Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.09.2015, Az. XII ZB 225/15

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 4947

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.]/15
vom
23. September 2015
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 1896 Abs. 2 Satz 2; FamFG § 26
Eine Betreuung ist nur dann gemäß §
1896 Abs.
2 Satz
2 BGB nicht erforder-lich, wenn konkrete Alternativen im Sinne dieser Vorschrift bestehen. Die Mög-lichkeit einer Bevollmächtigung steht der Erforderlichkeit der Betreuung daher nur entgegen, wenn es tatsächlich mindestens eine Person gibt, welcher der Betroffene das für eine Vollmachterteilung erforderliche Vertrauen entgegen bringt und die zur Übernahme der anfallenden Aufgaben als Bevollmächtigter des Betroffenen bereit und in der Lage ist.
[X.], Beschluss vom 23. September 2015 -
XII [X.]/15 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII. Zivilsenat des [X.] hat am 23.
September 2015
durch den Vorsitzenden Richter Dose und [X.]
Klinkhammer, Dr.
Günter, Dr.
Botur und Guhling
beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde
des
Betroffenen wird der Beschluss der 3.
Zivilkammer des Landgerichts [X.]
vom 23.
April
2015
aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten
Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Land-gericht zurückverwiesen.
Wert: 5.000

Gründe:
I.
Der
Betroffene wendet sich dagegen,
dass Amts-
und Landgericht ihm
die Bestellung eines Betreuers versagt haben.
Auf Anregung des Vollstreckungsgerichts
ist für den im Jahre 1950 gebo-renen Betroffenen ein Betreuungsverfahren eingeleitet
worden, weil sich im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens Hinweise auf eine psychische Erkrankung des Betroffenen mit Suizidgefahr ergeben hatten. Der Betroffene hat auch selbst die Einrichtung einer Betreuung beantragt
und zur Begründung 1
2
-
3
-
ausgeführt, er sei insbesondere nicht in der Lage, seine finanziellen Angelegen-heiten selbst zu erledigen.
Der von Vollstreckungsgericht und Betreuungsgericht beauftragte sozial-psychiatrische Dienst hat in einem amtsärztlichen Gutachten eine depressive Symptomatik diagnostiziert, derentwegen der Betroffene mit der Regelung [X.] finanziellen und schriftlichen Angelegenheiten überfordert sei. Er sei aber zur Vollmachterteilung sowie dazu in der Lage, seinen Willen unbeeinflusst von dieser Beeinträchtigung zu bilden.
Das Amtsgericht
hat die Bestellung eines Betreuers abgelehnt, weil der Betroffene sich erforderliche Hilfen durch Erteilung einer ([X.] beschaffen könne.
Die Beschwerde des
Betroffenen ist ohne Erfolg geblieben. Hiergegen richtet sich seine Rechtsbeschwerde.

II.
Die gemäß §
70 Abs.
3
Satz
1 Nr.
1 FamFG ohne Zulassung durch
das Beschwerdegericht statthafte (Senatsbeschluss vom 29.
Januar 2014

XII
ZB
519/13

FamRZ 2014, 652 Rn.
8)
und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Das Beschwerdegericht hat unter Bezugnahme auf die amtsgerichtli-che Entscheidung zur
Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Be-troffene leide zwar an einer depressiven Episode. Er sei aber unbeschränkt ge-schäftsfähig und in der Lage, eine ([X.] zu erteilen. Von der Möglichkeit, eine Vollmacht zu erteilen, habe er im Übrigen sowohl im Betreu-ungsverfahren als auch im Zwangsversteigerungsverfahren Gebrauch gemacht. Gemäß §
1896 Abs.
2 Satz
2 BGB sei die Einrichtung einer gesetzlichen Be-3
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-
4
-
treuung nicht erforderlich, wenn ein Betroffener geschäftsfähig sei, Vollmachten erteilen und sich alternative Hilfen beschaffen könne. So liege es hier. Der Be-troffene vermöge einer Person seines Vertrauens eine Vollmacht in den Ange-legenheiten zu erteilen, die er selbst nicht erledigen könne.
Dass eine solche Person nicht zur Verfügung stehe, sei nicht hinreichend dargetan. Der Vortrag, die Familienangehörigen hätten im Hinblick auf die damit verbundene
Verant-wortung Bedenken geäußert, sei jedenfalls nicht ausreichend.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand
a) Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Beschwer-degerichts, wonach
gemäß §
1896 Abs.
2 Satz
2 BGB die
Betreuung nicht er-forderlich
ist, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevoll-mächtigten
oder durch andere Hilfen ebenso gut wie durch einen Betreuer be-sorgt werden können. Daher erübrigt sich eine [X.] jedenfalls dann, wenn der Betroffene noch in der Lage ist, eine Person seines Vertrauens mit der Wahrnehmung der Angelegenheiten zu beauftragen und ein besonderes Bedürfnis für die mit der Betreuung verbundene gerichtliche Kontrolle nicht er-sichtlich ist (Senatsbeschluss vom 21.
November 2013

XII
ZB
481/12

FamRZ
2014, 294 Rn.
11
mwN).
b) Die Annahme des [X.], nach diesen Maßstäben sei eine Betreuung im vorliegenden Fall nicht erforderlich, hat hingegen keinen Be-stand.
aa) Nach den vom Beschwerdegericht
getroffenen Feststellungen leidet der Betroffene jedenfalls unter einer psychischen Krankheit im Sinne des §
1896 Abs.
1 Satz
1 BGB, aufgrund derer er zumindest teilweise nicht in der Lage ist, seine Angelegenheiten zu besorgen. Er ist allerdings nach wie vor ge-schäftsfähig und damit in rechtlicher Hinsicht imstande, Vollmachten zu erteilen.
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8
9
10
-
5
-
Die von der Rechtsbeschwerde hiergegen geltend gemachten Verfah-rensrügen greifen nicht durch. Insbesondere gehen die auf §
280 FamFG ge-stützten, gegen das amtsärztliche Gutachten und dessen Verwertung geführten Angriffe der Rechtsbeschwerde schon deshalb ins Leere, weil
der [X.] dieser Vorschrift mangels Bestellung eines Betreuers oder An-ordnung eines Einwilligungsvorbehalts nicht eröffnet war.
Auch ein Verstoß ge-gen den Amtsermittlungsgrundsatz des §
26 FamFG liegt insoweit nicht vor. Die von der Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang angeführten Umstände führen nicht dazu, dass das Beschwerdegericht zur Frage der [X.] weitere Ermittlungen hätte anstellen müssen.
bb) Das Beschwerdegericht hat aber zu Unrecht von der [X.] des Betroffenen
und der daraus folgenden Möglichkeit, eine ([X.] zu erteilen, darauf geschlossen, dass es an einem Betreuungsbedarf fehlt.
Ist ein Betroffener in der von §
1896 Abs.
1 Satz 1 BGB erfassten Art und Weise an der eigenverantwortlichen Erledigung seiner Angelegenheiten ganz oder teilweise gehindert
und liegt ein Betreuungsbedürfnis vor, kann die Erfor-derlichkeit der Betreuung
nur dann gemäß §
1896 Abs.
2 Satz
2 BGB verneint werden, wenn konkrete Alternativen
im Sinne dieser Vorschrift bestehen. Daher ist das Vorliegen der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen und die damit einher-gehende
rechtliche
Möglichkeit der Bevollmächtigung nicht ausreichend. Viel-mehr
muss es auch tatsächlich mindestens eine Person geben, welcher
der Betroffene das für eine Vollmachterteilung erforderliche Vertrauen entgegen bringt und die zur Übernahme der anfallenden Aufgaben als Bevollmächtigter bereit und in der Lage ist.

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6
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Hierzu fehlt es

wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt

an ausrei-chenden tatrichterlichen Feststellungen. Der amtsgerichtliche Beschluss [X.] zwar die "Familienangehörigen", ohne sich aber zum Vertrauensverhält-nis, zur Eignung als Bevollmächtigte und dazu zu verhalten, ob sie als solche zur Verfügung stehen würden. Das Beschwerdegericht wiederum beschränkt sich insoweit auf den Hinweis, das Fehlen einer zu [X.] sei "nicht hinreichend dargetan".
Dabei geht es offensichtlich unzutreffend von einer entsprechenden Vortragslast des die Betreuung beantragenden Betroffe-nen aus und verkennt damit grundlegend die aus §
26 FamFG folgende Ver-pflichtung des Gerichts, von Amts wegen die zur Feststellung der entschei-dungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.
3. Die Sache ist gemäß §
74 Abs.
6 Satz
2
FamFG zur Nachholung der bislang unterbliebenen Feststellungen an das Beschwerdegericht zurückzuver-weisen.
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15
-
7
-
4. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß §
74 Abs.
7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

Dose

Klinkhammer

Günter

Botur

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 14.01.2015 -
76 XVII 507/14 -

LG [X.], Entscheidung vom 23.04.2015 -
3 [X.]/15 -

16

Meta

XII ZB 225/15

23.09.2015

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.09.2015, Az. XII ZB 225/15 (REWIS RS 2015, 4947)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 4947

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XII ZB 225/15

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