Bundesfinanzhof, Urteil vom 07.02.2013, Az. V R 22/12

5. Senat | REWIS RS 2013, 8276

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Gegenstand

Anforderungen an Berufsqualifikation bei Heilbehandlungen - Erbringung steuerfreier Heilbehandlungsleistungen durch einen Podologen


Leitsatz

Ein Podologe verfügt im Regelfall bereits dann über die erforderliche Berufsqualifikation zur Erbringung steuerfreier Heilbehandlungsleistungen gemäß § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG, wenn er die staatliche Prüfung zum Podologen (§ 4 PodG) mit Erfolg abgelegt hat .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine zum 1. Januar 2010 gegründete [X.] (GbR), an der [X.] und [X.] jeweils hälftig beteiligt waren. Die Klägerin betrieb eine mobile podologische Praxis. [X.] ist ausgebildeter Podologe und hatte am 2. November 2009 die Prüfung nach § 4 des Podologengesetzes ([X.]) bestanden. Die Erlaubnis zur Führung der [X.]erufsbezeichnung Podologe wurde [X.] erst am 10. Januar 2011 erteilt. [X.] ist medizinische Fußpflegerin.

2

Die Klägerin ging davon aus, dass sie steuerfreie Umsätze ausführe, da die podologische [X.]erufsausbildung des [X.] dazu berechtige, im Rahmen der GbR auch für die von [X.] durchgeführten [X.]ehandlungen die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 [X.]uchst. a Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG) in [X.]nspruch zu nehmen.

3

Im [X.]nschluss an eine [X.] ging der [X.]eklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --F[X.]--) davon aus, dass alle Leistungen der Klägerin steuerpflichtig seien. [X.] habe im Jahr 2010 noch nicht über die zur Führung der [X.]erufsbezeichnung berechtigende Erlaubnis verfügt, die ihm erst am 10. Januar 2011 erteilt worden sei. [X.] fehle als medizinische Fußpflegerin die erforderliche [X.]erufsqualifikation. Das F[X.] erließ entsprechend geänderte [X.] 2010.

4

Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, den sie im Einspruchsverfahren nur für den Voranmeldungszeitraum Dezember 2010 aufrechterhielt. Sie ging in Übereinstimmung mit dem F[X.] davon aus, dass ihr Gesellschafter, [X.], 75 % der Umsätze ausgeführt habe und machte geltend, dass ihre Leistungen in diesem Umfang steuerfrei seien. Mit Einspruchsentscheidung vom 30. Juni 2011 wies das F[X.] den Einspruch als unbegründet zurück.

5

Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage statt. Nach seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1789 veröffentlichten Urteil ist die erforderliche [X.]erufsqualifikation bereits mit erfolgreicher [X.]blegung der staatlichen Prüfung zum Podologen nach § 4 Satz 2 [X.] gegeben. Die Erlaubnis (§ 1 [X.]bs. 1 Satz 1 [X.]) sei für die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 [X.]uchst. a Satz 1 UStG nicht maßgeblich.

6

Hiergegen wendet sich das F[X.] mit der Revision. Für die steuerrechtliche Qualifizierung komme es auf die fachgerechte [X.]erufsausübung und damit auf die [X.]erechtigung zur Führung der jeweiligen [X.]erufsbezeichnung an.

7

Während des Revisionsverfahrens erging am 4. September 2012 der [X.] 2010. Die [X.]eteiligten haben mitgeteilt, dass sich der Streitstoff nicht verändert und sich lediglich der Streitwert erhöht habe und nunmehr ... € betrage.

8

Das F[X.] beantragt,
das Urteil des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Umsatzsteuerbescheid 2010 vom 4. September 2012 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um ... € herabgesetzt wird.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des [X.] ist aus anderen als den geltend gemachten Gründen begründet.

1. Das angefochtene Urteil ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, da sich während des Revisionsverfahrens der Verfahrensgegenstand, über dessen Rechtmäßigkeit das [X.] zu entscheiden hatte, geändert hat (§ 127 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Das [X.] hat über den [X.] Dezember 2010 vom 14. April 2011 entschieden. An dessen Stelle ist während des Revisionsverfahrens der Umsatzsteuerjahresbescheid für 2010 vom 4. September 2012 getreten, der nach § 68 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 [X.]O Gegenstand des Verfahrens geworden ist (vgl. z.B. Urteil des [X.] --BFH-- vom 4. November 1999 V R 35/98, [X.], 67, [X.] 2000, 454). Das angefochtene Urteil ist daher gegenstandslos geworden und aufzuheben (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 17. Januar 2008 VI R 44/07, [X.], 269, [X.], 21; vom 10. November 2010 XI R 79/07, [X.], 373, [X.], 311).

2. Die nicht spruchreife Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]O). Zwar hat das [X.] zu Recht entschieden, dass der Gesellschafter der Klägerin, [X.], im Streitjahr über die erforderliche Berufsqualifikation verfügte. Das [X.] hat aber keine Feststellungen zum Vorliegen einer Heilbehandlung getroffen.

a) Nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG sind steuerfrei die "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden". Diese Vorschrift beruht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/[X.] vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL), nach der "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden", steuerfrei sind. § 4 Nr. 14 UStG ist nach ständiger BFH-Rechtsprechung entsprechend dieser Bestimmung auszulegen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 30. April 2009 V R 6/07, [X.], 248, [X.], 679, unter [X.], und vom 2. September 2010 V R 47/09, [X.], 326, [X.], 195, unter [X.] zur gleichlautenden Bestimmung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der [X.] zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG).

Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin sind nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. [X.] nur steuerfrei, wenn sie von Personen erbracht werden, die die hierfür erforderlichen "beruflichen Befähigungsnachweise" (Urteil des Gerichtshofs der [X.] --EuGH-- vom 10. September 2002 [X.]/00, [X.], [X.]. 2002, [X.], [X.] 2003, 30, Beilage 1 Rdnr. 27) und damit die erforderlichen "beruflichen Qualifikationen" besitzen, damit die Heilbehandlungen unter Berücksichtigung der beruflichen Ausbildung der Behandelnden eine ausreichende Qualität aufweisen (EuGH-Urteil vom 27. April 2006 [X.]/04 und [X.]/04, [X.] u.a., [X.]. 2006, [X.], [X.] 2006, 299, Beilage 3 Rdnr. 37; BFH-Urteil in [X.], 326, [X.], 195, unter II.2.).

Auch für die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG kommt es unter Berücksichtigung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. [X.] darauf an, dass eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch einen Unternehmer erbracht wird, der über einen beruflichen Befähigungsnachweis und damit über die für die Leistungserbringung erforderliche Berufsqualifikation verfügt. Der Nachweis dieser Qualifikation kann sich nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s z.B. aus berufsrechtlichen Regelungen ergeben (vgl. z.B. BFH-Urteile in [X.], 248, [X.], 679, unter [X.]b, und vom 1. Dezember 2011 V R 58/09, [X.] 2012, 1186, unter [X.]c).

b) Im Streitfall hat das [X.] zu Recht entschieden, dass der Gesellschafter der Klägerin über die für die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 UStG erforderliche Berufsqualifikation verfügte.

aa) Bei der Beurteilung, ob bereits die erfolgreiche Ablegung der staatlichen Prüfung zum Podologen nach § 4 Satz 2 [X.] oder erst die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung als Podologe nach § 1 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 2 Abs. 1 [X.] zum Erwerb der für die Steuerfreiheit erforderlichen Berufsqualifikation führt, ist zu berücksichtigen, dass es der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verbietet, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln. Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin sind dabei aber nur insoweit gleichartig, als sie für die Behandelten eine gleichwertige Qualität aufweisen (EuGH-Urteil [X.] u.a. in [X.]. 2006, [X.], [X.] 2006, 299, Beilage 3 [X.]. 40 f.). Für die erforderliche Qualifikation kann dabei z.B. die Tätigkeit in einem rechtlichen Rahmen, unter der Kontrolle eines Medizinischen Dienstes und gemäß spezifisch festgelegter Bedingungen sprechen, deren Einhaltung durch die Eintragung in ein hierfür vorgesehenes Register bescheinigt wird (EuGH-Urteil [X.] u.a. in [X.]. 2006, [X.], [X.] 2006, 299, Beilage 3 Rdnr. 46; BFH-Urteile in [X.], 326, [X.], 195, unter II.2., und in [X.] 2012, 1186, unter [X.]).

bb) Danach hat das [X.] nach den Verhältnissen des Streitfalls zu Recht entschieden, dass bereits die erfolgreiche Ablegung der staatlichen Prüfung nach § 4 Satz 2 [X.] im Regelfall zu der erforderlichen Berufsqualifikation führt.

Bereits mit der erfolgreichen Ablegung der Prüfung wird im Regelfall eine dem Podologen qualitativ gleichwertige Tätigkeit ausgeübt. Hierfür spricht insbesondere, dass das [X.] die Erbringung fußpflegerischer Leistungen nicht unter einen Genehmigungsvorbehalt stellt. Der Erlaubnisvorbehalt nach § 1 Abs. 1 [X.] bezieht sich, wie das [X.] zutreffend entschieden hat, vielmehr nur auf das Führen einer Berufsbezeichnung. Verboten ist danach nur das Führen einer durch das [X.] geschützten Berufsbezeichnung ohne entsprechende Erlaubnis, nicht aber die Leistungserbringung als solche (Urteil des [X.] vom 7. Oktober 2010 B 3 [X.] 12/09 R, [X.] 4-2500 § 124 Nr. 2, unter 2.e). Der Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 [X.] kommt daher nicht die Bedeutung zu, das Erbringen bestimmter Leistungen den [X.] vorzubehalten. Der Erlaubnis schließt sich auch kein gesondertes Überwachungsverfahren nach dem [X.] an, durch das sichergestellt wird, dass die Qualität der Leistung sichergestellt ist. Unter Berücksichtigung der EuGH-Rechtsprechung zum Grundsatz der steuerlichen Neutralität, der es verbietet, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln, ist daher davon auszugehen, dass die Leistungen eines Unternehmers, der die in § 4 [X.] vorgesehene staatliche Prüfung bestanden hat, gleichartig zu den Leistungen sind, die ein Unternehmer erbringt, der nicht nur diese Prüfung bestanden hat, sondern darüber hinaus auf seinen Antrag auch die Erlaubnis erhalten hat, die Berufsbezeichnung Podologe zu führen.

cc) Für seine gegenteilige Auffassung kann sich das [X.] nicht auf das von ihm in Bezug genommene BFH-Urteil vom 7. Juli 1976 I R 218/74 ([X.], 274, [X.] 1976, 621) berufen. Danach übt ein medizinischer Fußpfleger keinen dem Beruf des Heilpraktikers oder des Krankengymnasten ähnlichen Beruf i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes aus. Auf die einkommensteuerrechtliche Beurteilung kommt es indes im Hinblick auf die gebotene richtlinienkonforme Auslegung (s. oben II.2.) nicht an.

dd) Für die Steuerfreiheit der für die Klägerin durch [X.] ausgeführten Leistungen reichte es im Übrigen aus, dass ihr Gesellschafter (Herr A) über die erforderliche Berufsqualifikation verfügte (vgl. BFH-Urteil vom 26. September 2007 V R 54/05, [X.], 241, [X.] 2008, 262, Leitsätze 1 und 2).

c) [X.] ist nicht spruchreif. Der [X.] kann nicht selbst entscheiden, da das [X.] keine Feststellungen zur Frage getroffen hat, ob und inwieweit die Leistungen der Klägerin als Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin anzusehen sind. Hieran würde es z.B. für Leistungen auf vorwiegend kosmetischem Gebiet fehlen.

Meta

V R 22/12

07.02.2013

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 28. Juni 2012, Az: 6 K 1911/11, Urteil

§ 4 Nr 14 Buchst a UStG 2005, § 1 PodG, § 4 PodG, Art 132 Abs 1 Buchst c EGRL 112/2006, Art 13 Teil A Abs 1 Buchst c EWGRL 388/77, § 18 Abs 1 Nr 1 S 2 EStG 2009, UStG VZ 2010, EStG VZ 2010, § 2 Abs 1 PodG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 07.02.2013, Az. V R 22/12 (REWIS RS 2013, 8276)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8276

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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