Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.04.2013, Az. I R 50/12

1. Senat | REWIS RS 2013, 6826

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Standby-Zimmer eines Piloten - Wohnsitz im Inland


Leitsatz

1. NV: Ein Steuerpflichtiger kann mehrere Wohnsitze haben. Kennzeichen einer Wohnung ist, dass es sich - im Sinne einer bescheidenen Bleibe - um Räume handelt, die zum Bewohnen geeignet sind.

2. NV: Das für den Wohnsitz erforderliche Innehaben der Wohnung setzt voraus, dass dem Mieter die Möglichkeit zur jederzeitigen Wohnnutzung zusteht. Hieran kann es bei einer Wohngemeinschaft fehlen, wenn die geringe Wohnungsgröße kein gemeinsames Wohnen, sondern nur ein gemeinsames Übernachten gestattet.

3. NV: Das Merkmal des Innehabens einer Wohnung ist nicht allein deshalb zu verneinen, weil dem Vermieter die Nutzung der Wohnung nur in wenigen und in jeder Hinsicht vernachlässigbaren Ausnahmefällen verbleibt (Unschädlichkeitsgrenze).

Tatbestand

1

I. [[X.].]wischen den [[X.].]eteiligten ist umstritten, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ab November 2002 bis einschließlich 2006 (Streitjahre) in der [[X.].] ([[X.].]) unbeschränkt steuerpflichtig war.

2

[X.]er Kläger, ein [[X.].] Staatsbürger, war seit Mai 2001 als Pilot bei der Fluggesellschaft [[X.].] ([[X.].]) mit [[X.].] (Inland) beschäftigt. Seit November 2001 lebte er zusammen mit seiner Partnerin in [[X.].] ([[X.].]) und hatte dort auch seinen Lebensmittelpunkt (Hauptwohnsitz). [X.]a die [[X.].] von ihren [[X.].]esatzungsmitgliedern verlangt, den Flugdienst pünktlich und ausgeruht anzutreten, und diese deshalb im Einzugsbereich ihrer Einsatzorte (d.h. maximal 50 km vom [[X.].] entfernt) über eine Unterkunft verfügen müssen, mietete der Kläger in der [[X.].]eit von Juli 2001 bis Oktober 2002 im [[X.].] in [[X.].] zusammen mit zwei anderen Piloten --[[X.].] und [[X.].] eine sog. "Standby-Wohnung". In diesem [[X.].]eitraum hatte der Kläger seinen Wohnsitz in [[X.].] gemeldet.

3

[X.]a im [[X.].] 2002 absehbar war, dass der Kläger seltener in [[X.].] sein werde, zog er [[X.].] wie [[X.].] und [[X.].] innerhalb des Hauses der [[X.].] in ein ca. 12 qm bis 15 qm großes "Standby-[[X.].]immer" in der Kelleretage um, welches er bei dienstlichen [[X.].]ufenthalten in [[X.].] aufsuchte, monatlich im [X.]urchschnitt für drei Nächte. [[X.].]ls Miete zahlten der Kläger und die anderen beiden Piloten jeweils 50 € im Monat. [[X.].] wurde von den Vermietern gereinigt; sie hatten auch die Nebenkosten zu tragen. Eine schriftliche Mietvereinbarung wurde nicht getroffen. [X.]as mit [X.]usche, Toilette und Waschbecken ausgestattete [[X.].]ad befand sich gleichfalls in der Kelleretage und wurde neben den Mietern auch von den [[X.].]ngehörigen der [[X.].] genutzt. [X.]arüber hinaus befanden sich im Kellergeschoss weitere Räume der Vermieter (Werkstatt, [[X.].]astelraum, [[X.].]ügelzimmer, Lagerraum und Heizungsraum). [[X.].], in dem der Kläger keine persönlichen Gegenstände aufbewahrte, wurde gelegentlich für Familien- und Gästebesuche der [[X.].] genutzt. Möbliert war [[X.].] mit einem doppelstöckigen [[X.].]ett, einer [[X.].]ouch, einem Regal, einem Schrank und einem kleinen Tisch; diese Einrichtungsgegenstände sind von den Mietern angeschafft worden und nach deren [[X.].]uszug in [[X.].] verblieben. Seitens der Vermieter war [[X.].] mit einem Fernseher ausgestattet; eine Kochgelegenheit oder ein Kühlschrank waren nicht vorhanden.

4

[X.]er [[X.].]eklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --F[[X.].]--) erfasste im Rahmen der Festsetzung der Einkommensteuer 2002 erklärungsgemäß zunächst nur die bis einschließlich Oktober 2002 erzielten Einkünfte. Für den [[X.].]eitraum November bis [X.]ezember 2002 sowie die Jahre 2003 bis 2006 wurde für den Kläger der [[X.].] für beschränkt steuerpflichtige [[X.].]rbeitnehmer gemäß § 39d des Einkommensteuergesetzes 2002 (EStG 2002) für die im Inland erzielten [[X.].]nteile am [[X.].]rbeitslohn (§ 49 [[X.].]bs. 1 Nr. 4 EStG 2002; sog. Inlandsanteil) durchgeführt. [X.]em lag die gegenüber dem [[X.].]etriebsstättenfinanzamt der [[X.].] abgegebene Erklärung des [[X.].] zugrunde, dass er ab dem 1. November 2002 seinen inländischen Wohnsitz aufgegeben habe. [X.]er Kläger erhielt daraufhin eine [[X.].]escheinigung zur [X.]urchführung des [[X.].] für beschränkt steuerpflichtige [[X.].]rbeitnehmer nach § 39d EStG 2002.

5

Im [[X.].]nschluss an die am 12. Januar 2007 begonnene und mit [[X.].]ericht vom 5. [X.]ezember 2007 abgeschlossene Steuerfahndungsprüfung nach § 208 [[X.].]bs. 1 Satz 1 Nr. 3 der [[X.].]bgabenordnung ([[X.].]) vertrat das F[[X.].] die [[X.].]nsicht, dass der Kläger auch ab dem 1. November 2002 einen Wohnsitz im Inland nach § 8 [[X.].] gehabt habe und deshalb in [[X.].] unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen sei. Es setzte mit [[X.].]escheiden vom 16. Januar 2008 zum einen betreffend das Streitjahr 2002 die Einkommensteuer, den [[X.].] sowie die Kirchensteuer auf der Grundlage aller vom Kläger in diesem Jahr erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger [[X.].]rbeit (Inlands- und [[X.].]uslandsanteile) sowie zum anderen --betreffend die Jahre 2003 bis [[X.].] die vom Kläger gemäß § 41c [[X.].]bs. 4 Satz 2 EStG 2002 (i.V.m. § 1 [[X.].]bs. 2 des [[X.].]sgesetzes) nachzufordernde Lohnsteuer und die nachzufordernden Solidaritätszuschläge fest.

6

Während des [[X.].] erkannte das F[[X.].] für die Streitjahre 2003 bis 2006 weitere Werbungskosten und Sonderausgaben an und minderte dementsprechend mit [[X.].]escheid vom 18. September 2008 die Nachforderungsbeträge. Im Übrigen blieb der Einspruch ohne Erfolg.

7

[X.]as Finanzgericht ([[X.].]) hat zu der Frage, ob der Kläger in der [[X.].]eit von Oktober 2002 bis einschließlich [X.]ezember 2006 im Hause in [[X.].] eine Wohnung unter Umständen inne hatte, die darauf schließen lassen, dass er diese beibehalten und benutzen werde, durch Vernehmung der Eheleute [X.], deren Tochter sowie von [[X.].] und [X.] [[X.].]eweis erhoben. Es hat der Klage stattgegeben (Urteil des Hessischen [[X.].] vom 12. [[X.].]pril 2012  3 K 1061/09, Entscheidungen der Finanzgerichte --E[[X.].]-- 2012, 1718). [X.]as [X.] habe den Mietern zwar eine selbständige Lebensführung ermöglicht und hierdurch die Mindestanforderungen einer Wohnung erfüllt. [X.]as [[X.].] war jedoch nicht davon überzeugt, dass der Kläger jederzeit über [[X.].] habe verfügen können. [X.]abei sei von [[X.].]edeutung, dass [[X.].] im maßgeblichen [[X.].]eitraum mindestens in zwei Fällen von Gästen der [[X.].] zu Übernachtungszwecken genutzt worden sei. [[X.].]war hätten die Mieter [[X.].] während dieser [[X.].]esuche nicht benötigt, so dass es tatsächlich zu keinem Konflikt hinsichtlich der Nutzung gekommen sei. Gleichwohl setze die (abstrakte) Verfügungsmöglichkeit i.S. von § 8 [[X.].] voraus, dass die Mieter im Konfliktfall ein Recht auf Nutzung des [[X.].]immers gehabt hätten. [X.]iesbezüglich habe die [[X.].]eweisaufnahme aber kein eindeutiges Ergebnis ergeben. So hätten [[X.].] und Frau [X.] ausgesagt, dass die Familiengäste hinter den Piloten hätten zurücktreten und gegebenenfalls auf andere Schlafplätze ausweichen müssen. [X.]em stehe jedoch die [[X.].]ussage von Herrn [X.] gegenüber, nach der die Mieter im Falle einer Nutzung durch die Gäste der Vermieter hätten ausweichen müssen; zudem habe er ausgeführt, dass dies zu [[X.].]eginn der Nutzung des [[X.].]immers durch die Mieter mit diesen abgesprochen worden sei. [X.]iese Unsicherheit gehe zu Lasten des F[[X.].]. [X.]es Weiteren fehle es an der Nutzung des [[X.].]immers zu Wohnzwecken. [X.]as Merkmal des Wohnens werde nicht erfüllt, wenn sich die Nutzung der Wohnung auf das reine Übernachten beschränke. [[X.].]ls geeignete [[X.].]bgrenzungskriterien seien hierbei sowohl die [[X.].]usstattung als auch die [[X.].]rt der tatsächlichen Nutzung anzusehen.

8

Mit der Revision beantragt das F[[X.].] sinngemäß, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

[X.]er Kläger beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Der [X.] kann aufgrund der Feststellungen der Vorinstanz nicht beurteilen, ob der Kläger im streitigen Zeitraum (November 2002 bis Dezember 2006) unbeschränkt steuerpflichtig war. Das Urteil der Vorinstanz ist deshalb aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

1. Zwischen den Beteiligten besteht --jedenfalls nach ihrem gerichtlichen [X.] Einvernehmen, dass der Kläger auch den sog. Auslandsanteil seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG 2002) als Verkehrsflugzeugführer zu versteuern hätte, wenn er im vorgenannten Zeitraum im Inland entweder einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hätte und deshalb nach § 1 Abs. 1 EStG 2002 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen wäre. Die Einkünfte würden dann als Teil des vom Kläger erzielten sog. [X.] nach § 2 Abs. 1 EStG 2002 der Einkommensteuer unterliegen und dieser Besteuerungszugriff wäre auch nicht durch das Abkommen zwischen der [X.] und der [X.] zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 ([X.] 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 21. Dezember 1992 ([X.] 1993, 1888, [X.], 928) --[X.] 1992-- ausgeschlossen. Vielmehr sieht Art. 15 Abs. 3 [X.] 1992 vor, dass Vergütungen für unselbständige Arbeit, die an Bord eines Luftfahrzeuges im internationalen Verkehr ausgeübt wird, in dem Vertragsstaat besteuert werden können, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet; das Besteuerungsrecht wäre hiernach auch im Streitfall [X.] zugewiesen.

2. Nach § 8 [X.] hat jemand (d.h. eine natürliche Person) einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen kann. Ob --und ggf. in welchem Umfang-- diese Voraussetzungen vom Kläger im streitigen Zeitraum (November 2002 bis Dezember 2006) erfüllt worden sind, kann der [X.] nach den Feststellungen der Vorinstanz nicht abschließend entscheiden.

a) Zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass ein Steuerpflichtiger gleichzeitig mehrere Wohnsitze haben kann und diese im Inland und/oder Ausland belegen sein können. Demgemäß ist es auch für das Vorliegen eines Wohnsitzes im Inland ohne Bedeutung, ob dieser den Mittelpunkt der Lebensinteressen der betreffenden Person bildet ([X.]surteil vom 28. Januar 2004 I R 56/02, [X.], 917, m.w.N.).

b) Kennzeichnend für eine Wohnung ist, dass es sich --im Sinne einer bescheidenen Bleibe-- um Räume handelt, die zum Bewohnen geeignet sind (Buciek in [X.], [X.] § 8 Rz 15). In rechtlicher Hinsicht reicht es aus, wenn die Wohnung mit einfachsten Mitteln ([X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 8 [X.] Rz 23) ausgestattet ist; darauf, ob die Ausstattungsgegenstände vom Vermieter gestellt oder vom Mieter selbst beschafft worden sind, kommt es nicht an (vgl. Urteil des [X.] --BFH-- vom 14. November 1969 III R 95/68, [X.], 425, [X.] 1970, 153); ebenso ist nicht erforderlich, dass das zur Wohnung gehörende Bad in den Wohnbereich integriert ist (weiter gehend Stapperfend in [X.]/[X.]/ [X.] --[X.]--, § 1 EStG Rz 63; Bad verzichtbar) oder der Vermieter eine Kochgelegenheit stellt (gl.[X.] in [X.], [X.] § 8 Rz 15; [X.] in [X.], § 8 [X.] Rz 23; [X.]/Stapperfend, § 1 EStG Rz 63). Soweit die Vorinstanz ferner davon ausgegangen ist, dass die für die Annahme einer Wohnung --d.h. für eine über das bloße Übernachten hinausgehende Wohnnutzung ("Verweilen")-- erforderliche Mindestgröße im Streitfall (12 qm bis 15 qm) gewahrt sei (vgl. dazu [X.] in [X.], § 8 [X.] Rz 22; [X.]/Stapperfend, § 1 EStG Rz 63, jeweils m.w.N.), handelt es sich um eine tatsächliche Feststellung, an die der [X.] nach § 118 Abs. 2 [X.]O gebunden ist.

c) Der Begriff des Wohnsitzes setzt ferner voraus, dass der Steuerpflichtige die Wohnung innehat. Danach muss die Wohnung in objektiver Hinsicht dem Steuerpflichtigen jederzeit (wann immer er es wünscht) als Bleibe zur Verfügung stehen und zudem in subjektiver Hinsicht von ihm zu einer entsprechenden Nutzung --d.h. für einen jederzeitigen Wohnaufenthalt-- bestimmt sein. In dieser zur objektiven Eignung hinzutretenden subjektiven Bestimmung liegt der Unterschied zwischen dem bloßen Aufenthaltnehmen in einer Wohnung und dem Wohnsitz (ständige Rechtsprechung; BFH-Urteile vom 26. Februar 1986 II R 200/82, [X.] 1987, 301; vom 22. April 1994 III R 22/92, [X.], 523, [X.] 1994, 887; vom 23. November 2000 VI R 107/99, [X.], 558, [X.] 2001, 294; [X.]surteil vom 19. März 1997 I R 69/96, [X.], 296, [X.] 1997, 447).

aa) Der Ansicht der Vorinstanz, der Kläger habe die Räume deshalb nicht als Wohnung innegehabt, weil er sich auf das reine Übernachten beschränkt und damit der Kellerraum nicht die Funktion des Wohnens erfüllt habe, kann sich der [X.] nicht anschließen. Zwar erfordert der Begriff der Wohnung i.S. von § 8 [X.], dass die Wohnung nach ihrer Größe über das bloße Übernachten hinaus ein Verweilen in den Räumen als eine zumindest bescheidene Bleibe gestattet. Ist dies jedoch --wie auch im Streitfall entsprechend den bindenden Feststellungen des [X.]-- zu bejahen, so kann eine Wohnnutzung nicht deshalb in Abrede gestellt werden, weil der Steuerpflichtige seine Nutzung auf den Aufenthalt in den Räumen zum Zwecke der Übernachtung beschränkt. Letzteres stünde erkennbar im Widerspruch dazu, dass auch das Übernachten zur Wohnnutzung gehört und damit nicht als bloßes Aufenthaltnehmen qualifiziert werden kann (Hessisches [X.], Urteil vom 13. Dezember 2010  3 K 1060/09, E[X.] 2011, 1133; [X.] Hamburg, Urteil vom 10. Juli 2008  6 K 56/06, juris; jeweils zu sog. "[X.]"; vgl. auch [X.]/ [X.], [X.], 72. Aufl., Einf v § 535 Rz 89: Wohnraum ist jeder zum Wohnen --insb. Schlafen, ... private [X.] bestimmte Raum). Die Nutzung des [X.] ist deshalb als Bestimmung des [X.] zu werten, die Räume für Wohnzwecke zu nutzen. Nur mit dieser Wertung stimmt überein, dass --wie der erkennende [X.] in seinem Beschluss vom 31. Mai 2006 I B 79/05 (juris) unter Bezugnahme auf die bisherige Rechtsprechung erläutert [X.] eine Wohnnutzung weder regelmäßig noch über eine längere Zeit erfolgen muss; erforderlich ist aber eine Nutzung, die über bloße Besuche, kurzfristige Ferienaufenthalte und das Aufsuchen der Wohnung zu Verwaltungszwecken hinausgeht (gl.[X.] in [X.], [X.] § 8 Rz 27).

bb) Die tatrichterlichen Feststellungen gestatten jedoch keine Entscheidung dazu, ob der Kläger die Kellerwohnung "jederzeit" für seine eigenen Wohnzwecke nutzen konnte.

aaa) Der Ansicht der Vorinstanz, es könne nicht aufgeklärt werden, ob das Kellerzimmer dem Kläger jederzeit zur Wohnnutzung zur Verfügung gestanden habe, weil nach der Zeugenaussage des Vermieters die Piloten im Konfliktfall hinter den Gästen der Vermieterfamilie hätten zurücktreten müssen, mit der Folge, dass entsprechend den allgemeinen Grundsätzen zur objektiven Feststellungslast (vgl. hierzu Buciek in [X.], [X.] § 8 Rz 11) ein Wohnsitz des [X.] im Inland nicht angenommen werden könne, schließt sich der [X.] nicht an. Auch das Merkmal der jederzeitigen Verfügbarkeit ist einer wertenden Beurteilung zugänglich; es erfordert keine ausnahmslose Wohnnutzung, sondern --wie [X.] die Möglichkeit des Steuerpflichtigen, die Wohnung nach seinen Wünschen nutzen zu können. Demgemäß steht eine Nutzungseinschränkung, die zu Beginn des Nutzungsverhältnisses vereinbart wird, dann nicht der Annahme einer den Wohnsitz konstituierenden Verfügungsmacht entgegen, sondern ist vielmehr als deren (wunschgemäße) Ausübung zu werten, wenn dem Vermieter (oder dessen Bekannten, Verwandten, etc.) die Nutzung nur in wenigen und in jeder Hinsicht vernachlässigbaren Ausnahmefällen verbleiben soll (Unschädlichkeitsgrenze). Zudem wird bei Abschluss eines (auch mündlichen) Mietvertrags jedenfalls dann, wenn die Wohnung der beruflichen und durch wechselnde Arbeitszeiten gekennzeichneten Tätigkeit des Steuerpflichtigen dient, im Regelfall von einem jederzeitigen Zugriff des Mieters auf die Wohnung auszugehen sein. Im Streitfall entfällt hiernach die Bindung an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz bereits deshalb, weil der Vermieter nicht erläutert hat, für welche (konkreten) Einzelfälle der (nur) von ihm behauptete Nutzungsvorbehalt mit den Mietern vereinbart worden sei; demgemäß hat das [X.] auch keine Feststellungen dazu getroffen, ob durch die Abrede die vorgenannte Unschädlichkeitsgrenze überschritten worden ist.

bbb) Das [X.] wird im zweiten Rechtsgang den Sachverhalt nicht nur im Hinblick auf den Umfang des zugunsten der Vermieter vereinbarten [X.] aufzuklären haben. Es wird vor allem zu berücksichtigen haben, dass der Kläger [X.] zusammen mit zwei weiteren Piloten angemietet hatte und bereits dieser Umstand Anlass zu Zweifeln gibt, ob dem Kläger die Möglichkeit einer jederzeitigen Nutzung des Kellerraums für eigene Wohnzwecke eröffnet war. Allerdings wird die Verfügungsmacht über die Wohnung auch dann zu bejahen sein, wenn den Mitgliedern einer Wohngemeinschaft eine gemeinsame Nutzungsmöglichkeit zusteht ([X.] in [X.], § 8 [X.] Rz 29). Vorausgesetzt ist hierbei allerdings, dass dem einzelnen Mitglied (Mieter) jederzeit --und damit auch in Zeiten der gemeinsamen [X.] die Möglichkeit der Wohnnutzung erhalten bleibt. Fehlt es hieran, weil die Größe der Räume --gemessen am Maßstab der bescheidenen Bleibe, d.h. beengter Raumverhältnisse mit nur zwei [X.] kein gemeinsames Wohnen, sondern im [X.] nur ein gleichzeitiges Übernachten gestattet und eine darüber hinausgehende Wohnnutzung die Abwesenheit der anderen Mieter erfordern würde, so verfügt der einzelne Mieter in der Regel auch dann nicht über eine Wohnung, wenn bei einer geringeren Anzahl von Mietern jedem Nutzer die Möglichkeit der Wohnnutzung --wann immer er es [X.] eröffnet wäre. Demgemäß wird das [X.] im zweiten Rechtsgang vor allem zu klären haben, ob mit Rücksicht auf die Zimmergröße (12 qm bis 15 qm; vgl. auch BFH-Urteil vom 2. April 1997 [X.], [X.], 104, [X.] 1997, 611: "[X.]") eine gleichzeitige Wohnnutzung durch den Kläger sowie die beiden anderen Mieter in Betracht kommen konnte.

3. Sollte dies zu verneinen sein, so hätte der Kläger zwar keinen Wohnsitz im Inland gehabt. Unberührt hiervon bliebe jedoch die Prüfung, ob der Kläger im streitigen Zeitraum (November 2002 bis Dezember 2006) seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte und aus diesem Grund unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war (§ 1 Abs. 1 EStG 2002 [X.]. § 9 [X.]). Da das [X.] keine Feststellungen über den dienstlichen Einsatz des [X.] getroffen hat, wird dies im zweiten Rechtsgang --sollte es an einem Wohnsitz des [X.] im Inland gefehlt haben-- nachzuholen und der ermittelte Sachverhalt im Hinblick auf die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts zu würdigen sein, und zwar sowohl unter dem Gesichtspunkt des zeitlich zusammenhängenden Aufenthalts von mehr als sechs Monaten (§ 9 Satz 1 [X.]; vgl. hierzu z.B. [X.]surteil vom 22. Juni 2011 I R 26/10, [X.] 2011, 2001) als auch mit Rücksicht auf den Tatbestand des nicht nur vorübergehenden Verweilens im Inland (§ 9 Satz 2 [X.]; vgl. hierzu --einschließlich der Rechtsprechung zu den Fällen der täglichen oder regelmäßigen Rückkehr zum ausländischen [X.] in [X.], [X.] § 9 Rz 16 ff.; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 9 [X.] Rz 7; [X.]/[X.], Internationales Steuerrecht 2008, 832).

Meta

I R 50/12

10.04.2013

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 12. April 2012, Az: 3 K 1061/09, Urteil

§ 8 AO, § 9 AO, § 1 Abs 1 EStG 2002, Art 15 Abs 3 DBA CHE 1992

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.04.2013, Az. I R 50/12 (REWIS RS 2013, 6826)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6826

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I R 38/13 (Bundesfinanzhof)

Standby-Wohnung - Wohnsitz


I R 58/16 (Bundesfinanzhof)

Wohnsitz eines Piloten bei mehrjähriger Auslandsabordnung


III R 6/20 (Bundesfinanzhof)

Kindergeld - Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes des Kindergeldberechtigten


III R 77/09 (Bundesfinanzhof)

Wohnsitz bei Geburt des Kindes im Ausland


III R 21/12 (Bundesfinanzhof)

(Kindergeld - Wohnsitz einer natürlichen Person i.S. des § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.