Bundesfinanzhof, Beschluss vom 10.11.2011, Az. I B 92/11

1. Senat | REWIS RS 2011, 1553

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Entscheidung ohne Gründe - Übernahmeverlust - einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung


Leitsatz

1. NV: Ein Verfahrensmangel i.S.v. § 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 119 Nr. 6 FGO (Entscheidung ohne Gründe) liegt erst dann vor, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen, sei es, dass der Urteilspruch überhaupt nicht begründet worden ist, sei es, dass die Entscheidungsgründe nur aus inhaltsleeren Floskeln bestehen oder missverständlich und verworren ist.

2. NV: Zu den Anforderungen an die Rüge der Divergenz (hier: betreffend die Entscheidung eines Übernahmeverlusts und dessen Neutralisierung gem. § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 1995 in das für das Mutterunternehmen und ihre atypisch stillen Gesellschafter durchgeführte Feststellungsverfahren).

Tatbestand

1

I. Mit Wirkung zum 31. Dezember 1999 wurde die Z-GmbH auf ihre Muttergesellschaft, die B-AG, verschmolzen, an deren Betrieb eine Vielzahl natürlicher Personen als atypisch stille Gesellschafter (Mitunternehmer) beteiligt war. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), ebenfalls eine AG, ist seit dem 31. Dezember 2004 Gesamtrechtsnachfolgerin der B-AG.

2

Bei der Verschmelzung der Z-GmbH ergab sich ein Übernahmeverlust in Höhe von 1.708.868 DM, der im Rahmen des Bescheids zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte der B-AG sowie der atypisch stillen Gesellschafter 1999 vom 10. April 2002 zu Gunsten des Ergebnisanteils der B-AG gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 des Umwandlungssteuergesetzes in der für das Streitjahr (1999) geltenden Fassung (UmwStG 1999) neutralisiert wurde. Mit dem an die B-AG adressierten Bescheid vom 16. April 2002 wurde für die Z-GmbH der verbleibende Verlustabzug zum 31. Dezember 1999 auf 1.751.195 DM festgestellt, den der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) gemäß § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 1999 bei der Körperschaftsteuerveranlagung der B-AG berücksichtigte. Die Körperschaftsteuer 1999 wurde hiernach mit Bescheiden vom 19. April 2002 auf 0 € festgesetzt sowie der verbleibende Verlustvortrag auf 58.030 € festgestellt. Die Bescheide wurden nicht angefochten und sind zwischenzeitlich bestandskräftig.

3

Da die B-AG im Verlauf des Jahres 2002 den von der Z-GmbH übernommenen Betrieb eingestellt hat, besteht zwischen den Beteiligten Einvernehmen darüber, dass der auf die B-AG zunächst übergegangene Verlustabzug nach § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 1999 rückwirkend entfallen ist. Das [X.] erließ deshalb am 20. November 2006 gegenüber der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der B-AG [X.], mit denen die Körperschaftsteuer 1999 der B-AG auf 346.298,50 € festgesetzt und der ihr zum 31. Dezember 1999 verbliebene Verlustabzug auf 0 € gemindert wurde.

4

Einspruch und Klage bleiben ohne Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) hat die Revision nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

5

II. Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin --wie bereits zuvor-- geltend, dass die "Steuerfreistellung des Verschmelzungsergebnisses" (gemeint: Neutralisierung des Übernahmeverlusts gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 1999) nicht im Rahmen des [X.]sbescheids vom 10. April 2002, sondern nur bei Erlass des Folgebescheids (Körperschaftsteuer 1999) hätte geprüft werden dürfen. Der Vortrag kann jedoch nicht durchgreifen, da er nicht den Anforderungen an die Darlegung der in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) genannten Revisionszulassungsgründe genügt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O).

6

1. Dies gilt zum einen für die Rüge, das vorinstanzliche Urteil leide an einem Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O), weil die Entscheidung des [X.] sich nicht mit allen von der Klägerin vorgetragenen Erwägungen zum sachlichen Umfang eines [X.]sverfahrens auseinandergesetzt habe und deshalb nicht mit Gründen versehen sei (§ 119 Nr. 6 [X.]O).

7

a) Gemäß § 105 Abs. 2 Nr. 5 [X.]O müssen Urteile begründet werden. Der Sinn des Begründungszwangs liegt darin, den Prozessbeteiligten die Kenntnis darüber zu vermitteln, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Überlegungen das Urteil beruht. Das erfordert nicht, dass jedes Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen erörtert werden muss. Ein Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 119 Nr. 6 [X.]O liegt deshalb erst dann vor, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen, sei es, dass der Urteilsspruch überhaupt nicht begründet worden ist, sei es, dass die Entscheidungsgründe nur aus inhaltsleeren Floskeln bestehen oder missverständlich und verworren gefasst sind (Beschlüsse des [X.] --[X.]-- vom 28. April 1993 II R 123/91, [X.] 1994, 46; vom 25. März 1997 [X.]/95, [X.] 1997, 524 [nur Leitsatz]; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 119 Rz 23, m.w.N.).

8

Mängel dieser Art hat die Klägerin nicht aufgezeigt. Insbesondere ist die Behauptung, das [X.] habe den wesentlichen Streitpunkt des Gerichtsverfahrens (d.h. den sachlichen Umfang des Feststellungsverfahrens) nicht geprüft, erkennbar unsubstantiiert. Entgegen dem Beschwerdevortrag hat das [X.] nicht lediglich ausgeführt, dass es die Rechtsansicht der Klägerin "nicht für überzeugend (halte)". Vielmehr hat die Vorinstanz ihre Auffassung dazu, dass auch die Korrektur des Übernahmeergebnisses Gegenstand des Feststellungsverfahrens (betr. die Einkünfte der B-AG sowie der stillen Gesellschafter) sei, auf die unmissverständliche und nachvollziehbare Erwägung gestützt, dass in ein solches Verfahren beispielsweise auch ein Gewinn der B-AG aus der Veräußerung ihrer Anteile an der Z-GmbH (Tochtergesellschaft) hätte einbezogen werden müssen und für den handelsbilanziellen Übernahmeverlust und dessen Korrektur gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 1999 nichts anderes gelten könne.

9

2. Unschlüssig ist ferner die Rüge, die Revision sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2, zweiter Halbsatz [X.]O). Dies erfordert, dass die Beschwerdeschrift abstrakte und tragende Rechtssätze aus den in Bezug genommenen Entscheidungen benennt und diese den gleichfalls tragenden und abstrakten Rechtssätzen des vorinstanzlichen Urteils so gegenüberstellt, dass eine Abweichung erkennbar wird (Gräber/Ruban, a.a.[X.], § 116 Rz 42, m.w.N.). Hieran fehlt es im Streitfall zum einen deshalb, weil die Klägerin lediglich behauptet, nicht hingegen durch die Wiedergabe konkreter Entscheidungen des [X.] belegt, dass persönliche Steuermerkmale eines Mitunternehmers (durchgängig) keinen Eingang in die einheitliche und gesonderte [X.] nehmen dürfen; zum anderen wäre die Vorinstanz von einem solchen Rechtssatz nicht abgewichen. Zu berücksichtigen ist hierbei nicht nur, dass das [X.] --wie erläutert-- die Einbeziehung der Gewinnhinzurechnung gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 1999 daraus abgeleitet hat, dass auch die aus den Anteilen an der Z-GmbH erzielten Einkünften in die gegenüber der B-AG und ihren stillen Gesellschaftern zu treffenden Feststellungen hätten Eingang finden müssen. Hinzu kommt, dass das [X.] seine Entscheidung auch darauf gestützt hat, dass nach dem [X.]sbescheid 1999 vom 10. April 2002 sowohl die außerbilanzielle Gewinnkorrektur gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 1999 als auch deren Zurechnung zu den Einkünften der B-AG einheitlich und gesondert festgestellt worden ist und beide (zwischenzeitlich bestandskräftig gewordene) Feststellungen nach § 182 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung Bindungswirkung auch für die Körperschaftsteuerfestsetzung 1999 entfalten. Demgemäß wäre es --woran es vorliegend gleichfalls fehlt-- erforderlich gewesen, dass die Klägerin auch im Hinblick auf diese selbständig tragende Begründung zumindest einen der in § 115 Abs. 2 [X.]O genannten Gründe für die Zulassung der Revision schlüssig dargelegt (Gräber/Ruban, a.a.[X.], § 116 Rz 43; vgl. zum Umfang der Bindungswirkung z.B. [X.]-Urteil vom 8. November 2005 [X.], [X.]E 211, 277, [X.], 253, 256 f.; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 182 [X.]O Rz 3; [X.]/[X.], § 182 [X.]O Rz 41).

Meta

I B 92/11

10.11.2011

Bundesfinanzhof 1. Senat

Beschluss

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 17. Mai 2011, Az: 4 K 3128/09, Urteil

§ 180 Abs 1 Nr 2 Buchst a AO, § 115 Abs 2 Nr 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 119 Nr 6 FGO, § 12 Abs 2 S 1 UmwStG 1995

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 10.11.2011, Az. I B 92/11 (REWIS RS 2011, 1553)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1553

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I B 179/11 (Bundesfinanzhof)

Bilanzenzusammenhang bei geänderter Zuordnung von bisherigem Sonderbetriebsvermögen


I B 130/13 (Bundesfinanzhof)

Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen


IV R 74/07 (Bundesfinanzhof)

Aussetzung des Klageverfahrens bei gesonderter und einheitlicher Gewinnfeststellung - Abgrenzung von Veräußerung und verdeckter Einlage …


IV B 96/10 (Bundesfinanzhof)

(Auslegung von § 4 Abs. 6 Satz 2 UmwStG a.F. - Auflösung des Aktivpostens "Übernahmeverlust" …


III R 12/13 (Bundesfinanzhof)

Verfassungsmäßigkeit des § 18 Abs. 2 UmwStG 2002 (= UmwStG 1995 i.d.F. des StSenkG 2001/2002) …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.