Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28.11.2012, Az. 6 C 8/12

6. Senat | REWIS RS 2012, 919

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Religionsgemeinschaft; Verleihung der Körperschaftsrechte; Zahl der Mitglieder


Leitsatz

Die Verleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an eine Religionsgemeinschaft kann nicht mit der Begründung abgelehnt werden, die Zahl der Mitglieder unterschreite die Zahl von einem Tausendstel der Bevölkerung des jeweiligen Landes.

Tatbestand

1

Die Klägerin, die [X.] in [X.], beantragte bei dem [X.], ihr die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu verleihen. Das [X.] lehnte den Antrag ab: Die Klägerin biete nicht durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer. Nach der Verwaltungspraxis müsse die Religionsgemeinschaft eine Mitgliederzahl von mindestens einem Promille der Bevölkerung des jeweiligen [X.] aufweisen. Die Zahl der Mitglieder der Klägerin in [X.] (900 bis 950) unterschreite ein Promille der [X.] Bevölkerung (= 6089) bei weitem.

2

Die Klägerin hat mit dem Antrag Klage erhoben, den Bescheid des [X.]s aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, ihr die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu verleihen.

3

Das Verwaltungsgericht hat das beklagte Land verpflichtet, den Antrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

4

Auf die Berufung der Klägerin hat der [X.]hof durch das angefochtene Urteil das [X.] [X.] unter Aufhebung seines ablehnenden Bescheides verpflichtet, der Klägerin die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu verleihen: Die Klägerin biete nach der Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer. Weder der Wortlaut des Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV noch seine Entstehungsgeschichte gäben etwas dafür her, die Verleihung der Körperschaftsrechte von einer bestimmten Relation der Mitgliederzahl zur Gesamtbevölkerung abhängig zu machen. Unter Heranziehung aller anderen Kriterien ergebe sich für die Klägerin eine günstige Prognose. Sie habe in [X.] zwar nur relativ wenige Mitglieder. Die Mitgliederzahl in [X.] sei langsam, aber konstant angestiegen und betrage insgesamt ca. 5 000. Die Altersstruktur lasse erwarten, dass sich die Mitgliederzahl zumindest auf absehbare [X.] nicht wesentlich verringern, sondern eher weiterhin ansteigen werde. Hinzu komme eine solide Finanzausstattung. Die Klägerin bestehe in [X.] seit über 100 Jahren. Dem komme umso größere Bedeutung zu, als sie ihr Verbot im [X.] und in der [X.] überstanden und in [X.] sofort nach dem Krieg, in der [X.] sofort nach der Beseitigung des [X.] wieder strukturierte Aktivitäten aufgenommen und bis heute konsequent fortgesetzt habe. Für die Gewähr der Dauer gerade in [X.] sei von erheblicher Bedeutung, dass die Klägerin hier mittlerweile ihren Sitz und mit dem [X.] und anderen Einrichtungen ein für ihre Mitglieder überregional bedeutsames Zentrum habe.

5

Gegen dieses Urteil hat das beklagte Land die vom [X.]hof zugelassene Revision eingelegt, mit der es beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] zurückzuweisen: Es gebe bisher keine hinreichend sichere Grundlage für die Annahme, dass die Klägerin durch ihre Verfassung die Gewähr der Dauer biete. Ihr fehle eine Satzung. Die mitgliedschaftlichen Strukturen seien nicht eindeutig geregelt. Ihre Finanzausstattung habe der [X.]hof nicht ermittelt. Insbesondere sei unklar, ob sie über ausreichende Mittel für ihre Arbeit in [X.] verfüge. Die Klägerin biete ferner nicht durch die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer. Die Zahl der Mitglieder bilde ein eigenständiges verfassungsrechtliches Kriterium. Es stehe gleichrangig neben dem Erfordernis der Verfassung. Der Ablehnungsbescheid orientiere sich an der Richtgröße von einem Promille der Bevölkerung. Dieser Richtwert konkretisiere die Forderung, dass die Religionsgemeinschaft eine gewisse Bedeutung im öffentlichen Leben des [X.] erlangt haben müsse. Erst diese Bedeutung rechtfertige es, eine Religionsgemeinschaft gegenüber anderen Akteuren des gesellschaftlichen Lebens durch die Verleihung der Körperschaftsrechte zu begünstigen. Im Vordergrund habe dabei die Zahl der Mitglieder in dem Bundesland zu stehen, in dem die Verleihung der Körperschaftsrechte begehrt werde, hier also in [X.]. Der [X.]hof rücke zu Unrecht die Zahl der Mitglieder im [X.] und die Zahl der Bahá'í weltweit in den Vordergrund. Davon abgesehen sei ein erheblicher Teil der Mitglieder [X.]. Sie suchten in [X.] Zuflucht vor dem Regime in ihrem Heimatland. Ihre Rückkehr dorthin sei nicht ausgeschlossen, wenn sich die politischen Verhältnisse im [X.] änderten. Zudem lebten nach den eigenen Angaben der Klägerin ihre Mitglieder an 865 verschiedenen Orten, die 109 örtlichen Geistigen Räten zugeordnet seien. Bei rund 5 100 Bahá'í in [X.] lebten nur durchschnittlich sechs Gläubige an einem Ort. Im Schnitt nur 47 Gläubige gehörten einer Gemeinde an, für die ein örtlicher Geistiger Rat bestehe. [X.] die Mitglieder einer Religionsgemeinschaft derart verstreut in einem Land, biete ihre Gesamtzahl nicht die gleiche Gewähr der Dauer wie bei einer [X.], deren Mitglieder in einzelnen geschlossenen Gemeinden lebten. Von allenfalls geringer Bedeutung sei die Zahl der Mitglieder im Ausland. Die Verbindungen zum Ausland unterlägen vielfältigen Unsicherheiten, zumal bei einer Religion, deren Anhänger zu einem erheblichen Teil - wie die Bahá'í im [X.] - in einem feindlichen Umfeld lebten.

6

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und macht ergänzend geltend: Sie verfüge aufgrund der innergemeinschaftlichen Regelungen über eine hinreichende rechtliche Organisation und eindeutige mitgliedschaftliche Strukturen. Eine ausreichende Finanzausstattung habe der [X.]hof festgestellt. Dagegen habe das beklagte Land keine zulässigen Revisionsrügen vorgebracht. Es beurteile in diesem wie auch in anderem Zusammenhang zu Unrecht isoliert die Verhältnisse in [X.]. Sie - die Klägerin - sei eine ganz [X.] umfassende einheitliche Organisation mit einheitlicher Finanzausstattung und einheitlicher Bestandszeit. Die - im Übrigen oftmals durchbrochene - Verwaltungspraxis, für die Verleihung der Körperschaftsrechte einen Mitgliederbestand von einem Tausendstel der Bevölkerung des jeweiligen [X.] zu verlangen, scheide mangels normativer Wirkung als Rechtsgrundlage für die Verweigerung der Körperschaftsrechte aus. Bei der stattdessen erforderlichen Gesamtbetrachtung [X.] neben den Gesichtspunkten der Altersstruktur, der [X.] Schichtung und der örtlichen Verteilung der Mitglieder vor allem der Umstand eine Rolle, dass die Religionsgemeinschaft in anderen Bundesländern mehr Mitglieder habe, bereits weit über dreißig Jahre in [X.] tätig sei oder Teil einer im Ausland seit langer [X.] festgefügten Religionsgemeinschaft sei. Der Anteil an Ausländern unter ihren Mitgliedern spreche nicht gegen die Gewähr der Dauer. Von den Mitgliedern [X.] Herkunft hätten mehr als die Hälfte die [X.] Staatsangehörigkeit. Eine breite Streuung ihrer Mitglieder in [X.] habe es seit jeher gegeben, ohne sich auf ihre Existenz auszuwirken. Wegen der Mobilität heute habe eine geringe Dichte von Gläubigen an einem Ort nur eingeschränkte Bedeutung.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des beklagten [X.] ist unbegründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht den Bescheid des [X.] aufgehoben und das beklagte Land verpflichtet, der Klägerin die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu verleihen.

8

Nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 5 Satz 2 der Verfassung des [X.] vom 11. August 1919 ([X.] Reichsverfassung - WRV) sind einer Religionsgemeinschaft die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu verleihen, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bietet. Der Verwaltungsgerichtshof hat in zutreffender Auslegung und Anwendung dieser Bestimmung angenommen, dass die Klägerin durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bietet.

9

1. Diese Voraussetzung ist auf die Zukunft bezogen und verlangt demnach eine Prognose, ob die Religionsgemeinschaft auf Dauer Bestand haben wird. Die [X.] und die Zahl ihrer Mitglieder sind Grundlage dieser Prognose. Dabei bezeichnet der Begriff der Verfassung mehr als eine rechtliche Satzung, die den Erfordernissen des Rechtsverkehrs genügt. Im Zusammenhang mit Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV meint Verfassung auch den tatsächlichen Zustand einer [X.], ihre Verfasstheit ([X.], Urteil vom 19. Dezember 2000 - 2 BvR 1500/97 - [X.]E 102, 370 <384 f.>).

a) Wird der Begriff der Verfassung in Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV im Sinne des tatsächlichen [X.] einer Religionsgemeinschaft verstanden, lässt sich die Zahl der Mitglieder als weiteres Tatbestandsmerkmal von der so verstandenen Verfassung nicht trennscharf abgrenzen. Zum tatsächlichen Gesamtzustand einer Religionsgemeinschaft gehört wesentlich ihr Bestand an Mitgliedern. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV ist dahin zu verstehen, dass mit dem Merkmal der Verfassung auf den tatsächlichen Gesamtzustand der Religionsgemeinschaft abgehoben wird und die Zahl der Mitglieder als wesentliches Element dieses [X.] eigens betont wird.

b) Zwar ist der gegenwärtige Mitgliederbestand der Religionsgemeinschaft Grundlage der Prognose, ob die Religionsgemeinschaft dauerhaft bestehen wird. Jedoch kann regelmäßig allein aus der Zahl der Mitglieder nicht unmittelbar auf den künftigen Fortbestand der Religionsgemeinschaft geschlossen werden. Wie jede statistische Zahl bedarf die Zahl der Mitglieder einer Bewertung, wenn aus ihr eine Aussage für die zukünftige Entwicklung abgeleitet werden soll. Dieselbe Zahl an Mitgliedern kann im Lichte notwendiger weiterer Bewertungsfaktoren die Prognose dauerhaften Bestandes stützen oder zu Fall bringen. Zur Bewertung ist insbesondere heranzuziehen, wie lange die Religionsgemeinschaft bereits besteht, wie sich ihr Mitgliederbestand in der Vergangenheit entwickelt hat, wie die [X.] der Mitglieder, aber auch ihre [X.] Zusammensetzung ist; daneben kann eine Rolle spielen, ob die in [X.] ansässige Religionsgemeinschaft in eine größere, gar weltweit verbreitete [X.] eingebunden ist. Ist die Zahl der Mitglieder einer Religionsgemeinschaft in der Vergangenheit stetig, zuletzt gar beschleunigt gesunken und gehören die noch verbliebenen Mitglieder überwiegend den älteren Jahrgängen an, ist der gegenwärtige Mitgliederbestand Ausdruck eines Tiefpunktes, von dem aus eine Prognose dauerhaften Bestandes nur noch schwer oder gar nicht mehr möglich ist. Umgekehrt kann dieselbe Zahl an Mitgliedern die Prognose eines dauerhaften Bestandes ermöglichen, wenn sie über Generationen gleichgeblieben oder sogar stetig angewachsen ist und die Mitglieder eine ausgewogene, der Gesamtheit der Bevölkerung in etwa entsprechende Altersstruktur aufweisen. Wiederum dieselbe Zahl kann bei einer neu aufgetretenen Religionsgemeinschaft keine eindeutige Prognose zulassen, wenn etwa der Kreis der Mitglieder sich auf die Gründergeneration um den Stifter beschränkt und nicht absehbar ist, wie die [X.] sich nach dem Tod des [X.] entwickelt. Das Merkmal der Gewähr der Dauer hat gerade auch die Funktion, die Zuerkennung der Körperschaftsrechte an neu entstandene Bewegungen zu verhindern, deren weiterer Weg noch im Dunkeln liegt.

Diese Bewertungsfaktoren machen die Zahl der Mitglieder als Grundlage einer Prognose erst handhabbar. Sie sind notwendig schon in dem Merkmal der Zahl der Mitglieder, jedenfalls in dem Merkmal der Verfassung verstanden als tatsächlicher Gesamtzustand, mitgedacht und mitgemeint. Es handelt sich bei ihnen nicht um nachrangige Hilfskriterien, denen ein geringerer Stellenwert zukommt als der absoluten Zahl der Mitglieder, wie das beklagte Land meint. [X.] ist insbesondere dessen Ansatz, von dem Verhältnis der Mitgliederzahl zur Bevölkerungszahl als einem Richtwert auszugehen und anderen für die Bewertung des [X.] wesentlichen Faktoren nur die Funktion von Indizien zuzuweisen, die allenfalls geeignet sein können, eine geringe Unterschreitung des [X.] ausnahmsweise auszugleichen.

Die absolute Zahl der Mitglieder oder ihr Verhältnis zur Größe der Bevölkerung kann zwar unter Umständen schon für sich von Bedeutung für die Frage sein, ob die Religionsgemeinschaft die Gewähr der Dauer bietet. So mag, auch zur Erleichterung des [X.], von einer bestimmten [X.] an ohne weitere Prüfung angenommen werden können, dass die Religionsgemeinschaft nach der Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bietet, weil schon die schiere Größe der Religionsgemeinschaft ihr Erlöschen nicht erwarten lässt. Jedoch taugt die Festlegung einer [X.] von einem Tausendstel der Bevölkerung des jeweiligen Bundeslandes nicht umgekehrt als Kriterium, um die Religionsgemeinschaft von der Verleihung der Körperschaftsrechte auszuschließen. Das könnte mangels normativer Festlegung dieses Kriteriums nur dann angenommen werden, wenn seiner Wahl verlässliche allgemeine Erfahrungswerte zugrunde lägen, dass bei einem Unterschreiten dieses [X.] mit einem dauerhaften Bestand nicht mehr gerechnet werden kann. An einem solchen Erfahrungssatz fehlt es indes. Das beklagte Land hat selbst nur vorgetragen, die Erfahrung habe gezeigt, dass Religionsgemeinschaften, die das Kriterium einer Mitgliederzahl von einem Tausendstel der Bevölkerung des jeweiligen [X.] erfüllten, tatsächlich auf Dauer Bestand gehabt hätten. Einen umgekehrten Erfahrungssatz, dass kleinere Religionsgemeinschaften auf Dauer keinen Bestand haben, hat es hingegen nicht behauptet. Unstreitig ist zahlreichen Religionsgemeinschaften der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen worden, obwohl sie nicht den Richtwert von einem Tausendstel der Bevölkerung erreicht hatten.

c) Die Zahl der Mitglieder hat nach der Regelung in Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV keine eigenständige Bedeutung, die sich von der Funktion dieses Tatbestandsmerkmals löst, Grundlage für zu prognostizierende Gewähr der Dauer zu sein. Sie soll nicht selbständig die Bedeutung der Religionsgemeinschaft im öffentlichen Leben als einer (zusätzlichen) Voraussetzung für die Verleihung der Körperschaftsrechte anzeigen.

Die Gewährleistungen der [X.] Kirchenartikel sind funktional auf die Inanspruchnahme und Verwirklichung des Grundrechts der Religionsfreiheit angelegt. Der den Religionsgemeinschaften in Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV angebotene Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ist ein Mittel zur Entfaltung der Religionsfreiheit. Der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts soll die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Religionsgemeinschaften unterstützen. Sie stehen dem Staat als Teile der Gesellschaft gegenüber. Dass sie ihre Tätigkeit frei von staatlicher Bevormundung und Einflussnahme entfalten können, schafft die Voraussetzung und den Rahmen, in dem die Religionsgemeinschaften das Ihre zu den Grundlagen von Staat und Gesellschaft beitragen können ([X.], Urteil vom 19. Dezember 2000 - 2 BvR 1500/97 - [X.]E 102, 370 <387 f.>).

Der Körperschaftsstatus wird jeder Religionsgemeinschaft, die die Gewähr der Dauer bietet, zur Entfaltung ihrer Religionsfreiheit angeboten, unabhängig von ihrer wie auch immer zu umschreibenden Bedeutung für das öffentliche Leben. Das Grundgesetz geht davon aus, dass Religionsgemeinschaften das Ihre zu den Grundlagen von Staat und Gesellschaft beitragen. Ihr Nutzen hierfür ist nicht im Einzelfall, etwa anhand der Größe und einer damit vielleicht einhergehenden Bedeutung für das öffentliche Leben, konkret festzustellen, wenn nur die Gewähr der Dauer gegeben ist.

2. Ausgehend von diesem Verständnis des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV kann nicht beanstandet werden, dass der Verwaltungsgerichtshof der Klägerin zugebilligt hat, sie biete die Gewähr der Dauer.

a) Der Verwaltungsgerichtshof hat hierfür den festgestellten gegenwärtigen Stand an Mitgliedern anhand zutreffender Kriterien bewertet, nämlich darauf abgestellt, dass die Klägerin in [X.] seit über 100 Jahren besteht, ihre Mitgliederzahl in [X.] langsam, aber konstant angestiegen ist, die Altersstruktur erwarten lässt, dass sich die Mitgliederzahl zumindest auf absehbare [X.] nicht wesentlich verringern, sondern eher weiterhin ansteigen wird. Ebenso durfte der Verwaltungsgerichtshof der Dauer des Bestands in [X.] umso größere Bedeutung zumessen, als die Klägerin ihr Verbot im [X.], den nachfolgenden [X.] und ihr Verbot in der [X.] überstanden und sich in [X.] sofort nach dem Krieg, in der [X.] sofort nach der Beseitigung des [X.] wieder in Gemeinden organisiert und ihr Gemeindeleben bis heute fortgesetzt hat.

Rechtlich unerheblich ist der Einwand des beklagten [X.], der Verwaltungsgerichtshof hätte statt auf die Verhältnisse in [X.] entscheidend auf die Dauer des Bestands der Klägerin in [X.] und ihre Mitgliederzahl dort abstellen müssen. Die Klägerin ist eine bundesweit tätige Organisation, der als solche die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen werden sollen. Ob die Voraussetzungen der Verleihung vorliegen, ist bezogen auf die bundesweit tätige Organisation als solche zu prüfen. Bezogen auf sie, nicht aber auf einen rechtlich und tatsächlich nicht ausscheidbaren Tätigkeitsbereich in einem Bundesland müssen die Voraussetzungen einer Gewähr auf Dauer vorliegen. Dass diese Voraussetzungen von einer [X.]behörde festzustellen sind, ist unerheblich. Eine [X.]behörde hat selbstverständlich in Anwendung einer Vorschrift des Bundesrechts einen Sachverhalt umfassend zu prüfen und zu berücksichtigen, auch wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der anzuwendenden Rechtsnorm einen Blick über die [X.]grenzen hinaus erfordern. Ebenso unerheblich ist, dass sich einzelne Wirkungen der Verleihung auf das Land beschränken mögen. Dadurch ändern sich nicht die Tatbestandsvoraussetzungen für die Verleihung und der für sie maßgebliche Sachverhalt. Davon abgesehen wirken die wesentliche Konstituierung der Religionsgemeinschaft als juristischer Person und der damit einhergehende Erwerb der Rechtsfähigkeit ohnehin bundesweit.

b) Die Klägerin bietet auch durch ihre Verfassung im Übrigen die Gewähr der Dauer. Die an dieser Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs erstmals im Revisionsverfahren geäußerten Zweifel des beklagten [X.] sind unbegründet.

aa) Soweit Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV auf die [X.] verweist, ist damit zwar auch die rechtliche Verfasstheit der Religionsgemeinschaft gemeint. Jedoch fordert Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV nicht, die Religionsgemeinschaft habe sich zunächst als eingetragener Verein zu bewähren ([X.], Urteil vom 19. Dezember 2000 - 2 BvR 1500/97 - [X.]E 102, 370 <385 f.>). Erforderlich, aber auch ausreichend ist vielmehr, dass die Religionsgemeinschaft im [X.]punkt der Anerkennung rechtlich hinreichend organisiert ist. Sie muss organisatorisch und institutionell in der Lage sein, die Rechte, die sich aus dem Körperschaftsstatus ergeben, auszuüben. Erforderlich ist insbesondere eine mitgliedschaftlich verfasste Organisation. Die Körperschaft des öffentlichen Rechts ist ein [X.]. Dieser Status kommt mithin nur für Religionsgemeinschaften in Betracht, die mitgliedschaftlich verfasst sind. Das setzt voraus, dass nach bestimmten, innergemeinschaftlichen Regeln festgelegt ist, wer Mitglied der Religionsgemeinschaft ist. Das Gegenbild dazu wäre eine Einrichtung, die von beliebig wechselnden Personen genutzt werden kann, die sich als Anhänger einer bestimmten Glaubenslehre verstehen, ohne dass als Träger der Einrichtung ein abgrenzbarer, organisatorisch zusammengefasster [X.] feststellbar ist.

Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin auf der Grundlage ihres innergemeinschaftlichen Rechts, wie es sich aus der Satzung des [X.] ergibt. Danach bestehen Regeln über den Erwerb der Mitgliedschaft, die daraus folgende Beteiligung an der Willensbildung in der [X.] und die Kreierung von Vertretungs- und Leitungsorganen der [X.]. Damit setzt sich das beklagte Land in seiner Revisionsbegründung nicht auseinander. Das [X.] hat in seinem ablehnenden Bescheid insoweit keine Zweifel an dem dauerhaften Bestand der Klägerin geäußert.

bb) Für die Einschätzung dauerhaften Bestands aufgrund des tatsächlichen Gesamtzustandes der [X.] können weitere Indizien herangezogen werden, wie eine ausreichende Finanzausstattung, eine Mindestbestandszeit und die Intensität des religiösen Lebens ([X.], Urteil vom 19. Dezember 2000 - 2 BvR 1500/97 - [X.]E 102, 370 <385>).

Die Klägerin verfügt über eine ausreichende Finanzausstattung. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich festgestellt. Er konnte dafür auf einen internen Vermerk des [X.]s zurückgreifen. In ihm wird der Klägerin eine die Gewähr der Dauer bietende ausreichende Finanzausstattung bestätigt, nachdem sie dem [X.] Unterlagen hierzu vorgelegt hatte. Diese Bewertung hat das [X.] im weiteren Verfahren nicht in Zweifel gezogen. Der Verwaltungsgerichtshof hatte daher keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen. Sollte die in diese Richtung zielende Rüge des beklagten [X.] als Verfahrensrüge im Sinne des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO gemeint sein, genügt sie nicht den Anforderungen an die Darlegung eines [X.]. Soweit das beklagte Land geltend macht, den vorgelegten Unterlagen lasse sich die Finanzausstattung der Klägerin für ihre Arbeit in [X.] nicht entnehmen, ist dieser Einwand - wie schon in anderem Zusammenhang ausgeführt - rechtlich unbegründet.

Meta

6 C 8/12

28.11.2012

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 22. September 2011, Az: 8 A 1978/10, Urteil

Art 137 Abs 5 S 2 WRV, Art 140 GG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28.11.2012, Az. 6 C 8/12 (REWIS RS 2012, 919)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 919

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 K 177/17.MZ (Verwaltungsgericht Mainz)


M 22 K 18.893 (VG München)

Feststellung als Körperschaft des öffentlichen Rechts


2 BvR 1282/11 (Bundesverfassungsgericht)

Begrenzte Befugnis des (Landes-)Parlaments zum Erlass von Einzelpersonengesetzen - hier: Verleihung des Körperschaftstatus an Religionsgemeinschaften …


V ZR 156/12 (Bundesgerichtshof)

(Wirksamkeit kirchengesetzlicher Regelungen einer Religionsgemeinschaft über die Eingliederung örtlicher Vereine in die Körperschaft)


V ZR 156/12 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

2 BvR 1282/11

Zitiert

2 BvR 1500/97

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.