Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.10.2014, Az. 4 StR 208/14

4. Strafsenat | REWIS RS 2014, 2307

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
4
StR
208/14

vom
9. Oktober 2014
in der Strafsache
gegen

wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.]s hat in der Sitzung vom 9.
Oktober
2014, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Dr. Mutzbauer

als Vorsitzender,

[X.]in
am [X.]
Roggenbuck,
[X.] am [X.]
Cierniak,
[X.],
Dr. Quentin

als beisitzende [X.],

[X.]in am [X.]

in der Verhandlung

,
Staatsanwältin beim [X.]

bei der Verkün-dung

als Vertreterinnen
des
Generalbundesanwalts,

Rechtsanwalt

in der Verhand-lung

als
Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-
1.
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 4.
März 2014 wird verworfen.
2.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmit-tels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverlet-zung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge ge-stützte Revision des Angeklagten hat

entgegen der Auffassung des General-bundesanwalts

keinen Erfolg.
I.
Das [X.] hat die folgenden Feststellungen und Wertungen ge-troffen:
Am 29.
Mai 2012 forderte der Angeklagte im Büroraum einer Autowerk-statt von dem an einem Schreibtisch sitzenden Geschädigten

S.

die Zahlung von 100.000 bis 150.000
Euro. Hintergrund der Forderung war ein sog. Umsatzsteuerkarussell, an dem sich sowohl der Angeklagte als auch der Geschädigte beteiligt hatten. Dem Angeklagten war bewusst, dass er keinen 1
2
3
-
4
-
berechtigten Anspruch auf das geforderte Geld hatte. Als

S.

dem
Angeklagten entgegnete, dass er zu einer Zahlung weder willens noch in der Lage sei, entwickelte sich zwischen beiden ein lautstarkes Streitgespräch, in dessen Verlauf der Geschädigte den anwesenden Zeugen

W.

bat, die Polizei zu rufen. Dieser Bitte kam der Zeuge nach und begab sich zum Telefonieren in einen Nebenraum. Währenddessen schlug der Angeklagte dem Geschädigten mit der flachen Hand ins Gesicht, um ihn zur Zahlung zu [X.]. Sodann nahm er ein bei sich geführtes Messer, ging um den Schreibtisch herum und hielt es

um seiner Forderung weiter Nachdruck zu verleihen

dem Geschädigten in einem Abstand von wenigen Zentimetern vor den [X.]. Da der Geschädigte auch weiterhin eine Zahlung verweigerte und der zwi-schenzeitlich zurückgekehrte Zeuge W.

mitgeteilt hatte, dass er die Polizei
verständigt habe, ließ der Angeklagte von dem Geschädigten ab und verließ die Räumlichkeiten der Autowerkstatt. Infolge des Schlages litt

S.

kurzzeitig an Nasenbluten.
Das [X.] hat eine versuchte besonders schwere
räuberische [X.] (§§
253, 255, 250 Abs.
2 Nr.
1 StGB) bejaht, weil der nicht mit einer sofortigen Zahlung rechnende Angeklagte dem Geschädigten mit einer Dauer-gefahr für Leib oder Leben gedroht habe, die als gegenwärtig im Sinne
des §
255 StGB zu werten sei.

S.

habe alsbald zahlen müssen, um die
Verwirklichung der Drohung abzuwenden.
II.
Die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.

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5
-
5
-
1.
Die Rüge, das [X.] habe die ihm obliegende Aufklärungspflicht (§
244 Abs.
2 StPO) verletzt, weil es den Polizeibeamten D.

nicht zu sei-
nen Wahrnehmungen nach dem Eintreffen am [X.] vernommen habe, ist [X.] unbegründet. Nach dem [X.] hätte der Polizeibeamte als Zeuge unter anderem bekundet, die Beteiligten auf dem Hinterhof des [X.] miteinander sprechend angetroffen zu haben. Von einer Auseinan-dersetzung sei nichts festzustellen gewesen. Der Zeuge W.

sowie der aus der
Nase blutende und sehr verängstigt wirkende Geschädigte hätten sich bemerk-bar gemacht. Der Geschädigte habe von einer Geldforderung des Angeklagten und einem unvermittelten Schlag ins
Gesicht berichtet. Auch habe er angege-ben, dass ihm der Angeklagte ein geöffnetes Klappmesser an den [X.] gehal-ten und damit gedroht habe, dass noch mehr
passieren würde, wenn er das Geld nicht besorge.
a)
§
244 Abs.
2 StPO gebietet es, von Amts wegen Beweis zu erheben, wenn aus den Akten oder aus dem Stoff der Verhandlung noch Umstände und Möglichkeiten bekannt oder erkennbar sind, die bei verständiger Würdigung der Sachlage begründete Zweifel an der Richtigkeit der

auf
Grund der bisherigen Beweisaufnahme erlangten

Überzeugung wecken müssen ([X.], Urteil vom 9.
Dezember 2008

5
StR
412/08, [X.], 468
f.; Beschluss vom 9.
Mai 1996

1
StR
175/96, [X.], 299). Ob die vom Gericht auf Grund der verwendeten Beweismittel gewonnene Überzeugung ausreicht oder ob zu ihrer Absicherung oder Überprüfung weitere Beweismittel heranzuziehen sind, ist auf der Grundlage von Verfahrensablauf und Beweislage des Einzelfalls zu beurtei-len. Je weniger gesichert ein Beweisergebnis erscheint, je gewichtiger die Unsi-cherheitsfaktoren sind, je mehr Widersprüche bei der Beweiserhebung zu Tage getreten sind, desto größer ist der Anlass für das Gericht, trotz der erlangten 6
7
-
6
-
Überzeugung weitere erkennbare Beweismöglichkeiten zu benutzen ([X.],
Urteil vom 5.
Dezember 1995

1
StR
580/95, [X.], 249).
b)
Daran gemessen musste sich der [X.] eine Einvernahme des Polizeibeamten D.

nicht aufdrängen. Soweit der Polizeibeamte D.

über ein Verbleiben des Angeklagten auf dem Hinterhof des [X.]anwesens und ein Gespräch zwischen den Beteiligten berichtet hätte, stünde dies nicht in h-

6). Seine nach dem [X.] zu erwartenden Bekundungen über die Angaben des Geschädigten zum Vorhalten des Messers wenn er das Geld nicht besorgen würdu-gung des [X.]s von einem Einsatz des Messers als Drohmittel und dem Vorliegen einer Dauergefahr nicht in Frage gestellt, sondern bestätigt.
2.
Das Urteil weist auch in sachlich-rechtlicher Hinsicht keinen Rechts-fehler zum Nachteil des Angeklagten auf. [X.] Ausführungen bedarf ledig-lich das Folgende:
a)
Die Annahme des [X.]s, der Angeklagte habe nach seiner Vorstellung von der Tat mit einer gegenwärtigen Gefahr für
Leib oder Leben im Sinne des §
255
StGB gedroht, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Dabei kann es dahinstehen, ob der Angeklagte auch mit einer sofortigen (Teil-)Zahlung rechnete.
aa)
Mit einer gegenwärtigen Gefahr droht, wer eine Schädigung an Leib oder Leben in Aussicht stellt, die bei ungestörter (natürlicher) Weiterentwicklung der Dinge als sicher oder höchst wahrscheinlich zu erwarten ist, falls nicht als-8
9
10
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-
7
-
bald eine Abwehrmaßnahme ergriffen wird. Erforderlich ist dabei nicht, dass das schädigende Ereignis mit Sicherheit unmittelbar bevorsteht. Es genügt eine Gefahr, die als Dauergefahr

über einen längeren Zeitraum in dem Sinne ge-genwärtig ist, dass sie jederzeit

zu einem ungewissen Zeitpunkt, alsbald oder auch später

in einen Schaden umschlagen kann. Dabei erfordert es der
wirksame Schutz von Erpressungsopfern, den Begriff der Gegenwärtigkeit
angedrohter Gefahren nicht zu eng zu verstehen
([X.], Urteil vom 30.
Juni 1999

2
StR
146/99, [X.]R StGB §
255 Drohung
11; Urteil vom 27.
August 1998

4
StR
332/98, [X.], 266, 267;
Urteil vom 28.
August 1996

3
StR
180/96, [X.] 1999, 117, 118 m. Anm. Joerden; Urteil vom 10.
Februar 1982

3
StR
398/81, [X.] 1982, 447 bei Holtz).
bb)

iner Beurteilung zugrunde gelegt. Dabei hat es auch in den Blick genommen, dass der Angeklagte nicht mit einer sofor-tigen Zahlung des Geschädigten gerechnet hat. Die einer Gewaltanwendung (Schlag ins Gesicht) nachfolgende Drohgebärde mit dem Messer war auf
Grund ihrer Nähe zum Körper des Geschädigten so eindringlich, dass die [X.] darin ohne Verstoß gegen Auslegungsregeln (zum revisionsrechtlichen [X.] vgl. [X.], Urteil vom 30.
Juni 1999

2
StR
146/99,
[X.]R StGB §
255 Drohung
11) die Androhung einer Gefahr sehen konnte, die sich ab [X.] jederzeit verwirklichen kann und deshalb als Dauergefahr gegen-wärtig ist.
b)
Auch der Umstand, dass das [X.] einen Rücktritt nicht aus-drücklich erörtert hat, vermag einen Rechtsfehler nicht zu begründen.

12
13
-
8
-
Das [X.] war hier nicht gehalten, auf die Frage eines strafbefrei-enden Rücktritts näher einzugehen. Nach den Feststellungen ließ der Ange-klagte von dem Geschädigten ab, weil dieser auch nach der Drohung mit dem vorgehaltenen Messer weiterhin eine Zahlung verweigerte und der von ihm [X.] angehaltene Zeuge W.

über die erfolgte Verständigung der Polizei berich-
tet hatte. Daraus ergibt sich hinreichend deutlich, dass der Erpressungsversuch nicht nur objektiv, sondern auch aus der
insoweit maßgeblichen Perspektive des Angeklagten nach Ende seiner letzten Ausführungshandlung fehlgeschla-gen war und deshalb ein Rücktritt nicht mehr in Betracht kam (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 4.
Juni 2014

4
StR
168/14, Rn.
8 mwN). Denn es liegt auf
der Hand, dass der Angeklagte nach dem Eintreffen der Polizei mit der Aufdeckung seines Erpressungsvorhabens rechnete und angesichts der standhaften Weige-rung des Geschädigten davon ausging, dass seine Forderung nicht mehr erfüllt werden würde.
Mutzbauer
Roggenbuck
Cierniak

[X.]
Quentin
14

Meta

4 StR 208/14

09.10.2014

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.10.2014, Az. 4 StR 208/14 (REWIS RS 2014, 2307)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2307

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