Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 28.04.2020, Az. 4 B 49/18

4. Senat | REWIS RS 2020, 3878

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Keine grundsätzliche Bedeutung, wenn Entscheidungserheblichkeit nicht feststellbar


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] für das [X.] vom 4. Juli 2018 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. Die Beigeladene zu 2 trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Gegenstand des Klageverfahrens ist eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den [X.]etrieb von zwei Windenergieanlagen. Ursprünglich hatte der [X.]eklagte die Errichtung und den [X.]etrieb von vier Windenergieanlagen genehmigt, die in räumlicher Nähe zu einem [X.] und dem Wohngrundstück der Klägerin errichtet werden sollten. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab, das [X.] ließ die [X.]erufung zu und ordnete mit [X.]eschluss vom 30. Juni 2017 - 8 [X.]/17 - die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung der Klage an. Es bestünden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des immissionsschutzrechtlichen [X.] im Hinblick auf die fehlende Nachvollziehbarkeit der zugrunde liegenden [X.].

2

Die [X.]auherren verzichteten auf die Genehmigung von zwei der vier Anlagen. Das Verfahren wurde insoweit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Das [X.] änderte mit [X.]eschluss vom 19. Oktober 2017 - 8 [X.] 1113/17 - den [X.]eschluss vom 30. Juni 2017 und lehnte den Antrag auf Fortdauer der aufschiebenden Wirkung der Klage ab. Mit dem angegriffenen Urteil stellte es das Verfahren ein, soweit es für erledigt erklärt wurde und wies die [X.]erufung im Übrigen zurück. Die Klägerin könne (u.a.) eine Aufhebung der Genehmigung nicht wegen eines etwaigen Verstoßes gegen habitat- bzw. artenschutzrechtliche Vorschriften verlangen, da sie als natürliche Person bei einem Verstoß gegen diese Vorschriften nicht in ihren Rechten verletzt würde.

II

3

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

4

Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer [X.]edeutung über den der [X.]eschwerde zu Grunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der [X.]eschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. [X.], [X.]eschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 [X.] 78.61 - [X.]E 13, 90 <91>).

5

Die [X.]eschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,

ob Vorschriften des [X.] bzw. unionsbasierten Habitatschutzrechts (Art. 6 Abs. 3 [X.], § 34 Abs. 1, 2 [X.]atSchG) einzelnen Privatpersonen, die dem Kreis der von einem Projekt unmittelbar betroffenen Öffentlichkeit angehören, ein Recht auf [X.]eachtung der sich aus diesen [X.]estimmungen ergebenden Anforderungen einräumt, dessen Verletzung von den unmittelbar [X.]etroffenen gerichtlich geltend gemacht werden kann und zur Aufhebung einer angegriffenen Zulassungsentscheidung bzw. zur Erklärung ihrer Rechtswidrigkeit und mangelnden Vollziehbarkeit nötigt.

6

Diese Frage kann nicht zur Zulassung der Revision führen, weil Tatsachen, die vorliegen müssten, damit die mit der Nichtzulassungsbeschwerde angesprochenen Fragen sich in einem Revisionsverfahren stellen könnten, von der Vorinstanz nicht festgestellt worden sind ([X.], [X.]eschlüsse vom 5. September 1996 - 9 [X.] 387.96 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 12, vom 17. März 2000 - 8 [X.] 287.99 - [X.]E 111, 61 <62> und vom 19. Februar 2014 - 4 [X.] 40.13 - juris Rn. 9). Das [X.] hat keine tatsächlichen Feststellungen dazu getroffen, ob das streitgegenständliche Vorhaben gegen Vorschriften des [X.] oder auf Unionsrecht beruhenden nationalen Habitatschutzrechts verstößt. Damit bleibt offen, ob sich die von der [X.]eschwerde aufgeworfene Frage in einem Revisionsverfahren überhaupt stellen würde. Ziel der Grundsatzrevision ist es indes, die Rechtseinheit in ihrem [X.]estand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (stRspr, vgl. [X.], [X.]eschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 [X.] 78.61 - [X.]E 13, 90 <91>). Dem würde es widersprechen, die Revision in [X.]ezug auf Fragen zuzulassen, deren Entscheidungserheblichkeit nicht feststeht ([X.], [X.]eschluss vom 21. Januar 2016 - 4 [X.] 36.15 - juris Rn. 12).

7

Das [X.] hat einen Verstoß gegen habitat- bzw. artenschutzrechtliche Vorschriften ausdrücklich offengelassen und insoweit nur von einem "(etwaigen)" Verstoß gesprochen ([X.]). Ausreichende Feststellungen lassen sich auch nicht seinem [X.]eschluss vom 30. Juni 2017 - 8 [X.]/17 - entnehmen, auf den das Urteil am Ende des Tatbestandes ([X.]) und für die [X.]egründung der Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO ([X.]) verweist. Die in diesem [X.] vorgenommene Tatsachenwürdigung betrifft die Nachvollziehbarkeit der standortbezogenen [X.] für vier Windenergieanlagen und damit ein anderes Vorhaben und eine andere Rechtsfrage. Sie ist - dem Maßstab des § 80b Abs. 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO geschuldet - nur vorläufig (vgl. auch [X.], [X.]eschluss vom 13. Januar 2014 - 4 [X.] 37.13 - juris Rn. 12). Es fehlen damit bindende Feststellungen nach § 137 Abs. 2 VwGO, die es dem Senat ermöglichten zu entscheiden, ob ein Verstoß gegen § 34 Abs. 1 und 2 [X.]atSchG vorliegt. Der Rechtsstreit müsste zur Klärung dieser Frage daher an das [X.] zurückverwiesen werden, wenn die als grundsätzlich aufgeworfene Frage im Sinne der Klägerin beantwortet würde (vgl. [X.], Urteile vom 10. April 2013 - 4 [X.] 3.12 - [X.]E 146, 176 Rn. 10 und 31, vom 19. Dezember 2013 - 4 [X.] 14.12 - [X.]E 149, 17 Rn. 29 und vom 18. Dezember 2014 - 4 [X.] 35.13 - [X.] 442.42 § 27a [X.] Nr. 8 Rn. 33).

8

Der [X.]eschwerde verhilft auch nicht zum Erfolg, dass sie ihre Grundsatzfrage auf den Umfang der Rügebefugnis [X.]. Die so formulierte Frage mag ohne weitere Feststellungen klärungsfähig sein, die tatrichterlichen Feststellungen reichen aber zur [X.]eurteilung ihrer Entscheidungserheblichkeit nicht aus. Darin liegt keine unzulässige Erschwerung des Zugangs zur Revisionsinstanz. Denn der Einwand fehlender tatrichterlicher Feststellungen kann einer [X.]eschwerde nicht entgegengehalten werden, wenn eine in der Vorinstanz ordnungsgemäß beantragte Sachverhaltsaufklärung nur deswegen unterblieben ist, weil das [X.] eine als rechtsgrundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage anders als der [X.]eschwerdeführer beantwortet und deswegen die [X.]eweisaufnahme als nicht entscheidungserheblich abgelehnt hat ([X.], [X.]eschlüsse vom 17. März 2000 - 8 [X.] 287.99 - [X.]E 111, 61 <62>, vom 19. August 2013 - 9 [X.] 1.13 - [X.] 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 56 Rn. 7, vom 21. April 2015 - 4 [X.] 8.15 - juris Rn. 3 und vom 21. Januar 2016 - 4 [X.] 36.15 - juris Rn. 13). Ein solcher Fall liegt indes nicht vor, weil die anwaltlich vertretene Klägerin Anträge zur Sachverhaltsaufklärung nicht gestellt hat.

9

Für Überlegungen dazu, ob und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen auf das Erfordernis eines (unbedingten) [X.]eweisantrages ausnahmsweise verzichtet werden kann, bietet der Fall keine Veranlassung. Die Klägerin war schon deshalb gehalten, hinsichtlich der geltend gemachten Verstöße gegen Habitat- und Artenschutzrecht auf eine [X.]eweisaufnahme hinzuwirken, weil sie ihre Auffassung, die Vorschriften des Habitat- und Artenschutzrechts hätten drittschützenden [X.]harakter, vor allem auf jüngere Entscheidungen des Gerichtshofs der [X.] vom 20. Dezember 2017 ([X.]-664/15 ) und vom 12. April 2018 ([X.]-323/17) stützte. Sie hatte daher Anlass und es war ihr ohne Weiteres zuzumuten, sich in der mündlichen Verhandlung am 4. Juli 2018 mittels [X.]eweisantrag Klarheit darüber zu verschaffen, ob das [X.]erufungsgericht angesichts dieser Rechtsprechung eine weitere Sachverhaltsaufklärung für erforderlich halten oder seine Rechtsauffassung aus dem [X.] vom 19. Oktober 2017 (- 8 [X.] 1113/17 - ZUR 2018, 117 <118 > = juris Rn. 11) bestätigen würde. Wie in [X.]ezug auf Verfahrensrügen gilt auch hier, dass das Revisionsverfahren nicht dazu dient, Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren (vgl. auch [X.], [X.]eschluss vom 21. Dezember 2018 - 7 [X.] 3.18 - [X.] 406.27 § 32 [X.][X.]ergG [X.] Rn. 8).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der [X.]eigeladenen zu 1 sind erstattungsfähig, weil sie sich im Verfahren zur Sache eingelassen und durch Stellung eines Sachantrags einem Kostenrisiko ausgesetzt hat. Es entspricht indes nicht der [X.]illigkeit, der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der [X.]eigeladenen zu 2 aufzuerlegen. Deren [X.]eteiligtenstellung beruht allein auf dem zwischen den [X.]eigeladenen veranlassten, nachträglichen [X.]auherrenwechsel. Es hätte der [X.]eiladung der [X.]eigeladenen zu 2 auch nicht notwendigerweise bedurft, da ihre Rechte gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 265 ZPO im Wege der Prozessstandschaft durch die [X.]eigeladene zu 1 wahrgenommen worden sind (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 7. Februar 2011 - 6 [X.] 11.10 - [X.] 442.066 § 37 TKG Nr. 3).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 B 49/18

28.04.2020

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 4. Juli 2018, Az: 8 A 47/17, Urteil

§ 132 Abs 2 Nr 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 28.04.2020, Az. 4 B 49/18 (REWIS RS 2020, 3878)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3878

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 B 39/18 (Bundesverwaltungsgericht)

Schutz benachbarter Windenergieanlagen vor Abschattung ("Windklau")


4 B 11/21, 4 B 11/21 (4 B 25/20) (Bundesverwaltungsgericht)


4 BN 61/19 (Bundesverwaltungsgericht)

Landschaftsschutzgebietsverordnung zum Schutz eines FFH-Gebietes


4 B 39/19 (Bundesverwaltungsgericht)

Nachbarklage gegen die Genehmigung einer Windfarm


4 BN 24/16 (Bundesverwaltungsgericht)

Einsichtnahme in DIN-Vorschriften bei Bekanntmachung eines Bebauungsplans


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.