Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.05.2015, Az. VII ZB 19/14

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 11527

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 19/14

vom

6. Mai 2015

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 233 Satz 1 B, Fc, § 85 Abs. 2
a)
Eine ordnungsgemäße [X.] bei rechtzeitiger postalischer Ver-sendung [X.] Schriftsätze setzt nicht generell die Einholung einer Eingangsbestätigung vor Streichung der Frist voraus.
b)
Ordnet ein Rechtsanwalt die Einholung einer Eingangsbestätigung an, obwohl er hierzu nicht verpflichtet gewesen wäre, können Fehler, die ihm hierbei [X.], die Versagung der Wiedereinsetzung nicht rechtfertigen.
[X.], Beschluss vom 6. Mai 2015 -
VII ZB 19/14 -
LG [X.]

[X.]

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2
-
Der VII.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am
6. Mai
2015 durch den Vorsitzenden
Richter Dr.
Eick, [X.]
Kartzke und die Richterinnen [X.], [X.] und Wimmer

beschlossen:
Auf
die vom
[X.] des [X.] für diesen geführte Rechtsbeschwerde wird der Beschluss der 57.
Zivilkammer des [X.] vom 16.
Januar 2014 aufgehoben.
Dem
[X.] wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ge-währt.
Die
Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Gegenstandswert: 4.033,98

Gründe:
I.
Der Kläger hat gegen die Beklagte Klage auf Zahlung von Vergütung für Vermessungsarbeiten in Höhe von 4.033,98

J. den Streit ver-kündet, der dem Rechtsstreit auf Seiten des [X.] beigetreten ist. Das [X.] hat die Klage mit Urteil vom 13.
Juni 2013 abgewiesen. Eine [X.]
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gung des Urteils ist dem Kläger am 17.
Juni 2013 zugestellt worden. Gegen das Urteil hat der Nebenintervenient des [X.] für diesen Berufung eingelegt. Auf Antrag hat der Vorsitzende des Berufungsgerichts die Berufungsbegründungs-frist um einen Monat bis zum 19.
September 2013 verlängert. Nach Erteilung eines am 8.
November 2013 zugestellten gerichtlichen Hinweises, dass [X.] Eingangs einer Berufungsbegründung die Verwerfung der Berufung als unzulässig beabsichtigt sei, hat der Nebenintervenient des [X.] am 21.
November 2013 die Berufung begründet und Wiedereinsetzung in den vori-gen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt.
Zur Begründung des [X.] hat er im Wesentlichen Folgendes ausgeführt und hierzu eine
anwaltliche Versicherung seiner Pro-zessbevollmächtigten sowie eine eidesstattliche Versicherung der [X.] vorgelegt: Seine Prozessbevollmächtigte habe am 22.
August 2013 nach Vorlage der Akte anlässlich der eingegangenen Fristver-längerung die Berufungsbegründung diktiert und nach Fertigung am nächsten Tag unterzeichnet. Angesichts des verbleibenden Zeitraums bis zum Fristablauf am 19.
September 2013 habe sie mit ihrer Mitarbeiterin [X.] besprochen, dass es ausreiche, die Berufungsbegründung per Post zu verschicken. [X.] habe [X.] die am 23.
August 2013 unterzeichnete Berufungsbegründung noch am gleichen Tag in einen Umschlag gesteckt, frankiert und in den Post-ausgang gelegt. Am Abend habe sie die im Postausgang liegende Post in den Briefkasten geworfen. Da die Berufungsbegründung nicht vorab auch per Fax habe verschickt werden sollen, habe die Prozessbevollmächtigte ihre Mitarbei-terin [X.] weiter angewiesen, den Posteingang zum Fristablauf vorsichtshalber bei dem Berufungsgericht zu verifizieren. Die Frist sei deshalb am 23.
August 2013 im Kalender noch nicht gestrichen worden. Am Tag des Fristablaufs habe [X.] dann entsprechend der Anweisung den Posteingang verifizieren wollen. [X.] habe sie versehentlich die falsche Akte gezogen, da es zwei Akten mit der 2
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hiesigen Parteibezeichnung gebe, in denen ein Berufungsverfahren des [X.] anhängig sei. Da [X.] in der für jenes Verfahren zuständigen Ge-schäftsstelle des [X.] niemanden telefonisch
erreicht habe, sei der [X.] [gemeint wohl: [X.]] in jener Akte nochmals ausgedruckt, unterzeichnet und zum [X.] gefaxt worden. Nach Vorlage des [X.] sei die Frist im hiesigen Verfahren mit Einverständnis der Prozessbevollmächtigten gestrichen worden. Der Nebenin-tervenient ist der Auffassung, ihn treffe bereits deshalb kein gemäß §
85 Abs.
2 ZPO zuzurechnendes Verschulden, weil seine
Prozessbevollmächtigte auf die Zuverlässigkeit der Postzustellung habe vertrauen dürfen. Etwaige Fehler bei der Überprüfung des Eingangs der Berufungsbegründung könnten ihm nicht angelastet werden, weil es sich um eine überobligatorische Maßnahme [X.] habe. Im Übrigen habe seine Prozessbevollmächtigte auch darauf [X.] dürfen, dass ihre langjährige und zuverlässige Mitarbeiterin [X.] die Akten nicht [X.].
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag des Nebeninter-venienten des [X.] zurückgewiesen und seine Berufung als unzulässig [X.].
Dagegen wendet sich der Nebenintervenient mit der Rechtsbeschwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Die gemäß §
238 Abs.
2 Satz
1, § 574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1, §
522 Abs.
1 Satz
4
ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerde-3
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gerichts erfordert (§
574 Abs.
2 Nr.
2 Alt.
2 ZPO). Das Berufungsgericht hat dem [X.] zu Unrecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist verwehrt. Die auf der [X.] Annahme der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beruhen-de Verwerfung der Berufung als unzulässig verletzt den [X.] in seinen Verfahrensgrundrechten auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art.
103 Abs.
1 GG und auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes gemäß Art.
2 Abs.
1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. [X.], NJW 1989, 1147; NJW-RR 2002, 1004).
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
a) Der Nebenintervenient des [X.] hat zwar die Berufungsbegrün-dungsfrist versäumt. Ihm war jedoch antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil er entgegen der Auffassung des Berufungsge-richts ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist für die
Berufungsbegrün-dung gehindert war (§
233 ZPO).
Das Berufungsgericht hat ein dem [X.] gemäß §
85 Abs.
2 ZPO zuzurechnendes Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten be-jaht, weil diese sich nicht darauf habe verlassen dürfen, dass ihre Mitarbeiterin [X.] die Berufungsbegründung noch am 23.
August 2013 auf den Postweg brin-gen werde. Sie habe vielmehr eine [X.] schaffen müssen, die gewährleiste, dass eine Frist erst nach Durchführung der fristwahrenden Maß-nahme gestrichen werde, wobei entweder eine Eingangsbestätigung eingeholt oder ein Fax-Sendebericht ausgedruckt werden müsse. Außerdem müsse durch geeignete organisatorische Maßnahmen eine Verwechslung der Verfah-ren ausgeschlossen werden.

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Mit diesen Erwägungen kann dem [X.] Wiedereinset-zung in den vorigen Stand nicht versagt werden.
Ist -
wie hier
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ein [X.] [X.] verloren gegangen, ist eine Glaubhaftmachung, wo und auf welche Weise es zum Verlust des Schriftstü-ckes gekommen ist, nicht erforderlich; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist vielmehr bereits dann zu gewähren, wenn glaubhaft gemacht wird, dass der Verlust mit großer Wahrscheinlichkeit nicht im Verantwortungsbereich der [X.] oder ihres Prozessbevollmächtigten eingetreten ist ([X.], Beschluss vom 11.
Februar 1957 -
VII
ZB
3/57, [X.]Z 23, 291, 293; Beschluss vom 19.
November 1991 -
VI ZB 40/91, [X.], 899). Das ist hier zu bejahen.
Der Nebenintervenient hat glaubhaft gemacht,
dass die [X.] bereits am 23.
August 2013 von seiner Prozessbevollmächtigten [X.] wurde und angesichts des bis zum Fristablauf am 19.
September 2013 verbleibenden Zeitraums per Post verschickt werden sollte. Er hat durch eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten [X.] weiter glaubhaft gemacht, dass diese noch am gleichen Tag entsprechend der [X.] der Prozessbevollmächtigten die Berufungsbegründung in einen Um-schlag gesteckt, frankiert und in
den Postausgang gelegt
sowie abends die in dem [X.] gesammelte Post in den Briefkasten geworfen hat. Die unterbliebene Streichung der Frist am 23.
August 2013 trotz Erledigung beruhte danach auf der weiteren Anweisung der Prozessbevollmächtigten, zum Fristab-lauf vorsorglich den Eingang der nur per Post versandten Berufungsbegrün-dung bei dem Berufungsgericht zu verifizieren. Der [X.] hat keine Bedenken gegen die Glaubhaftmachung dieser Vorgänge.
Da die Berufungsbegründung danach entsprechend der Anweisung der Prozessbevollmächtigten des [X.] am 23.
August 2013 auf den 10
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Postweg gebracht worden ist, kommt es entgegen der Auffassung des [X.] nicht darauf an, ob diese sich auf die Befolgung ihrer Anweisung, die Berufungsbegründung per Post zu versenden, verlassen durfte oder weiter-gehende Sicherheitsvorkehrungen hätte treffen müssen. Etwaige Mängel bei der [X.] sind insoweit jedenfalls nicht kausal geworden.
Soweit die Prozessbevollmächtigte des [X.] aufgrund
der nur postalischen Versendung der Berufungsbegründung tatsächlich eine weitergehende Sicherheitsvorkehrung veranlasst und die Rechtsanwaltsfach-angestellte [X.] mit der Verifizierung des Eingangs der Berufungsbegründung zum Fristablauf beauftragt hat, stehen die hierbei erfolgten Fehler aufgrund der Verwechslung der Akten, ungeachtet der Frage, ob sie auf einer unzureichen-den Büroorganisation beruhen, einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht entgegen. Da glaubhaft gemacht worden ist, dass die Berufungsbegrün-dung rechtzeitig auf den Postweg gebracht wurde, war die Prozessbevollmäch-tigte des [X.] nicht verpflichtet, sich darüber zu vergewissern, ob sie innerhalb der Frist beim Berufungsgericht eingegangen war ([X.], [X.] vom 11.
Oktober 1989 -
IVa [X.], NJW 1990, 188, 189; Beschluss vom 8.
April 1992 -
XII
ZB 34/92, NJW-RR 1992, 1020, 1021). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts setzt eine ordnungsgemäße Ausgangskon-trolle bei postalischer Versendung [X.] Schriftsätze auch nicht ge-nerell die Einholung einer Eingangsbestätigung vor Streichung der Frist voraus. Vielmehr darf sich der Absender grundsätzlich auf die Zuverlässigkeit der Post-dienste verlassen und muss nicht den Eingang bei Gericht überwachen ([X.], Beschluss vom 19.
Juli 2007 -
I
ZB 100/06, [X.], 587
Rn.
7; [X.],
NJW 1979, 641; NJW 1992, 38). Die Anweisung der Prozessbevollmächtigten des [X.] an ihre
Mitarbeiterin
[X.], den Eingang der [X.] zum Fristablauf zu verifizieren, war mithin überobligatorisch. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die in diesem Zusammenhang erfolgten 14
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Fehler und damit die Fristversäumnis durch andere organisatorische Maßnah-men noch hätten vermieden werden können ([X.], Beschluss vom 11.
Oktober 1989 -
IVa [X.], NJW 1990, 188, 189; Beschluss vom 8.
April 1992 -
XII
ZB 34/92, NJW-RR 1992, 1020, 1021). Denn selbst wenn dies der Fall wäre, könn-te der Prozessbevollmächtigten des [X.] ein Versehen nicht angelastet werden. Es gibt nämlich keinen Grund, sie schlechter zu stellen, als wenn sie sich -
erlaubtermaßen, weil die Berufungsbegründung rechtzeitig auf den Postweg gebracht wurde
-
um den rechtzeitigen Eingang überhaupt nicht mehr gekümmert hätte.
b) Der Nebenintervenient des [X.]
hat auch rechtzeitig um Wieder-einsetzung nachgesucht. Die Frist des §
234 ZPO begann erst in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem seine Prozessbevollmächtigte aufgrund des ihr am 8.
November 2013 zugegangenen Hinweises des Berufungsgerichts erfahren

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hat, dass die Berufungsbegründung nicht bei dem Berufungsgericht eingegan-gen war. Die Frist war danach bei Eingang des [X.] nebst Berufungsbegründung am 21.
November 2013 noch nicht abgelaufen.

Eick
Kartzke
[X.]

[X.]

Wimmer
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 13.06.2013 -
234 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 16.01.2014 -
57 [X.]/13 -

Meta

VII ZB 19/14

06.05.2015

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.05.2015, Az. VII ZB 19/14 (REWIS RS 2015, 11527)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 11527

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VII ZB 19/14

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