Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.05.2017, Az. 3 StR 69/17

3. Strafsenat | REWIS RS 2017, 11489

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:040517U3STR69.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM [X.] [X.]S VOLKES

URTEIL
3 StR 69/17

vom
4. Mai
2017
in der Strafsache
gegen

wegen Einschleusens von Ausländern u.a.

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 4.
Mai 2017, an der teilgenommen haben:

[X.] am Bundesgerichtshof
Becker,

[X.] am Bundesgerichtshof
[X.],
[X.]in am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],
die [X.] am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],
Dr. Berg

als beisitzende [X.],

[X.]in am Amtsgericht

als Vertreterin
der Bundesanwaltschaft,

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklag-ten gegen das Urteil des [X.] vom 13.
Oktober 2016 werden verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwalt-schaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur unerlaubten Einreise von Ausländern und wegen Einschleusens von Ausländern in zwei Fäl-len zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen wenden sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Staatsanwalt-schaft und des Angeklagten.
Nach den Feststellungen informierte der Angeklagte, ein [X.] Staatsangehöriger,
der sich zu diesem Zeitpunkt in der [X.] aufhielt, auf einer Facebook-Seite "syrische, palästinensische und [X.] Brüder" über eine sichere Schiffspassage von [X.] ([X.])
nach [X.], wobei er für Nachfra-gen zu näheren Details die Nummer des von ihm benutzten Mobiltelefons an-gab. Daraufhin meldete sich ein [X.] Staatsangehöriger, der -
ohne über die für eine legale Einreise erforderlichen Dokumente zu verfügen
-
in ein Land der [X.] einreisen wollte, im Dezember 2014 bei dem Ange-1
2
-
4
-
klagten und traf sich mehrfach mit diesem. Der Angeklagte machte den Zeugen mit einem Schleuser bekannt und begleitete ihn zusammen mit diesem zu
einem Versicherungsbüro, wo er 6.000
US-Dollar
zu hinterlegen hatte, die nach der Ankunft in [X.] freigegeben werden sollten. Dass der Angeklagte dieses Geld oder Teile hiervon erhalten sollte, konnte das [X.] nicht feststellen (Tat
II.1.). [X.]enfalls im Dezember 2014 wandten sich drei weitere syrische Staatsangehörige -
ein entfernter Verwandter des Angeklagten (Tat
II.2.) sowie ein Bekannter aus seinem Heimatort und dessen Cousin (Tat
II.3.)
-, die sich in der [X.] aufhielten, an den Angeklagten, auf den sie als möglichen Helfer hingewiesen worden waren. Der Angeklagte traf sich auch mit diesen und
ver-mittelte sie an unterschiedliche Personen, die sich in der Folge um eine Schiffspassage nach [X.] kümmerten. Diese Zeugen hatten ebenfalls je mehrere Tausend US-Dollar bei dem Versicherungsbüro zu hinterlegen.
Die Zeugen wurden mit über 750
Migranten
schließlich auf ein Schiff verbracht, auf dem sie nur unzureichend versorgt wurden sowie kaum sanitäre Anlagen und Schlafplätze zur Verfügung standen und das schließlich nach einer Seenotmel-dung vor der [X.] im Wege der Rettungshilfe nach [X.] ver-bracht wurde. Die vier Zeugen reisten später nach [X.] ein, nachdem sie sich zunächst nach [X.] begeben und teilweise zunächst auch in [X.] und [X.] aufgehalten hatten. Auch der Angeklagte, dem nach ge-scheiterten früheren Einreiseversuchen im November 2015 über die [X.] die Einreise gelang, lebt mittlerweile in [X.].
Die [X.] konnte sich nicht die Überzeugung verschaffen, dass der Angeklagte bei den Taten gewerbsmäßig und als Mitglied einer Bande han-delte, ebenso
wenig, dass ihm die Bedingungen auf dem Schiff bekannt waren oder von ihm in Kauf genommen wurden.
3
-
5
-
I.
Die Revision der Staatsanwaltschaft
Das zulasten des Angeklagten eingelegte Rechtsmittel der Staatsanwalt-schaft, das sich insbesondere gegen die Beweiswürdigung und die Strafzumes-sung wendet und das vom [X.] nur teilweise vertreten wird, erweist sich als unbegründet.
1.
Die Revision ist unbeschränkt eingelegt worden. Zwar geht der Revisi-onsantrag dahin, dass das Urteil nur im Strafausspruch aufzuheben sei. Doch hat die Staatsanwaltschaft eingangs der Revisionsbegründung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Sachrüge umfassend erhoben wird. Auch greift sie den Schuldspruch im Fall
II.1.
sowie die konkurrenzrechtliche Bewertung der Taten des Angeklagten an. Danach ergibt die im Falle eines unklaren Um-fangs der Anfechtung vorzunehmende Auslegung (vgl. etwa [X.], Urteile vom 7.
Mai 2009 -
3
StR
122/09, juris Rn.
5; vom 11.
Juni 2014 -
2
StR
90/14, [X.]R [X.] §
344 Abs.
1
Antrag
9) nach dem maßgeblichen und eindeutigen Sinn der Revisionsbegründung, dass das Angriffsziel die Aufhebung des gesamten
Urteils ist.
2.
Die Revision der Staatsanwaltschaft zeigt einen Rechtsfehler des
Urteils zugunsten des Angeklagten indessen nicht auf.
a)
Die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§
261 [X.]). Es obliegt daher allein ihm, sich unter dem umfassenden [X.] der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld des Angeklagten zu [X.]. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. [X.]enso ist es allein Sache des Tatrichters, die Bedeu-tung und das Gewicht der einzelnen Indizien in der Gesamtwürdigung des Be-4
5
6
7
8
-
6
-
weisergebnisses zu bewerten. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in [X.] Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt. Liegen solche Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisions-gericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich oder sogar näherliegend gewesen wäre. [X.]enso wenig kann das Revisionsgericht auf der Grundlage einer abweichenden Beurteilung der Bedeutung einer vom Tatrichter vertretbar bewerteten Indiztatsache in dessen Überzeugungsbildung eingreifen (vgl. [X.], Urteile vom 20.
September 2012 -
3
StR
140/12, [X.], 75, 76
f. [X.]; vom 16.
Mai 2013 -
3
StR
45/13, NStZ
2013, 581, 582
f.).
Daran gemessen ist gegen die Beweiswürdigung des [X.]s aus Rechtsgründen nichts zu erinnern. Sie beruht auf einer bewertenden [X.] aller maßgeblichen objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzel-falles. Die von der [X.] in diesem Zusammenhang angestellten [X.] sind -
wie der [X.] in seiner Zuschrift im Einzelnen dargelegt hat
-
weder lückenhaft, widersprüchlich oder unklar noch verstoßen sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze. Die [X.] hat rechtsfehlerfrei dargelegt, warum sie der Einlassung des Angeklagten, aber auch den Angaben des Zeugen

A.

nur eingeschränkt folgt. Die Bewertung einzelner Indiztatsachen durch das [X.] ist entgegen dem [X.] vertretbar und deshalb revisionsrechtlich hinzunehmen.
b)
Auf der Grundlage der danach rechtsfehlerfrei getroffenen [X.] hält der Schuldspruch
rechtlicher Überprüfung stand.
9
10
-
7
-
Insbesondere hat das [X.] im Fall
II.1. der Urteilsgründe ohne Rechtsfehler lediglich auf Beihilfe zur unerlaubten Einreise von Ausländern nach §
95 Abs.
1 Nr.
3 [X.], §
27 StGB erkannt. Soweit die [X.] in ihrer Stellungnahme zur Revisionsbegründung und ihr folgend der [X.] geltend machen, das [X.] hätte sich im Hinblick auf die Einlassung des Angeklagten zu seiner und der Ausreise seiner Familie (UA S.
9) mit einer Strafbarkeit nach §
96 Abs.
1 Nr.
1 Buchst.
a [X.] auseinandersetzen müssen, zeigen sie einen Rechtsfehler nicht auf. Die Urteilsgründe geben keinen Anhalt dafür, dass sich der Angeklagte für sei-ne Unterstützungshandlungen
zu den verfahrensgegenständlichen Schleusun-gen einen -
immateriellen
-
Vorteil gewähren oder versprechen ließ. Zudem ist die dargelegte Aussage des Angeklagten dahingehend zu verstehen, dass die-ser nicht dem Zeugen

D.

Hilfe leistete, um seine eigene Einreise nach [X.] zu ermöglichen, sondern zu diesem Zweck zu einem späte-ren Zeitpunkt Schleusungen auf dem Landwege vornahm, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind. Auf der Basis der Urteilsgründe wäre die Annahme, dass der Angeklagte für seine in den verfahrensgegenständlichen Fällen anderen geleistete Hilfe zur Einreise einen Vorteil erlangt hat oder sich hat versprechen lassen, reine Spekulation. Mit spekulativen Möglichkeiten, für deren Beleg jeder Ansatz im Beweisergebnis fehlt, müssen sich die Urteils-gründe nicht befassen. Aufklärungsrügen sind nicht erhoben.
Soweit die Revision der Staatsanwaltschaft darüber hinaus rügt, das [X.] sei rechtsfehlerhaft nicht von mittäterschaftlicher Begehung ausge-gangen und habe überdies zu Unrecht Tatmehrheit zwischen den abgeurteilten Taten angenommen, zeigt sie keine den Angeklagten begünstigenden Rechts-fehler auf; dies hat der [X.] in seiner Zuschrift bereits zutref-fend dargelegt.
11
12
-
8
-
c)
[X.]enso erweist sich die Strafzumessung als rechtsfehlerfrei.
Die Zumessung der Strafe ist Aufgabe des Tatrichters, dem es obliegt, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhand-lung von der Tat und der Persönlichkeit des Angeklagten gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu [X.] und gegeneinander abzuwägen. Eine ins Einzelne gehende Richtig-keitskontrolle des [X.] findet nicht statt; dieses prüft nur nach, ob dem Tatrichter ein Rechtsfehler unterlaufen ist. In Zweifelsfällen hat das Revisi-onsgericht die Wertung des Tatgerichts zu respektieren (st. Rspr.;
vgl. schon [X.], Urteil vom 17.
September 1980 -
2
StR
355/80, [X.]St 29, 319, 320).
Einen Rechtsfehler enthält die Strafzumessung des [X.]s nach diesen Maßstäben nicht. Das [X.] hat sich bei der Bemessung der [X.] am Umfang der Schuld orientiert, wie es ihn festgestellt hat. Dass es dabei wesentliche strafbestimmende Umstände außer [X.] gelassen hätte, wird von der Revision nicht aufgezeigt und ist nicht ersichtlich. Die verhängten Einzel-strafen sowie die ausgesprochene Gesamtfreiheitsstrafe sind zwar milde. Es kann indes keine Rede davon sein, dass sie sich unvertretbar von ihrer Be-stimmung entfernen, gerechter Schuldausgleich zu sein.
II.
Die Revision des Angeklagten
Die durch
die Revision des Angeklagten -
wie auch die der Staatsanwalt-schaft (§
301 [X.])
-
veranlasste Überprüfung des Urteils hat auch keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben. Insbesondere tragen die rechtsfeh-lerfrei getroffenen Feststellungen den Schuldspruch.
13
14
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16
17
-
9
-
Das [X.] hat allerdings keine ausdrücklichen Feststellungen zu den Modalitäten der Einreise der vom Angeklagten hierbei unterstützten vier Zeugen noch zu deren aufenthaltsrechtlichen Status getroffen. Dies stellt indes keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler dar. Dem [X.] kann entnommen werden, dass die vier [X.], denen der Angeklagte zur Einreise
verholfen hat, ohne den nach §
3 Abs.
1 [X.] erforderlichen Pass bzw. ohne den nach §
4 Abs.
1 [X.] erforderlichen Aufenthaltstitel in das [X.] eingereist sind und ihre [X.] somit unerlaubt im Sinne von §
95 Abs.
1 Nr.
3, §
14 Abs.
1 Nr.
1 und 2 [X.] war. [X.] Regelungen, die vorliegend möglicher-weise einer Bestrafung der Zeugen entgegenstehen, lassen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt die Strafbarkeit des Angeklagten entfallen, so dass seine Verurteilung auf dem Fehlen entsprechender Feststellungen nicht beruht. Im Einzelnen:
1.
Der Angeklagte ist auch dann wegen Beihilfe zur unerlaubten Einreise strafbar, wenn der Schutz des Art.
31 Abs.
1 [X.] (GFK) die Bestrafung der Zeugen wegen der Haupttat nach §
95 Abs.
1 Nr.
3 [X.] verbietet (§
95 Abs.
5 [X.]). Einer möglichen Straflosigkeit der Zeugen steht nicht von vornherein entgegen, dass sie nach den Feststellungen jeweils nicht unmittelbar aus dem Verfolgerstaat ([X.]), sondern aus einem Mitgliedstaat der [X.] -
[X.], teilweise sogar über [X.] (Fall
II.3.
der Urteilsgründe) und [X.] (Fall
II.1.
der Urteilsgründe)
-
nach [X.] eingereist sind. Zwar kann sich auf das Asylgrundrecht grundsätz-lich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der [X.] einreist (vgl. Art.
16a Abs.
2 Satz
1 GG, §
26a Abs.
1 Satz
1 AsylG). Doch kann der Einreisende unter bestimmten Voraussetzungen trotz seines zwischenzeit-

Sinne von §
95 18
19
-
10
-
Abs.
5 [X.] in Verbindung mit Art.
31 Abs.
1 GFK einzustufen sein (vgl. MüKoStGB/[X.], 2.
Aufl., §
95 [X.] Rn.
119). Ein Flüchtling verliert seinen Schutz durch Art.
31 Abs.
1 GFK nicht schon ohne weiteres dadurch, dass er aus einem Drittstaat nach [X.] einreist, sofern er diesen Dritt-schuldhaft verzögert ([X.], Beschluss vom 8.
Dezember 2014

2
BvR 450/11, NVwZ 2015, 361, 363
[X.]). Doch wirkt sich eine mögliche Straffrei-stellung der Zeugen auf die Strafbarkeit des Angeklagten nicht aus.
Denn durch den Schutz des Art.
31 Abs.
1 GFK entsteht lediglich dem Asylsuchenden ein persönlicher Strafaufhebungsgrund, der das bereits verwirklichte Unrecht der unerlaubten Einreise unberührt lässt und deshalb vorliegend auf die Strafbarkeit des Angeklagten ohne Einfluss wäre ([X.], Urteile vom 26.
Februar 2015

4
StR
178/14, [X.], 184, 186 und 4
StR
233/14, [X.]St 60, 205, 212 [X.]).
2.
Eine Verurteilung des Angeklagten scheitert auch nicht an einer etwai-gen Straflosigkeit der Zeugen, die sich aus dem Vorrang des Rückführungsver-fahrens ergeben könnte. Zwar sieht die sogenannte Rückführungsrichtlinie (Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.
Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mit-gliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger -
ABl.
EU
L
348 vom 24.
Dezember 2008, S.
98) in ihrer Auslegung durch den Euro-päischen Gerichtshof einen absoluten Vorrang des Rückführungsverfahrens vor, der der Anwendung strafrechtlicher
Sanktionen gegen einen Drittstaatsan-gehörigen in einem Mitgliedstaat entgegensteht, die allein deshalb verhängt werden können, weil er sich illegal im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats auf-hält, nicht bereit ist, dieses freiwillig zu verlassen, und gegen den noch keine Zwangsmaßnahmen im Sinne von Art.
8 der Rückführungsrichtlinie (also in aller 20
-
11
-
Regel die Abschiebung) angeordnet worden sind ([X.], Urteile vom 28.
April 2011 -
C-61/11 [X.], [X.] 2011, 320; vom 6.
Dezember 2011 -
C-329/11, [X.], 687). Gleiches gilt nach der Rechtsprechung des [X.] für Re-gelungen eines Mitgliedstaats, die allein aufgrund des Umstands der -
zu einem illegalen Aufenthalt führenden
-
illegalen Einreise über eine Binnengrenze die Strafhaft eines Drittstaatsangehörigen zulassen, für den das nach der [X.] vorgesehene Rückführungsverfahren noch nicht abgeschlossen worden ist ([X.], Urteil vom 7.
Juni 2016 -
C-47/15, ZAR
2016, 344). Dies er-gebe sich daraus, dass die Durchführung eines Strafverfahrens wegen uner-laubten Aufenthalts gegen einen Ausländer, gegen den noch keine Rückkehr-entscheidung vollstreckt oder gar erlassen worden sei, dessen Rückführung verzögere; gleiches gelte erst recht bei Vollstreckung einer allein deswegen verhängten Freiheitsstrafe. Aus dieser Rechtsprechung ist im ausländer-strafrechtlichen Schrifttum der Schluss gezogen worden, für die Strafbarkeit wegen unerlaubten Aufenthalts und unerlaubter Einreise verbleibe bei europa-rechtskonformer Auslegung nur ein sehr schmaler Anwendungsbereich: Nur wenn das Rückführungsverfahren endgültig gescheitert sei, komme noch eine Strafbarkeit in Betracht (vgl. [X.]/[X.], NJW 2012, 3339,
3341
f.;
[X.]/[X.], [X.], 2.
Aufl., §
95 Rn.
50
ff.; [X.]/[X.], 2.
Aufl., §
95 [X.] Rn.
50 ff.). Die Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht erfordere zu-dem eine entsprechende einschränkende Auslegung jedenfalls der Tatbestände des §
95 Abs.
1 Nr.
2 und 3 [X.], weshalb auch die akzessorische Teil-nahme an diesen Delikten -
auch in Gestalt der Schleusungsdelikte der §§
96
f. [X.]
-
straflos sei (vgl. [X.]/[X.] aaO, Vorb. zu
§§
96
f. Rn.
19
f.;
[X.]/[X.] aaO, Rn.
54; [X.]/[X.] in [X.] u.a. [Hrsg.], Steht das [X.] Migrationsrecht unter Druck?, 2015, S.
17, 23
ff.).
-
12
-
Dem kann indes nicht gefolgt werden. Dabei kann der Senat offen las-sen, in welchen Fallkonstellationen und unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen die Regelungen der Rückführungsrichtlinie einer Bestrafung von Drittstaatsangehörigen entgegenstehen (vgl. insoweit auch [X.], [X.] vom 25.
Januar 2012 -
3-1/12 (Rev),
OLGSt [X.] §
95 Nr.
5; KG, Beschluss vom 26.
März 2012 -
(4)
1
Ss
393/11
(20/12), [X.], 347). Eine etwaige Straflosigkeit des unerlaubt Einreisenden wirkt sich jedenfalls auf die Strafbarkeit des Gehilfen nicht aus. Nach dem Grundsatz der limitierten Ak-zessorietät setzt die Strafbarkeit des Teilnehmers lediglich eine vorsätzliche und rechtswidrige, nicht notwendig jedoch auch mit Strafe zu ahndende [X.] voraus. [X.] ist es auch mit Blick auf die Rechtsprechung des [X.] und die darin angestellten Erwägungen, die sich auf [X.] bewegen, nicht geboten, den
Vorrang des Rückführungsverfahrens dadurch zu erreichen, dass schon die Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrig-keit des illegalen Aufenthalts verneint werden; vielmehr kann aus diesem Vor-rang allenfalls die persönliche Straflosigkeit der illegal Aufhältigen
bzw. Ein-gereisten oder ein diesbezügliches (partielles) Bestrafungsverbot hergeleitet werden ([X.], Beschluss vom 8.
März 2017 -
5
StR
333/16, [X.], 1624, 1625 [X.]). Dies könnte etwa durch die Annahme eines persönlichen Straf-aufhebungsgrundes geschehen (vgl. dazu MüKoStGB/[X.], 2.
Aufl., §
95 [X.] Rn.

§
95 [X.] Rn.
27 aE). Da das Recht der Mitgliedstaaten, ein Strafbedürfnis durch Rechtsetzung zu formulie-ren, auch nach der Rechtsprechung des [X.] ausdrücklich unberührt bleibt ([X.], Urteile vom 1.
Oktober 2015 -
C-290/14,
NVwZ-RR 2015, 952
f.; vom 6.
Dezember 2012 -
C-430/11, NVwZ-RR 2013, 123; vom 6.
Dezember 2011
-
C-329/11, aaO S.
690), soll durch sie gegebenenfalls lediglich die [X.] eingeschränkt werden, so dass insoweit die Annahme eines [X.] ebenfalls in Betracht kommt (vgl. [X.], [X.], 26.
Aufl., §
152 21
-
13
-
Rn.
30; [X.]. [X.], [X.],
Teil
II,
§
152 Rn.
9; LK/[X.], StGB, 12.
Aufl., Vorb. zu §§
13
ff. Rn.
187 [X.]). Weitergehend könnte bei Sicherung des Vor-rangs der Abschiebung, etwa durch europarechtskonforme Handhabung von §
72 Abs.
4 Satz
1 [X.], §
154b Abs.
3 und 4 [X.] bzw. §
456a [X.] auch nur von einem Vollstreckungshindernis auszugehen sein. In keinem dieser Fälle wird die Tatbestands-
oder die Rechtswidrigkeitsebene tangiert, weshalb es nach den Grundsätzen der limitierten Akzessorietät bei der Strafbarkeit des Teilnehmers verbleibt (vgl. für Fälle der Einschleusung von Ausländern nach §
96 [X.] [X.], Beschluss vom
8.
März 2017 -
5
StR
333/16, [X.], 1624).
Becker
[X.]
[X.]
Ri[X.] Dr. [X.] befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben.
Becker
Berg

Meta

3 StR 69/17

04.05.2017

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.05.2017, Az. 3 StR 69/17 (REWIS RS 2017, 11489)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 11489

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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3 RVs 90/16 (Oberlandesgericht Hamm)


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3 StR 69/17

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