geeignet, zu einem anderen steuerlichen Ergebnis zu führen. Hätten Steuerpflichtige mit einem persönlichen Steuersatz von knapp unter 25 % die Möglichkeit, den Sparer-Pauschbetrag übersteigende Werbungskosten geltend zu machen, Steuerpflichtige mit einem persönlichen Steuersatz von knapp über 25 % aber nicht, würde das die verfassungsrechtlich gebotene Gleichheit der Belastung und damit die --jedenfalls im [X.] gleiche Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit in Frage stellen, und zwar insbesondere im Bereich der unteren Einkommensgruppen. Denn je nachdem, wie hoch der persönliche Steuersatz des Steuerpflichtigen und die tatsächlichen Werbungskosten sind, könnte die steuerliche Belastung der Kapitaleinkünfte gravierende Unterschiede aufweisen.

ee) Die Behauptung des [X.], auch bei Kleinanlegern sei die Fremdfinanzierung von Kapitalanlagen nicht unüblich, auch in unteren Einkommensgruppen könnten höhere Werbungskosten als 801 € vorkommen und diese Gruppe dürfe der Gesetzgeber nicht außer [X.]cht lassen, vermag den Senat nicht zu überzeugen. Durch belastbare tatsächliche Feststellungen ist diese Behauptung nicht belegt. Dass Steuerpflichtige aus unteren Einkommensgruppen, die Erträge aus von ihnen fremdfinanzierten Kapitalanlagen erzielen oder andere [X.]ufwendungen oberhalb des [X.] zu tragen haben, eine zahlenmäßig in irgendeiner Form bedeutsame Gruppe darstellen, ist nicht erkennbar. Dafür spricht auch die vom [X.] eingereichte und von den Beteiligten nicht in Frage gestellte [X.]uswertung des [X.], nach der in den Jahren 2002 bis 2008 in ca. 95 % aller Fälle die tatsächlichen Werbungskosten der Steuerpflichtigen nicht höher waren als der Sparer-Pauschbetrag. Und bei den Steuerpflichtigen, welche in den Genuss der Günstigerprüfung nach § 32d [X.]bs. 6 Satz 1 EStG gekommen sind, haben bei den unteren Einkommensgruppen (bis 30.000 € bei Zusammenveranlagung, bis 15.000 € bei Einzelveranlagung) im Jahre 2008  99 % bzw. 98 % der Steuerpflichtigen mit Einkünften aus Kapitalvermögen keine den Sparer-Pauschbetrag übersteigenden Werbungskosten geltend gemacht. Insgesamt bestätigen diese Zahlen, dass der Gesetzgeber mit der Gewährung des [X.] in Höhe von 801 € eine verfassungsrechtlich grundsätzlich anzuerkennende Typisierung der Werbungskosten bei den Beziehern niedriger Kapitaleinkünfte sowie mit der Senkung des [X.] von bisher bis zu 45 % auf nunmehr 25 % zugleich eine verfassungsrechtlich anzuerkennende Typisierung der Werbungskosten bei den Beziehern höherer Kapitaleinkünfte vorgenommen hat (vgl. dazu [X.]/[X.] in Frotscher, EStG, [X.] 2011, § 20 n.F. Rz 44 f., m.w.[X.]; ebenso [X.]/[X.], 33. [X.]ufl., § 20 Rz 206; Senatsurteil in [X.], 332, [X.] 2014, 975).

Unabhängig davon lässt die Vorinstanz außer [X.]cht, dass bei Steuerpflichtigen aus unteren Einkommensgruppen mit Einnahmen aus Kapitalvermögen und hohen daraus resultierenden Werbungskosten die [X.]ufwendungen i.d.R. auf gezielten Gestaltungen beruhen, die bewusst in Kauf genommen worden sind. Das gilt sowohl für den von der Vorinstanz als verfassungsrechtlich problematisch erachteten Bereich der "Fremdfinanzierungen bei Kleinanlegern" als auch für den Streitfall. So sind z.B. [X.] gerade für Kleinanleger schon deshalb schwierig zu erhalten, weil diese i.d.R. trotz Verpfändung der kreditfinanzierten Kapitalanlagen eine Nachschusspflicht des Kreditnehmers vorsehen, wenn die Kapitalanlage bestimmte Wertgrenzen unterschreitet. Ob Kleinanleger nach den Vorstellungen der [X.] überhaupt imstande sind, dieser Nachschusspflicht stets nachzukommen, scheint zweifelhaft.

6. Da die Vorentscheidung auf einer abweichenden Rechtsauffassung beruht, ist sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist mit der sich ergebenden Kostenfolge abzuweisen (§ 135 [X.]bs. 1 [X.]O).

Meta

VIII R 13/13

28.01.2015

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 17. Dezember 2012, Az: 9 K 1637/10, Urteil

§ 32d Abs 6 EStG 2009, § 20 Abs 9 EStG 2009, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 28.01.2015, Az. VIII R 13/13 (REWIS RS 2015, 16437)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 16437

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