Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13.03.2012, Az. 6 PB 23/11

6. Senat | REWIS RS 2012, 8253

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Gegenstand

Personalvertretungsrecht; Personalversammlung; Abhalten der Personalversammlung in bestimmtem Abschnitt der Arbeitszeit


Leitsatz

§ 49 Abs. 1 PersVG RP (juris: PersVG RP 1992) fordert nicht, die Teilnahme von Orchestermusikern an Personalversammlungen als Dienst im Sinne von § 12 Abs. 1 Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern vom 31. Oktober 2009 (TVK) anzurechnen.

Gründe

1

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 121 Abs. 2 [X.] [X.]. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg.

2

1. Die Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift nicht durch. Der Sache nach hält der Antragsteller für klärungsbedürftig, ob § 49 Abs. 1 Satz 1 [X.] [X.] den Dienststellenleiter dazu verpflichtet, die Teilnahme von Orchestermusikern, deren Arbeitsverhältnisse durch den Tarifvertrag für die Musiker in [X.]ulturorchestern vom 31. Oktober 2009 ([X.]) bestimmt werden, an [X.] als Dienst im Sinne von § 12 Abs. 1 [X.] anzurechnen. Dass der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung (dort [X.]) den von ihm geltend gemachten [X.]lärungsbedarf nicht auf § 49 Abs. 1 Satz 1 [X.], sondern auf § 12 Abs. 1 [X.] und damit auf eine Norm bezogen hat, deren Auslegung im Rahmen des angestrebten [X.] nicht entscheidungserheblich wäre, ist unschädlich. Sein [X.]lärungsbegehren kann unschwer im oben bezeichneten Sinn gedeutet werden. Auch in dieser Fassung kommt ihm jedoch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zu. Die Frage der Anrechnung einer Teilnahme an [X.] als Dienst im Sinne von § 12 Abs. 1 [X.] ist auf Grundlage der Rechtsprechung des [X.]s eindeutig im Sinne des [X.] zu beantworten, so dass es der [X.]lärung im Rahmen eines [X.] nicht bedarf.

3

a. Gemäß § 49 Abs. 1 Satz 1 [X.] [X.] finden [X.] während der Arbeitszeit statt, soweit nicht zwingende dienstliche Verhältnisse eine andere Regelung erfordern. Zur Anrechenbarkeit der Versammlungsteilnahme als Dienst im Sinne von § 12 Abs. 1 [X.] ist der Vorschrift unmittelbar nichts zu entnehmen. Diese Frage stellt sich vor dem Hintergrund der Besonderheiten, die für die Arbeitsverhältnisse von Orchestermusikern aufgrund des [X.] gelten. Danach richtet sich die individuelle Arbeitsverpflichtung der Musiker, soweit im vorliegenden Zusammenhang von Interesse, zum einen auf die in § 12 Abs. 1 [X.] als Dienst bezeichnete Mitwirkung bei Aufführungen und Proben sowie zum anderen auf die hier hierfür notwendige, im [X.] nicht eigens geregelte häusliche Vorbereitung. Während die Dienste durch den Arbeitgeber festgelegt werden, der hierbei die in § 12 Abs. 2 und 3 [X.] bestimmten Obergrenzen zu beachten hat, legt der Musiker die [X.] selbst fest (vgl. Beschluss vom 12. August 2002 - BVerwG 6 [X.] - [X.] 251.7 NW[X.] Nr. 29 S. 34; [X.], Urteil vom 31. Juli 1986 - 6 [X.] - juris Rn. 17).

4

Die vom Antragsteller begehrte [X.]lärung läuft vor diesem Hintergrund auf die Frage hinaus, ob unter das Merkmal der "Arbeitszeit" im Sinne von § 49 Abs. 1 Satz 1 [X.] nur eine der beiden [X.]ategorien - nämlich der Dienst im Sinne von § 12 Abs. 1 [X.] - zu fassen ist, was [X.] zu der [X.]onsequenz führen würde, dass die Versammlungsteilnahme nicht auf [X.]osten der häuslichen Vorbereitungszeit ginge, sondern wegen der Obergrenzen in § 12 Abs. 2 und 3 [X.] die zulässige Höchstzahl der Aufführungen und Proben mindern würde; eben hierin läge die vom Antragsteller ins Auge gefasste Anrechnung.

5

b. Eine vergleichbare Fallgestaltung lag dem Beschluss des [X.]s vom 25. Juni 1984 zugrunde (BVerwG 6 P 2.83 - [X.], 313 ff. = [X.] 238.37 § 47 NW[X.] Nr. 1). Zu entscheiden war dort, ob gemäß der parallelen Vorschrift des § 47 NW[X.] [X.] von Lehrern während der für den Vormittagsunterricht veranschlagten [X.] statt während der unterrichtsfreien Arbeitszeit abgehalten werden dürfen. Der [X.] hat zur [X.]lärung dieser Frage den in § 2 Abs. 1 NW[X.] niedergelegten Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Dienststelle und Personalvertretung herangezogen, der auch im [X.] [X.] und dort gleichfalls in § 2 Abs. 1 normiert ist. Diesem Grundsatz hat der [X.] entnommen, einerseits sei die Erfüllung der der Dienststelle obliegenden Aufgaben derart sicherzustellen, dass diese ihrem öffentlichen Auftrag so gut wie möglich gerecht werden könne, und andererseits - gleichrangig hiermit - sei das Wohl der Beschäftigten zu wahren und soweit wie möglich zu fördern (Beschluss vom 25. Juni 1984, [X.], 313 <315> = [X.] 238.37 § 47 NW[X.] Nr. 1 [X.]). Zu Recht hat auch das Oberverwaltungsgericht im vorliegenden Fall seine Entscheidung an diesen Maßstäben ausgerichtet ([X.]) und konsequenterweise § 49 Abs. 1 Satz 1 [X.] [X.] anhand einer Abwägung der kollidierenden Belange von Dienststelle und Beschäftigten mit dem Ziel ihres möglichst schonenden Ausgleichs ausgelegt ([X.] ff.).

6

c. Das Oberverwaltungsgericht ist in dem angefochtenen Beschluss der Sache nach zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beeinträchtigung des Spielbetriebs des Orchesters durch einen möglichen Probenausfall regelmäßig schwerer wiege als die zusätzliche Belastung, die dem Musiker dadurch entstehe, dass sich - bei [X.] der Teilnahme an [X.] als Dienst - der zeitliche Rahmen seiner häuslichen Vorbereitungszeit verenge ([X.] 8 ff.); daher werde den beiderseitigen Belangen in der Regel dann hinreichend Rechnung getragen, wenn die [X.] regelmäßig in der [X.] Arbeitszeit abgehalten würden ([X.] 10). Aus Sicht des [X.]s ergibt dies keinen Anlass für Beanstandungen. Die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Abwägung entspricht in der Struktur ihrer Durchführung wie in ihrem Ergebnis derjenigen, die der [X.] in seinem oben genannten Beschluss vom 25. Juni 1984 vorgenommen hat. Der [X.] war dort zu dem Schluss gelangt, dass die Beeinträchtigung des Schulbetriebs durch ein Abhalten von [X.] auf [X.]osten der vormittäglichen Unterrichtszeit grundsätzlich schwerer wiege als die Beeinträchtigung von Lehrern durch Beschneidung ihrer unterrichtsfreien Nachmittagszeit (a.a.[X.] 316 f. bzw. S. 3 f.).

7

d. Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht das vorgenannte Ergebnis an die Bedingung geknüpft, dass der Beteiligte Störungen des Orchesterbetriebs hinzunehmen habe, die dadurch entstehen könnten, dass sich infolge der versammlungsbedingten Einengung der häuslichen Vorbereitungszeit möglicherweise die Vorbereitung der Musiker auf den kommenden Dienst verschlechtere ([X.] 9 f.). Dies entspricht der § 49 Abs. 1 Satz 1 [X.] [X.] zugrunde liegenden gesetzlichen Wertung, derzufolge Einschränkungen der Aufgabenerfüllung, wie sie zwangsläufig durch das Abhalten von [X.] während der Arbeitszeit eintreten, von der Dienststelle grundsätzlich akzeptiert werden müssen (vgl. Beschluss vom 25. Juni 1984, [X.], 313 <317> = [X.] 238.37 § 47 NW[X.] Nr. 1 S. 4). Die Dienststelle darf vom [X.] nicht verlangen, versammlungsbedingte Vorbereitungsversäumnisse dadurch wieder auszugleichen, dass die häusliche Vorbereitungszeit über das ansonsten übliche Maß hinaus verlängert wird. Es widerspräche der insoweit eindeutigen Intention des Gesetzgebers, wenn [X.] mit [X.] erkauft werden müssten. Diese Intention kommt auch in der Regelung des § 49 Abs. 1 Satz 3 [X.] [X.] zum Ausdruck, der für die Teilnahme an Dienstversammlungen außerhalb der Arbeitszeit die Gewährung entsprechender Dienstbefreiung vorschreibt (vgl. Fischer/[X.]/[X.] in: [X.], Bd. V, Stand 2011, [X.] § 50 Rn. 1, dort bezogen auf die parallele Vorschrift in § 50 Abs. 1 B[X.]).

8

e. Sinn und Zweck von § 49 Abs. 1 [X.] [X.] gebieten keine abweichende Betrachtung.

9

aa. Indem die Norm eine für die Beschäftigten nachteilsfreie Teilnahme an [X.] vorsieht, verfolgt sie augenscheinlich das Ziel, einen entsprechenden [X.] zu setzen. Dem liegt die Wertung zugrunde, dass es wünschenswert sei, wenn die Beschäftigten den Tätigkeitsbericht des Personalrats (§ 48 Abs. 1 Satz 2 [X.] [X.]) und die Berichterstattung der Dienststellenleitung (§ 48 Abs. 2 Satz 1 [X.] [X.]) zur [X.]enntnis nehmen und sich hierdurch wie auf andere Weise, beispielsweise durch die Teilnahme an Aussprachen während der Versammlung, mit ihren kollektiven Angelegenheiten befassen. Dementsprechend sind Versammlungstermine zu vermeiden, die von Seiten der Beschäftigten als unzumutbare Belästigung empfunden und sie daher von der Teilnahme abhalten würden (vgl. Beschluss vom 25. Juni 1984, a.a.[X.] 317 f. bzw. S. 4 f.). Zu Recht hat daher das Oberverwaltungsgericht auf die im Einzelfall bestehende Möglichkeit verwiesen, [X.] unmittelbar im [X.] an Proben abzuhalten, hierfür gegebenenfalls auch Proben zu verkürzen sowie bei der Planung von [X.] den [X.]punkt einer vorherigen Personalversammlung mit zu berücksichtigen ([X.]). Vergleichbare Überlegungen hatte auch der [X.] in seinem Beschluss vom 25. Juni 1984 angestellt ([X.], 313 <318> = [X.] 238.37 § 47 NW[X.] Nr. 1 S. 5).

bb. Der Gesichtspunkt der Anreizbildung darf aber nicht in der Weise verabsolutiert werden, dass - was im vorliegenden Fall zur Anrechnung der Personalversammlung als Dienst im Sinne von § 12 Abs. 1 [X.] führen würde - die größtmöglichen Anstrengungen unternommen werden müssten, um die Beschäftigten zur Versammlungsteilnahme zu bewegen. Dies widerspräche dem oben aufgezeigten Ausgangspunkt der Normauslegung, wonach eine Abwägung der Belange von Beschäftigten und Dienststelle mit dem Ziel ihres möglichst schonenden Ausgleichs vorzunehmen ist. So wie die Dienststelle bestimmte versammlungsbedingte Störungen der Aufgabenerfüllung hinzunehmen hat, so darf an die Beschäftigten die Erwartung gerichtet werden, ihre Versammlungsteilnahme nicht ausschließlich davon abhängig zu machen, ob eine nicht nur angemessene, sondern in jeder Hinsicht optimale Berücksichtigung ihrer privaten Belange gewährleistet ist.

2. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG) nicht gegeben. Für eine Abweichung des [X.] von den in der Rechtsprechung des [X.] aufgestellten Grundsätzen zur Auslegung von Tarifnormen liegen weder Anhaltspunkte vor, noch würde der angefochtene Beschluss hierauf beruhen können.

Meta

6 PB 23/11

13.03.2012

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: PB

vorgehend Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 14. September 2011, Az: 5 A 10666/11, Beschluss

§ 49 Abs 1 PersVG RP 1992

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13.03.2012, Az. 6 PB 23/11 (REWIS RS 2012, 8253)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8253

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