Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.06.2021, Az. 5 StR 481/20

5. Strafsenat | REWIS RS 2021, 5225

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Gegenstand

Strafbare Untreue: Leistung auf eine nicht fällige Forderung als Vermögensnachteil; Vermögensnachteil durch Erbringung einer rechtsgrundlosen Zahlung; notwendige Urteilsfeststellungen zum Vermögensnachteil


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 25. Juni 2019 aufgehoben,

a) soweit der Angeklagte im Fall 2 der Urteilsgründe verurteilt ist,

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten - unter Freisprechung im Übrigen - wegen Bestechlichkeit in zwei Fällen und Untreue zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Ferner hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen und von der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe einen Monat wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt erklärt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die allgemein erhobene Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und genügt daher nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.

3

2. Die Verurteilung des Angeklagten in Fall 2 der Urteilsgründe hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

4

a) Hierzu hat das [X.] folgende Feststellungen getroffen:

5

Der Angeklagte war Geschäftsführer der [X.], einer vom Kreis P.       gehaltenen Gesellschaft, die Krankenhäuser und sonstige Einrichtungen des Sozial- und Gesundheitswesens betrieb. Diese beabsichtigte, im Jahr 2008 einen Neubau zu errichten. Noch vor der Ausschreibung informierte der Angeklagte den gesondert verfolgten Sc.     , den Geschäftsführer der [X.], über anstehende Bauvorhaben. Beide waren zuvor übereingekommen, dass der Angeklagte finanzielle Zuwendungen gegen die Vergabe von Aufträgen erhalten sollte (Fall 1: Bestechlichkeit).

6

Der Angeklagte bat daraufhin die [X.] um Erstellung eines Angebots. Ein solches wies sodann eine Gesamtsumme von 1.906.594,20 Euro brutto aus, welches der Angeklagte für die [X.] unterzeichnete; Zahlungskonditionen wurden nicht vereinbart.

7

Kurze Zeit darauf verlangte die [X.] mit einer „Abschlagsrechnung“ die Zahlung von 857.967,39 Euro (45 % der Auftragssumme), ohne dass Bauleistungen erbracht worden waren. Der Angeklagte wies die Rechnung zur Zahlung an, obwohl er zumindest billigend in Kauf nahm, dass eine fällige Zahlungspflicht gegenüber der [X.] nicht bestand. Dadurch wollte er sich Sc.      gegenüber gewogen zeigen. Das Bauvorhaben kam auch in der Folgezeit nicht zur Ausführung. Die [X.] verrechnete den gezahlten Betrag später mit anderen Forderungen der [X.].

8

b) Die Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Untreue nicht.

9

aa) Die Regelung des § 266 Abs. 1 StGB schützt nur das Vermögen des Geschäftsherrn oder Treugebers als Ganzes, nicht seine Dispositionsbefugnis. Ob ein Vermögensnachteil eingetreten ist, muss grundsätzlich durch einen Vergleich des gesamten Vermögens vor und nach der beanstandeten Verfügung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten geprüft werden ([X.], Urteil vom 23. Mai 2002 - 1 [X.], [X.]St 47, 295, 301 f.; Beschluss vom 24. September 2019 - 5 StR 394/19, NStZ-RR 2020, 20, 21). Ein gleichzeitiger Vermögenszuwachs durch Befreiung von einer Verbindlichkeit steht der Entstehung eines Vermögensnachteils entgegen ([X.], Beschluss vom 5. Juli 2011 - 3 [X.], NStZ-RR 2011, 312, 313).

bb) [X.] ermöglichen es nicht, unter Anlegung dieser rechtlichen Maßstäbe zu beurteilen, ob und inwieweit die [X.] in ihrem Vermögen geschädigt wurde.

(1) Anders als das [X.] angenommen hat, führt die Leistung auf eine nicht fällige Forderung noch nicht ohne Weiteres zu einem Vermögensnachteil ([X.], Beschluss vom 5. Juli 2011 - 3 [X.] aaO, [X.]; Urteil vom 9. Februar 2006 - 5 [X.], [X.], 175, 176; [X.], StGB, 68. Aufl., § 266 Rn. 126a; anders wohl [X.], Beschluss vom 13. Juni 2001 - 5 [X.], [X.]R StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 51). Ein solcher kann sich zwar daraus ergeben, dass die vorzeitige Erfüllung einer Forderung mit messbaren wirtschaftlichen Nachteilen für den Schuldner verbunden ist ([X.], Urteil vom 9. Februar 2006 - 5 [X.] aaO). Insbesondere kann es einen Vermögensnachteil begründen, dass im Zeitpunkt der Zahlung ungewiss ist, ob die Gegenleistung erbracht werden wird und der [X.] die ihn absichernde Einrede des nicht erfüllten Vertrages aufgibt (vgl. [X.], Beschluss vom 22. März 2018 - 3 [X.], NStZ-RR 2018, 378).

Zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der tatgegenständlichen Zahlung verhalten sich die Urteilsgründe aber nicht. Wie das Risiko der Vorauszahlung zum Zeitpunkt der Verfügung zu bewerten war, wird nicht mitgeteilt. Dabei hätte das [X.] auch in den Blick nehmen müssen, dass die [X.] die Rückzahlung des Vorschusses nach dem Ausbleiben der Bauleistung durch Aufrechnung gegen den Vergütungsanspruch der [X.] auf einfachem Wege selbst durchzusetzen vermochte.

(2) Die Feststellungen des [X.]s lassen auch nicht die Beurteilung zu, ob sich etwa ein Vermögensnachteil der [X.] aus einem Preisaufschlag bei der Auftragsvergütung durch die Zahlung des [X.] ergeben hat (vgl. [X.], Beschluss vom 11. November 2004 - 5 [X.], [X.]St 49, 317, 332 f.; Urteile vom 2. Dezember 2005 - 5 [X.], [X.]St 50, 299, 314 f., und vom 23. Oktober 2018 - 1 StR 234/17, [X.], 190, 192).

(3) Das [X.] hat zudem nicht in den Blick genommen, dass der Vermögensnachteil auch durch die Erbringung einer rechtsgrundlosen Zahlung bewirkt werden kann, weil diese nicht zum Erlöschen einer wirksamen Forderung führt (vgl. [X.], Urteil vom 10. Oktober 2012 - 2 StR 591/11, [X.], 165, 166). Die Feststellungen legen dies nahe, weil der Angeklagte - für den gesondert verfolgten Sc.      erkennbar - seine Vertretungsmacht missbraucht haben könnte, indem er einen Vertrag infolge einer Bestechung geschlossen hat (vgl. [X.], Urteil vom 6. Mai 1999 - [X.], [X.]Z 141, 357, 363 f.).

c) Wegen dieses Rechtsfehlers hat der Schuldspruch zu Fall 2 keinen Bestand. Die jeweils zugehörigen Feststellungen sind hiervon nicht berührt, sodass sie bestehen bleiben können (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Die nunmehr zur Entscheidung berufene [X.] wird weitergehende Feststellungen treffen können, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.

3. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall 2 entzieht der hierfür festgesetzten Einzelstrafe sowie der Gesamtstrafe die Grundlage.

4. Im Übrigen hat die sachlich-rechtliche Nachprüfung des Urteils anhand der [X.] keinen den Angeklagten nachteiligen Rechtsfehler ergeben.

5. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass der durch die erst ein Jahr nach Urteilsabsetzung erfolgte Fertigstellung des Protokolls eingetretenen Verfahrensverzögerung im weiteren Verfahren Rechnung zu tragen sein wird.

[X.]     

        

     Mosbacher     

        

Köhler

        

Ri’in[X.] Resch ist
im Urlaub und kann
nicht unterschreiben.

                          
        

[X.]

        

von Häfen     

        

Meta

5 StR 481/20

08.06.2021

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Itzehoe, 25. Juni 2019, Az: 1 KLs 18/18

§ 266 Abs 1 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.06.2021, Az. 5 StR 481/20 (REWIS RS 2021, 5225)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 5225

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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