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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII [X.] 462/14
vom
1. Oktober 2014
in der [X.]
Na[X.]hs[X.]hlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
FamFG §§ 276, 280
a) Ein in erster Instanz bestellter Verfahrenspfleger ist au[X.]h im Bes[X.]hwerdever-fahren zu beteiligen; seine Bestellung endet, sofern sie ni[X.]ht vorher aufgeho-ben worden ist, gemäß §
276 Abs.
5 FamFG erst mit der Re[X.]htskraft der Endents[X.]heidung.
b) Die Voraussetzungen für eine Betreuung können ni[X.]ht aufgrund einer bloßen Verda[X.]htsdiagnose des Sa[X.]hverständigen festgestellt werden (im [X.] an Senatsbes[X.]hluss vom 16.
Mai 2012 -
XII [X.] 584/11
-
FamRZ
2012, 1210).
BGH, Bes[X.]hluss vom 1. Oktober 2014 -
XII [X.] 462/14 -
LG [X.]
Notariat Bad Ura[X.]h
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Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 1.
Oktober 2014
dur[X.]h den
Vorsitzenden [X.], die Ri[X.]hterin [X.] und [X.], Dr.
Nedden-Boeger und Guhling
bes[X.]hlossen:
Dem Betroffenen wird gegen die Versäumung der Fristen zur [X.] und Begründung der Re[X.]htsbes[X.]hwerde gegen den Be-s[X.]hluss der 5.
Zivilkammer des [X.] vom 3.
Juni 2014 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Auf die Re[X.]htsbes[X.]hwerde des Betroffenen wird der vorgenannte Bes[X.]hluss aufgehoben.
Die Sa[X.]he wird zur erneuten
Behandlung und Ents[X.]heidung,
au[X.]h über die Kosten des [X.], an das [X.] zurü[X.]kverwiesen.
[X.]: 5.000
Gründe:
I.
Der Betroffene wendet si[X.]h gegen die Anordnung seiner Betreuung.
Das Betreuungsgeri[X.]ht (Notariat) hat dem Betroffenen mit Bes[X.]hluss vom 8.
August 2012 für die [X.] persönli[X.]he Angelegenheiten, ins-besondere Sorge für die Pflege und Gesundheit eins[X.]hließli[X.]h Zustimmung zu ärztli[X.]hen Maßnahmen und Behandlungen, Aufenthaltsbestimmung eins[X.]hließ-li[X.]h Ents[X.]heidung über eine Unterbringung oder unterbringungsähnli[X.]he Maß-1
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nahme, vermögensre[X.]htli[X.]he Angelegenheiten eins[X.]hließli[X.]h Geltendma[X.]hung von Renten-, Unterhalts-
und Sozialhilfeansprü[X.]hen und Wohnungsangelegen-heiten einen Betreuer, den Beteiligten zu 1, bestellt. Den Termin zur [X.] der Betreuung hat das Betreuungsgeri[X.]ht auf den 8.
August 2014 be-stimmt. Das [X.] hat die Bes[X.]hwerde des Betroffenen mit Bes[X.]hluss vom 3.
Juni 2014 zurü[X.]kgewiesen. Hiergegen wendet si[X.]h dieser
mit seiner Re[X.]htsbes[X.]hwerde.
II.
Die Re[X.]htsbes[X.]hwerde ist begründet.
1. Das Bes[X.]hwerdegeri[X.]ht hat ausgeführt, es sei ni[X.]ht zu verantworten, den Betroffenen ohne fremde Hilfe si[X.]h selbst zu überlassen. Dabei sei zum einen die na[X.]h dem vorliegenden Guta[X.]hten des Gesundheitsamts diagnosti-zierte psy[X.]his[X.]he Erkrankung (die insbesondere dazu führe, dass der Betroffe-ne seine gesundheitli[X.]he Situation völlig realitätsfern eins[X.]hätze) und zum an-deren die s[X.]hwere, lebensbedrohli[X.]he Erkrankung des Betroffenen (Entzün-dung an den Unters[X.]henkeln; gravierende Herzerkrankung) zu berü[X.]ksi[X.]htigen. Aus der Dokumentation seines Gesundheitszustands ergebe si[X.]h, dass er selbst ni[X.]ht in der Lage gewesen sei, für die grundlegenden Ents[X.]heidungen, zum Beispiel das Bestehen einer Krankenversi[X.]herung und die körperli[X.]he Hy-giene sowie die unerlässli[X.]he ärztli[X.]he Behandlung der bei ihm aufgetretenen Bes[X.]hwerden und Erkrankungen,
zu sorgen. Die Notwendigkeit, den dadur[X.]h bedingten Defiziten in der Handlungsfähigkeit des Betroffenen dur[X.]h Bestellung eines Berufsbetreuers zu begegnen, ergebe si[X.]h aus den
"ers[X.]hre[X.]kenden
tat-sä[X.]hli[X.]hen und Gesundheitsumständen des Betroffenen."
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Na[X.]hdem der Betroffene selbst Bes[X.]hwerde eingelegt,
die Hinzuziehung eines Fa[X.]hanwaltes angekündigt sowie bei der kurzen persönli[X.]hen Anhörung den Eindru[X.]k hinterlassen
habe, dass er zur Wahrnehmung seiner Re[X.]hte in der Lage sei, sei die beim Betreuungsgeri[X.]ht bestellte Verfahrenspflegerin für das Bes[X.]hwerdeverfahren ni[X.]ht mehr hinzuzuziehen gewesen, zumal der Be-troffene mit ihrer Eins[X.]hätzung ni[X.]ht zufrieden gewesen sei.
2. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Re[X.]htsbes[X.]hwerde ni[X.]ht stand.
a) Zutreffend rügt die
Re[X.]htsbes[X.]hwerde, dass das Bes[X.]hwerdegeri[X.]ht die vom Betreuungsgeri[X.]ht bestellte Verfahrenspflegerin in verfahrensfehlerhaf-ter Weise ni[X.]ht am Bes[X.]hwerdeverfahren beteiligt hat.
Gemäß §
276 Abs.
5 FamFG endet die Bestellung des [X.], sofern sie ni[X.]ht vorher aufgehoben wird, mit der Re[X.]htskraft der Endents[X.]heidung
oder mit dem sonstigen Abs[X.]hluss des Verfahrens.
Dementspre[X.]hend
hätte das [X.] die Verfahrenspflegerin im Be-s[X.]hwerdeverfahren beteiligen müssen;
eine Entpfli[X.]htung der [X.] ist weder festgestellt no[X.]h ersi[X.]htli[X.]h. Im Übrigen wäre eine Aufhebung der Bestellung gemäß §
276 Abs.
4 FamFG au[X.]h ni[X.]ht mit der Begründung mögli[X.]h gewesen, der Betroffene habe angekündigt, einen Re[X.]htsanwalt hinzuzuziehen. Denn §
276 Abs.
4 FamFG setzt voraus, dass der [X.] bereits beauftragt worden ist.
Hinzu
kommt
s[X.]hließli[X.]h, dass die Verfahrenspflegerin neben dem Be-troffenen selbst
Bes[X.]hwerde eingelegt hat und damit von ihrem gemäß §
303 Abs.
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FamFG bestehenden Bes[X.]hwerdere[X.]ht Gebrau[X.]h gema[X.]ht hat.
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b) Au[X.]h die weitere Verfahrensrüge der Re[X.]htsbes[X.]hwerde, wona[X.]h die erforderli[X.]he Sa[X.]hkunde der Sa[X.]hverständigen ni[X.]ht belegt ist,
ist begründet.
Gemäß §
280 Abs.
1 Satz
2 FamFG soll der in einem Betreuungsverfah-ren mit der Erstellung eines Guta[X.]htens beauftragte
Sa[X.]hverständige Arzt für Psy[X.]hiatrie oder Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psy[X.]hiatrie sein. Ergibt si[X.]h die Qualifikation ni[X.]ht ohne Weiteres aus der Fa[X.]hbezei[X.]hnung des Arztes, ist seine Sa[X.]hkunde vom Geri[X.]ht zu prüfen und in der Ents[X.]heidung darzulegen (Senatsbes[X.]hluss vom 7.
August 2013 -
XII
[X.] 188/13
-
FamRZ 2013, 1800 Rn.
6 mwN).
Weder das vom [X.] in Bezug genommene Sa[X.]hverständigen-guta[X.]hten no[X.]h die Ents[X.]heidung des [X.]s enthalten Angaben bzw. Feststellungen zu der erforderli[X.]hen Sa[X.]hkunde der Guta[X.]hterin im Sinne von §
280 Abs.
1 Satz
2 FamFG.
[X.]) Die weitere Rüge der Re[X.]htsbes[X.]hwerde, das Sa[X.]hverständigengut-a[X.]hten enthalte keine si[X.]here fa[X.]hli[X.]he Diagnose, greift ebenfalls dur[X.]h.
aa) Dem gemäß §
280 FamFG einzuholenden Sa[X.]hverständigenguta[X.]h-ten muss mit hinrei[X.]hender Si[X.]herheit zu entnehmen sein, dass die Vorausset-zungen für die Anordnung einer Betreuung na[X.]h §
1896 BGB vorliegen; eine Verda[X.]htsdiagnose genügt ni[X.]ht
(Senatsbes[X.]hluss vom 16.
Mai 2012 -
XII [X.] 584/11
-
FamRZ
2012, 1210 Rn.
7).
bb) Diesen Anforderungen wird das von den Instanzgeri[X.]hten eingeholte Sa[X.]hverständigenguta[X.]hten ni[X.]ht gere[X.]ht.
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Zutreffend verweist die Re[X.]htsbes[X.]hwerde
darauf, das Sa[X.]hverständi-genguta[X.]hten bes[X.]hränke si[X.]h auf die Feststellung, dass ein "begründeter De-menzverda[X.]ht ohne nähere Diagnostik" bestehe. Diese Feststellung vermag die Voraussetzungen für eine Betreuung na[X.]h §
1896 BGB ni[X.]ht zu begründen.
3. Von einer weiteren Begründung der Ents[X.]heidung wird abgesehen, weil sie ni[X.]ht geeignet wäre, zur Klärung von Re[X.]htsfragen grundsätzli[X.]her Be-deutung, zur Fortbildung des Re[X.]hts oder zur Si[X.]herung einer einheitli[X.]hen Re[X.]htspre[X.]hung beizutragen, §
74 Abs.
7 FamFG.
4. Gemäß §
74 Abs.
5 FamFG ist der angefo[X.]htene Bes[X.]hluss aufzuhe-ben. Eine abs[X.]hließende Ents[X.]heidung in der Sa[X.]he gemäß §
74 Abs.
6 Satz
1 FamFG ist dem Senat ni[X.]ht mögli[X.]h, da diese wegen der dur[X.]h das Bes[X.]hwer-degeri[X.]ht no[X.]h dur[X.]hzuführenden Ermittlungen ni[X.]ht zur Endents[X.]heidung reif ist.
Die Zurü[X.]kverweisung wird dem Bes[X.]hwerdegeri[X.]ht Gelegenheit geben, au[X.]h die von ihm getroffenen Feststellungen zum freien Willen des Betroffenen im Sinne von §
1896 Abs.
1
a BGB auf der Grundlage eines Sa[X.]hverständigen-guta[X.]htens einer Überprüfung zu unterziehen (vgl. dazu etwa Senatsbes[X.]hluss vom 22.
Januar 2014 -
XII
[X.] 632/12
-
FamRZ 2014, 647 Rn.
6
ff.). Insoweit wird si[X.]h das Bes[X.]hwerdegeri[X.]ht au[X.]h die Frage vorlegen müssen, ob die über einen längeren Zeitraum geführte Korrespondenz zwis[X.]hen dem
Betroffenen und dem Vorsitzenden der Bes[X.]hwerdekammer die Fähigkeit des Betroffenen zur Abgabe inhaltli[X.]h strukturierter
Stellungnahmen
nahelegt. Zudem hat das Bes[X.]hwerdegeri[X.]ht selbst ausgeführt, der Betroffene habe bei seiner persönli-[X.]hen Anhörung den Eindru[X.]k hinterlassen, dass er zur Wahrnehmung seiner Re[X.]hte in der Lage sei.
Dies könnte ein gewi[X.]htiger Anhaltspunkt dafür sein, 18
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dass der Betroffene jedenfalls zwis[X.]henzeitli[X.]h in der Lage ist, einen freien Wil-len im Sinne des §
1896 Abs.
1
a BGB zu bilden
(vgl. au[X.]h Senatsbes[X.]hluss vom 22.
Januar 2014 -
XII
[X.] 632/12
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FamRZ 2014, 647 Rn.
12
f.).
Dose [X.] S[X.]hilling
Nedden-Boeger Guhling
Vorinstanzen:
Notariat
I
Bad Ura[X.]h, Ents[X.]heidung vom 08.08.2012 -
1 VG 21/12 -
LG [X.], Ents[X.]heidung vom 03.06.2014 -
5 [X.]/12 -
Meta
01.10.2014
Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat
Sachgebiet: ZB
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.10.2014, Az. XII ZB 462/14 (REWIS RS 2014, 2487)
Papierfundstellen: REWIS RS 2014, 2487
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
XII ZB 462/14 (Bundesgerichtshof)
Betreuungsverfahren: Notwendige Beteiligung des Verfahrenspflegers in der Beschwerdeinstanz; Betreuerbestellung aufgrund einer Verdachtsdiagnose des Sachverständigen
XII ZB 500/14 (Bundesgerichtshof)
XII ZB 206/13 (Bundesgerichtshof)
XII ZB 584/11 (Bundesgerichtshof)
Betreuungsverfahren: Umfang der Amtsermittlungspflicht des Betreuungsgerichts; Verdachtsdiagnose des Sachverständigen
XII ZB 558/21 (Bundesgerichtshof)
Betreuungssache: Sicherstellung rechtlichen Gehörs für den Betroffenen bei Bekanntgabe des Gutachtens nur an den Verfahrenspfleger; …