Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.08.2013, Az. XII ZB 206/13

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 3480

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 206/13

vom

14. August 2013

in der
Betreuungssache

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 14.
August 2013
durch den
Vorsitzenden Richter
Dose
und [X.], Schilling,
Dr. Günter
und Dr. Botur
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der
Betroffenen wird der Beschluss der 9.
Zivilkammer des [X.]s [X.]
vom 10.
April
2013
aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Land-gericht zurückverwiesen.
[X.]: 3.000

Gründe:

I.

Die Betroffene
wendet sich gegen die Anordnung der Betreuung und die Auswahl des Betreuers.

Auf Anregung der Betreuungsbehörde hat das Amtsgericht nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anhörung der Betroffenen mit Beschluss vom 18.
Januar
2013
deren Betreuung angeordnet und die Betei-ligte zu
1 zur Betreuerin mit den [X.]n Gesundheitssorge, Aufent-1
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haltsbestimmung, Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten sowie Rechts-, Antrags-
und Behördenangelegenheiten bestellt.

Nachdem die Betroffene gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt hatte, hat das Amtsgericht im Abhilfeverfahren die Betroffene erneut angehört, die Beteiligte zu
2 als Verfahrenspflegerin bestellt und schließlich der Be-schwerde nicht abgeholfen. Das [X.] hat die Beschwerde zurückgewie-sen.
Hiergegen wendet sich die Betroffene mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist
zulässig, insbesondere gemäß §
70 Abs.
3 Nr.
1 FamFG statthaft. Sie ist auch begründet und führt zur Aufhebung der an-gegriffenen Entscheidung und Zurückverweisung an das Beschwerdegericht.
1. [X.] hat sich in der angegriffenen Entscheidung nur mit der [X.] befasst und ausgeführt, dass
die vom Amtsgericht getroffene
Entscheidung, der Betroffenen eine Berufsbetreuerin zu bestellen, rechtlich nicht zu beanstanden sei. Die Betroffene habe bei ihrer
Anhörung zur Einrichtung der Betreuung
niemanden, auch nicht ihren Vater, zum Betreuer vorgeschlagen. Das Amtsgericht habe bei seiner Entscheidung die verwandt-schaftlichen Bindungen der Betroffenen hinreichend berücksichtigt. Es
habe in dem angefochtenen Beschluss zwar nicht ausgeführt, warum der Vater der Be-troffenen zur Ausübung der Betreuung nicht geeignet sei.
Aus den
weiteren Umständen sei jedoch nachvollziehbar, warum das Amtsgericht nicht den Vater der Betroffenen, sondern eine Berufsbetreuerin bestellt habe.
Aus dem einge-holten Sachverständigengutachten ergebe sich, dass sich die Betroffene wegen möglicher häuslicher Gewalt in stationärer Behandlung befunden habe und der 3
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Vater der Betroffenen
mit den
gelegentlich auftretenden psychiatrischen
Symp-tomen überlastet
gewesen sei.
Auch die Psychologin der Einrichtung der [X.], in
der
die
Betroffene beschäftigt sei, habe gegenüber der [X.] geschildert, dass die Betroffene mit den Folgen von Misshandlun-gen in die Werkstatt der Lebenshilfe komme und sich vor dem Feierabend
fürchte. Die Betroffene habe ihr gegenüber auch berichtet, der Vater würde sie schlagen. Diesen Eindruck der Psychologin habe die Verfahrenspflegerin in einem Bericht an das Amtsgericht bestätigt. Soweit der Verfahrensbevollmäch-tigte der Betroffenen eingewendet habe, der Vater der
Betroffenen sei aus ihrer
Sicht der geeignetste Betreuer, da
sie ihm im Jahre 2006 eine Vorsorgevoll-macht erteilt habe, sei diese Einschätzung zweifelhaft.
Denn es sei schon frag-lich, ob die Vorsorgevollmacht angesichts der diagnostizierten Intelligenzminde-rung der Betroffenen wirksam sei. Außerdem erscheine
es auch fraglich, ob der ausschließliche Umgang der Betroffenen mit ihrem Vater für deren
Entwicklung förderlich sei. Es
sei nicht unwahrscheinlich, dass die bei der Betroffenen fest-gestellte häusliche
Gewalt
von ihrem Vater ausgegangen sei.

2. Diese
Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Die bislang getroffenen Feststellungen tragen die Bestellung eines Berufsbe-treuers
für die Betroffene nicht.
a) Gemäß §
1896 Abs.
2 BGB darf
ein Betreuer nur für [X.] bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Die Betreuung ist nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevoll-mächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden
können. Eine wirksam erteilte Vorsorgevollmacht steht daher der Bestellung eines Betreuers grundsätzlich entgegen, sofern gegen die Wirksamkeit der Vollmachtserteilung keine Bedenken bestehen (Senatsbeschluss vom 15.
Dezember 2010

XII
ZB
165/10

FamRZ 2011, 285 Rn.
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mwN) oder der Bevollmächtigte un-6
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geeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, insbesondere weil zu befürchten ist, dass die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch jenen eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründet. Dies ist der Fall, wenn der Bevollmächtigte wegen erheblicher Bedenken an seiner Geeignetheit oder Redlichkeit als ungeeignet erscheint (vgl. Senatsbeschluss vom 13.
April 2011

XII
ZB 584/10

FamRZ 2011, 964 Rn.
15 mwN).
Zudem hat das Betreuungsgericht nach §
1897 Abs.
4 Satz
1
BGB einem Vorschlag des Betroffenen, eine Person zum Betreuer zu bestellen, zu entspre-chen, sofern die Bestellung des vorgeschlagenen Betreuers dem Wohl des Be-troffenen nicht zuwiderläuft. Ein solcher Vorschlag
erfordert in der Regel weder Geschäftsfähigkeit noch natürliche Einsichtsfähigkeit (Senatsbeschlüsse vom 15.
Dezember 2010

XII
ZB
165/10

FamRZ 2011, 285 Rn.
14 und vom 16.
März 2011

XII
ZB 601/10

FamRZ 2011, 880 Rn.
21).
Nach §
1897 Abs.
4 Satz
1 BGB steht dem Tatrichter bei der Auswahl des Betreuers kein Ermessen zu. Es ist die Person zum Betreuer zu bestellen, die der Betreute wünscht (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 15.
September 2010 XII
ZB
166/10

FamRZ 2010, 1897 Rn.
20 mwN). Der Wille des Betreuten kann aber dann unberück-sichtigt bleiben, wenn die Bestellung der vorgeschlagenen Person dem Wohl des Betreuten zuwiderläuft. Dies setzt voraus, dass sich aufgrund einer umfas-senden Abwägung aller relevanten Umstände Gründe von erheblichem Gewicht ergeben, die gegen die Bestellung der vorgeschlagenen Person sprechen. Es muss die konkrete Gefahr bestehen, dass der Vorgeschlagene die Betreuung des Betroffenen nicht zu dessen Wohl führen kann oder will (Senatsbeschluss vom 15.
September 2010

XII
ZB
166/10

FamRZ 2010, 1897 Rn.
20 mwN).
Nach § 26 FamFG hat das Gericht von Amts wegen alle zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzu-führen. Das gilt auch für das Beschwerdegericht, das

in den Grenzen der
Be-8
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6
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schwerde

vollständig an die Stelle des Gerichts erster Instanz tritt und das gesamte Sach-
und Rechtsverhältnis, wie es sich zur [X.] seiner Entscheidung darstellt, seiner Beurteilung zu unterziehen
hat (Senatsbeschluss vom 5.
Januar 2011

XII
ZB
240/10

FamRZ 2011, 367 Rn.
8). Über Art und Umfang dieser Ermittlungen entscheidet zwar grundsätzlich der Tatrichter nach [X.] Ermessen. Das Rechtsbeschwerdegericht hat jedoch u.a. nachzuprüfen, ob das Beschwerdegericht die Grenzen seines Ermessens eingehalten hat, [X.], ob es von ungenügenden Tatsachenfeststellungen ausgegangen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 13.
April 2011

XII
ZB 584/10

FamRZ 2011, 964
Rn.
16 mwN).
b)
Gemessen hieran kann die angegriffene Entscheidung keinen Bestand haben.
Die Betroffene hat im Beschwerdeverfahren ausdrücklich auf die zuguns-ten ihres Vaters bestellte Vorsorgevollmacht hingewiesen, sich gegen die Ein-richtung einer Betreuung ausgesprochen und ausdrücklich den Wunsch geäu-ßert, dass ihr Vater zum Betreuer bestellt wird, falls das Gericht eine Betreuung für erforderlich hält. Zutreffend weist die Rechtsbeschwerde auch darauf hin, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen im Beschwerdeverfahren ausführlich zu dem Vorbringen der Betreuerin und der Verfahrenspflegerin zum Verhältnis der Betroffenen zu ihrem Vater Stellung genommen hat. Das Be-schwerdegericht wäre deshalb gehalten gewesen, weitere Ermittlungen durch-zuführen (§
26 FamFG).
Insbesondere wird der Tatrichter die
Gründe, die mög-licherweise einer Bestellung der vom Betroffenen als Betreuer benannten Per-son
entgegenstehen, regelmäßig nur verlässlich feststellen können, wenn er der benannten Person
Gelegenheit gegeben hat, zu diesen Gründen Stellung zu nehmen. Es verstößt gegen den Amtsermittlungsgrundsatz, wenn der Tatrichter in seiner Entscheidung ausdrücklich die Eignung der
benannten Per-10
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son
zum Betreueramt in Zweifel zieht und sich hierbei auf Mitteilungen Dritter beruft, ohne zuvor die
als Betreuer vorgeschlagene Person zu den von [X.] mitgeteilten Tatsachen anzuhören
(vgl. Senatsbeschluss vom 15.
Dezember 2010

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165/10

FamRZ 2011, 285 Rn.
17).
So liegen die Dinge hier. [X.] hat seine Annahme, der Vater der Betroffenen sei als Betreuer ungeeignet, darauf gestützt, dass
sich
aus dem für die Einrichtung der Betreuung eingeholten Sachverständigen-gutachten, den Angaben der Psychologin der Lebenshilfe gegenüber der [X.] sowie dem Bericht der Verfahrenspflegerin Hinweise auf eine mögliche von ihrem Vater ausgehende häusliche Gewalt gegen die Betroffene ergeben würden und deshalb die Bestellung eines Berufsbetreuers erforderlich sei. Zwar ergeben sich hieraus Anhaltspunkte darauf, dass der Vater der Be-troffenen
als für die Übernahme des [X.] ungeeignet anzusehen sein könnte. Eine entsprechende tatrichterliche
Überzeugungsbildung setzt aber ver-fahrensrechtlich voraus, dass der Vater der Betroffenen
zunächst mit den [X.], auf die das Beschwerdegericht die
Zweifel an dessen
Eignung als Be-treuer stützen will, konfrontiert wird und er Gelegenheit erhält, sich hierzu per-sönlich vor Gericht zu äußern
(vgl. auch Senatsbeschluss vom 15.
Dezember 2010

XII
ZB
165/10

FamRZ 2011, 285 Rn.
18). Eine solche Gelegenheit ist dem Vater der Betroffenen nicht eingeräumt worden. Damit sind die an eine ermessensfehlerfreie amtswegige Tatsachenermittlung zu stellenden [X.] nicht erfüllt.
3.
Danach kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben.
Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat verwehrt, weil mangels hinrei-chender Tatsachenfeststellung die Sache noch nicht entscheidungsreif ist (vgl. §
74 Abs.
6 Satz
1 und 2 FamFG).
Die Sache ist
deshalb an das Beschwerde-gericht zurückzuverweisen.
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8
-
Die Zurückverweisung gibt dem Beschwerdegericht außerdem die Mög-lichkeit, sich mit den im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Einwendungen gegen das Sachverständigengutachten auseinanderzusetzen (vgl. dazu Se-natsbeschluss vom 15.
September 2010

XII
ZB
383/10

FamRZ 2010, 1726 Rn.
9 und 11)
und
zu prüfen, ob die
Ablehnung einer Betreuung auf dem freien Willen der Betroffenen

1896 Abs.
1a BGB) beruht (vgl. dazu Senatsbe-schluss vom 14.
März 2012

XII
ZB 502/11

FamRZ 2012, 869 Rn.
13). Sollten die weiteren Ermittlungen ergeben, dass der Vater der Betroffenen nicht unge-eignet ist, die Betreuung der Betroffenen zu übernehmen, wird das Beschwer-degericht auch zu prüfen haben, ob die von der Betroffenen errichtete Vorsor-gevollmacht wirksam ist
und daher der Einrichtung einer Betreuung entgegen-

14
-
9
-

steht.
Dabei kann allein aus der bei der Betroffenen vorhandenen Intelligenz-minderung nicht
ohne weitere Feststellungen
auf deren Geschäftsunfähigkeit bei Errichtung der Vollmacht geschlossen werden.

Dose
[X.]
RiBGH Schilling hat

Urlaub und kann des-

wegen nicht unter-

schreiben.

Dose

Günter
Botur
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 18.01.2013 -
4 [X.] 316/12 -

LG [X.], Entscheidung vom 10.04.2013 -
9 [X.] *026* -

Meta

XII ZB 206/13

14.08.2013

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.08.2013, Az. XII ZB 206/13 (REWIS RS 2013, 3480)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3480

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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