Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 30.11.2022, Az. IV ZR 60/22

4. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 7617

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Gegenstand

Pflichtteilsrecht: Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten nach Ausschlagung seines Erbteils


Leitsatz

Einem Pflichtteilsberechtigten steht auch nach Ausschlagung seines Erbteils gemäß § 2306 Abs. 1 BGB ein Auskunftsanspruch gemäß § 2314 Abs. 1 BGB zu.

Tenor

Die Revision des Beklagten zu 1 gegen das Urteil des [X.] - 19. Zivilsenat - vom 13. Januar 2022 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte zu 1 trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 1.000 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger macht - soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung - gegen den Beklagten zu 1 (im Folgenden: Beklagter) im Wege einer Stufenklage Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend.

2

Die Parteien sind Kinder des 2015 verstorbenen Erblassers. Dieser hatte zusammen mit seiner bereits vorverstorbenen Ehefrau seine fünf Kinder als Erben eingesetzt. Für den Beklagten und einen weiteren Bruder des [X.] hatte er Grundstücksvermächtnisse angeordnet und den Beklagten zum Testamentsvollstrecker bestellt. Der Kläger und seine beiden Schwestern schlugen die Erbschaft jeweils nach § 2306 Abs. 1 [X.] - auch für ihre minderjährigen Kinder - aus.

3

Nach dem Tod des Erblassers trat der Kläger seinen Pflichtteilsanspruch in Höhe einer Schmerzensgeldforderung seiner Stieftochter gegen ihn von 12.000 € (nebst Zinsen) an diese ab. In der Vereinbarung heißt es unter anderem:

"Klarstellend hierzu sind sich die Parteien darüber einig, daß der A […] weiterhin verpflichtet ist, diesen Anspruch auf eigene Veranlassung und Kosten rechtlich zu verfolgen, es der Geschädigten frei steht den Schuldner über diese Abtretung zu informieren und Zahlung in Höhe des Betrages gemäß Ziff. 1 dieses Vergleichs an sich […] zu verlangen.

Sollte der A […] nicht bis längstens zum 30.10.2018 eine Weiterleitung des [X.] erledigt haben oder diesen bzw. einen Auskunftsanspruch im Rahmen einer Stufenklage bei Gericht anhängig gemacht und die Geschädigte hierüber informiert haben, steht es dieser zu, den abgetretenen Anspruch im eigenen Namen geltend zu machen […]"

4

Der Kläger forderte den Beklagten erfolglos zur Auskunftserteilung auf. Er hat beantragt, ihn zu verurteilen, auf der ersten Stufe Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines notariellen Bestandsverzeichnisses, über alle ergänzungspflichtigen Zuwendungen (§ 2325 [X.]) und alle unter Abkömmlingen ausgleichspflichtigen Zuwendungen (§§ 2050 ff. [X.]), die der Erblasser jeweils zu Lebzeiten getätigt hat.

5

Das [X.] hat der Klage stattgegeben, in Bezug auf die ergänzungspflichtigen Zuwendungen (§ 2325 [X.]) mit der Maßgabe, dass der Beklagte Auskunft zu erteilen habe über alle Zuwendungen, die der Erblasser in den letzten zehn Jahren vor seinem Tod getätigt hat. Das [X.] hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision begehrt dieser weiter die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

6

Da der Kläger trotz ordnungsgemäßer Ladung im Revisionstermin nicht vertreten war, ist über die Revision des Beklagten durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil beruht inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer sachlichen Prüfung des Antrags (vgl. [X.], Versäumnisurteil vom 25. Oktober 2011 - [X.], [X.]Z 191, 219 [juris Rn. 8 m.w.N.]).

7

Die Revision hat keinen Erfolg.

8

I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat das [X.] zu Recht einen Auskunftsanspruch des [X.] aus § 2314 Abs. 1 Satz 3 [X.] bejaht. [X.] nach § 2314 [X.] sei auch der Pflichtteilsberechtigte, der - wie hier - nach § 2306 Abs. 1 Satz 2 [X.] sein Erbe ausgeschlagen und den Pflichtteilsanspruch behalten habe. Der Beklagte sei als (Mit-)Erbe nach § 2314 Abs. 1 [X.] auskunftsverpflichtet. Inhalt und Umfang der Auskunftspflicht ergäben sich aus § 2314 Abs. 1 [X.].

9

[X.], wonach der Auskunftsanspruch in untrennbarem Zusammenhang mit dem Zahlungsanspruch stehe, könne gefolgt werden. Daraus ergäbe sich aber nicht, dass der Kläger nicht aktivlegitimiert sei. Er habe seinen Pflichtteilsanspruch zwar durch Vergleich an seine Stieftochter abgetreten, die Abtretung sei aber der Höhe nach auf einen Betrag von 12.000 € nebst Zinsen begrenzt gewesen. Schon aus diesem Grund könne der Kläger weiterhin Auskunft verlangen. Hinzukomme, dass ihm in der Vereinbarung die Verpflichtung auferlegt (und das Recht vorbehalten) worden sei, seinen Pflichtteilsanspruch rechtlich zu verfolgen. Der Kläger habe nicht die Befugnis verloren, seinen Auskunftsanspruch gegen den Beklagten geltend zu machen und im [X.] Zahlung auf einen eventuellen Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch (gegebenenfalls an die Stieftochter) zu verlangen, weil der Beklagte darüber informiert worden sei, dass eine Abtretung stattgefunden habe und Zahlungen an die Stieftochter zu erfolgen hätten.

[X.]. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

1. Die Klage ist entgegen der Ansicht der Revision zulässig; der Kläger ist prozessführungsbefugt.

a) Ein Kläger ist prozessführungsbefugt, wenn er berechtigt ist, über das behauptete (streitige) Recht einen Prozess als Partei im eigenen Namen zu führen ([X.], Urteil vom 7. Juli 2021 - [X.], NJW-RR 2021, 1400 Rn. 23 m.w.N.). Derjenige, der behauptet, Inhaber eines bestimmten Rechts zu sein, hat prozessual die Befugnis, dieses Recht im eigenen Namen einzuklagen (vgl. [X.], Urteile vom 16. Juli 2021 - [X.], [X.], 717 Rn. 13; vom 8. Februar 2019 - [X.], NJW 2019, 3446 Rn. 8). Zu unterscheiden von der die Zulässigkeit der Klage betreffenden Frage, ob einem Kläger die Befugnis zusteht, Ansprüche selbständig geltend zu machen, ist die Frage nach der materiellen Inhaberschaft des Rechts (Aktivlegitimation; vgl. [X.], Urteil vom 13. Oktober 2017 - [X.], NJW-RR 2018, 333 Rn. 6).

b) Danach ist der Kläger hier berechtigt, den behaupteten Auskunftsanspruch im eigenen Namen einzuklagen. Auch wenn er den von ihm geltend gemachten Pflichtteilsanspruch in Höhe von 12.000 € an seine Stieftochter abgetreten hat (§ 398 [X.]), hat er in der Klageschrift und im weiteren Verfahren behauptet, der Auskunftsanspruch stehe ihm zu. Ob diese Ansicht zutreffend ist, ist keine Frage der Prozessführungsbefugnis, sondern eine solche der Aktivlegitimation des [X.].

2. Die Klage hat in der Sache Erfolg.

a) Das Berufungsgericht hat zu Recht einen Auskunftsanspruch des [X.] aus § 2314 Abs. 1 Satz 1 [X.] angenommen.

aa) Ob ein Pflichtteilsberechtigter nach Ausschlagung seines Erbteils gemäß § 2306 Abs. 1 Halbsatz 1 [X.] nicht Erbe im Sinne von § 2314 Abs. 1 [X.] ist, ist umstritten.

Nach einer Auffassung ist § 2314 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht auf Personen anzuwenden, die erst durch Ausschlagung des Erbes nicht als Erben anzusehen sind (vgl. [X.] [X.] 2006, 557 unter I 1 [juris Rn. 3 f.]; [X.]/Stürner, [X.] 18. Aufl. § 2314 Rn. 1). Nach dieser - auch Ausschlagungen nach § 2306 Abs. 1 Halbsatz 1 [X.] betreffenden - Ansicht dürfe die Ausschlagung des Erbes durch den späteren Kläger nicht dazu dienen, seine Stellung im Auskunftsverfahren gegenüber dem Erben zu verbessern und ihm Rechte einzuräumen, die ihm als Miterbe nicht zustünden. Die Unterscheidung zwischen dem pflichtteilsberechtigten [X.] und dem pflichtteilsberechtigten Miterben, die das Gesetz vornehme, dürfe nicht dadurch unterlaufen werden, dass der nur unter eingeschränkten Voraussetzungen mit Auskunftsansprüchen ausgestattete Miterbe die Erbschaft ausschlage, um sich einen von weiteren Voraussetzungen unabhängigen Auskunftsanspruch gegen den (Mit-)Erben zu verschaffen ([X.] aaO [juris Rn. 4]).

Nach der überwiegenden, auch vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung steht einem Pflichtteilsberechtigten nach Ausschlagung seines Erbteils gemäß § 2306 Abs. 1 Halbsatz 1 [X.] ein Auskunftsanspruch aus § 2314 Abs. 1 [X.] zu (vgl. [X.] 2015, 109 Rn. 11 f., 22 ff.; [X.] [X.] 2015, 114 Rn. 10 ff.; OLG [X.] [X.] 2008, 39 unter [X.] [juris Rn. 7 ff.]; [X.] ZErb 2004, 132 f. [juris Rn. 24, 26]; [X.]/[X.], § 2314 Rn. 3 [Stand: 1. August 2022]; [X.]/[X.]/[X.], § 2314 Rn. 19, 20.2 [Stand: 1. November 2021]; [X.]/[X.]/[X.], Erbrecht 4. Aufl. § 2314 Rn. 6; [X.]/Grziwotz/Würdinger, Pflichtteilsrecht 3. Aufl. § 2314 Rn. 5; [X.]/[X.], 9. Aufl. § 2314 Rn. 10 [Stand: 10. Januar 2022]; [X.]/[X.], Erbrecht 6. Aufl. § 2314 Rn. 12; [X.]/[X.], 9. Aufl. § 2314 Rn. 65; [X.]/Müller/[X.], Handbuch Pflichtteilsrecht 2. Aufl. § 2 Rn. 22, 25; [X.]/Hoeren, [X.]. § 2314 Rn. 4; [X.]/[X.], [X.] (2021) § 2314 Rn. 91 [Stand: 22. Mai 2022]; [X.], [X.] 2006, 557). Werde eine Erbschaft ausgeschlagen, gelte der Anfall an den Ausschlagenden gemäß § 1953 Abs. 1 [X.] als nicht erfolgt. Es sei nicht einzusehen, warum der als Erbe eingesetzte Pflichtteilsberechtigte, der die Erbschaft ausschlage, zwar nach § 2306 Abs. 1 [X.] den Pflichtteil verlangen könne, ihm aber - anders als dem enterbten Pflichtteilsberechtigten - der Auskunftsanspruch nach § 2314 Abs. 1 [X.] nicht zustehe (vgl. [X.] aaO Rn. 22; [X.] aaO Rn. 12).

bb) Letztere Auffassung trifft zu. Ein Pflichtteilsberechtigter ist nach Ausschlagung seines Erbteils gemäß § 2306 Abs. 1 Halbsatz 1 [X.] nicht Erbe im Sinne von § 2314 Abs. 1 Satz 1 [X.] und der Auskunftsanspruch aus § 2314 Abs. 1 [X.] steht ihm zu.

(1) Dafür sprechen schon der Wortlaut des § 2314 Abs. 1 [X.] sowie die Gesetzessystematik.

(a) § 2314 Abs. 1 Satz 1 [X.] setzt voraus, dass der Pflichtteilsberechtigte "nicht Erbe ist". Die Vorschrift differenziert nicht nach dem Grund der fehlenden Erbenstellung. Ihr Wortlaut umfasst sowohl die Enterbung des Pflichtteilsberechtigten als auch dessen Erbausschlagung nach § 2306 Abs. 1 Halbsatz 1 [X.].

(b) Ohne Erfolg wendet die Revision ein, bei einer Ausschlagung nach § 2306 Abs. 1 Halbsatz 1 [X.] sei der Pflichtteilsberechtigte zum Zeitpunkt des Erbfalls noch Erbe gewesen. Zum einen verlangt § 2314 Abs. 1 Satz 1 [X.] nur, dass der Pflichtteilsberechtigte nicht Erbe "ist", nicht aber, dass er dieses zu keiner Zeit war. Zum anderen ist der "vorläufige Erbe", der seinen Erbteil wirksam ausgeschlagen hat, nach § 1953 Abs. 1 [X.] materiell-rechtlich von Anfang an als Nichterbe anzusehen, worauf das Berufungsgericht zu Recht hinweist. Die Erbschaft fällt gemäß § 1953 Abs. 2 [X.] dem [X.] an, der vom Erbfall an (rückwirkend) als Erbe gilt und unmittelbarer Rechtsnachfolger des Erblassers ist (vgl. Senatsurteil vom 8. Februar 1989 - [X.], [X.]Z 106, 359 unter [X.]I [juris Rn. 18]).

Anders als die Revision meint, spricht auch § 1959 [X.] nicht gegen, sondern für diese Auslegung. Während § 1959 Abs. 2 und 3 [X.] im Hinblick auf die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften, die der vorläufige Erbe für den Nachlass getätigt hat oder die diesem gegenüber mit Wirkung für den Nachlass vorgenommen worden sind, Ausnahmen von der rückwirkenden Wirkung der Ausschlagung nach § 1953 Abs. 1 [X.] vorsieht (vgl. Senatsurteil vom 8. Februar 1989 aaO; [X.], Urteil vom 16. Mai 1969 - [X.], NJW 1969, 1349 unter 2 b [juris Rn. 14]; zu § 2056 [X.] Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das [X.], [X.], Erbrecht, 1888, S. 537 f.), fehlt eine vergleichbare Ausnahmeregelung in Bezug auf das Auskunftsrecht gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 1 [X.].

Entgegen der Ansicht der Revision ist für die [X.]stellung nach § 2314 Abs. 1 Satz 1 [X.] auch nicht gemäß § 1922 Abs. 1 [X.] auf den Zeitpunkt des Erbfalls abzustellen. Gemäß § 1942 Abs. 1 [X.] steht der Von-selbst-Erwerb des berufenen Erben nach §§ 1922, 1942 [X.] (vgl. Senatsurteil vom 19. Januar 2011 - [X.], [X.]Z 188, 96 Rn. 27) unter dem Vorbehalt, dass dieser sein Erbe nicht - wie der Kläger - ausschlägt.

Das Auskunftsrecht des seinen Erbteil gemäß § 2306 Abs. 1 Halbsatz 1 [X.] ausschlagenden Pflichtteilsberechtigten unterläuft auch nicht - wie die Revision geltend macht (vgl. auch [X.] [X.] 2006, 557 unter I 1 [juris Rn. 4]) - eine vom Gesetz vorgenommene Unterscheidung zwischen dem pflichtteilsberechtigten [X.] und dem pflichtteilsberechtigten Miterben. Systematisch ist die Annahme eines Auskunftsrechts vielmehr folgerichtig, weil der Ausschlagende gemäß § 2306 Abs. 1 Halbsatz 1 [X.], § 1953 Abs. 1 [X.] als pflichtteilsberechtigter Nichterbe anzusehen ist.

(2) Die eindeutige Entstehungsgeschichte des § 2314 Abs. 1 Satz 1 [X.] bestätigt diese Auslegung. Nach Ansicht der [X.] sollte die Auskunftspflicht des Erben nach § 1988 Abs. 1 Satz 1 [X.] alle in Betracht kommenden Fälle umfassen, insbesondere auch den, dass der Pflichtteilsberechtigte als Erbe eingesetzt ist, aber wegen der ihm auferlegten Beschwerungen oder Beschränkungen gemäß § 1981 [X.] ausschlägt (vgl. zu § 1988 [X.] Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das [X.], [X.], Erbrecht, 1888, S. 409; [X.], [X.] Erbrecht § 2314 Rn. 2).

(3) Entgegen der Auffassung der Revision machen der Sinn und Zweck des § 2314 Abs. 1 Satz 1 [X.] keine einschränkende Auslegung der Regelung erforderlich.

(a) Bei den Ansprüchen aus § 2314 Abs. 1 [X.] handelt es sich um unselbständige [X.], die es dem Pflichtteilsberechtigten ermöglichen sollen, sich die notwendigen Kenntnisse zur Bemessung des [X.] zu verschaffen (vgl. Senatsurteil vom 1. Dezember 2021 - [X.], [X.] 2022, 84 Rn. 20 m.w.N.; [X.]/[X.], 9. Aufl. § 2314 Rn. 66). Wenn das Gesetz dem Pflichtteilsberechtigten auch für den Fall einer Erbausschlagung nach § 2306 Abs. 1 Satz 1 [X.] einen solchen Pflichtteilsanspruch einräumt, ist - wie das Berufungsgericht richtig ausgeführt hat - kein Grund erkennbar, warum ihm nicht zugleich die [X.] aus § 2314 Abs. 1 [X.] zustehen sollen (vgl. [X.] 2015, 109 Rn. 22; [X.] [X.] 2015, 114 Rn. 12; [X.]/[X.], aaO Rn. 65; [X.], [X.] 2006, 557, 558).

(b) Zu Unrecht wendet die Revision ein, der Pflichtteilsberechtigte bedürfe im Falle einer Erbausschlagung nach § 2306 Abs. 1 Satz 1 [X.] keines Auskunftsanspruchs nach § 2314 Abs. 1 [X.], weil ihm bis zur Ausschlagung die Auskunftsrechte eines (vorläufigen) Miterben zustünden.

Der vorläufige Erbe muss bis zur Ausschlagung seines Erbteils schon keinen Anlass haben, die Höhe eines aus der Ausschlagung folgenden [X.] zu ermitteln. Die Entscheidung über die Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft wird nicht immer nur nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten getroffen. Hierfür können auch persönliche Überlegungen, etwa ein besonderes Näheverhältnis zum Erblasser oder der Ruf und das Ansehen der Beteiligten, eine Rolle spielen (vgl. Senatsbeschluss vom 16. März 2022 - [X.], [X.] 2022, 341 Rn. 12). Schlägt der Pflichtteilsberechtigte seinen Erbteil gemäß § 2306 Abs. 1 Satz 1 [X.] aus einem solchen Motiv aus, ist er zur späteren Ermittlung der Höhe des [X.] auf die Informationen des Erben über den Bestand und Wert des Nachlasses angewiesen.

Selbst wenn der vorläufige Erbe seinen Erbteil aus wirtschaftlichen Erwägungen ausschlägt, braucht er es nicht für nötig zu halten, die genaue Höhe seines [X.] zu ermitteln. Ihm kann es beispielsweise genügen, den Wert seines Erbteils und die Höhe seines [X.] zur Vermeidung einer Entscheidung "ins Blaue hinein" nur ungefähr in Erfahrung zu bringen und dadurch in Relation setzen zu können (vgl. [X.]/[X.], [X.] (2021) § 2306 Rn. 46). Für eine exakte Berechnung kann sich die nach § 1944 Abs. 1 [X.] sechswöchige Ausschlagungsfrist im Einzelfall als knapp erweisen. Im Rahmen einer Ausschlagung nach § 2306 Abs. 1 Satz 1 [X.] muss der vorläufige Erbe hierfür nicht nur die Vermögensverhältnisse des Erblassers und die Höhe seines [X.], sondern auch die Tragweite der vom Erblasser angeordneten Beschränkungen und Beschwerungen einschätzen (vgl. [X.]/[X.], [X.] (2017) § 1944 Rn. 3a [Stand: 30. April 2021]; [X.]/[X.], [X.] (2021) § 2306 Rn. 46).

(c) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, dass die Rechtsstellung des seinen Erbteil nach § 2306 Abs. 1 Halbsatz 1 [X.] ausschlagenden Pflichtteilsberechtigten durch den Auskunftsanspruch nach § 2314 Abs. 1 [X.] verbessert würde und ihm damit im Auskunftsverfahren mehr Rechte als dem Miterben zustünden (vgl. [X.] [X.] 2006, 557 unter I 1 [juris Rn. 4]). Da der Pflichtteilsberechtigte nach der Ausschlagung selbst keinen Zugriff auf den Nachlass mehr hat, benötigt er zur Berechnung seines Anspruchs die weiterreichenden Auskunftsrechte des § 2314 Abs. 1 [X.]. Seine tatsächliche Lage ist nicht mit der eines Miterben vergleichbar, sondern mit der eines pflichtteilsberechtigten [X.] nach § 2303 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Warum diesem die Auskunftsansprüche des § 2314 Abs. 1 [X.] zustehen sollen, dem Pflichtteilsberechtigten nach der Ausschlagung hingegen nicht (vgl. auch [X.] [X.] 2015, 114 Rn. 12; [X.]/[X.], 9. Aufl. § 2314 Rn. 10 [Stand: 10. Januar 2022]), vermag die Revision nicht aufzuzeigen.

cc) Soweit die Revision rügt, es hätten keine Beschränkungen oder Beschwerungen im Sinne von § 2306 Abs. 1 Halbsatz 1 [X.] vorgelegen, dringt sie damit nicht durch. Das Berufungsgericht hat gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO wegen der Einzelheiten des Sachverhalts auf die Feststellungen des [X.]s Bezug genommen, wonach das Testament unter anderem für den Beklagten Grundstücksvermächtnisse enthielt und er zum Testamentsvollstrecker bestellt worden ist. In seinen Entscheidungsgründen hat es zudem selbst festgestellt (vgl. [X.], Urteil vom 3. Februar 2016 - [X.], [X.] 2016, 547 Rn. 38 m.w.N.), dass der Kläger seinen Erbteil gemäß § 2306 Abs. 1 Halbsatz 1 [X.] ausgeschlagen hat. Das Revisionsgericht ist an diese Feststellungen gebunden (§§ 314, 559 ZPO).

Ohne Erfolg wendet die Revision ein, der Kläger habe nicht dargelegt, seinen Erbteil wegen Beschränkungen oder Beschwerungen des Nachlasses ausgeschlagen zu haben. Darauf kommt es nicht an. Wie bereits ausgeführt, kann die Ausschlagung gemäß § 2306 Abs. 1 Halbsatz 1 [X.] ebenfalls auf anderen Motiven beruhen als den Beschränkungen oder Beschwerungen im Sinne dieser Vorschrift. Ihre Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht nach § 1945 Abs. 1 Halbsatz 1 [X.] muss auch nicht begründet werden (vgl. [X.]/[X.], § 1945 Rn. 119 [Stand: 1. Juni 2022]). Die Erklärung braucht nur den Willen erkennen zu lassen, dass der Erbe nicht Erbe sein oder die Erbschaft nicht annehmen will (vgl. [X.], 1135 unter [X.]; [X.]/Weidlich, [X.] 81. Aufl. § 1945 Rn. 1 m.w.N.).

b) Zu Recht hat das Berufungsgericht den Kläger trotz der Abtretung seines [X.] an seine Stieftochter in Höhe deren Schmerzensgeldforderung als aktivlegitimiert angesehen.

Ein Kläger ist aktivlegitimiert, wenn er befugt ist, den [X.] nach materiellem Recht in eigener Person - wenn auch unter Umständen mit dem Ziel der Leistung an einen [X.] - geltend zu machen ([X.] in [X.], ZPO 34. Aufl. Vor § 253 Rn. 25). Nach allgemeinen Grundsätzen trägt der Schuldner - im Streitfall der Beklagte - die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Kläger als ursprünglicher Gläubiger des Auskunftsanspruchs nicht mehr aktivlegitimiert ist (vgl. [X.], Urteil vom 31. März 2004 - 10 [X.], juris Rn. 19 f.; [X.], Urteil vom 29. Januar 2003 - 13 U 11/02, juris Rn. 3 ff.; [X.] NJW-RR 1997, 1059 unter [X.] 5 [juris Rn. 23]; [X.]/[X.], 9. Aufl. § 398 Rn. 61 [Stand: 1. Februar 2020]). Da dem Zedenten und dem Zessionar bei einer Teilabtretung jeweils eigenständige Auskunftsrechte zustehen (vgl. [X.]/[X.], [X.] (2021) § 2314 Rn. 111 [Stand: 22. Mai 2022]), wäre es entgegen der Ansicht der Revision zunächst Sache des Beklagten gewesen, darzulegen, dass der Kläger seinen Pflichtteilsanspruch durch dessen dem Wortlaut des Vergleichs nach nur beschränkte Abtretung vollständig verloren hat. Dies hat er nicht getan. Soweit er nach den Feststellungen des Berufungsgerichts geltend gemacht hat, der Auskunftsanspruch stehe in untrennbarem Zusammenhang mit dem Zahlungsanspruch und es könne nicht angenommen werden, dass dem Kläger der Auskunftsanspruch unabhängig davon zustehe, wer den Zahlungsanspruch habe, reicht dies nicht aus. Der Vereinbarung zwischen dem Kläger und seiner Stieftochter aus dem [X.] lässt sich weder nach ihrem Wortlaut noch dem erkennbaren Sinnzusammenhang entnehmen, dass neben dem Zahlungsanspruch auch der Auskunftsanspruch aus § 2314 Abs. 1 [X.] abgetreten werden sollte. Dem Kläger wurde gerade die Verpflichtung auferlegt, "den Anspruch auf eigene Veranlassung und Kosten rechtlich zu verfolgen". Im Fall einer solchen - hier vorliegenden - Sicherungsabtretung verbleiben die zur Durchsetzung des Anspruchs erforderlichen Hilfsrechte in der Regel beim Zedenten (vgl. etwa [X.], Urteil vom 17. Januar 2002 - [X.]/00, NJW 2002, 1568 unter [X.] b [juris Rn. 14]; [X.]/[X.], [X.] 81. Aufl. § 401 Rn. 4).

Prof. Dr. Karczewski  

  

Dr. Brockmöller  

  

Dr. Bußmann

  

Dr. Bommel  

  

[X.]  

  

Meta

IV ZR 60/22

30.11.2022

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Versäumnisurteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Stuttgart, 13. Januar 2022, Az: 19 U 28/21

§ 2050 BGB, § 2306 Abs 1 Halbs 1 BGB, § 2314 Abs 1 S 1 BGB, § 2314 Abs 1 S 3 BGB, § 2325 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 30.11.2022, Az. IV ZR 60/22 (REWIS RS 2022, 7617)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7617 MDR 2023, 172 REWIS RS 2022, 7617

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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