Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.05.2014, Az. XII ZB 539/11

12. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 5624

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Gegenstand

Kostenfestsetzungsverfahren: Berücksichtigung von materiell-rechtlichen Einwendungen gegen den Kostenerstattungsanspruch


Leitsatz

Materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Kostenerstattungsanspruch können nur dann im Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigt werden, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen feststehen, weil sie unstreitig sind oder vom Rechtspfleger im Festsetzungsverfahren ohne Schwierigkeiten aus den Akten ermittelt werden können (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 9. Dezember 2009, XII ZB 79/06, NJW-RR 2010, 718).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 18. Zivilsenats des [X.] vom 3. August 2011 aufgehoben.

Die sofortige Beschwerde der Klägerinnen gegen den [X.] des [X.] vom 18. April 2011 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Rechtsmittel werden den Klägerinnen auferlegt.

[X.]: 3.258 €

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten um die Berücksichtigung einer Aufrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren.

2

Die [X.] haben gegen den Beklagten zu 1 (im Folgenden: Beklagter) gemäß rechtskräftigem Urteil des [X.] nach teilweisem Obsiegen einen Zahlungsanspruch in Höhe von 4.188,80 €. Der Beklagte hat aus diesem Prozess einen Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 90 % seiner außergerichtlichen Kosten, die das [X.] mit [X.] vom 18. April 2011 in Höhe von 3.258,15 € gegen die [X.] festgesetzt hat. Dieser [X.] wurde den [X.] am 27. April 2011 zugestellt. Mit weiterem Beschluss vom 19. April 2011 hat das [X.] die von dem Beklagten an die [X.] zu erstattenden Kosten unter Ausgleichung der Gerichtskosten auf 206,07 € festgesetzt. Die [X.] haben außergerichtlich am 10. Mai 2011 "vorsorglich" für den Fall der Nichtzahlung der Hauptforderung durch den Beklagten die Aufrechnung gegenüber den [X.]n des Beklagten aus beiden Instanzen mit ihrem Zahlungsanspruch erklärt und sodann sofortige Beschwerde gegen den [X.] eingelegt. Der Beklagte wendet ein, die Aufrechnung sei im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu berücksichtigen. Überdies habe er den Kostenerstattungsanspruch bereits mit der Vollmachtserteilung am 24. Mai 2010 an seinen Prozessbevollmächtigten abgetreten und die Vollmacht mit der Abtretung am 28. September 2010 an die [X.] übersandt.

3

Das [X.] hat den [X.] des [X.] aufgehoben und die Kosten des Beschwerdeverfahrens den [X.] zu je ½ auferlegt. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beklagte die Aufhebung des Beschlusses und Zurückweisung der sofortigen Beschwerde.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

5

1. Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Kostenerstattungsanspruch des Beklagten sei einschließlich der Zinsen durch Aufrechnung erloschen. Die Abtretung der [X.] in der Vollmachtserteilung an den Prozessbevollmächtigten sei nach § 305 c Abs. 1 BGB unwirksam, da es sich um eine überraschende Klausel in einem Formularvertrag handele. Nach § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO könne die Beschwerde auf neue [X.] gestützt werden, so dass unschädlich sei, dass die Aufrechnung erst nach Erlass des [X.]es erklärt worden sei. Zwar beschränke sich das Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich auf die Berücksichtigung kostenrechtlicher Aspekte. Ausnahmsweise finde aber eine Aufrechnung aus prozessökonomischen Gründen Berücksichtigung, wenn die zur Aufrechnung gestellte Forderung außer Streit stehe oder rechtskräftig festgestellt sei. Hier sei die Forderung rechtskräftig festgestellt, da die Berufung des Beklagten gegen das die Kostengrundentscheidung enthaltende landgerichtliche Urteil zurückgewiesen worden sei. Die zur Aufrechnung gestellte Forderung könne sich auch aus dem Titel ergeben, der gleichzeitig die für die Festsetzung maßgebliche Kostengrundentscheidung darstelle, und zwar auch in Fällen, in denen die Kostenentscheidung wie hier eine Kostenquote vorsehe. Soweit vertreten werde, eine Aufrechnungslage liege mangels Bestimmbarkeit des Erstattungsanspruchs erst mit Erlass des [X.] vor, könne dem nicht gefolgt werden. Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch entstehe aufschiebend bedingt bereits zu Beginn des [X.] und werde mit rechtskräftiger Entscheidung unbedingt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sei er der Aufrechnung zugänglich. § 106 ZPO sehe nur die Verrechnung vor, berühre aber die Existenz zweier [X.] nicht. Nach § 106 Abs. 2 ZPO sei zum einen auch eine einseitige Festsetzung möglich und vorliegend sogar durchgeführt worden, zum anderen gingen der Verrechnung zwei Festsetzungsentscheidungen voraus, die jeweils selbstständig mit der Beschwerde anfechtbar seien. [X.] Bestimmtheit der Forderung liege vor, sobald die Parteien ihre [X.] eingereicht hätten und der Rechtspfleger in der Lage sei, das Verrechnungsergebnis festzustellen.

6

2. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

7

a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Beschwerdegericht angenommen, dass materiell-rechtliche Einwendungen, wie die Aufrechnung der [X.], außerhalb des Kostenfestsetzungsverfahrens geltend zu machen sind. Denn dieses Verfahren, das mit dem Erlass eines [X.]es endet, ist eine Umsetzung der zwischen den Parteien ergangenen Kostengrundentscheidung; es hat allein die Frage zum Gegenstand, welcher Betrag nach der Kostengrundentscheidung zu erstatten ist. Deshalb ist das Kostenfestsetzungsverfahren auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und auf die Klärung einfacher Fragen des Kostenrechts zugeschnitten und aus diesem Grund auf den Rechtspfleger übertragen. Die Klärung von zwischen den Parteien streitigen Tatsachen und von komplizierteren Rechtsfragen ist in diesem Verfahren nicht vorgesehen und mangels der dafür notwendigen verfahrensrechtlichen Instrumente auch nicht sinnvoll möglich (Senatsbeschluss vom 9. Dezember 2009 - [X.]/06 - NJW-RR 2010, 718 Rn. 9; [X.] Beschlüsse vom 23. März 2006 - [X.] - FamRZ 2006, 854 f. und vom 22. November 2006 - [X.] - NJW-RR 2007, 422 Rn. 8). [X.] Einwendungen gegen den Kostenerstattungsanspruch sind daher grundsätzlich nicht zu berücksichtigen; vielmehr sind diese vorrangig mit der [X.] geltend zu machen ([X.] Beschluss vom 22. November 2006 - [X.] - NJW-RR 2007, 422 Rn. 8).

8

b) Allerdings kann es aus verfahrensökonomischen Gründen angezeigt sein, den [X.] nicht auf die - einen ungleich höheren Aufwand erfordernde - [X.] zu verweisen, wenn es um materiell-rechtliche Einwendungen geht, die keine Tatsachenaufklärung erfordern und sich mit den im Kostenfestsetzungsverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln ohne Weiteres klären lassen. Das kann etwa der Fall sein, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen feststehen, weil sie unstreitig sind oder vom Rechtspfleger im Festsetzungsverfahren ohne Schwierigkeiten aus den Akten ermittelt werden können. Solche Einwendungen können deshalb ausnahmsweise auch im Kostenfestsetzungsverfahren erhoben und beschieden werden (Senatsbeschluss vom 9. Dezember 2009 - [X.]/06 - NJW-RR 2010, 718 Rn. 10; [X.] Beschluss vom 23. März 2006 - [X.] - FamRZ 2006, 854 f. und vom 22. November 2006 - [X.] - NJW-RR 2007, 422 Rn. 9).

9

c) Ein solcher Ausnahmefall ist hier jedoch entgegen der Ansicht des [X.] nicht gegeben. Die [X.] haben zwar einen rechtskräftig festgestellten Anspruch gegen den Beklagten. Ob sie jedoch mit diesem Anspruch gegen den Kostenerstattungsanspruch des Beklagten aufrechnen können, bedarf materiell-rechtlicher Prüfung und weiterer Tatsachenaufklärung, da der Beklagte einwendet, alle [X.] an seinen Prozessbevollmächtigten abgetreten und die [X.] davon in Kenntnis gesetzt zu haben. Die hieran anschließende Prüfung des [X.], ob die Abtretung in der [X.] im Hinblick auf § 305 c BGB wirksam war, zeigt, dass eine materiell-rechtliche Prüfung erforderlich war; eine solche ist dem Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren aber verwehrt. Auch eine Prüfung der Frage, ob der Prozessbevollmächtigte des Beklagten die Aufrechnung der [X.] nach §§ 406 oder 407 BGB gegen sich gelten lassen müsste, betrifft materielles Recht und erfordert weitere Tatsachenaufklärung, da der Rechtspfleger zu prüfen hätte, ob der Schuldner von der Abtretung der Forderung wusste. Diese Fragen lassen sich mit den im Kostenfestsetzungsverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln nicht ohne Weiteres klären. Die [X.] sind daher mit ihrer Aufrechnung auf die [X.] zu verweisen.

Dose                              Weber-Monecke                              Schilling

            [X.]                                     [X.]

Meta

XII ZB 539/11

14.05.2014

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Frankfurt, 3. August 2011, Az: 18 W 130/11

§ 104 ZPO, § 106 Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.05.2014, Az. XII ZB 539/11 (REWIS RS 2014, 5624)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5624

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Kostenfestsetzungsbeschluss - materiell-rechtliche Einwendungen


Referenzen
Wird zitiert von

11 W 294/23 e

XII ZB 539/11

8 W 2303/20

11 W 674/20

VII ZB 55/18

VII ZB 21/20

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