Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.09.2016, Az. 1 StR 422/15

1. Strafsenat | REWIS RS 2016, 5814

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:070916U1STR422.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
1
StR
422/15

vom
7. September
2016
in der Strafsache
gegen

wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung

-
2
-
Der 1.
Strafsenat des [X.] hat
aufgrund der Verhandlung vom 6. September 2016
in der Sitzung am 7. September 2016, an denen
teilge-nommen haben:
Vorsitzender [X.] am Bundesgerichtshof
Dr. Raum,

die [X.] am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. [X.],
Prof. Dr. Mosbacher
und die [X.]in am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],

Oberst[X.]tsanwältin beim Bundesgerichtshof

als Vertreterin
der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt

in der Verhandlung ,
Rechtsanwalt

in der Verhandlung

als Verteidiger,

Justizobersekretärin

in der Verhandlung ,
Justizangestellte

bei der Verkündung

als Urkundsbeamtinnen
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Land-gerichts [X.] vom
22. Juli 2014 wird verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tra-gen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur [X.] in acht Fällen und zur versuchten Steuerhinterziehung unter Einbezie-hung der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten aus einer frühe-ren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs [X.] verurteilt. Hiergegen wendet er sich mit seiner auf die Verletzung formel-len und materiellen Rechts gestützten Revision. Das vom Generalbundesan-walt vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
Die T.

Aktiengesellschaft (im [X.]) war als sog.
Buffer
I in ein [X.] eingebunden. Deren Mitarbeiter, der an-derweitig Verfolgte M.

, war für die Abwicklung der Geschäfte zuständig und
in diesem Zusammenhang verantwortlich für die Verbuchung der Rechnungen 1
2
3
-
4
-
von [X.]n an die [X.] und für den Inhalt der für die [X.] abgege-benen Umsatzsteuervoranmeldungen. Der anderweitig Verfolgte W.

trat
vordergründig als freier Vermittler von Handelsgeschäften für die [X.] auf, während er tatsächlich dem anderweitig Verfolgten M.

die Geschäfte der
[X.] nach Geschäftspartner und Inhalt vollständig vorgab und die Kontakte zu den Geschäftspartnern herstellte.
Zur Verschleierung des Systems wurden wirkliche Warenlieferungen durchgeführt, die der anderweitig Verfolgte W.

in dem vorgenannten
Zeitraum über die [X.].

GmbH (im Folgenden: [X.].

) mit
Sitz in K.

abwickelte. Diese Gesellschaft stand unter der Leitung des
Angeklagten und der Mitangeklagten [X.]

, die mit der Abwicklung
der Warenlieferungen der [X.] an die [X.] und deren Kunden die Steuerhinterziehungen der anderweitig Verfolgten W.

und M.

förder-
ten.
Im Zeitraum von September 2011 bis Mai 2012 wurden durch die [X.] unrichtiger monatlicher Umsatzsteuervoranmeldungen zugunsten der [X.] aus Rechnungen der [X.] A.

GmbH, [X.]

GmbH
und O.

GmbH unberechtigt Vorsteuern in einer Gesamthöhe
von 7.763.870,61 Euro geltend gemacht. Die einzelnen Umsatzsteuervoran-meldungen der [X.] enthielten dabei unberechtigte Abzugsbeträge zwischen 346.940,48 Euro (Oktober 2011) und 1.765.930,23 Euro (März 2012). Die [X.] stimmten den sich aus den Steueranmeldungen ergebenden Auszahlungsbeträgen jeweils zu. Lediglich bezüglich der [X.], mit der unberechtigte Vorsteuerbeträge von 548.724,09 Euro geltend gemacht wurden, wurde keine Zustimmung des [X.] festgestellt. Die übrigen unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen führten zu einer Verkürzung von Umsatzsteuer im Umfang von insgesamt 4
5
-
5
-
7.215.146,52 Euro. Von dieser Verkürzung bezieht sich ein Teilbetrag von 5.777.801,50 Euro auf Vorsteuern aus Lieferungen der [X.] [X.]

GmbH und O.

GmbH, die über die [X.].

abge-
wickelt wurden.
Das [X.] hat die Handlungen des Angeklagten und der Mitange-klagten [X.]

jeweils als (einheitliche) Beihilfe zur Steuerhinterziehung
in acht Fällen sowie zur versuchten Steuerhinterziehung gewertet.
2. Ein Verfahrenshindernis besteht nicht.
Entgegen der Auffassung der Revision werden die verfahrensgegen-ständlichen Taten nicht vom Strafklageverbrauch (Art. 103 Abs.
3 GG) des Ur-teils des [X.]s [X.] vom 4.
November 2013 im Verfahren

501 Js

erfasst, durch das der Angeklagte wegen Beihilfe zur Steu-
erhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden ist.
a) Maßgeblich für den Umfang der Rechtskraft und damit für die Frage, ob Strafklageverbrauch eingetreten ist oder nicht, ist die Tat im prozessualen Sinn (§
264 Abs.
1 [X.]), wie sie von der Anklage erfasst ist. Denn der [X.] reicht nur so weit wie die Aburteilungsbefugnis des Gerichts.
Der verfahrensrechtliche Tatbegriff umfasst das gesamte Verhalten des Ange-klagten, soweit es mit dem durch den Eröffnungsbeschluss bezeichneten ge-schichtlichen Vorkommnis nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang bildet (st.
Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 23.
September 1999

4 StR 700/98, [X.]St 45, 211, 212).
b) Gegenstand des Verfahrens

501 Js

war der Tat-
vorwurf, der Angeklagte habe einer kriminellen [X.] um

P.

und
6
7
8
9
10
-
6
-
R.

angehört.

.

in Ku.

(Österreich) die tatsächlichen Warenbewegungen des von der
[X.] betriebenen [X.]s unter Beteiligung im [X.] festgestellter [X.] und Buffer vorgenommen zu haben. Er wurde hierfür durch Urteil vom 4.
November 2013 für im Zeitraum von Juni 2009 bis Juni 2010 begangene Taten wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
c) Im vorliegenden Verfahren liegt dem Angeklagten zur Last, über die in K.

ansässige [X.].

Beihilfe zur Hinterziehung anderer an
einem weiteren [X.] beteiligter Unternehmen mit Hilfe von Warenbewegungen über die [X.].

geleistet zu haben. Die Anklage
erfasst den Tatzeitraum März 2011 bis Mai 2012.
d) Die den Verfahren jeweils zugrunde liegenden Tatvorwürfe betreffen unterschiedliche Taten im prozessualen Sinn.
[X.]) Wie das [X.] in den Urteilsgründen (UA S.
8
ff.) zutreffend ausgeführt hat, beziehen sich die Tatvorwürfe sowohl in örtlicher als auch in zeitlicher Hinsicht auf unterschiedliche Lebenssachverhalte. Die Verfahren be-treffen zudem verschiedene [X.]e mit unterschiedlichen Un-ternehmen auf [X.] der [X.] und Buffer.
Selbst wenn sich die Verfahren auf Straftaten bezogen hätten, die im Rahmen derselben [X.]e begangen wurden, würde dies für sich allein nicht für die Annahme einer einheitlichen prozessualen Tat im Sinne von §
264
Abs.
1 [X.] genügen. Mehrere im Sinne von § 53 StGB sachlich-rechtlich selbständige Handlungen bilden

auch bei Steuerhinterziehungen

nur dann eine einheitliche prozessuale Tat, wenn die einzelnen Handlungen nicht nur äußerlich ineinander übergehen, sondern wegen der ihnen zugrunde-11
12
13
14
-
7
-
liegenden Vorkommnisse unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeu-tung auch innerlich derart miteinander verknüpft sind, dass der Unrechts-
und Schuldgehalt der einen Handlung nicht ohne die Umstände, die zu der anderen Handlung geführt haben, richtig gewürdigt werden kann und ihre getrennte Würdigung und Aburteilung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden wird (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 11.
September 2007

5 [X.], [X.]R
[X.] §
264 Abs.
1 Tatidentität
43 mwN). Welche Taten der Steuerhinterziehung oder der Beihilfe hierzu einen einheitlichen geschichtlichen Vorgang und damit eine einheitliche Tat im pro-zessualen Sinn bilden, ist auch bei im Rahmen eines [X.]s begangenen Steuerhinterziehungen von den Verhältnissen des konkreten [X.] abhängig.
[X.]) Der Umstand, dass dem Angeklagten in beiden Verfahren zunächst die Mitgliedschaft in einer kriminellen [X.] (§
129 StGB) vorgeworfen wurde und sich die Dauer der Mitgliedschaft in den zugrunde liegenden Ankla-gen teilweise überschneidet, führt schon deshalb nicht zu einer prozessualen Tatidentität, weil die Anklagen unterschiedliche kriminelle [X.]en zum Gegenstand haben. Das Verfahren

501 Js

bezog sich auf

P.

und
R.

. Demgegenüber hat das vorliegende Verfahren eine von dem
früheren Mitangeklagten W.

kontrollierte [X.] zum Gegenstand.
Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass mitgliedschaftliche [X.], die zugleich einen anderen Straftatbestand als den des §
129 StGB verwirk-lichen, nach neuerer Rechtsprechung des [X.] regelmäßig ma-teriell-rechtlich nicht zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit verklammert werden, sondern zueinander in Tatmehrheit stehen (vgl. [X.], Beschluss vom 9.
Juli 2015

3
StR 537/14, [X.]St 60, 308, 319
f. Rn.
39).
15
-
8
-
cc) Der Umstand, dass das [X.] im Urteil vom 4.
November 2013 seine Überzeugung vom Tatvorsatz des Angeklagten bezüglich der über die MI.

in Ku.

abgewickelten Geschäfte auch aus zeitlich danach
liegenden Vorgängen bei der nun verfahrensgegenständlichen [X.].

abgeleitet hat,
führt ebenfalls nicht zu einer einen Strafklageverbrauch begrün-denden einheitlichen prozessualen Tat im Sinne von §
264 Abs.
1 [X.]. Das Tatgericht ist befugt, die Untersuchung über die durch Anklage und [X.] bezeichnete Tat hinaus auf andere Straftaten zu erstrecken, wenn dies zur Wahrheitsfindung erforderlich ist (vgl. [X.], Urteil vom 30.
Oktober 1986

4 StR 499/86, [X.]St 34, 209, 210 mwN). Dies hat

wie der [X.] in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat

nicht zur Folge, dass der Strafklageverbrauch über die Grenzen des §
264 Abs.
1 [X.] hinaus ausgedehnt wird.
3. Mit einer Verfahrensrüge macht der Beschwerdeführer geltend, der absolute Revisionsgrund des §
338 Abs.
1 [X.] liege vor, weil anstelle der [X.]in am [X.] D.

vorrangig [X.]in [X.]

oder [X.] am
[X.] B.

als Vertreter zur Mitwirkung an der Hauptverhandlung beru-
fen gewesen wären. Die Rüge bleibt ohne Erfolg.
a) Der Beanstandung liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Nachdem das [X.] am 20.
Januar 2014 den Verfahrensbeteilig-ten gemäß §
222a [X.] die Besetzung des Gerichts mitgeteilt hatte, stellte es nach einem hierauf gerichteten Ablehnungsantrag fest, dass der Vorsitzende und eine beisitzende [X.]in gemäß §
22 Nr.
5 [X.] in dieser Sache kraft Gesetzes von der Ausübung des [X.]amts ausgeschlossen seien. Die Hauptverhandlung wurde ausgesetzt.
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9
-
Um die bereits für den Zeitraum vom 17.
Februar bis 30. Juni 2014 fest-gelegten [X.] stattfinden lassen zu können, sollte die Bestimmung der nun zur Verhandlung und Entscheidung berufenen [X.] möglichst zügig durchgeführt werden. Sämtliche [X.] der Strafabteilung [X.] deshalb um Stellungnahme gebeten, ob bzw. inwieweit für diesen Zeitraum Verhinderungen bestünden. Nachdem entsprechende Stellungnahmen [X.] waren, in denen auf bereits bestimmte Termine in anderen Strafverfah-ren sowie auf Urlaubszeiten hingewiesen wurde, stellte der Präsident des [X.]s mit Vermerken vom 30.
Januar 2014 die Verhinderung von Rich-terin am [X.] L.

fest ([X.]. 7821). In einem weiteren Ver-
merk vom 31.
Januar 2014 ([X.]. 7841
ff.) stellte der Präsident des Landge-richts für weitere [X.] und [X.]innen der Strafabteilung des [X.]s fest, ob sie für die anstehende Hauptverhandlung verhindert seien oder nicht. In diesem Vermerk wies der [X.]spräsident darauf hin, dass nach der Geschäftsverteilung des [X.]s nach den [X.]n der [X.]n die [X.] der Zivilkammern heranzuziehen seien, wobei sich die Reihenfolge nach dem aufsteigenden Dienstalter bestimme. Sodann stellte er in dem Ver-merk die Verhinderung von [X.]in [X.]

, dem dienstjüngsten Mitglied der Zi-
vilkammern,
fest. Er wies dabei darauf hin, dass bei der Frage nach einer Ver-hinderung

einer Wertungsfrage

auch zu prüfen sei, ob und in welchem Um-fang ein [X.] Zeit benötige, um sich auf eine Verhandlung vorzubereiten. Maßgeblich seien dabei Art und Umfang der zur Verhandlung anstehenden Sa-che sowie Arbeitsweise, Kenntnisse, Erfahrungen und persönliche Eigenschaf-ten des [X.]s. Die Verhinderung von [X.]in [X.]

stellte er im Hinblick da-
rauf fest, sie sei bei Wahrung des Beschleunigungsgrundsatzes bis zum avi-sierten Verhandlungstermin am 24.
Februar 2014 nicht in der Lage, sich [X.] auf das Verfahren vorzubereiten. Sie hätte sich in eine komplexe, sehr umfangreiche, Strafsache einzuarbeiten. Die [X.]in verfüge aber weder über 20
-
10
-
spezielle Kenntnisse des [X.] noch habe sie jemals (außer-halb des Referendariats) Erfahrungen in Strafsachen gesammelt. Anders als eine etwa durch die Vortätigkeit als St[X.]tsanwältin in Strafsachen erfahrene fang, wie es für eine verantwortungsvolle Wahrnehmung der Aufgaben einer, auch nicht Bericht erstattenden, Beisitzerin angezeigt ist, sachgemäß auf das Verfah-

[X.] des [X.]s angehörenden [X.]s am [X.] B.

, dem Erholungsur-
laub gewährt worden war, stellte der Präsident des [X.]s im Hinblick darauf fest, dass auch ohne Widerruf seines Urlaubs die Weiterbetreibung des Verfahrens unter Wahrung des Beschleunigungsgrundsatzes gesichert sei ([X.]. 7847).
Mit Schreiben der [X.] vom 10.
Februar 2014 wurden sodann die [X.] und gemäß §
222a [X.] die Besetzung für die Hauptverhandlung mit den [X.]innen am [X.] Kr.

, Ko.

und
D.

als Berufsrichterinnen mitgeteilt.
Am zweiten Hauptverhandlungstag, der am 5.
März 2014 stattfand, rügte der Verteidiger eines damaligen Mitangeklagten mit schriftlicher Begründung noch vor Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache die Besetzung des Gerichts (Prot. [X.]. 170
ff.). Er beanstandete dabei, dass das Gericht nicht der gesetzliche [X.] im Sinne des Art.
101 Abs.
1 Satz
2 GG, §
16 Satz
2 GVG sei. Dies begründete er unter Bezugnahme auf den Vermerk des Präsi-denten des [X.]s vom 31.
Januar 2014 damit, dass die Feststellung der Verhinderung der [X.]in [X.]

mit der Begründung, sie sei aufgrund ihrer feh-
lenden strafrechtlichen Kenntnisse nicht in der Lage, sich einzuarbeiten, unzu-treffend sei (Prot. [X.]. 171). Die festgestellte Verhinderung von [X.] am [X.] B.

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22
-
11
-
Die [X.] wies noch am selben Tag den [X.] als unbegründet zurück und verwies dabei zur Begründung auf die Vermerke des Präsidenten des [X.]s vom 30. und vom 31.
Januar 2014. Ergänzend verwies die [X.] in dem Beschluss darauf, dass es sich um ein [X.] Strafverfahren mit fünf Angeklagten handele, von denen sich vier Angeklagte in Untersuchungshaft befänden. Eine kurzfristige Umterminierung sei aufgrund der Vielzahl der Verfahrensbeteiligten nicht möglich (Prot. [X.]. 13).
Rechtsanwalt S.

erklärte als Verteidiger für den Angeklagten,
dass er sich der Besetzungsrüge anschließe (Prot. [X.]. 13). Den [X.] wies das [X.] im Hauptverhandlungstermin vom 10.
März 2014 mit gleicher Begründung wie zuvor als unbegründet zurück (Prot. [X.]. 19).
b) Die Verfahrensrüge, es liege ein absoluter Revisionsgrund im Sinne §
338 Nr.
1 [X.] vor, ist bereits unzulässig. Die Besetzungsrüge ist präkludiert, denn der vor der erkennenden [X.] geltend gemachte Besetzungsein-wand entsprach nicht der von §
222b Abs.
1 [X.] vorgeschriebenen Form.
[X.]) Die Zulässigkeit der Besetzungsrüge setzt voraus (§
338 Nr.
1 Buchst.
b [X.]), dass der [X.] bereits in der Hauptverhandlung gemacht

worden ist. Die Vorschrift des §
338 Nr.
1 Buchst.
b [X.]
nimmt da-mit Bezug auf §
222b Abs.
1 Satz
2 [X.], der bestimmt, dass die Tatsachen, aus denen sich die vorschriftswidrige Besetzung ergeben soll, anzugeben sind. Um die Formerfordernisse erfüllen zu können, gibt §
222a Abs.
3 [X.] ein Ein-sichtsrecht in die
für die Besetzung maßgeblichen Unterlagen.
23
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-
12
-
(1) Das auf den [X.] in den erstinstanzlichen Verfahren vor den [X.]en und den [X.] eröffnete [X.] dient dazu, die Prüfung und Beanstandung der Gerichtsbesetzung auf den von §
222b Abs.
1 Satz
1 [X.] beschriebenen Zeitpunkt vorzuverlegen, damit ein Fehler rechtzeitig aufgedeckt und gegebenenfalls geheilt wird. Damit wird auch dem Recht des Angeklagten, sich nur vor seinem gesetzlichen [X.] verantworten zu müssen, besser Rechnung getragen, als wenn er darauf ver-wiesen würde, dieses Recht erst mit der Revision geltend zu machen ([X.], Beschluss vom 12.
Januar 2016

3
StR
490/15, Rn.
11, NStZ-RR
2016, 120 und Urteil vom 9. April 2009

3 [X.], [X.]St 53, 268,
279). Mit den durch das Strafverfahrensänderungsgesetz 1979 eingeführten Rügepräklusi-onsvorschriften der §
338 Nr.
1, §
222b Abs.
1 [X.] wollte der Gesetzgeber erreichen, dass [X.] bereits in einem frühen Verfahrensstadium erkannt und geheilt werden, um zu vermeiden, dass
ein möglicherweise mit großem justiziellen Aufwand zustande gekommenes Strafurteil allein wegen eines [X.]s aufgehoben und in der Folge die gesamte [X.]

mit erheblichen Mehrbelastungen sowohl für die Strafjustiz als auch für den Angeklagten

wiederholt werden muss (BT-Drucks. 8/976, S.
24
ff.; [X.], Urteil vom 25.
Oktober 2006

2 [X.], [X.], 536). Deshalb müssen alle Beanstandungen gleichzeitig geltend gemacht werden (§
222b Abs.
1 Satz
3 [X.]). Ein Nachschieben von Gründen ist nicht statthaft (vgl. [X.] [X.]O, [X.], 536 mwN).
(2) Zwar haben Präklusionsvorschriften wegen ihrer einschneidenden Folgen einen strengen Ausnahmecharakter. Die Präklusionsregelung der §
338 Nr.
1, §
222b Abs.
1
[X.] genügt indes den an sie zu stellenden verfassungs-rechtlichen Anforderungen (vgl. [X.], Beschluss vom 19.
März 2003

2
BvR 1540/01, [X.]K 1, 87).
28
-
13
-
(3) Mit Blick auf den Normzweck und im Sinne der Intentionen des [X.] werden unter Wahrung der verfassungsrechtlichen Anforderungen hohe Anforderungen an den Inhalt des [X.]s gestellt. Die [X.] an den [X.] entsprechen dabei nach den Vorstellungen des Gesetzgebers weitgehend den Rügeanforderungen des §
344 Abs.
2 Satz
2 [X.], wie schon die insoweit wortgleiche Formulierung zeigt (vgl. BT-Drucks. 8/976, [X.]; [X.], Beschluss vom 12.
Januar 2016

3
StR
490/15, Rn.
11, NStZ-RR
2016, 120; Urteile vom 25.
Oktober 2006

2 [X.], [X.], 536 und
vom 30.
Juli 1998

5 StR 574/97, [X.]St 44, 161, 162; vgl. auch [X.] in MüKo-[X.], §
222b Rn. 13 und [X.] in
[X.]/[X.],
[X.],
§
222b Rn.
8 mwN). Es müssen ebenso wie bei der Verfahrensrüge der Revision (§
344 Abs.
2 Satz
2 [X.]) alle Tatsachen ange-führt werden, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit der Zusammensetzung des Gerichts ergibt [X.] in LR-[X.], 26.
Aufl., §
222b Rn.
17). Fehlt die er-forderliche umfassende Begründung, insbesondere ein hinreichend substanti-ierter Tatsachenvortrag, so
ist der [X.] nicht in der vorgeschrie-benen Form geltend gemacht, mithin nicht zulässig erhoben worden ([X.] [X.]O, [X.]St 44, 161, 162 und [X.], 536; [X.], Beschluss vom 1.
September 2015

5
StR 349/15, [X.], 54).
(4) Die genannten Grundsätze gelten selbst bei evidenten [X.], die allen Verfahrensbeteiligten ohne weiteres erkennbar oder sogar bekannt sind. Auch in diesen Fällen sind alle konkreten Tatsachen, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit der Besetzung ergeben soll, zur Erhaltung der Beset-zungsrüge vorzubringen ([X.], Urteil vom 25.
Oktober 2006

2 [X.], [X.], 536 mwN).
(5) Welche Tatsachen im Einzelnen anzugeben sind, richtet sich nach dem Inhalt der jeweiligen Regeln, deren Verletzung behauptet wird.
29
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14
-
[X.]) Ausgehend von diesen Grundsätzen genügte die in der [X.] erhobene Beanstandung der Besetzung des Gerichts den [X.] an einen formgerechten [X.] nicht.
(1) Zwar hat der Angeklagte, nachdem die Besetzung der [X.] gemäß §
222a [X.] bereits mit Schreiben vom 10.
Februar 2014 mitgeteilt worden war, den [X.] entsprechend §
222b Abs.
1 Satz
1 [X.] vor Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache in der [X.]

und damit rechtzeitig

geltend gemacht.
(2) Der erhobene [X.] genügte jedoch nicht den inhaltli-chen Anforderungen des §
222b Abs.
1 [X.].
(a)
Der [X.] braucht nicht zu entscheiden, ob und gegebenenfalls in-wieweit beim [X.] nach §
222b Abs.
1 Satz
2 [X.], anders als bei §
344 Abs.
2 Satz
2 [X.], im Rahmen der Angabe der Tatsachen, aus de-nen sich die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts ergeben soll, Bezug-nahmen auf Unterlagen bei den Strafakten des Gerichts, das über den [X.] zu entscheiden hat, zulässig sind (vgl. [X.], Urteil vom 30.
Juli 1998

5 StR 574/97, [X.]St 44, 161, 163; [X.] in KMR-[X.], Stand: Dezember 2015, § 222b Rn. 20). Denn es ist zu unterscheiden zwischen dem Erfordernis einer klaren Bezeichnung des geltend gemachten Mangels und der Darlegung der den Mangel enthaltenden Tatsachen.
(b)
Vorliegend lässt die im Verfahren vor dem [X.] erhobene Be-setzungsrüge nicht in der vom Gesetz geforderten Weise erkennen, welcher Umstand die Vorschriftswidrigkeit der Besetzung begründen soll und aus wel-chen vorzutragenden Tatsachen sich diese ergeben soll. §
222b [X.] stellt gegeben, wenn das erkennende Gericht mit einem oder mehreren [X.]n be-32
33
34
35
36
-
15
-
setzt war, bei denen es sich nicht um den bzw. die gesetzlichen [X.] i.S.v. Art.
101 Abs.
1 Satz
2 GG handelt (vgl. [X.] in SK-[X.], 4.
Aufl. 2014, §
338 Rn.
12). Wer gesetzlicher [X.] ist, bestimmt sich nach dem Gerichtsverfas-sungsgesetz und der Umsetzung der dortigen Vorgaben durch den [X.], dem der fragliche Spruchkörper angehört.
Mit seiner Besetzungsrüge vom 5.
März 2014 hat der Angeklagte vor [X.] geltend gemacht, [X.]in [X.]

sei durch den Präsidenten des Landge-
richts gesetzwidrig als verhindert erklärt worden (Prot. [X.]. 171). Darüber hinaus wird auch in Zweifel gezogen, dass [X.] am [X.] B.

zu
Recht als verhindert erklärt worden ist (Prot. [X.]. 173). Der [X.] selbst verhält sich nicht ausdrücklich dazu, welcher oder welche an der Entscheidung mitwirkenden [X.] nicht gesetzlicher [X.] in dem vor-genannten Sinne waren. Zudem werden mit der Besetzungsrüge nicht sämtli-che Tatsachen vorgetragen, deren Vortrag es bedurft hätte, um den [X.] von §
222b Abs.
1 Satz 2 [X.] zu genügen.
(c)
Auf die tatsachengestützte konkrete Benennung derjenigen [X.], n-nenden Gerichts waren, konnte unter Berücksichtigung der gesetzlichen Anfor-derungen vorliegend nicht verzichtet werden. Das Vorbringen, [X.]in [X.]

sei durch den Präsidenten des [X.]s gesetzwidrig als verhindert erklärt worden, genügt angesichts des sonstigen Vortrags im [X.] ge-genüber der [X.] nicht. Denn selbst wenn dieser Vortrag durch den 31.
Januar 2014 ausreichend

was zweifelhaft ist

durch Tatsachenvortrag gestützt sein sollte, lässt sich daraus nicht erkennen, unter welchem konkreten rechtlichen Aspekt (vgl. §
222 Abs.
1 Satz
3 [X.]) die Vorschriftswidrigkeit der Besetzung geltend gemacht werden soll. Die behauptete rechtsfehlerhaft ange-37
38
-
16
-
nommene Verhinderung von [X.]in [X.]

-

h-terin gewesen wäre. Das hat der Angeklagte aber nicht ausreichend dargelegt. Es werden nämlich auch Zweifel an der Gesetzmäßigkeit der Verhinderung von [X.] am [X.] B.

geltend gemacht. Aus der Besetzungsrüge ist
nicht zu entnehmen, ob [X.]in [X.]

oder [X.] am [X.] B.

an-
stelle welches tatsächlich an der Entscheidung mitwirkenden
berufsrichterlichen
Mitglieds
der [X.] vorschriftswidrig mitgewirkt haben. Dieser Klarstel-lung hätte es aber wegen §
222b Abs.
1 Satz
2 und Satz
3 [X.] bedurft. Nur wenn durch die Besetzungsrüge ausreichend klargestellt wird, welcher Beset-zungsmangel gerügt wird,
kann das Eingreifen der Präklusionswirkung und der Konzentrationswirkung aus §
222b Abs.
1 Satz
3 [X.] beurteilt werden.
(3)
Darüber hinaus bestehen erhebliche Zweifel, ob der von §
222b Abs.
1 Satz
2 [X.] geforderte Vortrag der die Rüge tragenden Tatsachen durch weitgehende Bezugnahme auf außerhalb des eigenen Vortrags liegende Dokumente erbracht werden kann.
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-
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-
4. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf die Sachrüge hat kei-nen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Schuldspruch wird von den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen getragen; der Straf-ausspruch ist ebenfalls rechtsfehlerfrei.
Raum Jäger [X.]

Mosbacher [X.]
40

Meta

1 StR 422/15

07.09.2016

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.09.2016, Az. 1 StR 422/15 (REWIS RS 2016, 5814)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 5814

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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